Deutsch und das Grundgesetz

Von Susanne Flach

Gestern war’s soweit: Die Peti­tion gegen die Auf­nahme von Deutsch ins Grundge­setz wurde vor dem Peti­tion­sauss­chuss­es des Bun­destages ange­hört — also genau genom­men die Peti­tion gegen die Peti­tion für die Auf­nahme von Deutsch ins Grundge­setz. Ergo: Bei­de Peten­ten für und wider durften ihre Anliegen vortragen.

Hier gibt es die Diskus­sion (ca. 60 Minuten, ab 1:00:30) zum Anguck­en: Peti­tion­sauss­chuss, 7. Novem­ber 2011

Ich war live dabei — eine sehr inter­es­sante Erfahrung. Und ich glaube nicht, dass es zu hoch gegrif­f­en ist zu sagen, dass das eine doch recht ein­seit­ige Angele­gen­heit war. Der Bun­destag schreibt auf sein­er Web­seite: “Deutsch ins Grundgesetz”-Petition stößt auf Skepsis.

Aber sehen Sie selbst.

*Nein, ich bin nicht zu sehen. Ich sitze hin­ter dem Vide­owür­fel auf dem Ober­rang. Ich habe nicht gewusst, dass eine Stunde nicht aus­re­icht, mit der BVG von Moabit nach Tier­garten zu kom­men (für Nicht-Berlin­er: Moabit ist ein Teil von Tier­garten; je nach Def­i­n­i­tion liegt es ein­fach nur direkt daneben.)

Die Staatssprache Deutsch vor dem Petitionsausschuss

Von Anatol Stefanowitsch

Wer die gestrige Sitzung des Peti­tion­sauss­chuss­es zu den Peti­tio­nen für und gegen die Auf­nahme der Deutschen Sprache ins Grund­getz ver­passt hat, kann sich die Aufze­ich­nung jet­zt auf der Web­seite des Bun­destages anse­hen (die Diskus­sion der Peti­tio­nen begin­nt bei 1:00:32).

Ich werde in den näch­sten Tagen noch einige Aspek­te in eige­nen Blog­beiträ­gen auf­greifen. Hier zunächst der Text mein­er Rede (in der Aufze­ich­nung fol­gt die der Rede des VDS-Vor­sitzen­den Wal­ter Krämer und begin­nt bei 1:10:24).

Weit­er­lesen

Geschmacklich begründete Forderung nach einem Verbot von Anglizismen“ – Ein Interview mit Falco Pfalzgraf

Von Anatol Stefanowitsch

Sprach­puris­mus und sprach­puris­tis­che Vere­ine haben im deutschen Sprachraum eine lange Tra­di­tion, die immer wieder selb­st zum Forschungs­ge­gen­stand von Sprach­wis­senschaftlern gewor­den ist. Ein­er der derzeit führen­den Experten auf diesem Forschungs­ge­bi­et ist Fal­co Pfalz­graf, dessen Buch „Neop­uris­mus in Deutsch­land nach der Wende“ ein Stan­dard­w­erk für jeden ist, der sich wis­senschaftlich mit dem Vere­in Deutsche Sprache und anderen sprach­puris­tis­chen Vere­inen auseinan­der­set­zen will (oder muss).

Pfalz­graf beobachtet die Bestre­bun­gen des VDS und ander­er Grup­pierun­gen nach einem geset­zlichen Schutz der deutschen Sprache seit vie­len Jahren und hat eine Rei­he von Forschungsar­beit­en zu diesem The­ma vorgelegt. Ich freue mich, dass ich zur Vor­bere­itung auf meinen Auftritt vor dem Peti­tion­sauss­chuss des Deutschen Bun­destages am kom­menden Mon­tag das fol­gende E‑Mail-Inter­view mit ihm führen konnte.

