Anglizismus des Jahres: Zwischenmeldung

Von Anatol Stefanowitsch
Button für den Anglizismus des Jahres 2011

But­ton für den Anglizis­mus des Jahres 2011

Obwohl die Nominierun­gen zum Anglizis­mus des Jahres noch bis zum 31. Dezem­ber laufen, ist es höch­ste Zeit für eine Zwis­chen­mel­dung. Bis heute sind näm­lich bere­its 46 Wortvorschläge einge­gange (einige davon mehrfach). Zum Ver­gle­ich: Im let­zten Jahr wur­den bis Ende Dezem­ber nur 38 Wörter nominiert.

Bei den The­men­bere­ichen, aus denen die nominierten Wörter stam­men, gibt es einen auf­fäl­li­gen Unter­schied zum let­zten Jahr: Die Finanzkrise, die uns ja eigentlich schon länger beschäftigt, ist mit­tler­weile offen­sichtlich so präsent, dass sie sich in ein­er Rei­he von Vorschlä­gen wieder­spiegelt: Bail-out, Com­pli­ance, Euro-Bonds, Hair­cut, Rating/raten, und Stresstest (wobei let­zteres natür­lich auch bei der öffentlichen Diskus­sion um die Abnei­gung der Stuttgarter gegen einen neuen Bahn­hof eine Rolle gespielt hat).

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Swaghalsige Jugendwörter

Von Anatol Stefanowitsch

Der Lan­gen­schei­dt-Ver­lag, der es als Her­aus­ge­ber exzel­len­ter Wörter­büch­er eigentlich nicht nötig hätte, macht sich seit 2008 jedes Jahr mit der Wahl zum „Jugend­wort des Jahres“ zum Affen.

Nicht, weil es keine Jugend­wörter gäbe — die gibt es, und sie wer­den auch sprach­wis­senschaftlich unter­sucht (zum Ein­stieg empfehle ich Schlobin­s­ki 2002). Son­dern, weil der Lan­gen­schei­dt-Ver­lag kein Inter­esse an Jugend­wörtern hat, und sich fol­gerichtig auch nicht bemüht, etwas über Jugend­wörter her­auszufind­en — oder wenig­stens Jugend­wörter zu finden.

Statt dessen wird ein­er Jury aus Jugendlichen (es geht ja um Jugend­sprache) und Journalist/innen (es geht ja um, äh…) jedes Jahr eine beliebige Auswahl von Wörtern aus allen möglichen Funk­tions­bere­ichen der Sprache vorgelegt, aus denen die dann ein Siegerwort küren soll.

Und in diesem Jahr ist die Beliebigkeit der Auswahl sog­ar der Jury selb­st aufge­fall­en. Ihre Begrün­dung für die fünf Final­is­ten und deren Rang­folge liest sich wie eine einzige lange Dis­tanzierung von dem, wozu sie sich da bre­itschla­gen lassen haben.

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Noch mehr Beulen für Athen

Von Susanne Flach

Let­zte Woche ging’s um Zähne und Beulen - und um die Schlussfol­gerung, dass nicht alles, was der Mut­ter­sprach­ler für nicht-exis­tent hält, in sein­er Sprache auch tat­säch­lich nicht-exis­tent ist.

Teil II: LIVE COOKING

In eine ganz ähn­liche Kat­e­gorie fällt live cook­ing. Illus­tri­ert ist das (von Tonks?) durch einen Car­toon mit einem Kochtopf, aus dem Hände ragen — was ange­blich zeigen soll, woran “Englän­der […] bei ‘Live Cook­ing’ denken”. Mit der Ver­wen­dung und der Anwen­dung von Live Cook­ing machen wir uns in den Ohren eines Mut­ter­sprach­lers des Englis­chen also des Kan­ni­bal­is­mus schuldig.

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Frische Beulen im Denglisch-Wahn

Von Susanne Flach

Die amerikanis­che Lin­guistin Gabe Doyle disku­tiert in ihrem immer sehr lesenswerten Blog Moti­vat­ed Gram­mar in einem Beitrag “Is speak­ing the lan­guage all it takes to be an expert?” die Frage, warum die Tat­sache, dass man eine Sprache als Mut­ter­sprache spricht, nicht immer aus­re­ichend ist, über den all­ge­meinen Gebrauch der­sel­ben zu sin­nieren. Damit spricht sie — vere­in­facht gesagt — einen der Gräben an, die zwis­chen Sprach­wis­senschaft und öffentlich­er Mei­n­ung (über Sprache) liegen. Das geht so: A hat zwar mut­ter­sprach­liche Kom­pe­tenz, aber keine Exper­tise von sprach­lichen Prozessen und sagt, dass es Phänomen Y entwed­er nicht gibt oder falsch ist. Experte B präsen­tiert Belege für die sys­tem­a­tis­che Ver­wen­dung von Phänomen Y.

