Karibische Umnachtung

Von Anatol Stefanowitsch

Der Vere­in Deutsche Sprache pro­duziert ja so schnell und aus­dauernd so viel Unsinn, dass Deutsch­land eine Goldmedal­lie sich­er wäre, wenn Unsinn eine olymp­is­che Diszi­plin wäre. Aber dass Sprach­nörgelei (noch) nicht olymp­isch ist, hin­dert die Sprach­nör­gler natür­lich nicht daran, die Olymp­is­chen Spiele trotz­dem zu nutzen, um medi­ale Aufmerk­samkeit zu bekommen.

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Neues von den Humorterroristen

Von Susanne Flach

Erle­ichterung kön­nte sich bre­it machen: Es gibt derzeit nicht nur Olympia. Halt, moment…

Die Humorter­ror­is­ten vom Vere­in Deutsche Sprache (VDS) melden sich im Fokus zu Wort, weil sie wieder nen Preis erfun­den und unters Jour­nal­is­ten­volk gejubelt haben („Dscham­mee­ka-Preis“). Damit kri­tisieren sie einen ARD-Reporter auf­grund dessen ange­blich­er und ange­blich falsch­er Aussprache von Jamai­ka*:

Ich habe nichts dage­gen, wenn Reporter Län­der in ihrer jew­eili­gen Lan­dessprache aussprechen. Dann hieße die Insel aber ‚Dschömei­ka‘“, belehrte Krämer den Reporter. „Dscham­mee­ka“ wür­den den Namen vor allem Amerikan­er aussprechen.

Seufz. Was Krämer hier mut­maßlich ver­sucht, ist die Aussprache des ersten Vokal als [ɐ] bzw. [ə] zu kri­tisieren, wo es doch eigentlich [ø:] heißen soll. Und beim zweit­en Vokal hauen wir mit [e:] daneben, obwohl es natür­lich [aɪ] heißen soll (ver­mut­lich meint er aber [eɪ]). (Um den Zweifels­fall beim Anlautkon­so­nan­ten [tʃ], [dʒ] oder [j] geht’s ihm offen­bar nicht.) Dem­nach entspräche [dʒɐme:kɐ] bzw. [dʒəme:kə] nur der amerikanis­chen Aussprache, nicht der “jew­eili­gen Lan­dessprache”, die ange­blich also [dʒø:meɪkə] heißen soll.

Abge­se­hen davon, dass der gerun­dete Vokal [ø:] in jamaikanis­chen Vari­etäten des Englis­chen gar nicht vorkommt und [e] hier keinen Diph­thong [eɪ] bildet (Devon­ish & Har­ry 2004), fra­gen wir doch ein­fach jeman­den, der sich mit der Lan­dessprache in Jamai­ka auskennt:

Wenn ich mich nicht mehrfach ver­hört habe, ist da wed­er [ø:] noch [eɪ].

*Der ARD-Reporter zeigt sich über­rascht — und will es nicht gewe­sen sein. Ob Sie’s waren oder nicht, ist aber egal, lieber Herr Hark, natür­lich haben Sie den Preis nicht ver­di­ent. Aber sagen Sie das nicht zu laut, man kön­nte Ihnen vor­w­er­fen, Sie wür­den Humorter­ror­is­ten ernst nehmen.

Literatur

Devon­ish, Hubert & Otele­mate G. Har­ry. 2004. Jamaican Cre­ole and Jamaican Eng­lish: phonol­o­gy. In: Bernd Kort­mann & Edgar W. Schnei­der [Hrsg]. A Hand­book of Vari­eties of Eng­lish. Vol­ume 1: Phonol­o­gy. De Gruyter: 450–480.

Sprachbrocken 31/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Bei der Suche nach Sprach­brock­en finde ich häu­fig Artikel, in denen die Kom­mu­nika­tion­ssys­teme von Tieren als „Sprache“ beze­ich­net wer­den. Nor­maler­weise ignoriere ich die, weil es sich bei solchen Sys­te­men nicht um „Sprachen“ han­delt. Damit die Tiere sich nicht ungerecht behan­delt fühlen, mache ich aber heute eine Ausnahme.

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Vundo pasas, vorto restas

Von Anatol Stefanowitsch

Nor­maler­weise bekomme ich in den Kom­mentaren ja Gegen­wind nur von Sprach­nör­glern mit schwachen Argu­menten und durch­schaubaren Motiv­en. Aber ich mir neulich in den Sprach­brock­en 24–28 einen Seit­en­hieb gegen das „lei­di­ge, nicht tot zu kriegende Esperan­to“ erlaubt habe, haben mich zur Abwech­slung zwei langjährige und sprach­lich höchst kom­pe­tente Leser/innen zurecht­gewiesen: jgoschler, pro­movierte Sprach­wis­senschaft­lerin, und Bertil Wen­ner­gren, der als Pro­gram­mier­er für die Esper­an­tic Stud­ies Foun­da­tion und das Esperan­to-Lern­por­tal lernu.net gear­beit­et hat. Wen­ner­gren warf mir vor, mich über die Sprache „lustig zu machen“, die er „zuhause jeden Tag mit [s]einer Frau spreche“ und jgoschler wies mich darauf hin, dass das Esperan­to nicht weniger wert sei als andere Sprachen und densel­ben Respekt ver­di­ene, und dass es unangemessen sei, sich über Esperan­to-Sprecher/in­nen „lustig zu machen“. Bei­de fan­den, dass ein solch­es Ver­hal­ten ger­ade von mir als Lin­guist befremdlich sei. Grund genug, meine Worte und meine Mei­n­ung zum Esperan­to etwas genauer zu erläutern.

