Der Verein Deutsche Sprache produziert ja so schnell und ausdauernd so viel Unsinn, dass Deutschland eine Goldmedallie sicher wäre, wenn Unsinn eine olympische Disziplin wäre. Aber dass Sprachnörgelei (noch) nicht olympisch ist, hindert die Sprachnörgler natürlich nicht daran, die Olympischen Spiele trotzdem zu nutzen, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen.
Neues von den Humorterroristen
Erleichterung könnte sich breit machen: Es gibt derzeit nicht nur Olympia. Halt, moment…
Die Humorterroristen vom Verein Deutsche Sprache (VDS) melden sich im Fokus zu Wort, weil sie wieder nen Preis erfunden und unters Journalistenvolk gejubelt haben („Dschammeeka-Preis“). Damit kritisieren sie einen ARD-Reporter aufgrund dessen angeblicher und angeblich falscher Aussprache von Jamaika*:
„Ich habe nichts dagegen, wenn Reporter Länder in ihrer jeweiligen Landessprache aussprechen. Dann hieße die Insel aber ‚Dschömeika‘“, belehrte Krämer den Reporter. „Dschammeeka“ würden den Namen vor allem Amerikaner aussprechen.
Seufz. Was Krämer hier mutmaßlich versucht, ist die Aussprache des ersten Vokal als [ɐ] bzw. [ə] zu kritisieren, wo es doch eigentlich [ø:] heißen soll. Und beim zweiten Vokal hauen wir mit [e:] daneben, obwohl es natürlich [aɪ] heißen soll (vermutlich meint er aber [eɪ]). (Um den Zweifelsfall beim Anlautkonsonanten [tʃ], [dʒ] oder [j] geht’s ihm offenbar nicht.) Demnach entspräche [dʒɐme:kɐ] bzw. [dʒəme:kə] nur der amerikanischen Aussprache, nicht der “jeweiligen Landessprache”, die angeblich also [dʒø:meɪkə] heißen soll.
Abgesehen davon, dass der gerundete Vokal [ø:] in jamaikanischen Varietäten des Englischen gar nicht vorkommt und [e] hier keinen Diphthong [eɪ] bildet (Devonish & Harry 2004), fragen wir doch einfach jemanden, der sich mit der Landessprache in Jamaika auskennt:
Wenn ich mich nicht mehrfach verhört habe, ist da weder [ø:] noch [eɪ].
*Der ARD-Reporter zeigt sich überrascht — und will es nicht gewesen sein. Ob Sie’s waren oder nicht, ist aber egal, lieber Herr Hark, natürlich haben Sie den Preis nicht verdient. Aber sagen Sie das nicht zu laut, man könnte Ihnen vorwerfen, Sie würden Humorterroristen ernst nehmen.
Literatur
Devonish, Hubert & Otelemate G. Harry. 2004. Jamaican Creole and Jamaican English: phonology. In: Bernd Kortmann & Edgar W. Schneider [Hrsg]. A Handbook of Varieties of English. Volume 1: Phonology. De Gruyter: 450–480.
Sprachbrocken 31/2012
Bei der Suche nach Sprachbrocken finde ich häufig Artikel, in denen die Kommunikationssysteme von Tieren als „Sprache“ bezeichnet werden. Normalerweise ignoriere ich die, weil es sich bei solchen Systemen nicht um „Sprachen“ handelt. Damit die Tiere sich nicht ungerecht behandelt fühlen, mache ich aber heute eine Ausnahme.
Vundo pasas, vorto restas
Normalerweise bekomme ich in den Kommentaren ja Gegenwind nur von Sprachnörglern mit schwachen Argumenten und durchschaubaren Motiven. Aber ich mir neulich in den Sprachbrocken 24–28 einen Seitenhieb gegen das „leidige, nicht tot zu kriegende Esperanto“ erlaubt habe, haben mich zur Abwechslung zwei langjährige und sprachlich höchst kompetente Leser/innen zurechtgewiesen: jgoschler, promovierte Sprachwissenschaftlerin, und Bertil Wennergren, der als Programmierer für die Esperantic Studies Foundation und das Esperanto-Lernportal lernu.net gearbeitet hat. Wennergren warf mir vor, mich über die Sprache „lustig zu machen“, die er „zuhause jeden Tag mit [s]einer Frau spreche“ und jgoschler wies mich darauf hin, dass das Esperanto nicht weniger wert sei als andere Sprachen und denselben Respekt verdiene, und dass es unangemessen sei, sich über Esperanto-Sprecher/innen „lustig zu machen“. Beide fanden, dass ein solches Verhalten gerade von mir als Linguist befremdlich sei. Grund genug, meine Worte und meine Meinung zum Esperanto etwas genauer zu erläutern.
