Sprachbrocken 19–20/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Da gibt es eine winzige sprach­liche Min­der­heit, die sich nicht nur weigert, die Sprache der Mehrheit zu ler­nen, son­dern die es sog­ar geschafft hat, ihre Sprache durch Geset­ze schützen zu lassen. Und jet­zt beschw­ert sich diese Min­der­heit, die nur knapp 0,7 Prozent der Bevölkerung stellt, dass die Ret­tungsstellen nicht rund um die Uhr mit Leuten beset­zt sind, die ihre Sprache sprechen.

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[Schplock trifft Lehre] Keiner mag Sächsisch

Von Kristin Kopf

Vielle­icht erin­nert ihr euch noch an den Beitrag zur ersten Sitzung im Rhe­in­fränkischsem­i­nar. Zum Ein­stieg habe ich die Studieren­den da einen kurzen Frage­bo­gen aus­füllen lassen, in dem ich unter anderem danach gefragt habe, welch­er deutsche Dialekt ihnen am besten und welch­er am wenig­sten gefalle. Solche Umfra­gen gibt es ja immer wieder, zulet­zt 2009 vom IdS in Mannheim im Rah­men ein­er größeren Studie zu Sprache­in­stel­lun­gen. Eine schnelle Über­sicht über die Ergeb­nisse zur Beliebtheit der Dialek­te ist z.B. hier zu find­en (gefragt war danach, welchen deutschen Dialekt man am sym­pa­this­chsten finde).

Ich habe nun die Ergeb­nisse aus meinen bei­den Kursen (zusam­men ca. 70 Leute) aus­gew­ertet und denen des IdS gegenübergestellt. Es gibt ein paar Abwe­ichun­gen, aber auch eine ganze Menge Par­al­le­len1:

Blau (Kurs) bzw. türkis (IdS) ste­ht für eine pos­i­tive, rot (Kurs) bzw. orange (IdS) hinge­gen für eine neg­a­tive Bew­er­tung des jew­eili­gen Dialek­ts (Angaben in %).

Mhm, meine Studierenden mögen Sächsisch nicht.

So gar nicht. Damit sind sie aber nicht alleine: Weit­er­lesen

Humor

Von Susanne Flach

Damit hier auf Dauer nicht der Ein­druck entste­ht, Sprach­wis­senschaft­lerIn­nen hät­ten keinen Humor und/oder möcht­en nur an Nör­glern rum­nörgeln, gibt es ab sofort in unregelmäßiger Abfolge einen Humor­beitrag. Ges(t)ammeltes Meta.

Heute ging in mein­er Face­book-Time­line fol­gen­der Witz herum, den Arnold Zwicky 1992 in sein­er “Pres­i­den­tial Adress” der Lin­guis­tic Soci­ety of Amer­i­ca erzählte (zitiert in Gold­berg 2006: 19):

A math­e­mati­cian, a physi­cist, an engi­neer, and a lin­guist are try­ing to decide if all odd num­bers are prime. The math­e­mati­cian says, “one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime, 9’s not prime, so no.” The physi­cist says, “one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime, 9’s not prime, but maybe that’s exper­i­men­tal error.” The engi­neer says, “one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime, 9’s prime … ”

The lin­guist says, “one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime. Aha! We have a uni­ver­sal gen­er­al­iza­tion. Nine doesn’t seem to be prime, but it MUST be prime at some under­ly­ing lev­el of representation!”

(Inge­nieurIn­nen unter Ihnen müssen mir aber die Inge­nieurin erklären.)


Gold­berg, Adele. 2006. Con­struc­tions at work. The nature of gen­er­al­iza­tion in lan­guage. Oxford.

Du, Sie, Müller’s Vieh

Von Susanne Flach

Nebe­nan im Sprachlog hat Ana­tol unter dem Ver­dacht der Inhalt­sleere die Frage gestellt, was seine LeserIn­nen so in welchem Kom­mu­nika­tion­skanal siezen. Das hat mich drin­gendst daran erin­nert, dass ich seit Jahr und Tag mal was zum ‘Siezen im Englis­chen’ schreiben wollte.

