Das Schäufele aus Freiburg

Von Susanne Flach

Das aktuelle Tohuwabo­hu um Wolf­gang S. aus F. riss die Sprecherin beim Nachrichten­zulief­er­er eines Ham­burg­er Radiosenders zu einem zumin­d­est für Fre­unde der süd­deutschen Küche amüsan­ten Ver­sprech­er hin:

Wolf­gang Schäufele… Schäu­ble ist zurückgetreten/tritt zurück/wird zurückgetreten/dementiert Rück­tritts­gerüchte. [Nichtzutr­e­f­fend­es ist je nach Sach­lage zu stre­ichen.]

Jet­zt ist mir nach nem Schoiblə Schäufəle.

Der Beitrag, wo von “wo” handelt

Von Kristin Kopf

André hat neulich ange­fragt, wo eigentlich die wo-Rel­a­tivsätze ver­bre­it­et seien. Ihr wisst schon, die wo man mit wo bildet. Mir scheint, ziem­lich weit. Über Grimms Wörter­buch habe ich einen Auf­satz von Weise (1917) gefun­den, der als Hotspot den Süd­west­en angibt, also das Ale­man­nis­che (auch in der Schweiz) inklu­sive Schwäbisch.

Aber auch ander­swo find­et es sich, zum Beispiel im Bairischen, Fränkischen, Ost­fränkischen, Ober­hes­sis­chen, Mosel­fränkischen und Lothringis­chen. Hui! Hier eine sehr unge­fähre grafis­che Darstel­lung. Das orange Gebi­et ist das, wo wo benutzt (wurde):

Allerd­ings sind die wo-Rel­a­tivsätze nicht über­all gle­ich stark ver­bre­it­et, in vie­len Gebi­eten nehmen mache Sätze wo und andere was anderes. Lei­der habe ich dazu keine detailiert­eren, kartier­baren Angaben gefun­den. (Ich habe aber auch nicht beson­ders zeitaufwändig gesucht.) Am kon­se­quentesten bei der wo-Ver­wen­dung ist wohl wirk­lich das Alemannische.

Neben dem “lang­weili­gen” der/die/das (und dem kaum brauch­baren welch­er/welche/welch­es) gibt’s in deutschen Dialek­ten übri­gens auch noch Weit­er­lesen

Ich bin (k)ein Berliner

Von Susanne Flach

Machen wir aus aktuellem Anlass einen Aus­flug in deutsch-deutsch­er Geschichte und erzählen den lusti­gen Schwank vom amerikanis­chen Präsi­den­ten und seinem Alter Ego, dem frit­tierten Marme­ladenkissen. Die Leg­ende, dass sich John F. Kennedy bei sein­er Rede in Berlin am 26. Juni 1963 unwis­send als jel­ly donut beze­ich­nete und die Berlin­er Bevölkerung zu amüsierten Mitlei­ds­bekun­dun­gen hin­riss, ist in der englis­chsprachi­gen Welt fast so schw­er tot zu kriegen, wie das lin­guis­tis­che Nicht­phänomen von dre­itausend Wörtern der Eski­mos für Schnee.

Die Mär vom Krapfen geht so: Kennedy sagte am Ende sein­er Rede den berühmten Satz:

Ich bin ein Berliner.

Die West­ber­lin­er gröl­ten. Es bedarf aber schon ein­er gewagten sprach­lichen Spitzfind­igkeit, als deutsch­er Mut­ter­sprach­ler hier die Bedeu­tung ‘Ich bin ein Kon­fitüren­ballen’ her­auszule­sen. Weit­er­lesen

Quizzen ohne Wissen

Von Susanne Flach

Der Men­sch liebt Wis­sensquizze. Warum also nicht mal als eben exam­iert­er Sprach­wis­senschaftler an einem Quiz über Sprache teilnehmen?

Ich war ja selb­st mal Quiz­mas­ter, also liegt es mir fern, mit den Mach­ern des Quiz all zu hart ins Gericht zu gehen, geschweige­denn das Quiz auf dem Nachricht­en­por­tal Rhein­Neckar für bare Münze zu nehmen. Aber der Witz ist, dass man mit Wis­sen über Sprache bei dem Quiz gar nicht die volle Punk­tzahl erre­ichen kon­nte — ist man gnädig, dann sei ange­merkt, dass die Fra­gen zumin­d­est sehr missver­ständlich for­muliert waren.

