Von Sprachnörglern und Anglizismen: Ein Jahresrückblick

Von Anatol Stefanowitsch

Jan­u­ar. Bun­desverkehrsmin­is­ter Ram­sauer spricht für sein Min­is­teri­um ein „strik­tes Denglisch-Ver­bot“ aus. So soll zum Beispiel das Trav­el Man­age­ment wieder Reis­es­telle heißen. Warum sich die Bürg­er des Lan­des für den inter­nen Sprachge­brauch seines Min­is­teri­ums inter­essieren soll­ten, erfahren wir nicht.

Feb­ru­ar. Auch die Deutsche Bahn will aber auf Ram­sauers Ini­tia­tive hin ihre Vor­liebe für englis­ches Lehngut zügeln. So soll die Hot­line durch das urdeutsche Ser­vice-Rufnum­mer und der Fly­er durch den Alt­ger­man­is­mus Broschüre erset­zt wer­den. Der Fahrad­ver­lei­h­di­enst Call-a-Bike sei dage­gen so „einge­bürg­ert“, dass er seinen Namen behal­ten müsse.

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Ramsauer, einfach unverbesserlich

Von Anatol Stefanowitsch

Ich habe das Ver­hält­nis der Deutschen Bahn zur englis­chen Sprache schon kri­tisi­ert und gelobt, aber eigentlich lässt es mich völ­lig kalt.

Mich regt etwas anderes auf: dass die Deutsche Bahn kom­plett den Anspruch aufgegeben hat, auch nur Anstal­ten zu machen, so zu tun als ob sie den Anschein erweck­en wolle, zumin­d­est ein Lip­pen­beken­nt­nis bezüglich ein­er prinzip­iellen Bere­itschaft abzugeben, wenig­stens vorzutäuschen, uns ein leeres Ver­sprechen machen zu wollen, dass sie the­o­retisch vorhabe, ihr Monopol auf den Schienen­verkehr in Deutsch­land zum Anlass zu nehmen, diesen auf eine Art zu betreiben, die wenig­stens für das zwanzig­ste Jahrhun­dert nicht völ­lig unangemessen gewe­sen wäre.

Wenn es einen Satz gibt, der bei mir Has­s­ge­füh­le aus­löst, dann ist es nicht „Thank you for trav­el­ling with Deutsche Bahn“, son­dern „Wir bit­ten um ihr Ver­ständ­nis“. Weit­er­lesen

Anglizismus des Jahres: Jury und Modalitäten

Von Anatol Stefanowitsch

Um die Ern­sthaftigkeit der Wahl zum Anglizis­mus des Jahres zu unter­stre­ichen, habe ich die Jury noch um zwei Mit­glieder erweit­ert und außer­dem Wahlmodal­itäten fest­gelegt. Wie man sieht, haben wir eine ganz her­vor­ra­gende Jury und ein sehr trans­par­entes Ver­fahren, sodass die Wahl zum Anglizis­mus des Jahres 2010 der Beginn ein­er lan­gen und erfol­gre­ichen Tra­di­tion wer­den dürfte. 

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[Weihnachten] Weihnachts- vs. Christbaum

Von Kristin Kopf

Vielle­icht hat ja jemand hier Lust auf Weihnachten?

Ich habe mal einen Ngram-Kampf zwis­chen Wei­h­nachts- und Christ­baum angezettelt, den der Wei­h­nachts­baum gewon­nen hat:

Der Christ­baum ist ganz gut ins Ren­nen ges­tartet, kon­nte sein Wach­s­tum dann aber tragis­cher­weise nicht halten.

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Wort-Wahl: Anglizismus des Jahres

Von Kristin Kopf

Ana­tol Ste­fanow­itsch vom Sprachlog ver­anstal­tet auch eine Wort­wahl – und dies­mal vielle­icht eine, in der es wirk­lich um das Wort geht, und nicht um den gesellschaft­spoli­tis­chen Zusam­men­hang, in dem es ent­standen ist … Gesucht ist der Anglizis­mus des Jahres 2010, zu gewin­nen gibt’s auch was und ich sitze mit in der Jury. (*hmpf* Wenn ich das mit dem Gewin­nen vorher gewusst hätte …) Die Kriterien:

Nominierte Wörter soll­ten (ganz oder in Teilen) aus dem Englis­chen stam­men, sie soll­ten neu sein, d.h. im Jahr 2010 zum ersten Mal ver­wen­det wor­den oder wenig­stens zum ersten Mal in das Bewusst­sein ein­er bre­it­en Öffentlichkeit gelangt sein. Sie soll­ten eine inter­es­sante Lücke im deutschen Wortschatz füllen, entwed­er, indem sie eine vorhan­dene Wortbe­deu­tung weit­er aus­d­if­feren­zieren oder, indem sie ein Wort für etwas bere­it­stellen, was es vorher nicht gab oder was vorher nur müh­sam umschrieben wer­den konnte.

Mel­dun­gen bis zum 7. Jan­u­ar in den Kom­mentaren des Sprachlogs unter Angabe von Wort, Quelle und Grund. Bin mal ges­pan­nt, ob Blogleser gute Seis­mo­grafen für Wortschatzer­weiterung sind. Und bei allem Trara nicht vergessen: Wörter sind zwar drol­lige kleine Kerlchen, aber niemal­snicht die Essenz, die unsere Sprache im Inner­sten zusammenhält.