Das kommt so: Mit zunehmender Dauer tendiert die Wahrschein­lichkeit gegen 1, dass jemand in ein­er Diskus­sion zur Anrede im Englis­chen behauptet, dass im Englis­chen “streng genom­men” nur gesiezt wird: Das “You” ist kein “Du”, son­dern ein “Sie”, Die Du-Form … ist schon seit 200 Jahren aus dem Wortschatz ver­schwun­den oder Das Englis­che “you” bedeutet nicht “Du”, son­dern entspricht eher ein­er Anre­de­form, die der alt­deutschen Form “Ihr” näherkommt, einem Plur­al, der Respekt bezeugt.

Obwohl sprach­his­torisch nicht völ­lig daneben, ist die Begrün­dung um und bei immer die Gle­iche: Zu grauer Vorzeit gab es thou für die 2. Per­son Sin­gu­lar und you für die 2. Per­son Plur­al. Erstere (thou.2SG) sei dabei ver­loren gegan­gen und nur you.2PL ist übrig geblieben. Ergo: Im Englis­chen wird eigentlich gesiezt.

Das ist aber gle­ich ein dreifach­er Trugschluss. Der erste Trugschluss, an dessen heißen Punk­ten ich mir gar nicht die Fin­ger ver­bren­nen will, ist der, dass die Anre­destrate­gien in bei­den Sprachen irgend­wie eins-zu-eins aufeinan­der über­trag­bar wären. Der Trugschluss beschreibt die Vorstel­lung, dem deutschen Siezen im Englis­chen eine Entsprechung gegenüber­stellen zu kön­nen. Dass das Unsinn ist, kann jed­er bestäti­gen, der bei­de Sprachen auch prag­ma­tisch ganz gut beherrscht und einem Mono­lin­gualen die Anre­dekon­ven­tio­nen der jew­eils anderen Sprache erk­lären möchte. Natür­lich kön­nte man argu­men­tieren, dass man an der Ver­wen­dung von Vor­na­men oder Nach­na­men eine gewisse Duzen-Siezen-Äquiv­alenz erken­nen kann. Das Prob­lem ist aber deut­lich zu vielschichtig und ich möchte mich hier nicht im Dic­kicht ver­hed­dern, das ver­sucht, ein zwei­di­men­sion­ales mor­phosyn­tak­tis­ches Par­a­dig­ma ein­deutig auf ein min­destens vierdi­men­sion­ales Sys­tem von Dis­tanz, Respekt, Kon­text und soziokul­turellen Nor­men anzuwen­den. Darum soll’s mir hier nicht gehen.

Der zweite Trugschluss ist mor­phosyn­tak­tis­ch­er Natur. Richtig ist zunächst, dass for­mal nicht zwis­chen you.2SG+V und you.2PL+V unter­schieden wer­den kann. Das ist jet­zt natür­lich wenig erstaunlich, denn die einzige Präsensver­balflex­ion des Englis­chen find­et sich in der 3. Per­son Sin­gu­lar Indika­tiv (zumin­d­est in der Stan­dard­va­ri­etät und mit Aus­nahme von {BE}).

Dieser Trugschluss sug­geriert aber, dass im Englis­chen die Zeile ‘2SG’ leer ist, was natür­lich nicht stim­men kann (mehr dazu später). Wenn wir jet­zt mal die sozi­olin­guis­tis­che Siezen-Duzen-Unter­schei­dung weglassen, gibt es auch im Englis­chen die seman­tis­che Unter­schei­dung you ‘du’ und you ‘ihr’ — you ist da im Ver­gle­ich zum Deutschen ambig; aber immerhin.

1SG I am ich bin
2SG you are du bist
3SG he/she/it is er/sie/es ist
1PL we are wir sind
2PL you are ihr seid
3PL they are sie sind

(Wenn wir’s also wirk­lich streng nehmen wür­den, ist Siezen schon allein deshalb Unfug, weil you.PL natür­lich ‘ihr’ entspricht. Aber sind wir mal nicht so.)

