Hipster [Anglizismus 2012]

Von Susanne Flach

Unser Cheflexikologe Michael vom lexiko­gra­phieblog lehnte in diesem Jahr den Ruf in die Jury aus zeitlichen Grün­den ab und wusste bere­its bei der Nominierung von Hip­ster offen­bar, warum: Wie will man das denn bitte definieren? Hip­ster fällt — begrif­flich! — in die gle­iche Kat­e­gorie wie Spießer und Yup­pie: irgend­wie hat man eine klare Vorstel­lung davon, was das sein soll, man will’s erkan­nt haben, wenn man’s sieht — aber natür­lich will’s mal wieder kein­er gewe­sen sein. Kurz: jen­seits humoriger Selb­st­geißelung ist Hip­ster als Eigen­beze­ich­nung sel­ten. Der Hip­ster ist ein kul­turell nahezu undefinier­bar amor­phes urbanes Phänomen in klas­sis­chen Hip­ster­biotopen (hier kartografiert).

Das wort

Hip­ster, eine Ableitung vom Adjek­tiv hip ‚hip‘, gebildet mit dem Agen­tiv­suf­fix -ster, ver­gle­ich­bar in Wort­bil­dun­gen des Englis­chen wie trick­ster, drug­ster, joke­ster oder young­ster. ((Beson­ders gut gefällt mir noch die Schöf­pung Wimp­ster im DWDS aus der ZEIT 37/2006: „Bevorzugtes Objekt der Begierde: der ‚Wimp­ster‘, eine Mis­chung aus Trend­set­ter (Hip­ster) und Weichei (Wimp).“)) Der Oxford Eng­lish Dic­tio­nary (OED) kon­sta­tiert für die frühere Phase des Früh­neuenglis­chen (ab etwa 1500) eine erhöhte Pro­duk­tiv­ität. Das Suf­fix -ster ist aber älter und geht min­destens auf das Altenglis­che -estre oder -istræ zurück, wo es Berufs­beze­ich­nun­gen für weib­liche Per­so­n­en ableit­ete, ana­log zum -er für Män­ner. Im Mit­te­lenglis­chen wurde -estre durch das franzö­sis­che -eresse abgelöst — -ster wurde also zunehmend maskulin inter­pretiert und durch -eresse/-ess kom­ple­men­tiert. Mit der gestiege­nen Pro­duk­tiv­ität von -ster ließ das Wort­bil­dungsmuster im 16. Jahrhun­dert auch vere­inzelt Bil­dun­gen mit Adjek­tiv­en oder Ver­ben zu (z.B. young­ster, 1589, oder rub­ster, 1537). ((„-ster, suf­fix“. OED Online. Decem­ber 2012. Oxford Uni­ver­si­ty Press. 28 Jan­u­ary 2013 <http://www.oed.com/view/Entry/189877?rskey=dbgDgC&result=1&isAdvanced=false>.))

Hip­ster liegt fürs Deutsche — ver­mut­lich — aus­nahm­s­los als Maskulinum vor. Ver­suche, nach fem­i­ni­nen For­men zu suchen, sind zum Scheit­ern verurteilt, weil für Hip­ster die meis­ten Genus‑, Kasus- und Numeruskom­bi­na­tio­nen zusam­men­fall­en und Suchergeb­nisse deshalb nicht auseinan­derzuhal­ten, geschweige­denn ver­gle­ich­bar sind (die Hip­ster für FEM.SG,  MASK.PL und MASK.PL„gener­isch“, etc.). Der Hip­ster hat mit gerun­det 39,000 Tre­f­fern gegenüber die Hip­sterin mit 224 Tre­f­fern leicht die Nase vorn. Es ist unwahrschein­lich, dass hier 38,776 Fälle von Synkretismus vor­liegen. Wahrschein­lich­er ist, dass Hip­ster, obwohl gen­der­bar, nicht gegen­dert wird. Abgeleit­et von Hip­ster gibt es erste Ver­suche, hip­stern als Verb zu etablieren.

