Da gibt es eine winzige sprachliche Minderheit, die sich nicht nur weigert, die Sprache der Mehrheit zu lernen, sondern die es sogar geschafft hat, ihre Sprache durch Gesetze schützen zu lassen. Und jetzt beschwert sich diese Minderheit, die nur knapp 0,7 Prozent der Bevölkerung stellt, dass die Rettungsstellen nicht rund um die Uhr mit Leuten besetzt sind, die ihre Sprache sprechen.
[Schplock trifft Lehre] Keiner mag Sächsisch
Vielleicht erinnert ihr euch noch an den Beitrag zur ersten Sitzung im Rheinfränkischseminar. Zum Einstieg habe ich die Studierenden da einen kurzen Fragebogen ausfüllen lassen, in dem ich unter anderem danach gefragt habe, welcher deutsche Dialekt ihnen am besten und welcher am wenigsten gefalle. Solche Umfragen gibt es ja immer wieder, zuletzt 2009 vom IdS in Mannheim im Rahmen einer größeren Studie zu Spracheinstellungen. Eine schnelle Übersicht über die Ergebnisse zur Beliebtheit der Dialekte ist z.B. hier zu finden (gefragt war danach, welchen deutschen Dialekt man am sympathischsten finde).
Ich habe nun die Ergebnisse aus meinen beiden Kursen (zusammen ca. 70 Leute) ausgewertet und denen des IdS gegenübergestellt. Es gibt ein paar Abweichungen, aber auch eine ganze Menge Parallelen1:
Mhm, meine Studierenden mögen Sächsisch nicht.
So gar nicht. Damit sind sie aber nicht alleine: Weiterlesen
Humor
Damit hier auf Dauer nicht der Eindruck entsteht, SprachwissenschaftlerInnen hätten keinen Humor und/oder möchten nur an Nörglern rumnörgeln, gibt es ab sofort in unregelmäßiger Abfolge einen Humorbeitrag. Ges(t)ammeltes Meta.
Heute ging in meiner Facebook-Timeline folgender Witz herum, den Arnold Zwicky 1992 in seiner “Presidential Adress” der Linguistic Society of America erzählte (zitiert in Goldberg 2006: 19):
A mathematician, a physicist, an engineer, and a linguist are trying to decide if all odd numbers are prime. The mathematician says, “one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime, 9’s not prime, so no.” The physicist says, “one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime, 9’s not prime, but maybe that’s experimental error.” The engineer says, “one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime, 9’s prime … ”
The linguist says, “one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime. Aha! We have a universal generalization. Nine doesn’t seem to be prime, but it MUST be prime at some underlying level of representation!”
(IngenieurInnen unter Ihnen müssen mir aber die Ingenieurin erklären.)
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Goldberg, Adele. 2006. Constructions at work. The nature of generalization in language. Oxford.
Du, Sie, Müller’s Vieh
Nebenan im Sprachlog hat Anatol unter dem Verdacht der Inhaltsleere die Frage gestellt, was seine LeserInnen so in welchem Kommunikationskanal siezen. Das hat mich dringendst daran erinnert, dass ich seit Jahr und Tag mal was zum ‘Siezen im Englischen’ schreiben wollte.
Das kommt so: Mit zunehmender Dauer tendiert die Wahrscheinlichkeit gegen 1, dass jemand in einer Diskussion zur Anrede im Englischen behauptet, dass im Englischen “streng genommen” nur gesiezt wird: Das “You” ist kein “Du”, sondern ein “Sie”, Die Du-Form … ist schon seit 200 Jahren aus dem Wortschatz verschwunden oder Das Englische “you” bedeutet nicht “Du”, sondern entspricht eher einer Anredeform, die der altdeutschen Form “Ihr” näherkommt, einem Plural, der Respekt bezeugt.
Obwohl sprachhistorisch nicht völlig daneben, ist die Begründung um und bei immer die Gleiche: Zu grauer Vorzeit gab es thou für die 2. Person Singular und you für die 2. Person Plural. Erstere (thou.2SG) sei dabei verloren gegangen und nur you.2PL ist übrig geblieben. Ergo: Im Englischen wird eigentlich gesiezt.
