Sprachpanscher und Nichtsversteher

Von Anatol Stefanowitsch

Ich habe lange nichts über den Vere­in Deutsche Sprache geschrieben, dabei hätte der etwas dig­i­tale Aufmerk­samkeit drin­gend nötig: Für den Such­be­griff VDS bietet Google derzeit als ersten Tre­f­fer die Seite des Brand­schutzex­perten „Ver­trauen durch Sicher­heit“ an, erst an zweit­er Stelle fol­gen die Anglizis­men­jäger aus Dort­mund. Der Such­be­griff Sprach­nör­gler führt dage­gen nach wie vor tre­ff­sich­er zum gewün­scht­en Ziel.

Da ich per­sön­lich die Hauptver­ant­wor­tung für die Ver­bre­itung dieses Begriffs trage (wobei ich sein­erzeit Schützen­hil­fe von Wortis­tik­er Detlef Gürtler hat­te), würde ich zum Aus­gle­ich gerne etwas Nettes über den VDS sagen. Aber so sehr ich mich bemühe, in den Pressemit­teilun­gen der Möchte­gern-Sprach­schützer irgen­det­was zu find­en, das tat­säch­lich etwas mit Sprach­pflege zu tun hätte, ich finde immer nur Sprach­nörgeleien, die in ihrer humor­be­fre­it­en Blöd­haftigkeit zum Verzweifeln sind.

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Kevin allein in der Unterschicht?

Von Anatol Stefanowitsch

Die Vor­na­men-Studie, die ich hier am Sam­stag besprochen habe, hat auch Chris­t­ian Rein­both (Frisch­er Wind/ScienceBlogs.de) beschäftigt. Er über­legt (ähn­lich wie Sprachlogleser Arndt in einem Kom­men­tar zu meinem Beitrag), ob Kinder mit unter­schicht­typ­is­chen Namen möglicher­weise deshalb als weniger leis­tungs­fähig ange­se­hen wer­den, weil sie es im Durch­schnitt eben auf­grund ihrer Schichten­zuge­hörigkeit tat­säch­lich sind. In diesem Zusam­men­hang fragt er, ob es über­haupt schich­t­en­typ­is­che Namen gibt, denn das wäre natür­lich eine Voraus­set­zung für diese Überlegung.

Zu der grund­sät­zlichen Über­legung selb­st kann ich nicht viel sagen. Ich halte sie nicht für grund­sät­zlich unplau­si­bel, wobei ich noch ein­mal darauf hin­weisen muss, dass Lehrer/innen sich von möglichen Vorurteilen gegenüber bes­timmten Namen bei der Notenge­bung eben nicht bee­in­flussen lassen.

Aber die Frage, ob es schicht­en­spez­i­fis­che Vor­na­men gibt, kann ich auf der Grund­lage ein­er aktuellen, sehr aus­führlichen Studie des berlin­er Sozi­olo­gen Jür­gen Ger­hards klar mit „Ja“ beantworten.

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Wenn ein Wort entzweit

Von Susanne Flach

Wann ist ein ‘Wort’ ein Wort und wann ist ein Wort zwei Wörter?

Diese Frage spal­tete auf der StuTS beim abendlichen Grillen die Gruppe. Wir spielte das StuTS-Tra­di­tion­sspiel, bei dem sich die Mit­spiel­er eine Per­son aus­denken und anonym auf einen Zettel schreiben. Diese Zettel kom­men in einen Topf. Zwei Grup­pen wer­den gebildet; dann soll im Wech­sel jew­eils ein Mit­glied einen Zettel ziehen und die Per­son auf dem gezo­ge­nen Zettel sein­er eige­nen Gruppe in max­i­mal drei Wörtern erk­lären. Beispiel: Ich hat­te Heinz Erhardt gezo­gen und beschrieb ihn mit ‘Schaus­piel­er’, ‘Nachkriegszeit’, ‘witzig’ (kam kein­er drauf). Wird die Per­son von der Gruppe errat­en, bekommt die Gruppe einen Punkt; wenn nicht, wan­dert der Zettel in den Topf zurück.

Für Runde Zwei kom­men die Zettel wieder in den Topf, das Spiel wieder­holt sich mit den gle­ichen zu erra­ten­den Per­so­n­en — in der zweit­en Runde dür­fen aber nur noch zwei Wörter zur Umschrei­bung ver­wen­det wer­den, da die Per­so­n­en ja bekan­nt sind und Wörter aus der ersten Runde wieder­holt wer­den dür­fen. In der drit­ten Runde das gle­iche Spiel, dieses Mal darf nur noch ein Wort benutzt wer­den. Alles klar? Wichtig für den weit­eren Ver­lauf ist lediglich, dass es um die Regel ging, ein Wort zur Umschrei­bung ein­er Per­son zu ver­wen­den, um den Punkt zu erhalten.