Was ver­loren gegan­gen ist, ist die gram­ma­tis­che Unter­schei­dung von 2SG und 2PL, nicht eine 2SG-Form an sich. Die fol­gende Darstel­lung der his­torischen Entwick­lung ist stark vere­in­facht, nichtzulet­zt, weil nur die Nom­i­na­tiv-For­men angegeben sind und hier noch der Dual aus dem Altenglis­chen aus­geklam­mert ist (Smith 1999: 77, 113, 146):

AE ME FNE ModE ModE (dialektal/
kontextuell)
2SG.NOM þu thou thou you you/thou (arch.)
2PL.NOM ge ye ye/you you yous(e)/yiz/yez

An dieser kurzen Über­sicht ist rel­a­tiv klar erkennbar, dass you [ju:] die ‘Weit­er­en­twick­lung’ des 2PL-Pronomens ist und der Bruch beim 2SG-Pronomen im Früh­neuenglis­chen (FNE) liegt. Die Erk­lärung geht so: <g> wurde im Altenglis­chen (AE) prä­vokalisch [j] aus­ge­sprochen und <þ> als [ð], wie im heuti­gen they. Aber es bedeutet eben nicht, dass die 2SG-Form an sich ver­schwun­den ist — die ältere Form thou wurde nach ein­er ziem­lich kom­plex­en Vari­a­tion im thou/you-Kos­mos von you ver­drängt, welche dabei vom Plur­al-Kon­text auf den Sin­gu­lar-Kon­text aus­geweit­et wurde und die Funk­tion you.2SG ‘du’ über­nahm. Die Gründe dafür find­en sich vor allem im stilis­tis­chen und sozio­prag­ma­tis­chen Bere­ich (Busse 2002). Die ganze Geschichte ist in Wahrheit z.B. in Verbindung mit dem vor­ange­gan­genen Kasus­ab­bau sehr viel kom­plex­er, aber für den Moment soll das reichen.

Hier kön­nen wir ein Konzept aus der Sozilin­guis­tik ins Spiel brin­gen, die soge­nan­nte T-/V‑Un­ter­schei­dung (Brown & Gilman 1960). Anders aus­ge­drückt: thou hat früher nicht nur eine Numerusun­ter­schei­dung ermöglicht (2SG), son­dern auch als T‑Pronomen fungiert (von lat. tu ‘du’), you/ye dage­gen als V‑Pronomen (von lat. vos ‘ihr/Sie’). So gab es ein Hon­ori­fikum, mit dem man auch nur eine Per­son ansprechen kon­nte, also zusät­zlich zu du/ihr auch eine entsprechende du/Sie-Unter­schei­dung tre­f­fen kon­nte — die soge­nan­nte T-/V‑Un­ter­schei­dung. Diese Unter­schei­dung existiert im heuti­gen Englisch aber nicht mehr — und you erfüllt als you.2SG die Funk­tion ‘eine mir gegenüber­ste­hende Per­son’ und als you.2PLzwei oder mehrere mir gegenüber­ste­hende Personen’.

Wenn jet­zt also jemand sagt, im englis­chsprachi­gen Raum wird “eigentlich” gesi­et­zt, der sagt damit ja, dass die Kat­e­gorie 2SG ungenutzt dastünde (s.o.). Dass das nicht richtig ist, zeigt sich erstens in der Numerusun­ter­schei­dung der Reflex­ivpronom­i­na, wo your­self.2SG und your­selves.2PL klar die Exis­tenz der Numeruskat­e­gorie bele­gen. Zweit­ens tritt you.2PL dialek­tal, kon­textab­hängig und umgangssprach­lich als yous(e)/yez/yiz.2PL auf und ermöglicht so eine Dis­am­bigu­ierung von you.SG und you.PL. Wenig über­raschend find­en sich alle Belege für yous(e), youz(e), yiz, oder yez im BNC dementsprechend in den Gen­res der gesproch­enen Sprache wie ‘Fic­tion’, ‘Oral His­to­ry’, ‘Inter­view’ oder ‘Con­ver­sa­tion’.

