Im Rausch der Titel

Von Anatol Stefanowitsch

Da die Pla­giats­fälle ger­ade auf uns herun­ter­reg­nen wie Kröten nach einem Tor­na­do in Ishikawa, lässt mich das The­ma doch auch hier im Sprachlog noch nicht los. Ein aktuell disku­tiert­er Aspekt des The­mas hat zudem dur­chaus einen sprach­lichen Bezug: Die Frage, was akademis­che „Titel“ eigentlich sind, und ob man deren Miss­brauch nicht abstellen kön­nte, indem man diese „Titel“ ein­fach abschaffte (siehe dazu die Diskus­sion in unserem Blog DE PLAGIO).

Häu­fig find­et auch eine merk­würdi­ge Ver­mis­chung von akademis­chen „Titeln“ und „Adel­stiteln“ statt — z.B. in der Sendung „Anne Will“, in der es ins­ge­samt ja recht munter durcheinan­der ging.

Grund genug für mich, hier im Sprachlog ein­mal zusam­men­z­u­fassen, was ein „akademis­ch­er Titel“ eigentlich ist, und wie er sich von einem „Adel­sti­tel“ unterscheidet.

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Jido Fister Filly

Von Kristin Kopf

Ich habe eben bei Twit­ter via WortWirrWarr einen großar­ti­gen Zeitungsauss­chnitt aus ein­er sudane­sis­chen Zeitung gese­hen, in dem die Ankun­ft des deutschen Außen­min­is­ters angekündigt wird:

Ger­man For­eign Min­is­ter Arrives Khar­toum Today

The Demo­c­rat (Amal Abdul Rahim)

The Ger­man for­eign min­is­ter, Jido Fis­ter Fil­ly, will arrive Khar­toum today , Thurs­day, on an offi­cial vis­it dur­ing which he will hold talks with his Sudanese coun­ter­part, Ali Ahmed Kar­ti and a num­ber of high rank­ing Sudanese officials. […]

Wie aber ist aus Gui­do West­er­welle hier Jido Fis­ter Fil­ly gewor­den? Weit­er­lesen

Bastian Sick und die Schirie-Pfeifin

Von Susanne Flach

Die Sports­chau fragte am Fre­itag in einem Inter­view den aus­gewiese­nen Sprachge­brauch­sex­perten Bas­t­ian Sick, welchen Her­aus­forderun­gen die medi­ale Öffentlichkeit während der laufend­en Fußball-WM im Bezug auf den Sprachge­brauch aus­ge­set­zt ist. Ich bin keine Exper­tin für Fem­i­nis­tis­che Lin­guis­tik und ich kann hier auch keine Empfehlung zu Alter­na­tiv­en für Mannschaft geben. Doch keine Sorge! Wo ein Sick auf­taucht, bleibt noch jede Menge ander­er Blödsinn im dig­i­tal­en Raum stehen.

Das Prob­lem liegt ja schon darin — “unter­halt­same” Sprachkri­tik hin oder her -, dass man den Ein­druck bekom­men kön­nte, Sick möchte ernst genom­men wer­den. Er begin­nt aber gle­ich mit einem ziem­lich däm­lichen, wenn nicht sog­ar sehr abw­er­tenden Wort­spiel zu Bir­git Prinz: “Selb­stver­ständlich ist sie eine ‘Kapitänin’, auch wenn sie ‘Prinz’ heißt und nicht ‘Prinzessin’ ”.

Wenn jet­zt alle Gehirn­win­dun­gen fürs Fremd­schä­men entspan­nt sind und sich die Fußnägel wieder geglät­tet haben, kann es weit­er gehen:

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[Video] The History of English

Von Susanne Flach

So, heute ein Link­tipp. Die Open Uni­ver­si­ty in Großbri­tan­nien hat in zehn Kapiteln à 1′20″ in sehr humor­voller Weise die Geschichte des Englis­chen nachgeze­ich­net. Es wird mehr als 10 Minuten dauern, weil die kleinen Film­chen voll von Wort­spie­len und mit kleinen und großen Pointen gespickt sind — man kann es sich wirk­lich mehrfach mit höch­stem Amüse­ment anse­hen. (Eine gröbere Ken­nt­nis der Lin­guis­tik ist nicht notwendig.)

Viel Spaß!

(via linguisten.de@facebook)

[Unterschreibtipp] Rücktrittsforderung Koch-Mehrin

Von Kristin Kopf

Heute ein schneller Link­tipp zum Unter­schreiben. Mit der Causa Koch-Mehrin seid ihr sich­er ver­traut – sie hat in ihrer (stipen­di­enge­förderten, Dank an suz) Dok­torar­beit plagi­iert und den Titel entsprechend ver­loren, hat dabei kon­se­quent schlecht­en Stil bewiesen, ist von ihren poli­tis­chen Ämtern zurück­ge­treten, aber Mit­glied des Europäis­chen Par­la­ments geblieben. Als eben­solch­es sitzt sie jet­zt im Auss­chuss für Indus­trie, Forschung und Energie (was für eine Ressortkom­bi­na­tion …) des Europäis­chen Par­la­ments (und die aberkan­nte Pro­mo­tion ste­ht da noch im Lebenslauf, jip­pie).

