Katzenjammer

Von Susanne Flach

Im Super­markt des Shop­blog­gers hat ein Kunde eine Mit­teilung über eine zuge­laufene Katze aufge­hängt. Der Schreiber der Notiz kündigt an, für den Fall, dass sich der Eigen­tümer nicht meldet, die “schwarze Kätzin” bei seinem bevorste­hen­den Umzug nach Süd­deutsch­land mitzunehmen. Nun haben Klugscheißerviren eine kurze Inku­ba­tion­szeit und so dauert es auch nur bis zum zweit­en Kom­men­tar, bis jeman­dem auf­fällt, dass die Katze schon fem­i­nin ist und Kätzin dem­nach über­flüs­sig ist.

So weit, so falsch. Weit­er­lesen

Von Hamburgern und Nürnburgern

Von Susanne Flach

Sie haben’s geschafft. Ich stand let­zte Woche im Restau­rant zum gold­e­nen M und war kurzfristig sehr ver­wirrt. Aber der Rei­he nach.

McDonald’s wirbt auf Bussen im Ham­burg­er Nahverkehr mit “Mehr Ham­burg­er gibt’s bei uns”. Das Wort­spiel funk­tion­iert natür­lich, weil Ham­burg­er sowohl die Bedeu­tung ‘Per­son aus Ham­burg’ als auch ‘gegrilltes Rind­fleisch im Brötchen’ hat. Und auch wenn die Herkun­ft der zweit­en Bedeu­tung nicht zweifels­frei auf die Hans­es­tadt zurück zu führen ist, bzw. zu Ham­burg keine abschließende Beziehung herzustellen ist, ist — unter der Annahme, dass der Burg­er doch iii­i­ir­gend­wie mit der Hafen­stadt zu tun hat — Ham­burg­er eines der Haus- und Hof­beispiele für einige wichtige mor­phosyn­tak­tis­che Prozesse.

Zum Anek­doten­reper­toire eines Anglis­ten oder Lin­guis­ten sollte auch die Diskus­sion mit nicht-deutschsprachi­gen Glo­be­trot­tern darüber gehören, dass Ham­burg­er ver­mut­lich keine uramerikanis­che Erfind­ung ist und dass Burg­er ety­mol­o­gisch nicht nur mit Fleisch zwis­chen Brötchen zu tun hat, son­dern auch mit dem (der?) deutschen Burg ver­wandt ist. Eine solche Diskus­sion endet meist dann, wenn man dem lin­guis­tisch nicht geschul­ten Gesprächspart­ner die zugegeben­er­maßen fiese Frage stellt, wo im Ham­burg­er denn der Schinken (engl. ham) sei. Von einem befre­un­de­ten Lin­guis­tenkol­le­gen ist über­liefert, dass er in Aus­tralien meist für mehrere Minuten glaub­haft aufrechter­hal­ten kon­nte, dass die Schwest­er­stadt von Ham­burg das über die Elbe liegende weniger bekan­nte Cheese­burg sei.

Was passiert hier mor­phol­o­gisch? Weit­er­lesen

Noch mehr Tassen im Schrank

Von Susanne Flach

Kom­men­ta­tor Lukas hat mich darauf aufmerk­sam gemacht, dass man in Öster­re­ich auch den Begriff Häferl für ‘Tasse/Becher’ ken­nt. Dialek­tale Vari­a­tion ist natür­lich nichts ungewöhn­lich­es — und ver­mut­lich sind die kul­turellen und lexikalis­chen Unter­schiede bei so etwas pro­fanem wie Trinkge­fäßen noch deut­lich aus­geprägter, als wir glauben wollen.

Inter­es­sant sind die Ergeb­nisse ein­er Bilder­suche nach ‘Häferl’. Offen­bar beze­ich­net Häferl neben einem Kaf­fee­bech­er oder ein­er Tee­tasse auch ein Gefäß mit Aus­guss. Aber es macht deut­lich: wir kön­nen nicht sagen, wo Häferl aufhört und wo ein karaf­fenähn­lich­es Gefäß anfängt oder ob Häferl typ­is­cher­weise bei­de Gegen­stände ein­schließt. (Liebe Öster­re­ich­er, wir sind vielle­icht lin­guis­tisch ver­wandt, und bei Tassen hört’s ver­mut­lich schon auf. Verzei­ht mir meine absolute Nichtken­nt­nis des (?) Häferls.)

Vor allem von Fre­un­den aus dem Ruhrpott kenne ich noch den Pott. Woran denkt ihr, wenn ihr Pott hört? An ein Hil­f­s­mit­tel zur Auf­nahme von Kaf­fee oder an eines, diesen wieder abzuführen? An den DFB-Pokal (“Wir holen den Pott!”), aber bes­timmt nicht an den WM-Pokal?