Robert Tonks ist nach qua­si-eige­nen Angaben “der älteste Walis­er zwis­chen Rhein und Ruhr”. Ein Brite also, mut­maßlich Mut­ter­sprach­ler des Englis­chen. Im Sep­tem­ber hat er ein Buch über Englisch in der deutschen Sprache veröf­fentlicht (It is not all Eng­lish what shines). Dort analysiert er englis­che Werbe­sprüche im Deutschen, (rück)“übersetzt” diese und macht sich dementsprechend und in der Summe über Deutsche (Wer­ber) lustig.

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Sprache diskriminiert

Von Anatol Stefanowitsch

Gestern habe ich an ein­er Podi­ums­diskus­sion der Bun­deszen­trale für poli­tis­che Bil­dung mit dem The­ma „Wort und Wirk­lichkeit: Kann Sprache diskri­m­inieren?“ teilgenom­men, deren Ergeb­nisse ich auf vielfachen Wun­sch in eini­gen Blog­beiträ­gen aufar­beit­en möchte. Ich beginne heute mit den Gedanken, die ich mir vor der Diskus­sion zu der Frage „Kann Sprache diskri­m­inieren“ gemacht und notiert hatte.

Das lateinis­che Verb dis­crim­inare bedeutet „tren­nen“, „unter­schei­den“, und in dieser Bedeu­tung wurde es im 17. Jahrhun­dert in ver­schiedene europäis­che Sprachen entlehnt. Im Deutschen find­et es sich zunächst sehr vere­inzelt, erst ab dem 19. Jahrhun­dert ist es häu­fig belegt, dann haupt­säch­lich in sein­er heuti­gen Bedeu­tung („her­ab­würdi­gen“, „benachteili­gen“).

Wie diese mod­erne Bedeu­tung ent­standen ist, lässt sich im Englis­chen sehr gut nachvol­lziehen, weil das Wort dort seit dem 17. Jahrhun­dert durchgängig im Gebrauch war und bis heute neben der mod­er­nen auch die ursprüngliche Bedeu­tung hat. Der erste Beleg für die mod­erne Bedeu­tung im Oxford Eng­lish Dic­tio­nary ist der folgende:

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Caution! This language is under construction!

Von Kristin Kopf

Mein enorm guter Fre­und Mehmet Aydın (hier im Sch­plock auch schon als Memo aufge­treten) hat, unter Ein­fluss der kür­zlich stattge­fun­den haben­den StuTS, die ja immer ein Biotop für lin­guis­tik­be­zo­gene Spiel­ereien ist, eine großar­tige Serie von Hin­weiss­childern kreiert, die ich euch nicht voren­thal­ten will. So, with­out fur­ther ado:


Alle Bilder ste­hen unter der Cre­ative-Com­mons-Lizenz CC BY-NC-ND 3.0, man darf sie sich also z.B. aus­druck­en und an die Bürotür hän­gen, und existieren auf Anfrage auch noch in besser­er Auflö­sung. Eben­falls auf Anfrage (in den Kom­mentaren) gibt’s nähere Erläuterun­gen zu den einzel­nen Motiven.

Wortschatzerweiterungen

Von Anatol Stefanowitsch

Ab und zu fehlen selb­st den elo­quentesten Mit­gliedern ein­er Sprachge­mein­schaft die Worte — dann näm­lich, wenn deren Sprache für einen bes­timmten Sachver­halt schlicht kein Wort bere­it­stellt. In der Sprach­wis­senschaft spricht man hier all­ge­mein von lacu­nae, oder, weniger latin­isiert, von „lexikalis­chen Lücken“.