Das ist aber gleich ein dreifacher Trugschluss. Der erste Trugschluss, an dessen heißen Punkten ich mir gar nicht die Finger verbrennen will, ist der, dass die Anredestrategien in beiden Sprachen irgendwie eins-zu-eins aufeinander übertragbar wären. Der Trugschluss beschreibt die Vorstellung, dem deutschen Siezen im Englischen eine Entsprechung gegenüberstellen zu können. Dass das Unsinn ist, kann jeder bestätigen, der beide Sprachen auch pragmatisch ganz gut beherrscht und einem Monolingualen die Anredekonventionen der jeweils anderen Sprache erklären möchte. Natürlich könnte man argumentieren, dass man an der Verwendung von Vornamen oder Nachnamen eine gewisse Duzen-Siezen-Äquivalenz erkennen kann. Das Problem ist aber deutlich zu vielschichtig und ich möchte mich hier nicht im Dickicht verheddern, das versucht, ein zweidimensionales morphosyntaktisches Paradigma eindeutig auf ein mindestens vierdimensionales System von Distanz, Respekt, Kontext und soziokulturellen Normen anzuwenden. Darum soll’s mir hier nicht gehen.
Der zweite Trugschluss ist morphosyntaktischer Natur. Richtig ist zunächst, dass formal nicht zwischen you.2SG+V und you.2PL+V unterschieden werden kann. Das ist jetzt natürlich wenig erstaunlich, denn die einzige Präsensverbalflexion des Englischen findet sich in der 3. Person Singular Indikativ (zumindest in der Standardvarietät und mit Ausnahme von {BE}).
Dieser Trugschluss suggeriert aber, dass im Englischen die Zeile ‘2SG’ leer ist, was natürlich nicht stimmen kann (mehr dazu später). Wenn wir jetzt mal die soziolinguistische Siezen-Duzen-Unterscheidung weglassen, gibt es auch im Englischen die semantische Unterscheidung you ‘du’ und you ‘ihr’ — you ist da im Vergleich zum Deutschen ambig; aber immerhin.
1SG | I | am | ich | bin | |
2SG | you | are | du | bist | |
3SG | he/she/it | is | er/sie/es | ist | |
1PL | we | are | wir | sind | |
2PL | you | are | ihr | seid | |
3PL | they | are | sie | sind |
(Wenn wir’s also wirklich streng nehmen würden, ist Siezen schon allein deshalb Unfug, weil you.PL natürlich ‘ihr’ entspricht. Aber sind wir mal nicht so.)
Was verloren gegangen ist, ist die grammatische Unterscheidung von 2SG und 2PL, nicht eine 2SG-Form an sich. Die folgende Darstellung der historischen Entwicklung ist stark vereinfacht, nichtzuletzt, weil nur die Nominativ-Formen angegeben sind und hier noch der Dual aus dem Altenglischen ausgeklammert ist (Smith 1999: 77, 113, 146):
AE | ME | FNE | ModE | ModE (dialektal/ kontextuell) |
|
2SG.NOM | þu | thou | thou | you | you/thou (arch.) |
2PL.NOM | ge | ye | ye/you | you | yous(e)/yiz/yez |
An dieser kurzen Übersicht ist relativ klar erkennbar, dass you [ju:] die ‘Weiterentwicklung’ des 2PL-Pronomens ist und der Bruch beim 2SG-Pronomen im Frühneuenglischen (FNE) liegt. Die Erklärung geht so: <g> wurde im Altenglischen (AE) prävokalisch [j] ausgesprochen und <þ> als [ð], wie im heutigen they. Aber es bedeutet eben nicht, dass die 2SG-Form an sich verschwunden ist — die ältere Form thou wurde nach einer ziemlich komplexen Variation im thou/you-Kosmos von you verdrängt, welche dabei vom Plural-Kontext auf den Singular-Kontext ausgeweitet wurde und die Funktion you.2SG ‘du’ übernahm. Die Gründe dafür finden sich vor allem im stilistischen und soziopragmatischen Bereich (Busse 2002). Die ganze Geschichte ist in Wahrheit z.B. in Verbindung mit dem vorangegangenen Kasusabbau sehr viel komplexer, aber für den Moment soll das reichen.