Paul Potts ist keine pro­to­typ­is­che Tasse.

Lilliput “Badisch”?

Von Kristin Kopf

Ich habe mir kür­zlich das Lil­liput-Wörter­buch Badisch gekauft – weil’s an der Kasse stand. (Nein, bei Schoko­riegeln falle ich nicht drauf rein.) Und ich bin wider Erwarten recht zufrieden damit. Natür­lich hat es wenig prak­tis­chen Nutzen, aber es ist ganz lustig und scheint mir ordentlich gemacht. Die Ein­träge richt­en sich nach dem Karl­sruher Dialekt und wer­den gele­gentlich durch kleine Infobox­en vervollständigt.

Solche Spaßpro­jek­te lis­ten ja meist eine Vielzahl von Wörtern auf, die max­i­mal scherzhaft, meist aber gar nicht benutzt wer­den. Das Badisch-Wörter­buch hält sich damit angenehm zurück. Es gibt zwar gele­gentlich welche (z.B. Drod­dwar­be­laaidi­ger ‘Trot­toir­belei­di­ger’ für ‘große Schuhe’) , aber die meis­ten Ein­träge sind wirk­lich brauchbar.

Die Texte der Infobox­en sind meist klug geschrieben – hier sei stel­lvertre­tend der Ein­trag Deb­bich ‘Tep­pich, Decke’ zitiert (zum sel­ben The­ma beim Sch­plock):

Im Badis­chen hat man in seinem Bett einen Deb­bich, um sich damit zuzudeck­en. Auch ins Schwimm­bad nimmt man einen Deb­bich als Liegedecke mit. Und wenn ein richtiger Fuß­bo­den­tep­pich schmutzig ist, dann bear­beit­et man ihn mit einem Deb­bich­baddsch­er, einem Teppichklopfer.

Was ich etwas prob­lema­tisch finde: Das Wörter­buch erhebt im Titel den Anspruch, für das “Badis­che” zu gel­ten – das ist aber kein ein­heitlich­er Dialekt. Man benutzt die Beze­ich­nung für alle Dialek­te des früheren Lands Baden, eine Sam­mel­beze­ich­nung also.

Das Büch­lein gibt das zwar freimütig zu, aber ein bißchen geschum­melt wirkt es doch: Eigentlich ist es nur ein süd­fränkisches Wörter­buch – deckt also den Bere­ich ab, der hier pink ist: Weit­er­lesen

Meine Tasse hat keinen Henkel und heißt Becher

Von Susanne Flach

Wenn jemand sagen würde: “Zeichne ein Möbel­stück!”, wie groß ist die Wahrschein­lichkeit, dass ich ikonisch ein Bett oder einen Stuhl zeichne und nicht einen Spiegel oder ein Side­board? Und warum denkt man bei Stuhl eher an einen Stuhl in der Küche und nicht an einen Stuhl in der Zah­narzt­prax­is? Abge­se­hen von biol­o­gis­chem Experten­wis­sen — ist der watschel­nde Pin­guin wirk­lich eher ein Vogel, als die flugfähige Fle­d­er­maus? Und wer kann genau sagen, wo die Gren­ze zwis­chen Blau und Lila ist? Wenn ein Kind einen Hund sieht, wird es ver­mut­lich wed­er rufen “Schau mal, ein Tier” noch “Schau mal ein Pekinese!”

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Außerirdische in den USA?

Von Anatol Stefanowitsch

In den Kom­mentaren zu meinem let­zten Beitrag zitiert Leser/in Bal­anus fol­gende inter­es­sante Pas­sage von ein­er Nachricht­en­seite und fragt, ob es stimmt, was dort über das Wort alien gesagt wird:

Der Stre­it um das Gesetz in Ari­zona, das jet­zt eine Rich­terin erst ein­mal zu Fall brachte, hat die Stim­mung lediglich zusät­zlich ange­heizt. „Ille­gal aliens“ — so nen­nen vor allem Kon­ser­v­a­tive immer häu­figer die Ein­wan­der­er ohne Papiere. Schön klingt das nicht, eher bedrohlich: Aliens — das sind auch die Mon­ster aus dem All. [Link]

Tat­säch­lich wer­den gle­ich drei Behaup­tun­gen über den Begriff ille­gal alien aufgestellt: Erstens, dass er Assozi­a­tio­nen „Mon­stern aus dem All“ aus­löst; zweit­ens, dass es sich um einen neuen Begriff han­delt („immer häu­figer“); drit­tens, dass es sich dabei um einen Kampf­be­griff der amerikanis­chen Kon­ser­v­a­tiv­en han­delt („vor allem Konservative“).

