Ein kurzes Postskriptum zum ersten Teil meiner Serie über die Sprachtipps von BILD.de und Andreas Busch. Letzterer hatte unter anderem für Verwirrung über eine angeblich falsche Verwendung des Wortes sorgen gesorgt, indem er behauptet hatte, dass man dieses nur in Sätzen wie Die Mutter sorgt für ihre Kinder, nicht aber in Sätzen wie Blitzeis sorgt für Verkehrschaos verwenden dürfe. Nun stellt sich heraus, dass just dieses Verb dem Chefredakteur der Bild, Kai Diekmann vor einigen Jahren Sorgen bereitet hat.
Von EHEC zu Ehec
Mir ist heute aufgefallen, dass sich <EHEC> in <Ehec> verwandelt hat – und zwar enorm schnell. Man kennt das ja von anderen Akronymen wie <AIDS>/<Aids> oder aktueller <SARS>/<Sars>, aber da hat es, bilde ich mir ein, doch ein Stückchen länger gedauert und beide Schreibweisen sind üblich (bei AIDS) oder gar dudensanktioniert (bei SARS).
Bei der Suche nach Ehec im faz.net-Archiv zeigt sich, dass es mit der Anpassung sogar noch schneller ging, als ich dachte:
Schon am vierten Tag der Berichterstattung dominierte <Ehec>. Eine kluge Wahl, wissen damit dann doch auch die Fernsehlosen, dass man das Ding nicht E‑ha-e-ze ausspricht. (Nein, ich war nicht die einzige in meinem Umfeld!) Andere Medien halten an EHEC fest, so z.B. die ARD mit der Tagesschau.
SARS hingegen Weiterlesen
Der wundersame und geheimnisvolle Fall des Sprachpanschers Nikolaus S.
Vor ein paar Tagen habe ich über die Nominierungen für den „Sprachpanscher des Jahres“ gesprochen, einen Negativpreis mit dem der Verein der Drögen Sprachmythen (VDS) alljährlich Prominente auszeichnet, um so auch mal wieder ins Gespräch zu kommen.
Berichtenswert war dabei nicht die Nominierung selbst (die angesichts der sonst meistens gut funktionierenden Pressearbeit des VDS in den Medien erstaunlich dürftig aufgenommen wurde, aber dazu später mehr), sondern die Tatsache, dass eine der Nominierten, die Bundesagentur für Arbeit, den Verein wegen seiner schlampigen und faktisch falschen Nominierungsbegründungen öffentlich vorführte.
Ein weiterer Nominierter schweigt dagegen beharrlich, obwohl er noch deutlicher widersprechen könnte: Nikolaus Schneider, Vorsitzender des Rates der evangelischen Kirche Deutschlands, der laut Pressemeldung des VDS
… seine Gläubigen mit „LutherActivities“ wie „Wellness für die Männerseele“, „marriage weeks“ oder „worship summerpartys“ bei der Stange halten will. [Pressemeldung des VDS]
Will er das wirklich? Nun traue ich dem Rat der EKD jede Narretei und jedes Fehlverhalten der Welt zu (und man gibt sich ja auch immer wieder kräftig Mühe, mein Vertrauen nicht zu enttäuschen), aber trotzdem hatte ich beim Lesen der Pressemeldung das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt.
Die unverbesserliche Seichtigkeit der Sprachnörgler (Teil 3)
Kommen wir heute zur dritten und letzten Folge unserer kleine Reihe zu den „10 am häufigsten falsch verwendeten Wörtern“ von Andreas Busch und BILD.de. Uns fehlen in der Diskussion noch drei Wörter, wollte, verstorben und Reifenwechsel, und fehlt noch die Ermahnung, Berufsbezeichnungen wie Arzt für Männer zu reservieren und für Frauen immer die weibliche Form Ärztin zu nehmen. Heute beschränke ich mich auf die drei Wörter, die Frage nach den Berufsbezeichnungen ist zu komplex um sie im Busch’schen Paradigma von „richtig“ und „falsch“ auch nur anzureißen. Ich komme aber in nächster Zeit umfassender darauf zurück.
In der ersten Folge ging es ja darum, dass Sprachnörgler wie Busch nicht in der Lage sind, Sprachwandel zu verstehen und zu akzeptieren, in der zweiten Folge ging es daneben auch noch um ihre Schwierigkeiten mit der Erkenntnis, dass Wörter normalerweise mehr als eine Bedeutung haben, von der keine die „richtige“ ist. Die heute diskutierten Fälle zeigen ein drittes Problem: Die sprachliche Intelligenz der Sprachgemeinschaft wird systematisch unterschätzt.
Die unverbesserliche Seichtigkeit der Sprachnörgler (Teil 2)
Nachdem ich mich im ersten Teil unserer kleinen Serie über Andreas Buschs Liste der „10 am häufigsten falsch verwendeten Wörter“ mit sorgen, Kult und Busen beschäftigt habe, komme ich im zweiten Teil zu irritiert und Sympathie. BILD.de hat die Liste ja unter der Überschrift „Mit Fremdwörtern können Sie mir nicht imprägnieren!“ veröffentlicht und so unterstellt, dass es vorrangig um Verwechslungen eben dieser ginge, aber tatsächlich sind nur vier der zehn Wörter überhaupt Fremdwörter — Public Viewing (das ich in dieser Serie nicht behandle, siehe aber hier und hier), Kult (das ich am Montag bereits behandelt habe), und eben irritieren und Sympathie.