Weit­er­lesen

Petitionsausschuss berät über die Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz

Von Anatol Stefanowitsch
Petition "Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz"

Peti­tion “Keine Auf­nahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz”

Der Peti­tion­sauss­chuss des Deutschen Bun­destages berät in ein­er öffentlichen Sitzung am 7. Novem­ber 2011 über zwei Peti­tio­nen zur Ver­ankerung der deutschen Sprache im Grundge­setz. Für eine solche Ver­ankerung wirbt die Peti­tion Deutsch als Lan­dessprache ins Grundge­setz, die der Vor­sitzende des Vere­ins Deutsche Sprache, Wal­ter Krämer, ein­gere­icht hat. Gegen eine solche Ver­ankerung wirbt die Peti­tion Keine Auf­nahme der deutschen Sprache ins Grundge­setz, die ich selb­st als Reak­tion auf die VDS-Peti­tion ein­gere­icht habe.

Es ist mir eine große Ehre, mein Anliegen auf dieser Sitzung noch ein­mal per­sön­lich vor­tra­gen zu dür­fen. Wer Inter­esse hat, die Sitzung direkt oder per Par­la­ments­fernse­hen mitzu­ver­fol­gen, find­et am Ende dieses Beitrags alle rel­e­van­ten Infor­ma­tio­nen dazu.

Weit­er­lesen

Der Mythos vom Tal zwischen den Brüsten

Von Anatol Stefanowitsch

Vor einiger Zeit habe ich hier im Sprachlog eine Rei­he von „Sprachtipps“ von Bild.de disku­tiert, unter denen auch diese Per­le war:

Busen oder Brüste – wo liegt der feine Unter­schied? Antwort: In der Mitte liegt er, genau in der Mitte. Denn der Busen ist in sein­er Ursprungs­be­deu­tung nichts anderes als das Tal zwis­chen den Brüsten. Das Dekol­leté, mit anderen Worten. [10 falsch ver­wen­dete Wörter, Bild.de, 23. Mai 2011]

Ich habe diese Behaup­tung sein­erzeit umfassend entkräftet und dem Ver­fass­er der Sprachtipps dann vorge­wor­fen, die Geschichte vom Busen als „Tal zwis­chen den Brüsten“ von der Rück­seite ein­er Corn­flakespack­ung abgeschrieben zu haben. Ein besorgter Leser hat mich kurz darauf in einem Kom­men­tar zu einem anderen Beitrag ermah­nt, ich solle die „Gegen­seite“ nicht immer „als nur aus Vol­lid­ioten beste­hend hin­stellen, denen jeglich­er Sachver­stand abgeht“.

Diese Ermah­nung nehme ich natür­lich sehr ernst, denn ich will keines­falls für einen Ver­fall der hohen Diskus­sion­skul­tur im Inter­net ver­ant­wortlich sein. Ich möchte mich für meine Gemein­heit deshalb entschuldigen: Verzei­hung, liebe Corn­flakes-Pro­duzen­ten, ich weiß natür­lich, dass ihr der­ar­ti­gen Unfug niemals auf eure Ver­pack­un­gen druck­en würdet.

Bleibt die Frage, woher die Idee vom Busen als „Tal zwis­chen den Brüsten“ denn dann kommt.

Weit­er­lesen

For You, Verbohrt

Von Anatol Stefanowitsch

Deutsche Fir­men, die sich für englis­che (oder deutsch-englis­che) Fir­men­mot­tos und Werbeslo­gans entschei­den, kön­nten natür­lich ein­fach dazu ste­hen. Sie wer­den sich ja etwas dabei gedacht haben.