Schre­it­en wir zur Analyse: Weit­er­lesen

Warhafftige Beschreibung …

Von Kristin Kopf

Let­zte Woche bin ich auf einen großar­ti­gen Buchti­tel gestoßen und habe gemerkt, dass Twit­ter und Face­book­sta­tus zu klein dafür sind … daher also hier:

Warhafftige
Beschreibung
Von denen Drey wilden
Hunden
Welche sich
unweit Leipzig in der gegend Dölitzsch/Brena/
Bitterfeld/Kühne und Schenckenbergk/im Jahr 1710.
vom Monat Augus­to biß zum Ende des Novem­br. sehen las=
sen/und was sie vor grossen Schaden an
Schaff=Vieh gethan/
Auch wie ein­er im Dorff Rhödigen/so in die Gerichte
des Her­rn Cammer=Herrn von Miltitz und in das Schen=
cken­ber­gis­che Kirch=Spiel gehörig/den 29. Nov. mit Ge=
walt getödtet worden.
Nach glaub­würdi­ger Nachricht von obbe­melden Orthen
selb­st einge­holt und nebst
gelehrten Anmerckungen
Ob Men­schen sich in solche Hunde ver­wan­deln können?
oder es nur in der Phan­tasie beste­he? ob dieses tolle oder wilde Hun=
de gewe­sen? woher solche wilde Hunde kom­men? und ob sie aus ei=
ner Antipathie gegen die Schaffe solchen Schaden gethan?

Erschienen in Leipzig 1711. Hier kann man sich ein Foto davon anschauen. Oder es gle­ich für 850 Euro kaufen

Ganz ehrlich? Für diese Ver­wen­dung von Antipathie lohnt es sich wahrschein­lich schon.

Und damit der lin­guis­tis­che Touch erhal­ten bleibt: Laut Kluge haben wir das Wort aus dem Lateinis­chen (antipathîa), was wiederum von griechisch antipátheia kommt. Das ist eine Abstrak­t­bil­dung zu antipathes ‘ent­ge­genge­set­zt füh­lend’, in dem páthos, die ‘Gemüts­be­we­gung’ drin­steckt. Wir haben’s seit dem 16./17. Jahrhundert.

Sprachliche Heimaten: Mein Dialekt ist meine Burg

Von Anatol Stefanowitsch
Bloggewitter Heimat und Identität

Blogge­wit­ter Heimat und Identität

Nichts ist so wichtig für unser Gefühl von Heimat und Iden­tität, wie die Sprache, mit der wir aufwach­sen. Wer schon ein­mal län­gere Zeit in einem frem­den Land gelebt hat, ken­nt das Gefühl der Ver­trautheit, das man in der Fremde fast automa­tisch jedem ent­ge­gen­bringt, der einen in der eige­nen Sprache anspricht. Als ich vor vie­len Jahren zum Pro­movieren nach Texas gegan­gen bin, standen gle­ich am zweit­en Abend nach mein­er Ankun­ft drei öster­re­ichis­che Kom­mili­tonin­nen vor der Tür meines Wohn­heimz­im­mers und luden mich ein, Mit­glied des öster­re­ichis­chen Stammtis­ches zu wer­den — dass ich Ham­burg­er war und öster­re­ichis­ches Brauch­tum nur aus „Der dritte Mann“ und den Wieder­hol­un­gen von „Zeit im Bild“ auf 3sat kan­nte, störte dabei eben­so wenig wie die Tat­sache, dass ich Sprach­wis­senschaftler war, während Rest des Stammtis­ches aus Mathematiker/innen und Naturwissenschaftler/innen bestand. Die drei wussten ja ohne­hin nichts über mich, außer eben, dass ich ihre Sprache (bzw. eine ihrer Sprache ähn­liche Sprache) sprach. Der Stammtisch wurde für mich ein wichtiger Rück­zug­sort, bei dem ich den andauern­den tex­anis­chen Kul­turschock bekämpfen und Heimat­ge­fühl — mit Wiener und Salzburg­er Akzent — tanken konnte.

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Parataktisches Länderspiel

Von Susanne Flach

Ist Baden-Wuert­tem­berg ein Koordinativkompositum?

Bei diesen Kom­posi­ta, auch Dvand­vas genan­nt, befind­en sich die Bestandteile nicht im “üblichen” Ver­hält­nis seman­tis­ch­er Unter- bzw. Oberord­nung, son­dern sind — obäch­tle — gle­ich­w­er­tig. Baden-Wuert­tem­berg ist aber schlicht ein unmöglich­er Aus­druck. Und niemals, lieber NDR, ist es ein Der­by, auch nicht das Baden-Wuert­tem­berg-Der­by.

