Frühstück auf Türkisch

Von Kristin Kopf

Ich ver­suche mich mal wieder am Türkischler­nen und kämpfe mit Siebgedächt­nis gegen einem riesi­gen Vok­a­bel­berg. Dabei habe ich einen Zusam­men­hang zwis­chen drei Wörtern fest­gestellt, die ich mir jet­zt prompt merken kann. Und zwar ‘Kaf­fee’, ‘Früh­stück’ und ‘braun’:

kahve

kah­valtı

kahv­eren­gi

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Bislang kein Dialekt

Von Anatol Stefanowitsch

Obwohl ich als Sprach­wis­senschaftler natür­lich Deskrip­tivist bin, den Sprachge­brauch also beschreibe und erk­läre, ohne ihn in Kat­e­gorien wie „gut“ und „schlecht“ zu bew­erten, ver­suche ich mich beim Ver­fassen mein­er Texte im Großen und Ganzen an präskrip­tiv­en (vorschreiben­den) Sprach­nor­men zu ori­en­tieren. Ein­fach, weil es viel Ärg­er und über­flüs­sige Diskus­sio­nen mit der (ver­legen­den und lesenden) Kund­schaft erspart.

Um mich präskrip­tiv auf Spur zu brin­gen, nutze ich unter anderem den Duden Kor­rek­tor, der seine Arbeit im Großen und Ganzen sehr ordentlich macht. Nur manch­mal ver­hält er sich etwas merk­würdig, zum Beispiel, als er eine Zeit lang den geografis­chen Namen Bre­men als Dialek­t­wort markierte, weil dies auch die Plu­ral­form der Breme, einem mundartlichen Aus­druck für die Stech­fliege, sein könnte.

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Wörterbuch der Verblendung (I): Chemiekeule

Von Anatol Stefanowitsch
Wörterbuch der Verblendung

Wörter­buch der Verblendung

Vor einiger Zeit habe ich im Zusam­men­hang mit ein­er äußerst unkri­tis­chen GEO-Titelgeschichte zur „Alter­na­tivmedi­zin“ einige Aus­drücke unter­sucht, mit denen die Befür­worter der „Alter­na­tivmedi­zin“ die Welt passend zu ihrer Ide­olo­gie ver­sprach­lichen (darunter das Wort­paar Schulmedizin/Alternativmedizin. Bei der Hin­ter­grun­drecherche zu meinem heuti­gen Tele­po­lis-Beitrags zur „Alter­na­tivmedi­zin“ ist mir dann erst klar gewor­den, wie viele solch­er Aus­drücke es tat­säch­lich gibt und wie selb­stver­ständlich sie in Diskus­sio­nen über die Behand­lung von Krankheit­en ver­wen­det wer­den. Mit diesen Wörtern werde ich mich unter der Rubrik „Aus dem Lexikon der Verblendung“ beschäfti­gen, die in unregelmäßi­gen Abstän­den hier im Sprachlog erscheinen wird.

Begin­nen möchte ich heute mit dem Wort Chemiekeule, mit dem Befür­worter der „Alter­na­tivmedi­zin“ gerne die soge­nan­nte „Schul­medi­zin“ (oder, wie ich sie nenne, Medi­zin) beze­ich­nen.

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…und so hinten raus?

Von Susanne Flach

Heute wieder ein Betrag aus der Rei­he: Was macht lin­guis­tis­ches Wis­sen eigentlich für Otto Nor­malver­braucherin ganz nützlich?

Ich tran­skri­biere momen­tan wieder Sprachaufze­ich­nun­gen mit Gesprächspart­nern aus der Wirtschaft. Lin­guis­tisch und auch fürs Blog inter­es­sant wäre das als Grund­lage für eine Analyse von Anglizis­menan­teilen in der Vari­etät der deutschen Wirtschaftssprache. Aber um da einen Blog­beitrag draus zu machen, brauche ich erst das Ein­ver­ständ­nis der Ver­ant­wortlichen. Vor­weg vielle­icht: Es bleibt bei den fürs Deutsche han­del­süblich diag­nos­tizierten zwei bis vier Prozent.