Sprachbrocken 29–30/2012
Dass die Jugend von Heute nicht viel im Kopf hat, wissen wir ja alle, und so kann uns auch eine neue Studie nicht schockieren, die zeigt, dass deutsche Studierende „Schwierigkeiten bei der Rechtschreibung, der Orthographie, der Beherrschung von Grammatik und Syntax“ haben, dass sie nicht in der Lage sind, „selbstständig zu formulieren, zusammenhängende Texte zu schreiben“, „bei Vorträgen mitzuschreiben“ oder überhaupt „den roten Faden eines Textes zu begreifen“. Weiterlesen
Fremdwörter gesucht!
Vielleicht erinnert sich hier jemand noch an meine Magisterarbeit? Da ging es letztlich um Pluralbildung im Alemannischen, hat eine Menge Spaß gemacht, aber auch eine Menge Fragen aufgeworfen, denen ich damals nicht nachgehen konnte. Eine davon ist die, wie dialektal mit Fremdwörtern umgegangen wird.
Nun dachte ich mir letztes Jahr im Herbst, es wäre ganz schön, das mal noch systematisch anzuschauen, und entsprechend habe ich ein Abstract für eine Konferenz eingereicht, die nun schon bald ist. Es ist also höchste Zeit, Daten sammeln zu gehen! Dazu fahre ich demnächst in den Schwarzwald. Ich habe schon alle nötigen Impfungen, aber was ich noch nicht habe, sind alle nötigen Items. Also die Wörter, deren Pluralbildungsverfahren ich untersuchen will. Und da kommt ihr ins Spiel: Vielleicht fallen euch ja Wörter ein, auf die ich noch nicht gekommen bin? Weiterlesen
Stille Post verschlechtert die Grammatik
Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die SMS-Sprache von Jugendlichen deren Grammatik verschlechtert. Zumindest behauptet das eine Presseerklärung des Contentlieferanten „Pressetext“. Aber wie immer, wenn wir etwas über die neuesten Erkenntnisse der amerikanischen Wissenschaft erfahren, haben diese ein langes Stille-Post-Spiel hinter sich.
Der vollkommene Englische Weg=Weiser für die Deutschen
Heute habe ich einen Buchtipp für euch: THE COMPLEAT ENGLISH GUIDE FOR THE GERMANS a.k.a. Der vollkommene Englische Weg=Weiser für die Deutschen. Erschienen 1715 in Leipsick/Leipzig.
Das ganze Buch ist superspannend, aber ich bin gleich bei den Aussprachehinweisen hängengeblieben. Das geht auf Seite 1 los, klassischerweise mit
A
Da gibt’s eine ganze Menge Beispielwörter mit Aussprachetipps für Deutsche, so z.B.
- face ‘Gesicht’ → fähs,
- blame ‘Schuld’ → blähm.
Ein modernes Lehrbuch würde hier eher fäis und bläim vorschlagen, also Diphthonge (Zwielaute). Das liegt nicht daran, dass der Autor keine Ahnung von englischer Aussprache hatte (er war immerhin “Englische[r] Sprach=Meister in London”), sondern daran, dass das Englische sein Vokalsystem im Verlauf seiner Geschichte ganz kräftig durchgerüttelt hat. Weiterlesen
Das weibliche Airbus
Am Dienstag wäre Amelia Earhart 115 Jahre alt geworden. Zeit, sich mal damit zu beschäftigen, welches Genus Flugzeuge denn so haben. Denn vermutlich vergeht keine Einführung in die Englische Linguistik ohne den Zusatz, dass das auf biologischem Geschlecht beruhende Genussystem des Englischen Ausnahmen zulässt: Schiffe, Autos und Flugzeuge sind da angeblich gerne mal feminin.
Zum Englischen kommen wir später — schauen wir mal kurz ins Deutsche: Weiterlesen
Sprachbrocken 24–28/2012
„Wäre es nicht praktisch, wenn alle Menschen eine einzige Sprache sprächen?“ fragt das Hamburger Abendblatt in der Rubrik Kindernachrichten. „Das könnte viele Missverständnisse verhindern und überhaupt — stellt euch vor, ihr reist nach Japan und könntet euch dort problemlos verständigen.“ Das wäre wirklich toll. Ein guter Kandidat für eine solche Sprache wäre ja das Englische, das mit weltweit 1,5 Milliarde Sprecher/innen schon fast so weit ist. Aber das wäre wohl zu einfach, und deshalb empfiehlt das Hamburger Abendblatt stattdessen das leidige, nicht tot zu kriegende Esperanto, das es weltweit auf eine schlappe Million Sprecher/innen bringt. Warum nicht gleich Klingonisch, das von immerhin ca. 20 bis 30 Sprecher/innen flüssig beherrscht wird.