Die zu erra­tende Per­son war ‘Robin Hood’. Und der Begriff, um den es in der drit­ten Runde ging, war Sher­wood For­est. Weit­er­lesen

Die mit den Prolls tanzt

Von Anatol Stefanowitsch

Wer­den Schüler mit Namen wie Kevin oder Mandy für dieselbe Leis­tung schlechter benotet als Schüler mit Namen wie Max­i­m­il­ian und Char­lotte? Müssen sich Justin und Jacque­line schon wegen ihrer Namen auf eine Hauptschulka­r­riere ein­stellen, wärend Alexan­ders und Kathari­nas Eltern schon mal einen Platz im Stu­den­ten­wohn­heim reservieren lassen können?
Die kurze Antwort lautet „Nein“, auch wenn die Medi­en uns seit eini­gen Tagen das Gegen­teil erzählen.

Die lange Antwort lautet eben­falls „Nein“, nur ist der Weg dahin etwas komplizierter.

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Was sich begeben vnnd zugetragen hat / in Deutsch:vnnd Welschlant …

Von Kristin Kopf

Ich lese ger­ade früh­neuhochdeutsche Zeitung­s­texte und muss sagen, ich wäre um eine Aus-aller-Welt- oder Panora­ma-Seite sehr dankbar. Es geht immer nur um die nervi­gen Evan­ge­lis­chen, die in stun­den­lan­gen Audien­zen und Res­o­lu­tio­nen Rechte fordern und manch­mal ein bißchen Krawall machen. Sehr sel­ten wird mal jemand erstochen oder ent­führt, Über­fälle von “See-” oder “Meer­raubern” wer­den zwar etwas öfter, aber nur in Hin­blick auf ihren wirtschaftlichen Schaden berichtet.

Aber auch wenn der Inhalt wenig abwech­slungsre­ich ist: Die Sprache macht alles wieder wett. Früh­neuhochdeutsch liest sich aus heutiger Per­spek­tive ein­fach sehr lustig, selb­st wenn es bit­ter­ernst gemeint ist. Ein sehr inter­es­san­ter Punkt sind dabei die zahlre­ichen Fremd­wörter lateinis­chen oder franzö­sis­chen Ursprungs, die es so nicht bis heute geschafft haben.

Da ist jemand darauf bedacht, das Kön­i­gre­ich selb­st zu defendirn, Weit­er­lesen

Neulich im Fast-Food-Tempel

Von Susanne Flach

Beim aktuellen Besuch von McDonald’s war ich ja ob der Neukreation des Nürn­burg­ers nicht unwesentlich ver­wirrt. Was mir darüber hin­aus aufge­fall­en ist, als ich auf meine Frit­ten wartete: wie spricht der Deutsche sie eigentlich aus, die Ham­burg­er, Cheese­burg­er, Fis­chburg­er oder Nürn­burg­er?

An mehreren beson­ders schö­nen Exem­plaren mut­ter­sprach­lich­er Eims­büt­tler fiel mir auf, dass zumin­d­est in Ham­burg fol­gende Aussprachemuster vor­liegen (pho­nol­o­gisch bess­er geschulte Lin­guis­ten und tech­nisch ver­siert­ere Men­schen mögen mir die Abwe­sen­theit ein­er Tran­skrip­tion auf pro­fes­sionellerem Niveau verzeihen):

  • Cheesebörger
  • Fis­chbörger

ABER:

  • Hamburger

(Wer Cheese­börg­er sagte, sagte auch Hamburger.)

Ich würde es übri­gens nicht anders aussprechen — die Frage ist, ob dieses Muster auch für andere Teile des deutschen Sprachraums gilt (ver­mut­lich). Die viel span­nen­dere Frage dürfte natür­lich sein, welche mor­phopho­nol­o­gis­chen Prozesse im Gang sind (d.h. -börg­er/-burg­er sind hier lexikalisch bed­ingte Allo­mor­phe). Ungek­lärt bleibt deshalb, wie man seinen Nürn­burg­er bestellt: Nürn­burg­er, Nürn­berg­er, Nürnbörger?

Ich gehe nicht zu McDonald’s, sie nen­nen es Feldforschung.

SMS-Kürzel im 19. Jahrhundert

Von Anatol Stefanowitsch

 

SMS-Kürzel aus dem 19. Jahrhundert

SMS-Kürzel aus dem 19. Jahrhundert

Vio­la hat mich auf einen Artikel im Guardian hingewiesen, in dem es um eine neue Ausstel­lung der British Library geht: Evolv­ing Eng­lish: One Lan­guage, Many Voic­es.