Nehmen wir zum Beispiel die Fir­ma Schleck­er, die mit dem Mot­to „FOR YOU. VOR ORT.“ von sich reden gemacht hat. Wenn denen jet­zt jemand einen empörten Brief schreiben würde, in dem die mögliche Rolle dieses harm­losen Wort­spiels bei einem endgülti­gen Unter­gang der deutschen Sprache ange­sprochen und eine sofor­tige Erset­zung des­sel­ben durch einen rein deutschen Werbe­spruch gefordert würde, kön­nte Schleck­er wie fol­gt antworten:

Vie­len Dank für Ihre Anfrage. Wir ver­ste­hen, dass nicht jed­er unseren deutsch-englis­chen Slo­gan mag, aber uns und unseren Kun­den gefällt er. Er ist einzi­gar­tig, er fällt auf, er bleibt im Gedächt­nis hän­gen — kurz, er erfüllt alle Anforderun­gen an ein präg­nantes Fir­men­mot­to. Die deutsche Sprache hat die Auf­nahme hun­dert­er von lateinis­ch­er, franzö­sis­ch­er und englis­ch­er Fremd­wörter glänzend über­standen, und wir glauben nicht, dass sie aus­gerech­net an diesem harm­losen Wort­spiel zugrunde gehen wird. [Hypo­thetis­ch­er Antwort­brief der Fa. Schlecker] 

Aber man muss natür­lich nicht zu seinen Slo­gans ste­hen. Man kön­nte beim Erhalt eines sprachkri­tis­chen Briefes auch sofort einknick­en, dem Brief­schreiber zus­tim­men, dass die Pflege der deutschen Sprache ein hohes gut ist, dass die eige­nen Kun­den aber lei­der zu dumm sind, um das einzuse­hen. Dass die Kun­den in ihrer Beschränk­theit eben auf deutsch-englis­chem Sprach­mis­chmasch beste­hen und man nicht umhin komme, ihnen genau das zu liefern. 

Weit­er­lesen

Urgermanische Sprachpflege

Von Anatol Stefanowitsch

In der let­zten Woche wurde im Säch­sis­chen Land­tag ein Antrag der NPD ver­han­delt, der Regierung und Ver­wal­tung zur Ver­mei­dung von Anglizis­men verpflicht­en sollte. Dieser Antrag hat den grü­nen Abge­ord­neten Miro Jen­ner­jahn zu einem Aus­flug in die deutsche Sprachgeschichte inspiri­ert, der es ver­di­ent, als großer Moment der Sprach­nör­glerkri­tik in die Chroniken einzugehen. 

Weit­er­lesen

Fremde Wörter, fremde Schrift

Von Kristin Kopf

Beim Stöbern in alten Druck­en stößt man immer mal wieder auf inter­es­sante Dinge. Recht bekan­nt ist ja die funk­tionale Schriftartenteilung:

Während gebroch­ene Schriften für den deutschen Text einge­set­zt wur­den, wur­den in vie­len Druck­en Anti­quaschriften (unsere heutiger Nor­mal­fall) für Fremd­wörter benutzt. Ein willkür­lich gewähltes Beispiel:

… im Col­lo­quio zu Leipzig … (1559)

Schon span­nen­der wird es, wenn man sich anschaut, wo die Gren­zen der Fremd­wort­markierung ver­laufen: Was der eine Druck­er klar erken­nt, ist für den anderen nicht weit­er bemerkenswert. So ste­hen hier zwei Fremd­wörter nebeneinan­der, von denen nur das erste (Inter­ims) als solch­es markiert wurde, während pub­li­ca­tion (oder auch in der Zeile drüber Adi­apho­ris) unmarkiert bleibt:

… erst nach des Inter­ims pub­li­ca­tion vorgenom­men wor­den … (1559)

In diesem Text hinge­gen wurde sat­is­fac­tion ‘Befriedi­gung’, das dem sel­ben lateinis­chen Muster fol­gt, klar hervorgehoben:

… als in welchem Buche du völ­lige sat­is­fac­tion find­en würdest. (1712)

Inter­es­sant auch, dass hier der flämis­che Name Ver­heyen eben­falls als fremd markiert wird. (Sein Buch, von dem im Tex­tauss­chnitt die Rede ist, ist in der deutschen Über­set­zung hier zu find­en, der Herr ist dieser.)