Iro­nis­cher­weise ist eine mögliche Erk­lärung für das Ver­schwinden des thou.2SG aus dem Pronom­i­nal­par­a­dig­ma der Stan­dard­sprache, dass man zu Shake­spear­es Zeit­en you.2PL (damals V‑Form) in ein­er Höflichkeitsspi­rale auch für Anre­den nutzte, für die man bis dahin die T‑Form thou nutzte. Die Ironie dabei ist, dass thou jet­zt archaisch ist und abge­se­hen von weni­gen Dialek­tver­wen­dun­gen heute auf religiöse und erzkon­ser­v­a­tive Kon­texte beschränkt ist: Thou, my Lord! ‘Du, mein Gott’, also gewis­ser­maßen jet­zt eine höhere For­mal­ität aufweisen. Der Prozess in der Stan­dard­sprache war aber um 1700 abgeschlossen, you der unmarkierte Fall für die all­ge­meine Anrede und die syn­tak­tis­che V-/T‑Un­ter­schei­dung somit wegge­fall­en (Busse 2002: 3, OED).

Der dritte Trugschluss ist deshalb ety­mol­o­gisch. Nur weil etwas irgend­wann (hier: so vor, hm, 300–400 Jahren) mal so und so war, heißt das nicht, dass es noch so ist bzw. dass es noch so sein sollte. Heute wird gibt es im Englis­chen keine gram­ma­tis­che V-/T‑Un­ter­schei­dung. Selb­st die dialek­tale Ver­wen­dung von thou ist auf einen sehr inti­men-famil­iären Kon­text beschränkt. Wenn, dann wer­den Dis­tanz, Respekt oder son­stige Hier­ar­chie­un­gle­ich­heit­en auf andere Weise aus­ge­drückt. Aber gesiezt wird hier bes­timmt niemand.

(Genau­so däm­lich ist es umgekehrt zu behaupten, im Englis­chen gäbe es kein Sie. Soll­ten Sie das aus meinen Zeilen lesen oder gele­sen haben, gehen Sie zurück zu Trugschluss 1 und 2.)

Ach so ja: Die Großschrei­bung der Anrede Sie im Deutschen ist irgend­wie auch nur eine schrift­sprach­liche Kon­ven­tion, die zum Beispiel das strafrechtlich­es Beziehungs­ge­flecht bei ich wurde von Ihnen/ihnen kranken­haus­reif geschla­gen dis­am­bigu­iert. Hände hoch, wer beim siezen an eine abwe­sende dritte Per­son im Plur­al denkt? Mor­phosyn­tak­tisch nutzen wir im Deutschen für die Höflichkeit­sanrede die 3.PL, was sprachty­pol­o­gisch übri­gens sehr ungewöhn­lich ist (Helm­brecht 2005, 2011). Denkense mal drüber nach, bevor Sie behaupten, im Englis­chen wird gesiezt: What did They do yes­ter­day? und Ihren gegenüber meinen.

Wie würde das denn klin­gen, wenn Sie eine Duzbekan­ntschaft auf Englisch mal übel beschimpfen möchten?

Fuck thou?

PS: Also, Ana­tol, wie du siehst, sieze ich im Blog. Es lässt sich im Zweifels­fall leichter beleidigen.


Brown, Roger & Albert Gilman. 1960. The pro­nouns of sol­i­dar­i­ty and pow­er. In: Sebeok, Thomas [ed]. Style in Lan­guage. MIT Press: 253–276.

Busse, Ulrich. 2002. Lin­guis­tic vari­a­tion in the Shake­speare cor­pus — mor­pho-syn­tac­tic vari­abil­i­ty of sec­ond per­son pro­nouns. Ben­jamins.

Helm­brecht, Johannes. 2006. Typolo­gie und Dif­fu­sion von Höflichkeit­spronom­i­na in Europa. Folia Lin­guis­ti­ca 39(3–4): 417–452. [Link zu ein­er frei ver­füg­baren Ver­sion von 2005, Arbeitspa­piere des Sem­i­nars für Sprach­wis­senschaft der Uni­ver­sität Erfurt (18).]

Helm­brecht, Johannes. 2011. Polite­ness Dis­tinc­tions in Pro­nouns. In: Dry­er, Matthew S. & Mar­tin Haspel­math [eds]. The World Atlas of Lan­guage Struc­tures Online. Max Planck Dig­i­tal Library, chap­ter 45. [Link] (06. Mai 2012).

Smith, Jere­my J. 1999. Essen­tials of Ear­ly Eng­lish. Rout­ledge.