Die Ausstel­lung, die am 12. Novem­ber 2010 eröffnet wird und bis zum 3. April 2011 laufen wird, bietet einen umfassenden Ein­blick in die (doku­men­tierte) Geschichte der Englis­chen Sprache. Wertvolle Manuskripte aus den let­zten tausend Jahren wer­den dort eben­so zu bestaunen sein wie Tonauf­nah­men ver­schieden­er englis­ch­er Dialek­te aus der ganzen Welt.

Der Guardian freut sich aber am meis­ten über ein soge­nan­ntes „Emblema­tis­ches Gedicht“ aus dem 19. Jahrhun­dert, das dort zu sehen sein wird und das zeigt, dass die bei britis­chen Sprach­nör­glern beson­ders ver­has­sten SMS-Abkürzun­gen schon damals üblich waren:

… 130 years before the arrival of mobile phone tex­ting, Charles C Bom­baugh uses phras­es such as “I wrote 2 U B 4”. Anoth­er verse reads: “He says he loves U 2 X S,/ U R vir­tu­ous and Y’s,/ In X L N C U X L/ All oth­ers in his i’s.”

Für die Leser/innen des Sprachlogs ist mir kein Aufwand zu groß, deshalb habe ich das voll­ständi­ge Gedicht bei Google Books gesucht, gefun­den und abgetippt:

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[Lesetipp] Kleine Auslese

Von Kristin Kopf

In let­zter Zeit habe ich einiges gele­sen, was ich euch nicht unver­linkt lassen will …

Lost in Trans­la­tion von Lera Borodit­sky (die auf dem Foto irgend­wie an Bones erinnert) …

… han­delt davon, ob Sprache die Art und Weise bee­in­flusst, wie wir denken. Die Autorin ist Psy­cholo­gin und hat eine ganze Menge span­nende Exper­i­mente zu solchen Fragestel­lun­gen gemacht, deren Ergeb­nisse in diesen Text ein­fließen. Wirk­lich sehr empfehlenswert. Auch wer sich nicht so für die The­o­rie dahin­ter inter­essiert, wird eine Menge faszinierende Details über Sprachen entdecken.

Do the lan­guages we speak shape the way we think? Do they mere­ly express thoughts, or do the struc­tures in lan­guages (with­out our knowl­edge or con­sent) shape the very thoughts we wish to express?

(Gefun­den bei Lan­guage Log.)

Von Duden-DNA und ein­er Außerirdis­chen­sprache von Stephan Matthiesen …

… ist eine ganz ungewöhn­liche Art von Artikel: ein Bericht über einen wis­senschaftlichen Work­shop (“Lan­guage as an Evo­lu­tion­ary Sys­tem”). Matthiesen gibt einen Überblick über die ver­schiede­nen Stand­punk­te und Forschungsan­sätze und liefert am Ende sog­ar Links und Lit­er­aturhin­weise: Respekt.

Ob und wie sich das Konzept Evo­lu­tion auf Sprache über­tra­gen lässt, ist noch völ­lig offen. Ein Work­shop brachte kür­zlich ver­schiedene Ansätze zusam­men: Was formt unsere Sprachen?

(Via André auf Face­book und Andre per Mail.)

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Historiendramen der Zukunft

Von Anatol Stefanowitsch

Endlich mal wieder ein XKCD-Car­toon zum The­ma „Sprache“ (Dank an Peter Dar­cy für den Hinweis):

Die Leute, die ihre Wochenenden mit historischen Blogger-Nachstellungen verbringen, werden sich über Anachronismen in historischen Filmen aufregen, aber sonst wird es niemanden kümmern.

Die Leute, die ihre Woch­enen­den mit his­torischen Blog­ger-Nach­stel­lun­gen ver­brin­gen, wer­den sich über Anachro­nis­men in his­torischen Fil­men aufre­gen, aber son­st wird es nie­man­den kümmern.

Bei mein­er Über­set­zung habe ich ver­sucht, die Sprach­va­ri­etäten des Orig­i­nals nachzuempfind­en. Weit­er­lesen

Über die Vokauisierung

Von Kristin Kopf

Ich war ja kür­zlich in der Schweiz und habe mir ganz fasziniert zahlre­iche schweiz­erdeutsche Dialek­te ange­hört. Ganz beson­ders auf­fäl­lig in der Phonolo­gie fand ich vier1 Dinge und von diesen vieren kan­nte ich eines noch nicht: das vokalisierte l. Lest ein­fach mal …

[…] D’r Himu vou Wouche
U äs rägnet, was es abe mah,
Nume im Schoufän­schter vom
Reisebüro
Schi­int d’Sunne no.

Hät­ti Flügu zum Flüge
Flug i mit de Vögu furt
U chiem nie meh hei.
I’nes Land ohni Näbu, ohni Räge,
I’nes Land wo si Sunne hei…
I gieng hüt no …. uf u dervo,
Eifach uf u der­vo. […] Weit­er­lesen