Ich kön­nte es nicht bess­er for­mulieren als der Ini­tia­tor der Rück­trittspe­ti­tion, Ana­tol Ste­fanow­itsch:

Nur wenige Tage später lässt sie sich zum Vollmit­glied im Auss­chuss für Indus­trie, Forschung und Energie des Europa­parla­ments wählen [1, 2].

Nochmal langsam: Eine unein­sichtige akademis­che Hochsta­p­lerin lässt sich wenige Tage, nach­dem eine der ältesten und ange­se­hen­sten Uni­ver­sitäten Europas ihr ihren Dok­tor­ti­tel ent­zo­gen hat, in einen Auss­chuss des Europäis­chen Par­la­ments wählen, der Entschei­dun­gen über Forschungs­fra­gen trifft.

Nur, falls es jemand immer noch nicht ver­standen hat: Deutsch­land wird im Forschungsauss­chuss des Europa­parla­ments durch eine über­führte wis­senschaftliche Betrügerin repräsen­tiert.

Das geht sowas von gar nicht. Die Frau muss da weg, und wenn ihr das auch find­et, dann lege ich euch das Unterze­ich­nen der entsprechen­den Peti­tion sehr ans Herz (für den deutschen Text ein bißchen runterscrollen).

Das hat nun keinen ganz direk­ten Lin­guis­tik­bezug, obwohl man mit etwas Zeit sich­er einen her­stellen kön­nte. (Seit Gut­ten­berg will ich eigentlich schon was zu foren­sis­ch­er Sti­l­analyse schreiben, bin aber bish­er noch nicht dazu gekom­men.) Aber es hat Wis­senschafts­bezug und ist mir deshalb sehr, sehr wichtig. Ich hoffe, euch auch!

Ich koch mehr in diesem Fall

Von Susanne Flach

Damit alle auf dem gle­ichen Stand sind: Sil­vana Koch-Mehrin, für die FDP im Europäis­chen Par­la­ment und eine über­führte Pla­gia­torin, hat in dieser Woche stolz verkün­det, dass sie als Vollmit­glied in den EU-Auss­chuss für Indus­trie, Forschung und Energie berufen wor­den ist. Kurz: Die Forschungs­be­trügerin wird Forschungspoli­tik­erin. Deshalb appel­lieren wir in ein­er Peti­tion an das Europäis­che Par­la­ment und die FDP, Frau Koch-Mehrin von diesem Posten zurück­zuziehen und fordern Frau Koch-Mehrin auf, sich von diesem Posten und ihrem Man­dat im Europäis­chen Par­la­ment zurückzuziehen.

Man ist müde, die Karawane ist weit­erge­zo­gen. Aber was sich Koch-Mehrin leis­tet, ist auf beängsti­gende Art grotesker, beschä­mender und ver­höh­nen­der. Dies ist keine nachträgliche rel­a­tivierende Aus­sage zum Fall Gut­ten­berg — denn eine für jede/n ehrliche/n Wissenschaftler/in entwürdi­gende Farce lässt sich immer nur mit sich selb­st vergleichen.

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Etymologiequiz die Zweite

Von Kristin Kopf

Nach­dem das erste Ety­molo­giequiz ganz gut lief, kommt heute die zweite Ausgabe:

In diesem Wor­dle sind immer mehrere Wörter miteinan­der ver­wandt, das heißt sie gehen auf eine gemein­same Wurzel in ein­er früheren Sprach­stufe zurück, und, ich zitiere mich selbst

[d]ie Ver­wandtschaft kann ziem­lich weit zurück­ge­hen, weshalb der Bezug bei den wenig­sten offen­sichtlich ist. So wür­den, wären sie drin, Etat und Dis­tanz zusam­menge­hören, denn Etat kommt über frz. état aus lat. sta­tus ‘Zus­tand’, was zu stāre ‘ste­hen’ gebildet wurde und Dis­tanz kommt von lat. dis­tan­tia, ein­er Abstrak­t­bil­dung zu dis­tāre ‘voneinan­der weg­ste­hen’, das sich aus dis- und stāre ‘ste­hen’ zusam­menset­zt.