Sprachbrocken 18/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Wer mehrere Sprachen spricht, hat nicht nur mehr Gesprächspartner/innen, son­dern auch ein feineres Gehör. Das haben, wie man so schön sagt, amerikanis­che Wis­senschaftler her­aus­ge­fun­den (das Forschung­steam aus vier Frauen und einem Mann wird in der dpa-Mel­dung übri­gens kon­se­quent mit dem maskulinum „US-Forsch­er“ beze­ich­net — der klare Beweis dafür, dass es ein gener­isches Maskulinum sex­is­tis­che Sprache gibt). Es han­delt sich übri­gens um eine neu­rol­o­gis­che Studie mit spanisch-englis­chsprachig aufgewach­se­nen Teenagern, die zeigt, dass die Silbe da, die die Ver­suchsper­so­n­en in ein­er Train­ingsphase mehrfach vorge­spielt beka­men, bei den bilin­gualen Ver­suchsper­so­n­en unter durch Hin­ter­grundgeräusche erschw­erten Hörbe­d­i­n­un­gen eine deut­lichere Reak­tion im Hirn­stamm her­vor­rief als bei der mono­lin­gualen Kon­troll­gruppe (die Studie gibt es hier).

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[Schplock trifft Lehre] Der Seminarplan

Von Kristin Kopf

Wie bere­its angekündigt, durften meine Studieren­den den Sem­i­nar­plan im Rhe­in­fränkisch-Sem­i­nar selb­st mitbes­tim­men. Ich habe let­ztlich immer mehrere passende Phänomene zusam­menge­fasst, um den sehr unter­schiedlichen Wün­schen der bei­den Kurse gerecht zu wer­den – vier The­men haben es dann nicht geschafft, beson­ders die flex­ion­s­mor­phol­o­gis­chen. Ist aber nicht so schlimm, auch mit den gewählten Erschei­n­un­gen kann man außeror­dentlich ern­sthafte Lin­guis­tik betreiben.

Da aus ver­schiede­nen Rich­tun­gen der Wun­sch nach dem Sem­i­nar­plan kam, poste ich ihn euch hier­mit. Weit­er­lesen

Sag mir was du siezt

Von Anatol Stefanowitsch

Die Apotheken Umschau (sie schreibt sich wirk­lich so, was mich nicht weit­er stört, was ich aber trotz­dem gesagt haben will, falls es andere stört, die dann näm­lich wis­sen, dass es mich nicht stört) veröf­fentlicht jeden Monat eine repräsen­ta­tive Umfrage zu aktuellen The­men wie„Opfer des Jo-Jo-Effek­ts: Frauen oft von neuen Diät­meth­o­d­en ent­täuscht — Jede Zweite nahm rasch wieder zu“, „Trend zum rasierten Mann: Män­ner — vor allem die jün­geren — ent­fer­nen nicht mehr nur den Bart“, „Tal­is­man im Täschchen: Glücks­bringer sind Frauen­sache“ oder„Riskantes Fieber­messen mit Glas: Jed­er Vierte in Deutsch­land benutzt noch ein herkömm­lich­es Ther­mome­ter“ – ein regel­recht­es kleines Fen­ster in die deutsche Volksseele.

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Sprachbrocken 17/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Da macht man sich ein biss­chen über die ange­bliche Mod­ell­haftigkeit des Lateinis­chen lustig und schlägt vor, doch lieber mod­erne Fremd­sprachen oder Piratisch zu ler­nen, und kurz darauf disku­tiert die deutsche Medi­en­land­schaft auf bre­it­er Ebene über die Sprache der alten Römer. Wie Der West­en berichtet, find­et plöt­zlich auch die Bun­desvere­ini­gung der Deutschen Arbeit­ge­berver­bände, dass der Latei­n­un­ter­richt nicht dazu taugt, die Schüler/innen zu zukün­fti­gen „Beschäftigten“ auszu­bilden. Und was tut der Vor­sitzende des Alt­philolo­gen­ver­ban­des, von dem die Idee der Mod­ell­haftigkeit stammt? Er stimmt zu: „Wer Rich­tung Wirtschaft denkt, ist mit aus­ge­fal­l­enen Sprachen wie Ara­bisch oder Chi­ne­sisch bess­er beraten.“

Und Rich­tung Wirtschaft denkt ja schließlich ganz Deutschland.