Hier können wir ein Konzept aus der Sozilinguistik ins Spiel bringen, die sogenannte T-/V‑Unterscheidung (Brown & Gilman 1960). Anders ausgedrückt: thou hat früher nicht nur eine Numerusunterscheidung ermöglicht (2SG), sondern auch als T‑Pronomen fungiert (von lat. tu ‘du’), you/ye dagegen als V‑Pronomen (von lat. vos ‘ihr/Sie’). So gab es ein Honorifikum, mit dem man auch nur eine Person ansprechen konnte, also zusätzlich zu du/ihr auch eine entsprechende du/Sie-Unterscheidung treffen konnte — die sogenannte T-/V‑Unterscheidung. Diese Unterscheidung existiert im heutigen Englisch aber nicht mehr — und you erfüllt als you.2SG die Funktion ‘eine mir gegenüberstehende Person’ und als you.2PL ‘zwei oder mehrere mir gegenüberstehende Personen’.
Wenn jetzt also jemand sagt, im englischsprachigen Raum wird “eigentlich” gesietzt, der sagt damit ja, dass die Kategorie 2SG ungenutzt dastünde (s.o.). Dass das nicht richtig ist, zeigt sich erstens in der Numerusunterscheidung der Reflexivpronomina, wo yourself.2SG und yourselves.2PL klar die Existenz der Numeruskategorie belegen. Zweitens tritt you.2PL dialektal, kontextabhängig und umgangssprachlich als yous(e)/yez/yiz.2PL auf und ermöglicht so eine Disambiguierung von you.SG und you.PL. Wenig überraschend finden sich alle Belege für yous(e), youz(e), yiz, oder yez im BNC dementsprechend in den Genres der gesprochenen Sprache wie ‘Fiction’, ‘Oral History’, ‘Interview’ oder ‘Conversation’.
Ironischerweise ist eine mögliche Erklärung für das Verschwinden des thou.2SG aus dem Pronominalparadigma der Standardsprache, dass man zu Shakespeares Zeiten you.2PL (damals V‑Form) in einer Höflichkeitsspirale auch für Anreden nutzte, für die man bis dahin die T‑Form thou nutzte. Die Ironie dabei ist, dass thou jetzt archaisch ist und abgesehen von wenigen Dialektverwendungen heute auf religiöse und erzkonservative Kontexte beschränkt ist: Thou, my Lord! ‘Du, mein Gott’, also gewissermaßen jetzt eine höhere Formalität aufweisen. Der Prozess in der Standardsprache war aber um 1700 abgeschlossen, you der unmarkierte Fall für die allgemeine Anrede und die syntaktische V-/T‑Unterscheidung somit weggefallen (Busse 2002: 3, OED).
Der dritte Trugschluss ist deshalb etymologisch. Nur weil etwas irgendwann (hier: so vor, hm, 300–400 Jahren) mal so und so war, heißt das nicht, dass es noch so ist bzw. dass es noch so sein sollte. Heute wird gibt es im Englischen keine grammatische V-/T‑Unterscheidung. Selbst die dialektale Verwendung von thou ist auf einen sehr intimen-familiären Kontext beschränkt. Wenn, dann werden Distanz, Respekt oder sonstige Hierarchieungleichheiten auf andere Weise ausgedrückt. Aber gesiezt wird hier bestimmt niemand.
(Genauso dämlich ist es umgekehrt zu behaupten, im Englischen gäbe es kein Sie. Sollten Sie das aus meinen Zeilen lesen oder gelesen haben, gehen Sie zurück zu Trugschluss 1 und 2.)
Ach so ja: Die Großschreibung der Anrede Sie im Deutschen ist irgendwie auch nur eine schriftsprachliche Konvention, die zum Beispiel das strafrechtliches Beziehungsgeflecht bei ich wurde von Ihnen/ihnen krankenhausreif geschlagen disambiguiert. Hände hoch, wer beim siezen an eine abwesende dritte Person im Plural denkt? Morphosyntaktisch nutzen wir im Deutschen für die Höflichkeitsanrede die 3.PL, was sprachtypologisch übrigens sehr ungewöhnlich ist (Helmbrecht 2005, 2011). Denkense mal drüber nach, bevor Sie behaupten, im Englischen wird gesiezt: What did They do yesterday? und Ihren gegenüber meinen.
