Dieses Jahr nur zwei visuelle Eindrücke von der DGfS-Tagung:
Auf der Zielgeraden: Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz
Der Verein Deutsche Sprache ist ein sprachpuristischer und kulturprotektionistischer Verein, dessen Hauptanliegen darin besteht, englische Fremdwörter und den Einfluss des Englischen generell zu bekämpfen. Daneben verfolgt er aber seit vielen Jahren auch das Ziel, den Artikel 22 des Grundgesetzes, der die Hauptstadt und die Farben der Staatsflagge regelt, um den Satz „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch“ zu ergänzen. In den letzten Jahren hat der VDS sich mit einer Reihe prominenter Politiker zusammengetan, sie diese Forderung unterstützen, darunter wichtige Meinungsmacher wie Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. Im Jahr 2008 fasste sogar der CDU-Parteitag einen entsprechenden Beschluss. Es ist also durchaus denkbar, dass der VDS sein Anliegen mittelfristig durchsetzen wird.
Projekt Guttenberg
Da ich in meinem Texterleben unter anderem gerade knapp 40.000 Wörter — also im textlichen Umfang einer Magisterarbeit — über Lifestyleprodukte schreiben muss, ist es hier in den letzten Tagen und Wochen so ruhig geworden, dass ich darüber fast mein Passwort für den Login vergessen hätte. In Ghost- und Copywriter-Kreisen nennt man Projekte wie das (meinige) übrigens das Verfassen von Unique Content.*
Eigentlich hätte ich einen guten Berg an Themen abzuarbeiten. Für das Aktuelle konnte ich mich aber nicht zwischen Zynismus, Satire und ehrenwörtlicher Entrüstung entscheiden. Außerdem wäre jegliche Stellungnahme nach dem Gagfeuerwerk, das in den letzten Tagen aus allen Rohren auf das freiherrliche Plagiatsexamen abgefeuert wurde, das dreiste Schmücken mit fremden Federn. Nach der gestrigen Hohlmeierei bei Anne Will, als das Straußenei als Ablenkungsmanöver vom ‘Ablenkungsmanöver’ meinte, ‘Fehler’ wie diese machen ihn ‘menschlich’, war ich der Meinung, die Spitze der bewussten Täuschung sei erreicht. Heute weiß ich (“Hier steht das Original, kein Plagiat”), warum ich froh bin, dass bei uns keiner den Überblick über Atomwaffen verlieren kann.
Es wird hier im Blog vorerst leider weiter ruhig bleiben, zumindest bis zum Wochenende. Ich gelobe Besserung. Bis Freitag bin ich auf einer Konferenz in Göttingen. Vielleicht hat Dr. Xerox bis dahin seinen Helm genommen (für die Fußnote in der Geschichte) und ich kann mich wieder den wichtigen Themen widmen, von denen alle reden.
Thema der Tagung ist übrigens… Text: Strukturen und Verarbeitung.
P.S.: “Flädlesupp” ist die Satire‑, Müll- und Kommentarkategorie bei */ˈdɪːkæf/.
*Disclaimer: Ich arbeite als (Werbe-)Texterin, der englische Fachausdruck dafür ist Copywriter. An summa cum fraude bin ich nicht beteiligt.
**Ich melde Gagschutz für Hohlmeierei und Straußenei an.
Tag der Muttersprache 2011
Heute ist der Internationale Tag der Muttersprache, den die UNESCO im Jahr 2000 ins Leben gerufen hat, um „ein Bewusstsein für die Wichtigkeit kultureller und sprachlicher Vielfalt zu wecken“. Besonders die weltweit etwa 2 500 bis 3 000 bedrohten Sprachen sollen dabei im Mittelpunkt stehen.
Wer sich mit diesen bedrohten Sprachen näher beschäftigen möchte, dem sei als Einstieg der von der UNESCO herausgegebene interaktive Atlas der bedrohten Sprachen empfohlen.
Bedrohte Sprachen gibt es nicht nur anderswo, sondern auch direkt vor unserer Tür. Nicht die deutsche Sprache ist es, um deren Überleben wir uns sorgen müssen, sondern sechs Minderheitensprachen, die die UNESCO als „gefährdet“ (definitely endangered) oder sogar „schwer gefährdet“ (severely endangered) einstuft.
[Lesetipp] Mobile Gesellschaft? Ach was!
Nachdem meine Beiträge zur Familiennamengeografie recht interessiert aufgenommen wurden, finden vielleicht einige von euch auch diesen Artikel aus der FAZ lesenswert (gedruckt erschienen letzten Sonntag in der FAS). Es geht um das Projekt Deutscher Familiennamenatlas, das ich schon erwähnt habe, mit vielen bunten Karten (die in der Druckausgabe größer sind als im Atlas selbst!) und einigen spannenden Details im Text.
[Videotipp] The linguistic genius of babies
Ich bin dieser Tage ganz furchtbar beschäftigt und komme leider kaum zum Schplock – wird aber wieder besser. Spätestens übernächste Woche. (Nächste Woche ist DGfS-Jahrestagung, sieht man da jemanden von euch?)