Am besten sind aber die haarspal­ter­ischen Druck­er. Das sind die, die bemerk­ten, dass an einem Fremd­wort ja nicht alles fremd ist: Weit­er­lesen

Sprachkritik auf Ramschniveau

Von Susanne Flach

Am 10. Sep­tem­ber war “Tag der deutschen Sprache”. Keine Sorge — wer jet­zt hek­tisch im Ter­min- und Gedenk­tagskalen­der nach­sieht, ob er an diesem Tag einen Schrein ange­him­melt hat, der sei beruhigt: Dieser Tag ist eine Aktion des Vere­in deutsche Sprache (VDS). Damit will der VDS seit 2001 “ein Sprach­be­wusst­sein schaf­fen und festigen […]”

Jeden­falls kriechen an und vor diesem Tagen die Medi­en, vor­rangig die kleineren, vor dem Altar der Sprachkri­tik zu Kreuze und veröf­fentlichen im Zuge ihrer Prak­tikan­tenbeschäf­ti­gung­spro­gramme die entsprechen­den VDS-Pressemel­dun­gen. Einige Zeitun­gen ver­suchen sich gar in Kreativ­ität. Die Badis­che Zeitung (BZ) ist so ein Beispiel.

Die BZ präsen­tierte ein kleines “Floske­lal­pha­bet” des “Fast­food der Sprache”. Von A bis Z hohle Floskeln. Darunter: Zukun­ftsper­spek­tive (hä?), Dozierende & Studierende (gähn) oder nicht wirk­lich (schnarch). Aber mir soll’s heute um Ram­schniveau gehen.

Die Redak­teure wollen nach eige­nen Worten der Wahl zum Unwort des Jahres 2011 nicht vor­greifen — hal­ten sie Ram­schniveau doch für einen aus­richt­sre­ichen Kan­di­dat­en (mit dieser Ein­schätzen kön­nten sie sog­ar recht gut liegen) und schla­gen das Wort den­ngle­ich zur Wahl vor.

Aber aus falschen Motiv­en. Denn der BZ geht es nicht um das Wort Ram­schniveau an sich, son­dern darum, was gerne mal vor Ram­schniveau ver­wen­det wird — und warum diese Kon­struk­tion ange­blich ins Floske­lal­pha­bet gehört. Die BZ schreibt:

Ram­schniveau

Wir wollen der Jury, die das Unwort des Jahres 2011 ermit­telt, nicht vor­greifen, aber ihr dieses Wort vorschla­gen. “Irland auf Ram­schniveau her­abgestuft.” Ganz Irland? Natür­lich nicht, bloß seine Staat­san­lei­hen. Der Ire muss es unfair finden.

Hier drängt sich also die Frage auf: Wer­den sich die Iren belei­digt fühlen (müssen/dürfen)?

Na, vielle­icht auf Regierun­gen und Finanzspeku­la­teure, die ihnen die Suppe einge­brockt haben. Aber sprach­lich ist hier eigentlich alles in Ord­nung. Wenn die BZ sagt: “ ‘Irland auf Ram­schniveau her­abgestuft’ Ganz Irland? Natür­lich nicht, bloß seine Staat­san­lei­hen” — hat da jemand gröbere Ver­ständ­nis­prob­leme, dass es eben nicht um die Bewohn­er geht? Die Floske­lanal­pha­betisierungs­beauf­tragten der BZ überse­hen bei ihrer Kri­tik näm­lich einen alltäglichen und nor­malen sprach­lich-kog­ni­tiv­en Prozess, den wir gar nicht bewusst wahrnehmen; also Laien noch weniger und die meis­ten Sprachkri­tik­er schon mal gar nicht.