Wie würde das denn klingen, wenn Sie eine Duzbekanntschaft auf Englisch mal übel beschimpfen möchten?
Fuck thou?
PS: Also, Anatol, wie du siehst, sieze ich im Blog. Es lässt sich im Zweifelsfall leichter beleidigen.
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Brown, Roger & Albert Gilman. 1960. The pronouns of solidarity and power. In: Sebeok, Thomas [ed]. Style in Language. MIT Press: 253–276.
Busse, Ulrich. 2002. Linguistic variation in the Shakespeare corpus — morpho-syntactic variability of second person pronouns. Benjamins.
Helmbrecht, Johannes. 2006. Typologie und Diffusion von Höflichkeitspronomina in Europa. Folia Linguistica 39(3–4): 417–452. [Link zu einer frei verfügbaren Version von 2005, Arbeitspapiere des Seminars für Sprachwissenschaft der Universität Erfurt (18).]
Helmbrecht, Johannes. 2011. Politeness Distinctions in Pronouns. In: Dryer, Matthew S. & Martin Haspelmath [eds]. The World Atlas of Language Structures Online. Max Planck Digital Library, chapter 45. [Link] (06. Mai 2012).
Smith, Jeremy J. 1999. Essentials of Early English. Routledge.
Sprachbrocken 18/2012
Wer mehrere Sprachen spricht, hat nicht nur mehr Gesprächspartner/innen, sondern auch ein feineres Gehör. Das haben, wie man so schön sagt, amerikanische Wissenschaftler herausgefunden (das Forschungsteam aus vier Frauen und einem Mann wird in der dpa-Meldung übrigens konsequent mit dem maskulinum „US-Forscher“ bezeichnet — der klare Beweis dafür, dass es ein generisches Maskulinum sexistische Sprache gibt). Es handelt sich übrigens um eine neurologische Studie mit spanisch-englischsprachig aufgewachsenen Teenagern, die zeigt, dass die Silbe da, die die Versuchspersonen in einer Trainingsphase mehrfach vorgespielt bekamen, bei den bilingualen Versuchspersonen unter durch Hintergrundgeräusche erschwerten Hörbedinungen eine deutlichere Reaktion im Hirnstamm hervorrief als bei der monolingualen Kontrollgruppe (die Studie gibt es hier).
[Schplock trifft Lehre] Der Seminarplan
Wie bereits angekündigt, durften meine Studierenden den Seminarplan im Rheinfränkisch-Seminar selbst mitbestimmen. Ich habe letztlich immer mehrere passende Phänomene zusammengefasst, um den sehr unterschiedlichen Wünschen der beiden Kurse gerecht zu werden – vier Themen haben es dann nicht geschafft, besonders die flexionsmorphologischen. Ist aber nicht so schlimm, auch mit den gewählten Erscheinungen kann man außerordentlich ernsthafte Linguistik betreiben.
Da aus verschiedenen Richtungen der Wunsch nach dem Seminarplan kam, poste ich ihn euch hiermit. Weiterlesen
Sag mir was du siezt
Die Apotheken Umschau (sie schreibt sich wirklich so, was mich nicht weiter stört, was ich aber trotzdem gesagt haben will, falls es andere stört, die dann nämlich wissen, dass es mich nicht stört) veröffentlicht jeden Monat eine repräsentative Umfrage zu aktuellen Themen wie„Opfer des Jo-Jo-Effekts: Frauen oft von neuen Diätmethoden enttäuscht — Jede Zweite nahm rasch wieder zu“, „Trend zum rasierten Mann: Männer — vor allem die jüngeren — entfernen nicht mehr nur den Bart“, „Talisman im Täschchen: Glücksbringer sind Frauensache“ oder„Riskantes Fiebermessen mit Glas: Jeder Vierte in Deutschland benutzt noch ein herkömmliches Thermometer“ – ein regelrechtes kleines Fenster in die deutsche Volksseele.