Inzwischen ein schneller Videotipp: Patricia Kuhl spricht über Spracherwerb. Sehr kurz, aber spannend. (Momentan nur auf Englisch, aber vielleicht kommen ja demnächst noch deutsche Untertitel dazu.)
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=qRRiWg6wYXw]
Warum die Idee einer Staatssprache Deutsch nicht harmlos ist
In der Diskussion um die Petition „Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz“ kommt häufig das Argument, dass die Petition zu aufgeregt und schwarzmalerisch oder auch ganz einfach zu unwichtig sei, um sich ernsthaft damit zu befassen.
Die einfache Form dieses Arguments lautet „Es gibt wichtigere Dinge, über die wir uns Sorgen machen sollten“. Das ist zwar richtig, es ist aber kein Grund, sich an der Petition nicht zu beteiligen. Es gibt immer wichtigere Dinge — Atommüll, Bürgerversicherug, Castortransporte, Demographiewandel, Erdbeben, Finanzkrise, Generationenkonflikte, HIV, Irak, Jugendarbeitslosigkeit, Klimawandel, Länderfinanzausgleich, Militärdiktaturen, Netzneutralität, Oderhochwasser, Privatinsolvenzen, Quacksalberei, Rohstoffmangel, Sozialreformen, Tibetkonflikt, Umweltverschmutzung, Verteilungskriege, Whistleblowerschutz, Xenophobie, Yuppisierung und Zeitarbeitstarife. Aber es ist ja nicht so, als ob die zwei Minuten, die nötig sind, um sich auf der Webseite des Petitionsausschusses zu registrieren und die Petition zu zeichnen, jemanden davon abhalten würden, sich an der Lösung dieser Probleme zu beteiligen.
Die differenziertere Form des Arguments lautet „Die Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz hätte keine rechtlichen Konsequenzen. Es geht nur darum, die deutsche Sprache zu würdigen.“ Und das ist nicht richtig. Es stimmt zwar, dass die Aufnahme einer Landessprache allein keine Konsequenzen hätte, aber die Befürworter einer solchen Aufnahme lassen keinen Zweifel daran, dass sie eine grundgesetzliche Verankerung der deutschen Sprache als Grundlage für eine Reihe gesetzlicher Regelungen betrachten.
Ein Jahr Sprachlog
Vor ein paar Wochen (am 24. Januar) hatte das Sprachlog seinen ersten Geburtstag. In der kurzen Atempause zwischen dem Anlaufen der Petition „Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz“ und der Verkündung des ersten „Anglizismus des Jahres“ hatte ich nicht die Ruhe , das zum Anlass zu nehmen, um über das vergangene Jahr nachzudenken, deshalb hole ich es heute nach.
Lobet den Herrn!
Wenn auch Ihr in den Klauen einer Sekte seid, in der englisches Lehngut angebetet wird: Es besteht Hoffnung. Entsagt dem angelsächsischen Teufelszeug und kehrt in den Schoß der einen wahren Kirche zurück.
Oder ihr lernt den Unterschied zwischen „Anglizismus“ und „Anglikanismus“ und genießt einfach euer Leben. Und feiert den Anglizismus des Jahres.
Deutschlernen leicht gemacht
Die Befürworter einer Festschreibung des Deutschen als Staatssprache im Grundgesetz argumentieren häufig mit einer integrationsfördernden Wirkung. Ein paar Beispiele:
Ich will keine Zuwandererfamilien, die sich bis in die dritte Generation weigern, die Sprache des Landes korrekt zu lernen, in dem sie leben! [Unterschriftensammlung der Bild-Zeitung, zitiert z.B. hier]
Wir steuern auch sprachlich auf Parallelgesellschaften zu. Berlin-Kreuzberg und Neukölln sind fast schon autarke Gebiete. Vom Gemüsehändler bis zum Zahnarzt spricht dort alles türkisch. Ich sehe deshalb die Festlegung auf Deutsch als Landessprache als einen wichtigen Schritt zur Integration. Wer auf diese Festlegung verzichtet, kriegt Parallelgesellschaften […] Zuwanderer sollen auch qua Verfassung merken, was dieser Staat und dieses Gemeinwesen erwarten. [Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes]
Der Schutz der deutschen Sprache gehört im Grundgesetz verankert. Respekt vor unserer deutschen Sprache ist Respekt vor unserer Kultur und unserem Land, den wir von allen einfordern, die bei uns leben. Ohne gemeinsame Sprache gibt es keine wirksame Integration. Wer sich der deutschen Sprache verweigert, verweigert sich der Integration in Deutschland. [Alexander Dobrindt, Generalsekretär der CSU]
Auch in den Kommentaren hier im Sprachlog, im Forum des Petitionsausschusses und an anderen Stellen, an denen über die Petition berichtet wird, finden sich solche Aussagen.