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Sprachbrocken 29–30/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Dass die Jugend von Heute nicht viel im Kopf hat, wis­sen wir ja alle, und so kann uns auch eine neue Studie nicht schock­ieren, die zeigt, dass deutsche Studierende „Schwierigkeit­en bei der Rechtschrei­bung, der Orthogra­phie, der Beherrschung von Gram­matik und Syn­tax“ haben, dass sie nicht in der Lage sind, „selb­st­ständig zu for­mulieren, zusam­men­hän­gende Texte zu schreiben“, „bei Vorträ­gen mitzuschreiben“ oder über­haupt „den roten Faden eines Textes zu begreifen“. Weit­er­lesen

Fremdwörter gesucht!

Von Kristin Kopf

Vielle­icht erin­nert sich hier jemand noch an meine Mag­is­ter­ar­beit? Da ging es let­ztlich um Plu­ral­bil­dung im Ale­man­nis­chen, hat eine Menge Spaß gemacht, aber auch eine Menge Fra­gen aufge­wor­fen, denen ich damals nicht nachge­hen kon­nte. Eine davon ist die, wie dialek­tal mit Fremd­wörtern umge­gan­gen wird.

Nun dachte ich mir let­ztes Jahr im Herb­st, es wäre ganz schön, das mal noch sys­tem­a­tisch anzuschauen, und entsprechend habe ich ein Abstract für eine Kon­ferenz ein­gere­icht, die nun schon bald ist. Es ist also höch­ste Zeit, Dat­en sam­meln zu gehen! Dazu fahre ich dem­nächst in den Schwarzwald. Ich habe schon alle nöti­gen Imp­fun­gen, aber was ich noch nicht habe, sind alle nöti­gen Items. Also die Wörter, deren Plu­ral­bil­dungsver­fahren ich unter­suchen will. Und da kommt ihr ins Spiel: Vielle­icht fall­en euch ja Wörter ein, auf die ich noch nicht gekom­men bin? Weit­er­lesen

Stille Post verschlechtert die Grammatik

Von Anatol Stefanowitsch

Amerikanis­che Wis­senschaftler haben her­aus­ge­fun­den, dass die SMS-Sprache von Jugendlichen deren Gram­matik ver­schlechtert. Zumin­d­est behauptet das eine Presseerk­lärung des Con­tentliefer­an­ten „Pres­se­text“. Aber wie immer, wenn wir etwas über die neuesten Erken­nt­nisse der amerikanis­chen Wis­senschaft erfahren, haben diese ein langes Stille-Post-Spiel hin­ter sich.

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Der vollkommene Englische Weg=Weiser für die Deutschen

Von Kristin Kopf

Heute habe ich einen Buchtipp für euch: THE COMPLEAT ENGLISH GUIDE FOR THE GERMANS a.k.a. Der vol­lkommene Englis­che Weg=Weiser für die Deutschen. Erschienen 1715 in Leipsick/Leipzig.

Das ganze Buch ist super­span­nend, aber ich bin gle­ich bei den Aussprachehin­weisen hän­genge­blieben. Das geht auf Seite 1 los, klas­sis­cher­weise mit

A

Da gibt’s eine ganze Menge Beispiel­wörter mit Ausspra­chetipps für Deutsche, so z.B.

  • face ‘Gesicht’ → fähs,
  • blame ‘Schuld’ →  blähm.

Ein mod­ernes Lehrbuch würde hier eher fäis und bläim vorschla­gen, also Diph­thonge (Zwielaute). Das liegt nicht daran, dass der Autor keine Ahnung von englis­ch­er Aussprache hat­te (er war immer­hin “Englische[r] Sprach=Meister in Lon­don”), son­dern daran, dass das Englis­che sein Vokalsys­tem im Ver­lauf sein­er Geschichte ganz kräftig durchgerüt­telt hat. Weit­er­lesen

Das weibliche Airbus

Von Susanne Flach

Am Dien­stag wäre Amelia Earhart 115 Jahre alt gewor­den. Zeit, sich mal damit zu beschäfti­gen, welch­es Genus Flugzeuge denn so haben. Denn ver­mut­lich verge­ht keine Ein­führung in die Englis­che Lin­guis­tik ohne den Zusatz, dass das auf biol­o­gis­chem Geschlecht beruhende Genussys­tem des Englis­chen Aus­nah­men zulässt: Schiffe, Autos und Flugzeuge sind da ange­blich gerne mal feminin.

Zum Englis­chen kom­men wir später — schauen wir mal kurz ins Deutsche: Weit­er­lesen

Sprachbrocken 24–28/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Wäre es nicht prak­tisch, wenn alle Men­schen eine einzige Sprache sprächen?“ fragt das Ham­burg­er Abend­blatt in der Rubrik Kinder­nachricht­en. „Das kön­nte viele Missver­ständ­nisse ver­hin­dern und über­haupt — stellt euch vor, ihr reist nach Japan und kön­ntet euch dort prob­lem­los ver­ständi­gen.“ Das wäre wirk­lich toll. Ein guter Kan­di­dat für eine solche Sprache wäre ja das Englis­che, das mit weltweit 1,5 Mil­liarde Sprecher/innen schon fast so weit ist. Aber das wäre wohl zu ein­fach, und deshalb emp­fiehlt das Ham­burg­er Abend­blatt stattdessen das lei­di­ge, nicht tot zu kriegende Esperan­to, das es weltweit auf eine schlappe Mil­lion Sprecher/innen bringt. Warum nicht gle­ich Klin­go­nisch, das von immer­hin ca. 20 bis 30 Sprecher/innen flüs­sig beherrscht wird.

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