Dieser Prozess nen­nt sich Metonymie*: Von einem metonymis­ch­er Aus­druck spricht man dort, wo ein Begriff nicht in sein­er wörtlichen Bedeu­tung ver­wen­det wird (was immer die sein kön­nte), son­dern es sich in ein­er Bedeu­tungser­weiterung um eine enge seman­tis­che Ver­wandtschaft zwis­chen dem Beze­ich­nen­den und Beze­ich­neten han­delt. Soll heißen: Durch Metonymie kann sowohl das “Ganze für einen Teil” ste­hen (WHOLE-FOR-PART; Ich lese Shake­speare, Shake­speare als Autor für sein(e) Werk(e)), als auch umgekehrt ein Teil der Bedeu­tungss­chat­tierung für das Ganze (PART-FOR-WHOLE; Super­hirn, Hirn als Teil des Men­schen für den ganzen Menschen).

Wenn Neusee­land im Halb­fi­nale der Rug­by-Welt­meis­ter­schaft Aus­tralien geschla­gen hat, dann haben wed­er 20 Mil­lio­nen Aus­tralier gegen vier Mil­lio­nen Neuseelän­der ver­loren, noch siebenein­halb Mil­lio­nen Quadratk­ilo­me­ter gegen eine Viertelmil­lion — dann haben die Spiel­er gegeneinan­der gespielt, die ihr jew­eiliges Herkun­ft­s­land in ein­er Mannschaft repräsen­tieren. Wie unökonomisch wäre es denn, jedes Mal zu sagen: ‘Die Mannschaft mit Spiel­ern aus­tralis­ch­er Staat­sange­hörigkeit ver­lor deut­lich gegen die Mannschaft mit den Spiel­ern neuseeländis­ch­er Staatsangehörigkeit’?

Als Nichtalko­ho­lik­er dür­fen Sie zurecht pikiert sein, als Trinker beze­ich­net zu wer­den, auch wenn Sie jeden Tag eine Zwei-Liter-Flasche trinken. Fahren Sie zur Tankstelle, um den Schlauch mit dem Tankstutzen an die Öff­nung des Rohrs anzule­gen, von wo aus das Ben­zin in den Tank geleit­et wird — oder tanken sie ein­fach das Auto voll? Ich wün­sche viel Spaß beim Entlüften.

Metonymien sind so alltäglich, dass sie uns nicht auf­fall­en: Da ist Wash­ing­ton sauer auf Berlin, Lon­don macht Zusagen an Paris oder Deutsch­land ver­han­delt mit Peking. Dies sind sowohl Beispiele für das PART-FOR-WHOLE (Lan­deshaupt­stadt als Teil des Lan­des), als auch WHOLE-FOR-PART (Lan­deshaupt­stadt für die dort ansäs­sige Regierung bzw. Lan­des­beze­ich­nung für dessen poli­tis­che Führung). Sollte sich der Berlin­er unfair behan­delt fühlen, wenn die Griechen sauer auf Angela Merkel sind?

Mal sehen, wie es die Badis­che Zeitung mit ‘[LAND] auf Ram­schniveau’ hält:

Irland rang­iert damit nur noch eine Stufe über Ramschniveau.
Badis­che Zeitung, 16. April 2011.

Die Ratin­ga­gen­tur Stan­dard & Poor’s hat­te bere­its am Mon­tag Griechen­land auf das Ram­schniveau CCC herabgestuft.
Badis­che Zeitung, 15. Juni 2011.

Fair­erweise muss man dazu sagen, dass sich Ram­schniveau bei der BZ tat­säch­lich in den meis­ten Fällen auf die Kred­itwürdigkeit oder Staat­san­lei­hen bezieht, in 17 von 19 Tre­f­fern. Immer­hin. Aber trotz­dem nutzen natür­lich auch die Jour­nal­is­ten bei der BZ die Metonymie, um kom­plexere oder neue Umstände sprachökonomisch pointiert(er) darzustellen. Und im Kon­text wis­sen wir auch, dass Con­nemara oder Dublin immer noch reizend und bes­timmt nicht bil­lig sind.