Entlehnung & Aktualität

Hip­ster gibt es schon länger, auch in der deutschen Sprache. Die Exis­tenz zweier voneinan­der rel­a­tiv unab­hängiger Wikipedia-Ein­träge zu Hip­ster (20. Jahrhun­dert) und Hip­ster (21. Jahrhun­dert) sug­geriert, dass zeit- und kul­turhis­torisch Hip­ster1 und Hip­ster2 zu tren­nen sind. Ein­er der früheren ver­i­fizier­baren Belege stammt aus der ZEIT von 1962, der hip­ster als „unüber­set­zbar“ bezeichnet.

Während bei Hip­ster1 üblicher­weise das Avant­gardis­tis­che, Poli­tis­che und Rebel­lis­che im Vorder­grund ste­ht und — gle­icher­maßen durch die ret­ro­spek­tive Brille — diesem deshalb eine gewisse Cool­ness zuge­s­tanden wird, wird Hip­ster2 Cool­ness als inhärentes Charak­ter­is­tikum eines hip­pen Selb­st­bilds unter­stellt (und damit abge­sprochen). Zusät­zliche zen­trale Def­i­n­i­tion­s­merk­male sind neben ein­er Woh­nung in Szenevierteln offen­bar gän­zlich unpoli­tis­che Chi­no­ho­sen, Kaf­feeschaum­vari­a­tio­nen, Tele­fone mit Bin­nen­ma­juskeln, Nerd­brillen, Club Mate und Jutebeutel.

Hal­ten wir fest: eine Neu- bzw. Wieder­entlehnung. Denn obwohl Hip­ster so neu nicht ist, erfüllt es ein zen­trales Kri­teri­um: eine deut­liche Zunahme 2012. (Man beachte die Karte der geografis­chen Verteilung der Suchan­fra­gen. Etwas über­raschen mag das hohe Inter­esse an Hip­ster für die der uncoolen Cool­ness unverdächti­gen Städte Duis­burg, Darm­stadt, Mainz und Mün­ster. Rel­a­tiviert wird das, weil Han­nover in der Liste nicht auftaucht.) 

Aber Michael fragte ja auch danach, ob es heute noch neu­tral oder pos­i­tiv ver­wen­det wird. Das ist eher unwahrschein­lich, vor allem, weil der Begriff zu häu­fig in Tex­ten über den Umbruch urbaner Gesellschaftsstruk­turen (→Gen­tri­fizierung) mit vie­len neg­a­tiv­en Begleit­e­mo­tio­nen auftaucht:

Hass auf die Hip­ster in Kreuzberg und New York. [Tagesspiegel, 22. März 2012]

Der Hip­ster mit dem Jute­beu­tel — das neue Has­sob­jekt. [Die Welt, 10. März 2012]

Der Hip­ster — bär­tig, cool, ver­achtet. [Tagesspiegel, 18. April 2012]

(Ein Gegen­beispiel zum „wir sind so nicht“ ist die taz, die den Hip­ster auf­fäl­lig neu­tral als „Men­schen wie du und ich“ beschreibt (taz, 18. Novem­ber 2012).)

Das war nicht immer so: die spöt­tis­chen oder aufge­lade­nen Beschrei­bun­gen sind eine neuere Entwick­lung. Im ZEIT-Archiv des DWDS find­en sich ab den 1990er bis 2009 viele Belege mit neutraler(er) Szenezustandsbeschreibung:

Er war irgen­det­was zwis­chen Häftling und Hartz IV, und nun stand er hier, mit­ten in Mitte, wo die Heimat der Hip­ster ist, vor einem Laden, der bräun­liche Sweat­shirt­jack­en und Jeans mit niedrigem Bund verkauft, stand dort wie ein Türste­her und ver­bre­it­ete Angst. (ZEIT 7/2008)

Char­lotte ist eine unter­drück­te Haus­frau, die in dem schwärmerischen Hip­ster das Gegen­pro­jekt ihres Estab­lish­ments erken­nt. Char­lotte Hellekant singt sie mit ein­er drama­tis­chen Durch­lagskraft, in der stets die bürg­er­liche Angst vor dem Kon­trol­lver­lust mit­flack­ert. (ZEIT 41/2002)