Im Gegen­satz zum let­zten Mal sind es dies­mal nicht immer Paare, es kön­nen auch drei Wörter zusam­menge­hören. (Ins­ge­samt gibt es 16 Grup­pen.) Lösungsvorschläge und wilde Speku­la­tio­nen kön­nen in die Kom­mentare gepostet wer­den und erscheinen dann alle auf ein­mal am näch­sten Mon­tag. Und wie let­ztes Mal will ich darauf hin­weisen, dass der Blick in ein ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch die ganze Sache lang­weilig macht. Aber muss man selb­st wissen 😉

Viel Spaß!

Update (20.6.2011): So, jet­zt gibt’s auch die Lösung. David hat alles richtig, her­zlichen Glück­wun­sch! Und für die visuell Ver­an­lagteren nach dem Cut … Weit­er­lesen

Taboobrüche

Von Anatol Stefanowitsch

In seinem Blog „Deutsche Sprak schwere Sprak“ macht sich Lud­wig Tre­pl, der oft auch in den Kom­mentaren im Sprachlog hin­ter­sin­nige und manch­mal etwas ver­schlun­gene Sprach­nörgelei betreibt, Sor­gen um die deutsche Sprache.

Er befürchtet, dass das „let­zte Tabu“ fällt, weil er auf der deutschen Ver­sion der Web­seite eines spanis­chen Hotels die Schreib­weise Taboo gefun­den hat: Weit­er­lesen

Jetzt mal Buttercakes bei die Fische (I)

Von Susanne Flach

Zuerst die unfrei­willige Komik: “Anglizis­men gehen mir auf den Keks.”

Warum komisch? Weil Keks ein Anglizis­mus ist. Also nicht so offen­sichtlich vielle­icht. Vielmehr ist es ein ehe­ma­liger, mit­tler­weile so gut inte­gri­ert­er und so eingedeutschter Anglizis­mus, dass er gar nicht mehr als solch­er erkennbar ist und sel­tenst in Anglizis­men­fil­tern hän­gen bleibt (aller­höch­stens um zu beto­nen, dass wir nicht ja alles aus­bürg­ern müssen). Eigentlich wollte ich nur amüsiert einen Anglis­ten­witz zum Besten geben und es dabei belassen. Doch dann uferte eine kleine Recherche so unglaublich aus, dass sich jen­seits der beina­he all­bekan­nten Herkun­ft und Entwick­lung von cakes (engl.) > Cakes (dt. pl.) > Keks (pl. & sg.) > Keks (sg.)/Kekse (pl.) plöt­zlich ein fan­tastis­ches Anschau­ungs­beispiel für eine ganze Menge sprach­lich­er Prozesse auftat.

Wenn wir hier­mit also durch sind, haben wir Entlehnung, phonetis­che und orthographis­che Inte­gra­tion, Vari­a­tion, Reanalyse und Sprach­wan­del abge­hakt, Meth­o­d­en der his­torischen Sprach­wis­senschaft angeschnit­ten und neben­bei eine urbane Leg­ende entza­ubert. Nur die Redewen­dun­gen, die müssen draußen bleiben. Freuen Sie sich nen Keks!

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Die Wörtergate-Affäre

Von Anatol Stefanowitsch

Ver­brechen aus Lei­den­schaft geschehen jeden Tag, über Ver­brechen aus Sprach­wis­senschaft liest man dage­gen eher sel­ten. Aber wie das Ham­burg­er Abend­blatt am Don­ner­stag berichtete (lei­der hin­ter ein­er Bezahlwand), hat das Amts­gericht St. Georg in Ham­burg zwei Lehrer für ein solch­es Ver­brechen verurteilt: Die bei­den hat­ten auf ein­er Fort­bil­dungsver­anstal­tung über ein ver­steck­tes Mikro­fon heim­lich die Gespräche ihrer Kolleg/innen aufgenom­men. Ans­tifter war der Sohn eines der Verurteilten:

Für eine Mas­ter­ar­beit in Lin­guis­tik hat­te er seinen Vater gebeten, an einem der vier Sem­i­nartage die Gespräche der Lehrgang­steil­nehmer aufze­ich­nen zu dür­fen. Heim­lich, denn unter Beobach­tung wären die Beobachteten wom­öglich irri­tiert, die Ergeb­nisse der stu­den­tis­chen Feld­forschung verz­er­rt. Die unfrei­willi­gen Proban­den soll­ten den kleinen Lauschangriff deshalb nachträglich genehmi­gen. [Ham­burg­er Abend­blatt, 9. Juni 2011]

Der Vater hat­te wohl zunächst Bedenken, sein Sohn aber habe behauptet, es han­dle sich dabei um „gängige[] Meth­o­d­en in der wis­senschaftlichen Forschung“, sodass er am Ende dann doch ein­willigte. Die Kolleg/innen hat­ten offen­bar wenig Ver­ständ­nis für dieses Vorge­hen und so lan­dete der Fall vor Gericht. 

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