Nun ist Ram­schniveau vielle­icht nicht beson­ders hüb­sch. Oder ermunternd. Oder zutr­e­f­fend. Oder gerecht. Oder psy­chol­o­gisch klug. Für eine Wahl zum Unwort des Jahres wäre es deshalb gar nicht so ungeeignet. Aber der BZ ging es ja um belei­digte Iren.

Bei aller Kri­tik am einzel­nen Begriff — die Kon­struk­tion Irland auf Ram­schniveau ist sprach­lich keine hohle Floskel, und ganz gedanken­los daherge­sagt ist sie auch nicht. Sie ist erk­lär­bar als eine Analo­gie zu einem gängi­gen Muster (z.B. Irland mit Defiziten im Staat­shaushalt) auf Grund­lage eines hunds­gewöhn­lichen, sprachökonomis­chen, kog­ni­tiv­en Prozesses.

Ganz neben­bei und weil es mir noch so auf­fällt: Die For­mulierung “Das Fast­food der Sprache”, mit der die BZ ihr Floske­lal­pha­bet umschrieben hat, fällt unter den Prozess der Meta­pher — und ist von der Metonymie gar nicht beson­ders weit entfernt.

In ein­er ersten Ver­sion dieses Beitrags habe ich zwei Fra­gen aufge­wor­fen. Zur Frage, ob die Iren belei­digt sein dürfen/sollen/müssen kam noch: Was hat Ram­schniveau in einem Floske­lal­pha­bet der Poli­tik­er­sprache zu suchen? Die Über­legun­gen dazu ufer­ten etwas aus — aber ich möchte nicht die Arbeit und das Gedanken­chaos von Stun­den ein­fach der Entf-Taste übergeben. Wer sich für die zweite Frage inter­essiert, kann mit meinen unaus­gereiften Über­legun­gen zum Begriff Ram­schniveau weit­er­lesen (als mögliche Her­leitung des Begriffs, sein­er Bedeu­tung und Erk­lärung der Ver­wen­dung, aber beton­ter­weise nicht als Recht­fer­ti­gung derselben):

Weit­er­lesen

Stille Post sie spielen

Von Anatol Stefanowitsch

Ich bin gedanklich schon auf der Open Mind 11 und der noch etwas unaus­ge­gore­nen Vision von der Zukun­ft der insti­tu­tion­al­isierten Wis­senschaft, die ich dort mor­gen früh vor­tra­gen werde, aber da ich jet­zt mehrfach auf die Mel­dung ange­sprochen wor­den bin, will ich doch schnell etwas dazu sagen: Die Früh­men­schen, meldet Spiegel Online, sprachen wie Yoda aus Star Wars — oder, wie SpON titelt, Früh­men­schen wie Yoda sprachen.

Eine schöne Geschichte, wenn etwas daran wäre. Wer würde nicht gerne wenig­stens seinen sprach­lichen Stamm­baum bis zu dem kleinen aber äußerst kampf­s­tarken grü­nen Jedi-Rit­ter zurück­ver­fol­gen kön­nen. Lei­der stimmt an der Mel­dung, die im Prinzip nur eine leicht über­ar­beit­ete Fas­sung ein­er dpa-Mel­dung ist, so gut wie gar nichts. Sie ist besten­falls ein Beispiel dafür, dass man Pressemel­dun­gen zu wis­senschaftlichen Stu­di­en nicht übernehmen sollte, ohne einen Blick auf die Studie selb­st zu wer­fen. Vor allem aber sollte man sie nicht umschreiben, ohne die Studie zu ken­nen und ver­standen zu haben. Tut man es doch, spielt man im Prinzip stille Post — im Jour­nal­is­mus grund­sät­zlich eine äußerst schlechte Idee.

Weit­er­lesen