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Von Lauten und Buchstaben

Von Kristin Kopf

Bei mir hat ein­mal ein/e Student/in Buch­stabe statt Phonem gesagt. Einmal.

Hm, ja. Bei mir im Sem­i­nar ist das erst let­zte Woche wieder passiert, und ich war ein wenig hil­f­los – im sech­sten Semes­ter und nach zahlre­ichen Pflichtver­anstal­tun­gen in der Lin­guis­tik müsste man es eigentlich bess­er wissen.

Aber worum geht es?

Wir sind enorm schrift­fix­iert, was bei sprach­wis­senschaftlichen Laien oft dazu führt, dass sie nicht unter­schei­den, was Schrei­bung ist und was nicht.

So habe ich zum Beispiel schon von Studieren­den gehört, dass man früher <Tax­en> geschrieben habe, jet­zt aber zunehmend <Taxis> schreibe. Das hat aber mit der Schrei­bung nichts zu tun – sie bildet nur einen Wan­del ab, der sich auf ein­er anderen Ebene vol­l­zo­gen hat: Aus ein­er Art der Plu­ral­bil­dung (auf -en am Wort­stamm) wurde eine andere (auf -s an der Grund­form). Auch ganz leicht zu merken daran, dass dieser Unter­schied auch beste­hen bleibt, wenn man sich nicht die Schrei­bung anschaut, son­dern das Wort gesprochen hört.

Dage­gen ist so etwas wie <Delfin> statt <Del­phin> ein reines Schreibphänomen, an der Gram­matik ändert sich da nichts. Den­noch waren in den heißen Zeit­en der Rechtschreibre­form viele der Mei­n­ung, die Sprache an für sich werde verän­dert, also das Missver­ständ­nis-Gegen­stück zu eben. Weit­er­lesen

Nackt im Schatten

Von Anatol Stefanowitsch

Schon mehrfach haben mich meine Co-Blog­ger Joachim Schulz (Quan­ten­welt) und Dierk Haa­sis (Con Text) gebeten, doch mal etwas über die englis­chen Wort­paare shadow/shade bzw. naked/nude zu schreiben (wer sich für welch­es Wort­paar inter­essiert hat, dürfte offen­sichtlich sein). Ich hätte ihnen den Gefall­en auch schon längst getan, nur ist mir nie eine inter­es­sante Per­spek­tive dazu einge­fall­en. Es sind eben Fälle, in denen es im Englis­chen zwei Wörter gibt, wo das Deutsche nur eins hat (nackt, bzw. Schatten).

Ein inter­es­santes The­ma wäre die Frage, ob das Englis­che grund­sät­zlich feinere Bedeu­tung­sun­ter­schei­dun­gen trifft, als andere (europäis­che) Sprachen. Ich habe diese Behaup­tung ab und zu während meines Studi­ums oder von Kolleg/innen gehört, und völ­lig unplau­si­bel ist sie nicht. Das Englis­che stand während der mehrere Hun­dert Jahre währen­den nor­man­nis­chen Besatzung in einem engen Kon­takt zum Franzö­sis­chen und hat in dieser Zeit außergewöhn­lich viele Lehn­wörter aufgenom­men, ohne die schon vorhan­de­nen Wörter auszu­sortieren; der englis­che Wortschatz ist deswe­gen an vie­len Stellen umfan­gre­ich­er als bei Sprachen mit wenig Lehngut, und das müsste ja eine Aus­d­if­feren­zierung von Bedeu­tun­gen mit sich brin­gen. Aber das tat­säch­lich zu unter­suchen, würde den Rah­men dieses Blogs natür­lich sprengen.

Weniger inter­es­sant schien es mir, die Bedeu­tung­sun­ter­schiede ein­fach zu erk­lären. Das Sprachlog ist schließlich kein Wörter­buch: Wenn Dierk und Joachim den Bedeu­tung­sun­ter­schied zwis­chen nude und naked oder shad­ow und shade wis­sen wollen, sollen sie ihn nach­schla­gen. Dachte ich zumin­d­est, bis ich das selb­st getan habe. Denn Wörter­büch­er helfen nicht unbe­d­ingt weiter.

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