Also kom­men wir zu etwas Unver­fänglicherem, was einem vielle­icht auch aus jed­er Unter­hal­tung bekan­nt sein kön­nte. Mir ist let­ztens näm­lich aufge­fall­en, dass ein Teil­nehmer das Par­tizip Per­fekt von out­sourcen mit out­ge­sourced wiedergegeben hat. Nun mag der eine oder die andere aufheulen, wie man es wagen kann, ein deutsches Affix in einen Anglizis­mus zu schmuggeln. Man kann natür­lich auch geout­sourced sagen (was das Prob­lem für den Sprachäs­theten nicht lösen würde). Der Sprech­er inter­pretierte out­sourcen hier als trennbares Verb und ähn­lich wie andere trennbare Ver­ben (anfan­gen > angefan­gen), fügt man das Par­tizip­prä­fix dann eben nach dem Halb-Prä­fix out ein. Ein ähn­lich­er Fall ist die Vari­a­tion bei gedown­load­et und down­ge­load­et, je nach­dem, ob man down­load­en als trennbar ansieht oder eben nicht. (Die Prob­lematik der ange­blichen Unverträglichkeit deutsch­er Flex­ion­s­mor­pheme in Anglizis­men lässt sich übri­gens ganz ein­fach aus der Welt schaf­fen, indem man anerken­nt, dass out­sourcen und down­load­en deutsche Wörter sind und dementsprechend nach unseren Regeln kon­jugiert werden.)

Mir geht es aber um etwas ganz anderes.

Ich habe oben out­ge­sourced bewusst mit <d> wiedergegeben. Wie ja nun jed­er weiß, wird im Deutschen das Par­tizipaf­fix, in diesem Fall das Zirkum­fix ge-V‑t für die Par­tizip­i­en regelmäßiger Ver­ben mit [t] gesprochen und mit <t> geschrieben. Bei Anglizis­men, vor allem bei solchen, die noch rel­a­tiv neu einge­wan­dert sind, ist größere Ver­wirrung vor allem in der Orthografie deshalb nicht ungewöhn­lich: Und zugegeben, out­ge­sourct und out­ge­sourcet sehen auf den ersten Blick tat­säch­lich selt­sam aus — oft behil­ft man sich bei der schriftlichen Wieder­gabe also (noch) zusät­zlich der Flex­ion­sregeln der Geber­sprache. Bei out­sourcen hat <out­ge­sourced> ver­mut­lich auch deshalb noch dop­pelt so viele Google­tr­e­f­fer, wie <outgesourc(e)t>.*

*[UPDATE: ke hat mich in einem Kom­men­tar darauf aufmerk­sam gemacht, dass ich in der Hek­tik völ­lig falsch gezählt habe: <out­ge­sourced> und <out­ge­sourct> haben grob etwa gle­ich viele Tre­f­fer bei Google. An der Annahme der Ver­wirrung bei der Orthografie ändert das (noch) nichts grundle­gen­des. Danke für den Hin­weis, SF]

Neben einem selt­samen Ausse­hen von out­ge­sourcet kön­nte das ein Grund sein, ober eben möglicher­weise ein gesproch­enes [d], also immer dann beson­ders, wenn die Inte­gra­tion eines Anglizis­mus in das deutsche Laut­sys­tem noch nicht voll­ständig abgeschlossen ist.

Der Grund also, weshalb ich geout­sourced hier mit <d> schreibe, liegt an der Art, wie es der Inter­viewte aussprach, näm­lich mit [d]. Die span­nende Frage also: Woran hört man, dass out­ge­sourced für diesen Sprech­er noch nicht voll­ständig inte­gri­ert ist, auch wenn er hier sog­ar für /r/ nicht die “englis­che”, son­dern die “deutsche” Vari­ante gewählt hat? Nun, bei diesem Sprech­er ist es mir schlicht im Kon­trast zu geset­telt (von set­teln, engl. to set­tle) aufge­fall­en, das er deut­lich hör­bar mit [t] realisierte.

Und nun?

Da kommt ein pho­nol­o­gis­ch­er Prozess zum Tra­gen, den das Deutsche hat, nicht aber das Englis­che: Ste­ht im Deutschen am Sil­ben- oder Wor­tende ein stimmhafter Kon­so­nant wie z.B. /b/, /d/ oder /g/, so wird dieser Kon­so­nant stimm­los aus­ge­sprochen, also als /p/, /t/ oder /k/. Genauer gesagt bet­rifft dieser Prozess nur die soge­nan­nten Obstru­enten, also die Kon­so­nan­ten, bei denen der Luft­strom kurzfristig kom­plett unte­brochen ist, und Frika­tive wie /z/ oder /ʒ/; bei den sono­ran­tis­chen Kon­so­nan­ten wie /m/ oder /n/ ist das nicht der Fall, die sind immer stimmhaft.

Mit anderen Worten und als Haus- und Hof­beispiel: Rad und Rat sind als [ra:t] in Iso­la­tion gesprochen nicht zu unter­schei­den. Liegt der stimmhafte Kon­so­nant dage­gen nicht am Sil­be­nende, bleibt’s beim stimmhaften Laut. Deshalb haben wir [li:bə] für Liebe, aber [li:p] für lieb oder [tsu:k] ‘Zug’ im Sin­gu­lar, aber [tsy:gə] ‘Züge’ im Plural.