Der Grund, warum ich die beiden Wörter heute gemeinsam bespreche, liegt aber nicht in ihrer lateinischen bzw. griechischen Herkunft, sondern daran, dass sie das zweite der drei Grundprobleme des Sprachnörgelns demonstrieren: Die Vorstellung, dass Wörter nur eine Bedeutung haben (dürfen).
Now sitting in one boat are we?
Zu den häufigsten Suchbegriffen in meiner Blogstatistik gehört “sitting in one/the same boat”. In meinem Beitrag zu Oettingers Englisch schrieb ich, die englische Redewendung zu “in einem Boot sitzen” ist “to be in the same boat”. Das ist richtig, die Argumentation war aber nicht komplett: Muttersprachler haben mir bereits damals gesagt, dass ihnen “We’re sitting in one boat” gar nicht auffallen würde.
Warum auch? Der Satz ist syntaktisch in Ordnung, die Metapher bleibt. Ganz ähnlich sehen das auch die Muttersprachler in einer Diskussion zur Oettinger’schen Rede im LEO.org-Forum: ungewöhnlich ja, falsch nein (und erst recht nicht schlimm oder gar peinlich).
Das wollte ich jetzt genauer wissen: Nutzen Muttersprachler des Englischen die Redewendung so, wie Oettinger es tat? Die Antwort vorweg: Nein, tun sie (fast) nicht. Aber Oettinger war auch nicht der erste Deutsche, der sie benutzte.
Die unverbesserliche Seichtigkeit der Sprachnörgler (Teil 1)
Die ganze lange und trübsinnige Tradition der Sprachnörgelei entspringt einem bedauerlichen Missverständnis: Die Sprachnörgler unterschätzen sowohl die Komplexität von Sprachen als auch die Intelligenz von Sprecher/innen (ob letzteres darin begründet liegt, dass sie von sich auf andere schließen, sei dahingestellt).
Drei Vorstellungen sind für den Sprachnörgler nicht fassbar. Erstens, Sprache verändert sich. Zweitens, Wörter (und andere sprachliche Zeichen) können mehr als eine Bedeutung haben. Drittens, Verstehen besteht nicht in einem mechanischen Dekodieren von Wortbedeutungen, sondern in einem aktiven Deuten von Äußerungen in konkreten Situationen und im sprachlichen Zusammenhang.
Die Sprachpanscher schlagen zurück
Der Verein der Dortmunder Sprachnarren hat die Liste der Kandiaten für den „Sprachpanscher des Jahres“ bekanntgegeben, mit dem die Anglizismenjäger jedes Jahr versuchen, parasitär von der Medienpräsenz bekannter Mitmenschen zu profitieren, indem sie diese beschuldigen, mittels englischer Lehnwörter den Untergang alles Deutschen voranzutreiben.
Wie nicht anders zu erwarten werden die Nominierungen mit den selben substanzlosen und schwer bis gar nicht überprüfbaren Behauptungen untermauert, die auch die sonstigen Aktivitäten des Vereins charakterisieren.
1/2 7 vs. 7 1/2 Uhr
Achim hat kürzlich in einem Kommentar nach einer speziellen Uhrzeitangabe gefragt:
Mir ist bei den Uhrzeiten eingefallen, dass früher (man findet es z.B. auf alten Theaterzetteln in Programmheften) Uhrzeitangeben wie „7 1/2 Uhr abends“ üblich waren. Ich tippe ja, dass das „19.30“ und nicht „18.30“ bedeutet, aber hat da jemand Handfesteres als meine Vermutung? Ist ja interessant, dass das neben „halb acht“ existiert hat.
Die Schreibweise mit nachgestelltem ½ findet sich tatsächlich häufig in älteren Texten, so zum Beispiel hier:
Dass es sich nicht um eine Variante von ½ 7 (halb sieben) handelt, wird schnell klar, wenn man sich Weiterlesen
Viren und ihr Genus
SciLogger Sören Schewe hat heute Mittag per Twitter nachgefragt, ob es der Virus oder das Virus heißen muss. Anlass war wohl dieser Tweet des Nachrichtenportals „Der Westen“.
Anders als sonst war ich bereit, hier eine absolute Regel zu nennen: der bei Computerviren, das bei allen anderen Viren. Ich habe das behauptet, weil ich meine, das schon einmal empirisch untersucht zu haben (vielleicht im Bremer Sprachblog) und eine ziemlich eindeutige Tendenz bestand. Der Westen hat sich gleich unter Berufung auf den Duden verteidigt, denn dort steht: „das, außerhalb der Fachsprache auch: der Virus“. Das ist aber natürlich keine echte Verteidigung, da der Duden, wie die Sprachnörgler nicht müde werden, ihm vorzuwerfen, lediglich festhält, welche Formen im Sprachgebrauch mit einer gewissen Häufigkeit vorkommen (wenn er nicht gerade aus PR-Zwecken erfundene Wörter aufnimmt). Weiterlesen