Inter­es­sant sind diese Lück­en natür­lich nur dann, wenn ein Wort für einen an sich bekan­nten Sachver­halt fehlt, und nicht dann, wenn ein Wort fehlt, weil das zu Beze­ich­nende selb­st unbekan­nt ist. Das Deutsche hat­te bis in die 1990er Jahre kein Wort für Sushi, aber weil nie­mand das damit beze­ich­nete Gericht über­haupt kan­nte, fehlte das Wort ja nicht im eigentlichen Sinne. Man kön­nte also etwas präzis­er von „Ver­sprach­lichungslück­en“ sprechen (aber das ist eine Eigenkreation, kein anerkan­nter Fachbegriff).

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Der Ekel des Hofmedicus vor kecken Studentinnen

Von Anatol Stefanowitsch

Im Zusam­men­hang mit mein­er kleinen Unter­suchung zu Auf­stieg und Fall des Wortes Studierende habe ich auch nach frühen Ver­wen­dun­gen des Wortes Stu­dentin gesucht, und dabei dieses Juwel ent­deckt: Hen­rich Matthias Mar­card, Königlich Großbrit­tanis­ch­er Hofmedicus zu Han­nover, Mit­glied der Königlichen Großbrittannischen
und Königlichen Dänis­chen Gesellschaften der Aerzte zu Edin­burg und zu
Copen­hagen, der Goet­tingis­chen Soci­etät der Wissenschaften
Cor­re­spon­den­ten
, beschreibt junge Men­schen, die er in Pyr­mont beobachtet hat.

Um es mal so zu sagen, er hat für junge Leute nicht viel übrig — und für kluge Frauen schon gar nicht: 

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Langlebige Studierende

Von Anatol Stefanowitsch

In einem kurzen Anflug von Ver­wal­tungs­frust habe ich gestern nos­tal­gisch fol­gen­den Satz getweet­ed: „Wisst ihr noch, früher, als die Uni­ver­wal­tung für die Lehren­den und Studieren­den gear­beit­et hat?“. Kein bedeut­samer Satz, denn einen kurzen Anflug von Ver­wal­tungs­frust hat jede/r Universitätsmitarbeiter/in (inklu­sive der­er in der Ver­wal­tung) etwa drei Mal pro Minute. Neben viel Zus­tim­mung kam kurz darauf aber auch die Antwort „Früher hießen die auch noch Pro­fes­soren und Stu­den­ten und nicht Lehrende und Studierende.“

Denn nichts löst so zuver­läs­sig Kopf­schüt­teln aus, wie mein Ver­such, möglichst durchgängig eine wenig­stens ober­fläch­lich geschlecht­sneu­trale (oder zumin­d­est geschlecherg­erechte) Sprache zu ver­wen­den. Das ist ja Polit­i­cal Cor­rect­ness, und irgend­wie scheinen viele anson­sten nette und kluge Men­schen der Mei­n­ung zu sein, dass aus­gerech­net diese Art der Kor­rek­theit abzulehnen sei. Weil es doch nur Sprache ist, und man über die Sprache nicht die Welt ändern kann. Und weil die Welt auch gar nicht geän­dert wer­den muss, weil sie doch längst ger­cht ist. Oder eben, weil geschlecht­sneu­trale und/oder geschlechterg­erechte Sprache irgend­wie nicht so ist wie früher, wo alles bess­er war.

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Anglizismus des Jahres 2011

Von Anatol Stefanowitsch

Zugegeben, der „Anglizis­mus des Jahres“, den wir 2010 erst­ma­lig gekürt haben, ist nicht auf ein­hel­lige Begeis­terung gestoßen. Der Redak­tion­sleit­er des „wochenkuri­er Ennepe-Ruhr“, zum Beispiel, reagierte auf die Pressemel­dung, in der die Jury ihre Entschei­dung für das Wort leak­en bekan­nt­gab, mit der „her­zlichen“ Bitte, „kün­ftig von solchen Zusendun­gen abzuse­hen“. Seine Zeitung, ließ er uns wis­sen „ver­sucht aus Überzeu­gung, Anglizis­men weitest­ge­hend aus dem Blatt her­auszuhal­ten.“ Außer­dem wisse er nicht, was „Leak­en“ über­haupt bedeuten solle.

Auch in der Poli­tik stießen wir auf vere­inzelte Unmut­säußerun­gen. Hans-Peter Fan­ti­ni, Stadtverord­neter der FDP in Neuss am Rhein, beschuldigte uns per E‑Mail, mit der Wahl des Wortes leak­en „einen weit­eren Beitrag zur Verun­sicherung der­er geleis­tet [zu haben], die ver­suchen sich in die Fein­heit­en der deutschen Sprache einzuarbeiten.“ 

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