Das ganze nen­nt sich Aus­lautver­här­tung (oder all­ge­mein­er Neu­tral­i­sa­tion) und ist neben dem Deutschen oder dem Nieder­ländis­chen auch in eini­gen slavis­chen Sprachen oder dem Türkischen zu find­en — aber eben zum Beispiel nicht im Englischen.

Es ist deshalb also span­nend zu sehen, dass geset­telt und out­ge­sourced in der Wieder­gabe (jet­zt dieses Sprech­ers) mal mehr, mal weniger einge­bürg­ert zu sein scheint. Was an sich für mich über­raschend war, da eigentlich meist erst die pho­nol­o­gis­che und dann die mor­phol­o­gis­che Ein­bürgerung erfol­gt — und bei­de Lex­eme waren ja schon mit ein­heimis­chem mor­phol­o­gis­chem Mate­r­i­al bestückt, bei der Bil­dung des Par­tizips näm­lich. Und ich stelle die These auf, dass man out­ge­sourcet auch in der großen Mehrheit schreibt, wie man es, äh, spricht.

Aus­lautver­här­tung bet­rifft natür­lich auch alle Fremd­wörter im Deutschen, die am Wort- oder Sil­be­nende einen stimmhaften Obstru­enten haben. Deshalb ist Blog laut­lich von Block nicht zu unter­schei­den (und für den Genuswan­del von das Blog zu der Blog höchst­wahrschein­lich mitver­ant­wortlich), bloggen unter­schei­det sich aber von blocken.

Die Aus­lautver­här­tung ist übri­gens ein Ele­ment eines typ­isch deutschen Akzents (beim Englisch sprechen). Mut­ter­sprach­liche Inter­ferenz führt dazu, dass Deutschsprachige die Aus­lautver­här­tung qua­si mit ins Englis­che importieren (z.B. Kort­mann 2005: 182). Wer also in der Sprachver­mit­tlung arbeit­et oder ein­fach einen kleinen, ein­fachen Tipp haben möchte, wie man am eige­nen Akzent im Englis­chen arbeit­en kann: Lehre und lerne, I want a suite und I want a Swede auch pho­nol­o­gisch zu unter­schei­den. Voilà.

Umgekehrt liegt in der Aus­lautver­här­tung möglicher­weise ein Grund (von mehreren), weshalb Sprech­er von Sprachen ohne Aus­lautver­här­tung Deutsch unter Umstän­den als “hart” wahrnehmen: Bei der Pro­duk­tion von stimm­losen Laut­en wird mehr Luft nach außen gepresst, weshalb diese Kon­so­nan­ten auch “lauter” klin­gen. Genau genom­men ist die Sache etwas kom­pliziert­er: die Artiku­la­tion der Phoneme /p, t, k/ ist eher eine Fall von For­tis ’stark’, die der Phoneme /b, d, g/ von Lenis ’schwach’ (Kort­mann 2005:  64, Roach 2009: 28f). Aber nun­ja, für die Illus­tra­tion reicht’s. Wen das nicht überzeugt: Fühlen wir von Quatsch­ern im Kino gestört, wer­den wir zur Unter­mauerung etwaiger Gen­ervtheit eher ein härter zis­chen­des, stimm­los­es [ʃ] anstim­men, als ein stimmhaftes und unaufgeregtes [ʒ].

Im Deutschen bin ich deshalb ja auch meist [su:s], im Englis­chen hinge­gen [su:z]. Das noch dazu. Und wer hier einen Bezug zum Anfang dieses Beitrags erwartet: Natür­lich ste­ht in der Tran­skrip­tion out­ge­sourcet, weil es sich um ein inhaltlich­es, also um ein an die deutsche Orthografie angepasstes Tran­skript han­delt — und lei­der nicht um ein phonetis­ches zu lin­guis­tis­chen Forschungszecken.

Statt Post­script: Wer noch ein­wen­den möchte, dass man statt out­sourcen auch aus­lagern sagen kön­nte: in vie­len Fällen und je nach Kon­text ist das eventuell möglich. Aber der Inter­viewte nutzte bei­de Lex­eme. Und, wenig über­raschend, sie waren sehr deut­lich nicht syn­onym aus­tauschbar: 1) out­sourcen, ‘Unternehmens­abläufe von ein­er Fremd­fir­ma aus­führen lassen’; 2) aus­lagern, ‘mit Teilen der Fir­ma ander­swo hinge­hen oder Unternehmen­sprozesse aus dem Stamm­lager aus­gliedern’. Also auch wenn man es wieder mal der Yukka­palme erzählen kön­nte: Klas­sis­che Bedeutungsdifferenzierung.