Unabhängig des Genitivs

Von Anatol Stefanowitsch

Die Berlin­er Mor­gen­post liefert jahreszeitlich passend eine Bilder­strecke mit der Über­schrift „Ein Fest unab­hängig jed­er Reli­gion”. Diese Über­schrift ist interessant

Unabhaengigjederreligion

Erstens, weil sie gel­o­gen ist — die Bilder­strecke bringt ein Beispiel nach dem anderen dafür, wie Chris­ten Wei­h­nacht­en feiern. Andere Reli­gio­nen kom­men nur auf einem einzi­gen Bild mit der fol­gen­den Bil­dun­ter­schrift vor: „Aber nicht über­all kommt das Fest gut an. Der islamis­che Gelehrte Jus­suf al-Kar­dawi will Wei­h­nacht­en ver­bi­eten lassen, weil es nicht mit dem islamis­chen Glauben vere­in­bar ist.“ Weit­er­lesen

Wahlaufruf zum Anglizismus des Jahres 2010

Von Anatol Stefanowitsch

Alle has­sen englis­che Lehn­wörter. Wir nicht. Wir geben jedem neuen Wort, egal, woher es stammt, zunächst ein­mal die Gele­gen­heit, seinen kom­mu­nika­tiv­en Nutzen unter Beweis zu stellen und ver­trauen darauf, dass die Sprachge­mein­schaft über­flüs­sige Wörter schnell wieder aussortiert.

Um den mehr oder weniger auf­schlussre­ichen Wahlen zum Wort und/oder Unwort des Jahres, mit denen uns ver­schiedene Sprachge­sellschaften und ‑vere­ine uns zum Jahreswech­sel beglückt haben oder dies noch tun wer­den, eine weit­ere hinzuzufü­gen, möcht­en wir den Beitrag, den die englis­che Sprache zur Entwick­lung des Deutschen macht, angemessen würdigen.

Wir bit­ten deshalb um Nominierun­gen für den „Anglizis­mus des Jahres 2010“.

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[Werkzeug] Ngram Viewer

Von Kristin Kopf

Beim Lan­guage Log wurde ja schon aus­führlich über das neuste Google-Spielzeug berichtet – man kann damit in einem Kor­pus, das einen Auszug aus Google­Books darstellt, nach Wörtern oder Wortket­ten suchen und sich ihren Häu­figkeitsver­lauf anzeigen lassen. Dabei wird die Gebrauchs­fre­quenz errech­net, indem das Gesuchte (das n‑gram, wobei n für die Zahl der Wörter im Such­be­fehl ste­ht) durch die Gesamt­wortzahl des entsprechen­den Jahres geteilt wird.

Die Sache ist für uns aus vie­len tausend Grün­den prob­lema­tisch: wilde Textsorten­zusam­menset­zung des Kor­pus – aber für Englisch gibt es immer­hin Unterko­r­po­ra wie Fic­tion, Amer­i­can Eng­lish und British Eng­lish –, die Kor­pus­größe vari­iert stark, d.h. Funde zu einem rel­a­tiv frühen Zeit­punkt (z.B. 1800) schla­gen stärk­er zu Buche als später (z.B. 2000), auch wenn nor­mal­isiert wurde, …

Messer, Gabel, …

Ein paar mögliche Prob­leme habe ich mal mit der Suche nach “Messer,Gabel,Löffel” für 1900 bis 2000 durchge­spielt. Man kön­nte hier den Ein­druck erhal­ten, die Gabel trete am sel­tensten auf und das Mess­er sei enorm viel häu­figer (alle Dia­gramme führen direkt zur entsprechen­den Suchan­frage mit größeren Darstellungen):

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Bock zum Gärtner

Von Anatol Stefanowitsch

Während die Sprach­nör­gler in Deutsch­land sich haupt­säch­lich auf englis­che Lehn­wörter ein­schießen, bekämpfen ihre britis­chen Brüder und Schwest­ern im Geiste von der britis­chen Plain Eng­lish Cam­paignhaupt­säch­lich SMS- und Jugend­sprache, lange Sätze, Meta­phern — im Prinzip alles, was sie nicht verstehen.

Zum The­ma „Meta­phern“ geben sie den um eine klare Sprache bemüht­en Besuch­ern ihrer Web­seite zum Beispiel diese War­nung auf den Weg:

George Orwell’s advice is still worth fol­low­ing: ‘Nev­er use a metaphor, sim­i­le, or oth­er fig­ure of speech which you are used to see­ing in print.’ („George Orwells Rat gilt immer noch: Ver­wende nie eine Meta­pher, einen Ver­gle­ich oder son­st irgen­deine Rede­fig­ur, die du regelmäßig gedruckt siehst.“)

Irgend­je­mand hat aber offen­sichtlich vergessen, das der Press­esprecherin des Vere­ins zu sagen. Die äußerte gegenüber der Tageszeitung Dai­ly Mail gegenüber näm­lich jüngst Fol­gen­des (Rede­fig­uren, die man schon eine Mil­lion mal gedruckt gese­hen hat, sind in Fettdruck dargestellt): Weit­er­lesen