Sprachbrocken 17/2012
Da macht man sich ein bisschen über die angebliche Modellhaftigkeit des Lateinischen lustig und schlägt vor, doch lieber moderne Fremdsprachen oder Piratisch zu lernen, und kurz darauf diskutiert die deutsche Medienlandschaft auf breiter Ebene über die Sprache der alten Römer. Wie Der Westen berichtet, findet plötzlich auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dass der Lateinunterricht nicht dazu taugt, die Schüler/innen zu zukünftigen „Beschäftigten“ auszubilden. Und was tut der Vorsitzende des Altphilologenverbandes, von dem die Idee der Modellhaftigkeit stammt? Er stimmt zu: „Wer Richtung Wirtschaft denkt, ist mit ausgefallenen Sprachen wie Arabisch oder Chinesisch besser beraten.“
Und Richtung Wirtschaft denkt ja schließlich ganz Deutschland.
Von Lauten und Buchstaben
Hm, ja. Bei mir im Seminar ist das erst letzte Woche wieder passiert, und ich war ein wenig hilflos – im sechsten Semester und nach zahlreichen Pflichtveranstaltungen in der Linguistik müsste man es eigentlich besser wissen.
Aber worum geht es?
Wir sind enorm schriftfixiert, was bei sprachwissenschaftlichen Laien oft dazu führt, dass sie nicht unterscheiden, was Schreibung ist und was nicht.
So habe ich zum Beispiel schon von Studierenden gehört, dass man früher <Taxen> geschrieben habe, jetzt aber zunehmend <Taxis> schreibe. Das hat aber mit der Schreibung nichts zu tun – sie bildet nur einen Wandel ab, der sich auf einer anderen Ebene vollzogen hat: Aus einer Art der Pluralbildung (auf -en am Wortstamm) wurde eine andere (auf -s an der Grundform). Auch ganz leicht zu merken daran, dass dieser Unterschied auch bestehen bleibt, wenn man sich nicht die Schreibung anschaut, sondern das Wort gesprochen hört.
Dagegen ist so etwas wie <Delfin> statt <Delphin> ein reines Schreibphänomen, an der Grammatik ändert sich da nichts. Dennoch waren in den heißen Zeiten der Rechtschreibreform viele der Meinung, die Sprache an für sich werde verändert, also das Missverständnis-Gegenstück zu eben. Weiterlesen
Nackt im Schatten
Schon mehrfach haben mich meine Co-Blogger Joachim Schulz (Quantenwelt) und Dierk Haasis (Con Text) gebeten, doch mal etwas über die englischen Wortpaare shadow/shade bzw. naked/nude zu schreiben (wer sich für welches Wortpaar interessiert hat, dürfte offensichtlich sein). Ich hätte ihnen den Gefallen auch schon längst getan, nur ist mir nie eine interessante Perspektive dazu eingefallen. Es sind eben Fälle, in denen es im Englischen zwei Wörter gibt, wo das Deutsche nur eins hat (nackt, bzw. Schatten).
Ein interessantes Thema wäre die Frage, ob das Englische grundsätzlich feinere Bedeutungsunterscheidungen trifft, als andere (europäische) Sprachen. Ich habe diese Behauptung ab und zu während meines Studiums oder von Kolleg/innen gehört, und völlig unplausibel ist sie nicht. Das Englische stand während der mehrere Hundert Jahre währenden normannischen Besatzung in einem engen Kontakt zum Französischen und hat in dieser Zeit außergewöhnlich viele Lehnwörter aufgenommen, ohne die schon vorhandenen Wörter auszusortieren; der englische Wortschatz ist deswegen an vielen Stellen umfangreicher als bei Sprachen mit wenig Lehngut, und das müsste ja eine Ausdifferenzierung von Bedeutungen mit sich bringen. Aber das tatsächlich zu untersuchen, würde den Rahmen dieses Blogs natürlich sprengen.
Weniger interessant schien es mir, die Bedeutungsunterschiede einfach zu erklären. Das Sprachlog ist schließlich kein Wörterbuch: Wenn Dierk und Joachim den Bedeutungsunterschied zwischen nude und naked oder shadow und shade wissen wollen, sollen sie ihn nachschlagen. Dachte ich zumindest, bis ich das selbst getan habe. Denn Wörterbücher helfen nicht unbedingt weiter.