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Ibere Ittume-Inglische ine ‑Ialektde

Von Kristin Kopf

[Gegenüber dem Orig­i­nal leicht verändert.]

Let­zte Woche habe ich Peter Hafen getrof­fen. Er ist der erste Vor­sitzende des Bern­er Mat­teänglisch-Clubs (mit der char­man­ten Abkürzung Mäc). Die Geheim­sprache Mat­teänglisch hat er in sein­er Schulzeit – wie schon sein Vater und sein Groß­vater – von seinen Klassenkam­er­aden gel­ernt. Die fol­gen­den Erk­lärun­gen basieren teils auf seinen Erzäh­lun­gen, teils auf dem Mäc-Buch Mat­teänglisch. Geschichte der Mat­te. Dialekt und Geheim­sprache von Stirnemann.

Mat­teenglisch ent­stand im Bern­er Mat­te­quarti­er und basiert auf dessen Dialekt, dem Mat­te­di­alekt (oder Mat­te-Bern­deutsch) – der vie­len auch schon wie eine Geheim­sprache vorgekom­men sein dürfte, aber nicht mit ihr ver­wech­selt wer­den sollte.

Der Mattedialekt als Soziolekt

Die Mat­te ‘Wiese’ ist ein beson­der­er Stadt­teil Berns: Sie liegt in der Fluß­biegung der Aare direkt am Wass­er – und über 30 Meter unter dem Rest der Stadt. Hier waren früher vor allem Schif­fer und Handw­erk­er ange­siedelt, später dann auch Indus­trie­un­ternehmen und ihre Arbeiter.

Lage der Mat­te in Bern – Quelle: Tschub­by (cc-by-sa, bearbeitet)

In der Mat­te kon­nte sich durch zwei Bedin­gun­gen ein sehr eigen­ständi­ger Dialekt entwick­elt: Weit­er­lesen

Zwischendurch

Von Anatol Stefanowitsch

Um mich zwis­chen beru­flichen Verän­derun­gen und einem drin­gend benötigten Urlaub wenig­stens kurz zu im Sprachlog blick­en zu lassen, hier drei Kurzmel­dun­gen (bitte langsam lesen — da ich nicht weiß, ob ich in der näch­sten Woche Inter­net­zu­gang habe, müssen sie vielle­icht bis zum Ende des Monats reichen).

Sarah Palin als Sprachschöpferin

Die ehe­ma­lige amerikanis­che Vizepräsi­dentschaft­skan­di­datin Sarah Palin zeigt sich als Sprach­schöpferin. In einem Tweet ver­wen­dete sie das Wort refu­di­ate, ver­mut­lich eine Ver­mis­chung von refuse („ver­weigern“) und repu­di­ate („nicht anerken­nen“, „zurück­weisen“):

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[Schplock goes English] How to pronounce German ö and ü

Von Kristin Kopf

Wel­come to Schplock’s first Eng­lish post – a tuto­r­i­al on round­ed front vow­els, name­ly <ö> and <ü>. Impa­tient read­ers might want to skip the more the­o­ret­i­cal first “half” and jump right to the DIY-part below.

What is round in a rounded vowel?

Round­ed vow­els are gen­er­al­ly pro­duced by form­ing a cir­cle with your lips. Or more technically:

Lip round­ing involves draw­ing the cor­ners of the lips togeth­er and pro­trud­ing the lips for­ward from their nor­mal rest posi­tion. (Mad­dieson 2008)

That’s a very com­mon prop­er­ty in back vow­els (pro­duced by putting your tongue some­where in the back of your mouth) like

  • [o] which does­n’t exist in Eng­lish, but you may know it from French eau ‘water’, Ital­ian sole ’sun’ or Span­ish tomar ‘take’,
  • [ɔ] in thought,
  • [u] in goose and
  • [ʊ] in book.

An extreme­ly sim­pli­fied ver­sion of where those sounds are pro­duced can be found in the fig­ure to the right.

In Ger­man, those four sounds dif­fer not only in tongue posi­tion, but also in length: the “lax” vow­els /ɔ/ and /ʊ/ are always short, the “tense” vow­els /o/ and /u/ are always long.

Front vs. back

Round­ing in front vow­els is pret­ty rare in the world’s lan­guages. The prop­er­ty can be found in only 37 of the 526 lan­guages con­sid­ered for the cor­re­spond­ing WALS-map. Only 23 of these pos­sess both high (i.e. ü) and mid (i.e. ö) round­ed front vow­els.1

Source: Ian Mad­dieson, World Atlas of Lan­guage Struc­tures. CC BY-NC-ND.2 (Click for a larg­er version)

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