Und jen­seits von Zeitungs­bele­gen, in denen die Gen­tri­fizierungs­de­bat­te meist auf ein unbekan­ntes Wesen pro­jiziert wird? Eine kurze Analyse von etwa sechs Tagen Hip­stertweets: ein­er von einem Men­schen mit hip­ster im Alias, ein neu­traler Meta-Tweet (mein eigen­er) und der Rest von der fol­gen­den Sorte:

Twit­ter braucht drin­gend Warn­hin­weise: Ver­wahrloste Hip­ster sitzen auf der Park­bank mit nix außer ihrem Smart­phone, das sie fest umk­lam­mern. @SoucieSpogk

hip­ster hip­ster gib mir mein berlin zurück @Mel61718

Vor einiger Zeit waren es ja sie Alt-68er, die hier die Poli­tik prägten. Hab schon ein wenig Angst vor der Zeit, wenn die Hip­ster dran sind. @Zellmi

Fazit: wir sind alle ein bisschen Hipster

Bei vie­len, vie­len Tweets und Blog­posts über den Hip­ster genügt ein Blick ins Pro­fil der­jeni­gen, um zu wis­sen, dass es mit Hip­ster eigentlich ganz ähn­lich ist, wie mit Spießer: es sind immer die anderen und die haben auch noch an allem Schuld. Sie gehen nie bei Rot über eine unbekan­nte Kreuzung und spülen But­ter­dosen vor Wiederver­wen­dung ein­mal heiß durch? Sehense.

Hip­ster, ein Wort, das tat­säch­lich unüber­set­zbar ist. Zur rekur­siv­en Absur­dität von Ein­deutschungsver­suchen: eine mögliche Alter­na­tive wäre Trend­set­ter (Antwort auf die unschuldige Frage: „Wie würdest du Hip­ster über­set­zen?“), welch­es aber eben­falls auf dem Index ste­ht und wofür schon Schrittmach­er, Vor­re­it­er oder Weg­bere­it­er vorgeschla­gen wurden.

Eine Lücke gefüllt? Natür­lich, auch wenn’s schon recht lange im Deutschen heimisch ist (lange vor der Hip­s­ter­de­bat­te aktueller Couleur). Aber man darf ein­wer­fen, dass der Attrib­ut­epool der Klasse „Hip­sterIn­nen“ so der­maßen tief und bre­it ist, dass die Def­i­n­i­tion schw­er ist und der Begriff — in Abwe­sen­heit iden­ti­fizier­baren Ref­eren­z­gruppe — irgend­wie schwammig bleibt.

P.S.: Damit ich das Bild nicht umson­st gemacht habe: unlängst forderte die FU-Hochschul­gruppe von DIE PARTEI die Zulas­sungs­beschränkung für Jute­beutel­träger. ((Was machen wir jet­zt mit Good­ies auf Tagun­gen? Ein­lasskon­trollen für Wis­senschaftsver­lage?)) Aber die wollen ja auch den Pren­zlauer Berg end­lagern.

Wahlwer­bung, DIE PARTEI-Hochschul­gruppe, Freie Uni­ver­sität Berlin, Jan­u­ar 2013

[Anglizismus 2012] Mit gendern ändern?

Von Kristin Kopf

Heute geht’s um den AdJ-Kan­di­dat­en gen­dern und ich will gle­ich vorauss­chick­en, dass ich dem Mon­sterthe­ma zwar einige Köpfe abschla­gen kon­nte, aber immer neue nachgewach­sen sind. Also: Anspruch auf Unvollständigkeit.

Nominiert wurde gen­dern von David, mit fol­gen­der Begründung:

Das Wort wird vor allem in der Bedeu­tung »in geschlechterg­erechter Sprache schreiben« ver­wen­det. In Englisch gibt es das Verb »to gen­der« nicht, und das Nomen »gen­der« in der Bedeu­tung »soziales Geschlecht« ist eben­falls ver­gle­ich­sweise jung. Das Wort zeugt also von einem kreativ­en Umgang mit Sprache, außer­dem scheint es momen­tan Hochkon­junk­tur zu haben.