Lit­er­atur:
Kort­mann, Bernd. 2005. Lin­guis­tics: Essen­tials. Berlin.
Roach, Peter. 2009. Eng­lish Pho­net­ics and Phonol­o­gy. Cam­bridge.

Katalanische Wochen(tage)

Von Kristin Kopf

Anfang Sep­tem­ber war ich auf ein­er Kon­ferenz in Barcelona, wo ja Kata­lanisch regionale Amtssprache ist, eine roman­is­che Klein­sprache. Eine lustige Ent­deck­ung für mich waren die kata­lanis­chen Wochen­tags­beze­ich­nun­gen, wie auf diesem Parkhausöff­nungszeit­en­schild zu sehen:

In die richtige Rei­hen­folge gebracht und im Sin­gu­lar laut­en sie: Weit­er­lesen

Stephen Fry, language lover

Von Susanne Flach

Auch wenn hier jet­zt der Ein­druck entste­ht, das Blog sei über die Som­mer­pause zu ein­er Link­farm verkom­men: Diesen Hin­weis darf ich nie­man­dem voren­thal­ten, der der englis­chen Sprache mächtig ist, Stephen Fry ganz wun­der­bar find­et und sich für Sprache inter­essiert: Die BBC-Doku­men­ta­tion “Stephen Fry’s Plan­et Word” (BBC 2011). Michael hat­te zwar schon bei 2′36″ ein ARRRGH!-Erlebnis, aber wenn wir über die kleinen Detail­fra­gen hin­wegse­hen, die in der Wis­senschaft etwas fizzelig sind — viel Spaß!

[Das Video ist lei­der nicht mehr ver­füg­bar. Alter­na­tiv­en ändern sich oft.]

Um dem ganzen aber blog­seit­ig etwas Neues hinzuzufü­gen: Warum sind, sub­jek­tiv-objek­tiv gesprochen, solche Doku­men­ta­tio­nen bei uns nicht möglich? Eine fün­f­stündi­ge Doku­men­ta­tio­nen in fünf Teilen, und das zur besten Sendezeit? Wo ist der Inten­dant bei uns, der Mut dazu hat? (Bitte — das waren rhetorische Fra­gen!) Mal abge­se­hen davon, dass sie natür­lich, wenn über­haupt, dann im Nacht­pro­gramm bei Eins­Fes­ti­val laufen würden.

Vielle­icht fehlt uns aber auch ein Stephen Fry.

xkcd: Künstler, Comiczeichner, Denker

Von Anatol Stefanowitsch

Ab und zu über­set­ze ich ja hier sprach­wis­senschaftlich inter­es­sante Comics von Ran­dall „XKCD“ Munroe. An einem der besten habe ich mir vor einiger Zeit die Zähne aus­ge­bis­sen. Wie immer, wenn mir etwas nicht sofort gelingt, habe ich die ganze Angele­gen­heit ver­drängt, aber fre­undlicher­weise hat mich Ali „Zoon­poli­tikon“ Arbia anlässlich mein­er jüng­sten Über­set­zung daran erin­nert.

Was den Com­ic so unüber­set­zbar macht, wird klar, sobald man das Orig­i­nal ver­standen hat:

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Spaß mit Symbolen

Von Anatol Stefanowitsch

In vie­len Sit­u­a­tio­nen sollen Bildsym­bole dazu dienen, sprach­bar­ri­erenüber­greifende Kom­mu­nika­tion zu ermöglichen. Lei­der ist es gar nicht so leicht, unmissver­ständliche Sym­bole zu find­en, was immer wieder Anlass für mutwillige und sehr unter­halt­same Fehlin­ter­pre­ta­tio­nen liefert.

Ein Klas­sik­er mit einem fes­ten Platz im Olymp der Inter­net-Meme ist dabei natür­lich Push But­ton, Receive Bacon („Knopf drück­en, Speck erhal­ten“): Weit­er­lesen

Cereal Offenders

Von Anatol Stefanowitsch

Es gibt Lehn­wörter, über die regt sich nur der Vere­in Deutsche Sprache auf, während der Rest der Welt sie entwed­er ganz selb­stver­ständlich ver­wen­det (wer würde ern­sthaft „Klap­prech­n­er“ statt Lap­top sagen) oder längst vergessen hat (wer würde über­haupt noch Lap­top sagen).

Und dann gibt es Lehn­wörter, die lösen selb­st bei tol­er­an­ten Men­schen Abscheu oder sog­ar Rage aus. Ein solch­es Wort ist Cere­alien. Ich bin bish­er nie­man­den, wirk­lich nie­man­dem begeg­net, der bere­it wäre, dieses Wort auch nur zu tolerieren (außer mir selb­st, aber kann man sich selb­st begegnen?).

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