Es ist Länderspiel.

Zur Feier des Tages spendiere ich den Schwaben zwei Punkte.

The German Blitz macht endlich Sinn!

Von Susanne Flach

Gestört von sprach­wis­senschaftlich­er Prü­fungslit­er­atur waren die Tief­flieger vom VDS in der let­zten Zeit irgend­wie von meinem Radar ver­schwun­den. Ein weit­er­er Grund ist möglicher­weise auch, dass ein erneuter Viren- und Tro­jan­eran­griff auf meinen Rech­n­er meine Leseze­ichen­leiste mit den unter „Lustiges Fremd­schä­men für Fort­geschrit­tene” abgelegten Foren­beiträ­gen des Vere­ins unbrauch­bar gemacht hat. Den heuti­gen Besuch beim VDS ver­danke ich einem sehr witzi­gen Beitrag im Sprach­blog über „Sprach­pan­sch­er”.

Zur Erin­nerung und in Kurz­form: eigentlich geht es dem VDS nicht um Sprach­pflege, son­dern um die ange­bliche Über­frach­tung der deutschen Sprache mit „Denglisch”. Haup­taus­sagen: Nieder­gang des Deutschen! Pein­liche Ange­berei! Heiße Luft! Lehn­wörter ergeben kein­er­lei Sinn in ihrer Herkun­ftssprache! Mut­ter­sprach­ler lachen sich tot über unseren Gebrauch englis­ch­er Lehn­wörter! Bedeu­tung der Lehn­wörter im Englis­chen ganz anders! Goethe würde sich im Grab umdrehen!

Denkbar. Weit­er­lesen

l‑Vokalisierung reloaded

Von Kristin Kopf

Nach meinem Beitrag zur l-Vokalisierung in schweiz­erdeutschen Dialek­ten haben sich natür­lich ein paar Schweiz­er zu Wort gemeldet – und mich dazu gebracht, meine Aus­führun­gen noch etwas zu dif­feren­zieren. Sie hat­ten näm­lich Prob­leme mit der Behaup­tung, l zwis­chen Vokalen werde vokalisiert. Ich hat­te ja geschrieben:

Fasst man die Regeln, die Haas (1983) nen­nt, zusam­men, so gilt die Vokalisierung immer …

  1. … nach Vokal, z.B. Sauz ‘Salz’, Soue ‘Sohle’, Taau ‘Tal’ und
  2. … wenn l der Sil­benkern2 ist, z.B. Fogu ‘Vogel’.

Bei Dop­pel-l wird auch dop­pelt vokalisiert, z.B. uuer ‘Teller’.

Nun habe ich Her­rn Haas wirk­lich sehr grob zusam­menge­fasst, indem ich als ersten Punkt ein­fach “nach Vokal” geschrieben habe. Hier nun die dif­feren­ziert­ere Fassung:

  1. … nach Vokal, z.B. Sauz ‘Salz’, Soue ‘Sohle’, Taau ‘Tal’
    (a) Beim ersten Beispiel, Salz > Sauz, han­delt es sich um ein l zwis­chen Vokal und Kon­so­nant,
    (b) beim zweit­en, Sohle > Soue, ste­ht es zwis­chen zwei Vokalen
    © und beim drit­ten, Tal > Taau, nach Vokal ganz am Wortende.
  2. … wenn l der Sil­benkern ist, z.B. Fogu ‘Vogel’
  3. Bei Dop­pel-l wird i.d.R. auch dop­pelt vokalisiert, z.B. uuer ‘Teller’.

Num­mer 1b ist der Fall, mit dem nicht alle ein­ver­standen waren. Begrei­flich, denn Haas schreibt dazu, dass es sich dabei um ein region­al eng begren­ztes Phänomen han­dle. Gölä bleibt meist Gölä und die von mir kreierte Vokauisierung hört man sich­er nur sel­ten (während Vokau für ‘Vokal’ ganz nor­mal ist, da er ja dem drit­ten Unter­punkt fol­gt – danke Pierpaolo!)

Nun habe ich lei­der kein patentes Mit­tel gefun­den, um dieses Gebi­et so richtig festzu­nageln. Ich habe einen Blick in den Sprachat­las der deutschen Schweiz gewor­fen, neben­her enorm viel über Schweiz­er Geografie gel­ernt und aus den Dat­en die fol­gende Karte kreiert:

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