Für mich ist es aus min­destens zwei Grün­den ein sehr span­nen­des Wort:

Zum einen kam es mir zunächst sehr etabliert vor, für den Anglizis­mus des Jahres schon viel zu lange viel zu ver­bre­it­et. Aber vielle­icht ist das nur in mein­er sehr geis­teswis­senschaftlich-uni­ver­sitär geprägten Welt so, wo geschlechterg­erechte Sprache weit­ge­hend Kon­sens ist?

Zum anderen trage ich, trotz der hohen Ver­wen­dung­shäu­figkeit in meinem Umfeld, noch immer leise Zweifel mit mir herum, was das Wort denn nun heißen kann. Die sind darin begrün­det, dass ich in einem Sem­i­nar ein­mal gel­ernt habe, gen­dern würde zunehmend falsch ver­wen­det – es hieße näm­lich nicht ‘etwas in geschlechterg­erechte Sprache brin­gen’ son­dern ‘geschlechter­basierte Unter­schiede erzeu­gen’. Nach dieser Bedeu­tung wäre z.B. Baby­mode gegen­dert (rosa, Schmetter­linge und Blüm­chen für Mäd­chen – blau, Bag­ger und Flugzeuge für Jungs).

Diesen bei­den Punk­ten werde ich in diesem Beitrag auch haupt­säch­lich nachgehen.

Was war das Vorbild?

Der Anglizis­mus des Jahres muss, logisch, aus dem Englis­chen stam­men – was für unser deutsches Verb gen­dern mehr oder weniger direkt zutrifft. Es gibt zwei poten­zielle Wortliefer­an­ten: Zum einen das Sub­stan­tiv gen­der, das David im Ver­dacht hat, und zum anderen das Verb to gen­der, das es näm­lich sehr wohl gibt, wenn es auch im Gebrauch recht sel­ten ist.

Das Sub­stan­tiv haben wir auch als solch­es schon vor Län­gerem ins Deutsche entlehnt (Gen­der), wo es sich beson­ders in der Sozi­olo­gie (und den rel­a­tiv neuen Gen­der Stud­ies) als aus­ge­sprochen nüt­zlich erwiesen hat. Bis dahin gab es näm­lich nur Geschlecht, wo man auf Englisch zwei wichtige Aspek­te unter­schei­den kon­nte: Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 4/2013

Von Sprachlog

In der ver­gan­genen Woche stand die Debat­te um gerechte Sprache in Kinder­büch­ern im Mit­telpunkt, die sich zur Diskus­sion über die Diskus­sion entwick­elt hat. Begin­nen wir aber mit Wortschatz und enden wir temperatur(an)gemäß im Winter:

  • Dieses Gespräch zwis­chen der Tochteri von NOVEMBERREGENj und ihremi Kinder­arzt fördert Erstaunlich­es über den Wortschatz Achtjähriger zutage.
  • In der Debat­te um edi­tierte Kinder­büch­er kat­e­gorisiert Ste­fan Hart­mann auf PFRIEMELPFUHL typ­is­che Argu­men­ta­tion­sstruk­turen und All­t­agsras­sis­mus anhand von Leserbriefen.
  • Das oft genan­nte Argu­ment, „betrof­fene Bekan­nte“ fän­den das N‑Wort „nicht schlimm“, sieht Simone Dede Ayivi im TAGESSPIEGEL ganz anders.
  • Die RHEINPFALZ AM SONNTAG hat Mekon­nen Mes­ghena zu seinem Schriftverkehr mit dem Ver­lag Thiene­mann (Die kleine Hexe) inter­viewt: „Neger war immer belei­di­gend“ (als Scan).
  • Nüchtern und polemik­frei argu­men­tiert David Hugendik in der ZEIT, dass Änderun­gen keine Zen­sur, son­dern Lap­palien sind.
  • Die Diskus­sion hat Ali Arbia auf ZOON POLITIKON dazu inspiri­ert, aus dem Vok­ab­u­lar der Geg­n­er der Polit­i­cal Cor­rect­ness das ulti­ma­tive Sprach­polizei-Glos­sar zu erstellen. (Achtung: lustig!)
  • Ach, ja, Win­ter ist ja auch noch. Während Ana­tol wie jedes Jahr zu Schneewörtchen befragt wurde (WDR5), berichtet Bar­bara Kauf­mann auf Ö1 von den Arten von Schnee, denen sie und ihre Tochter mor­gens auf dem Schul­weg begeg­nen (Audio, ab Min. 9:25).

Le mot-dièse: ein ♯hashtag

Von Kristin Kopf

Anlässlich der franzö­sis­chen Wort­neuschöp­fung mot-dièse, dem staatlichen Ver­such, den overten Anglizis­mus hash­tag durch einen verdeck­ten zu erset­zen, habe ich mich gefragt, warum das #-Zeichen eigentlich dièse heißt, wie in zahlre­ichen Pressemel­dun­gen zu lesen:

»Dièse« heißt im franzö­sis­chen [sic!] das Raute-Zeichen »#«, mit dem »Hash­tags« vor dem Schlüs­sel­wort [sic!] in Tex­ten etwa im Kurzmit­teilungs­di­enst Twit­ter markiert wer­den. (Focus)

Kurioser­weise musste ich dabei fest­stellen, dass (nicht nur) ich von ein­er falschen Prämisse aus­ge­gan­gen war: Das franzö­sis­che Wort für unser Dop­pelkreuz (a.k.a. Raut­en­ze­ichen) ist näm­lich nicht dièse, son­dern Weit­er­lesen

Sprachbrocken 4/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Frankre­ich ist ja, wenn man deutschen Sprach­nör­glern glauben schenkt, ein sprach­pflegerisches Paradies. Reine Sprach­flüsse plätsch­ern dort gal­lisch glitzernd durch roman­isch rol­lende Wörter­wiesen, auf denen präz­iöse Paris­er Phrasen­struk­tur­bäume Schat­ten spenden. Aus der Fremde ein­drin­gen­des Spra­chunkraut wird von von weisen Wortwächtern mit fes­ter Hand aus­ge­merzt, die an sein­er stelle liebevoll latin­isierende lan­dessprach­liche Lecker­bis­sen zücht­en. Die Französin­nen und Fran­zosen wür­den es auch gar nicht anders wollen, und so herrschte feingeistiges franko­phones Frohlock­en, als die Acad­e­mie Française verkün­dete, dass das Wort Hash­tag schon an der Gren­ze gestoppt wor­den und durch das mot-dièse („Raut­en­wort“) erset­zt wor­den sei. Nur die franzö­sis­che Sprachge­mein­schaft kon­nte dem neuen Wort natür­lich wieder mal nichts abgewin­nen. Aber die beste­ht eben, wie über­all, aus degoutan­ten Degener­ierten, von denen wir uns nicht düpieren lassen soll­ten. Weit­er­lesen

Hashtag #adj2012

Von Susanne Flach

#Heute küm­mern wir uns nach Frack­en bzw. frack­ing gestern um den näch­sten Kan­di­dat­en: Hash­tag. Nominiert wurde es von Leser Ana­lytik­er. Eine Begrün­dung dazu gab’s nicht (ab dem näch­sten Jahr über­prüfe ich die Hausauf­gaben!). Erk­lärung offen­bar überflüssig.

Deshalb erläutern wir Hash­tag zunächst kurz für diejeni­gen, die Twit­ter bish­er nur aus dem Fernse­hen ken­nen ((Die Menge [Programmiersprachensprecher/innen]&!=[Twitter/innen] dürfte leer sein.)) und beson­ders für diejeni­gen, die sich kurz dacht­en, ich hätte vielle­icht ein <c> in der Über­schrift vergessen. Sodenn, Def­i­n­i­tion: Ein Hash­tag ist so eine Art Schlag­wort für den Zettelkat­a­log im Netz. Weit­er­lesen

Fracking/fracken [Anglizismus 2012]

Von Anatol Stefanowitsch

In den näch­sten Wochen disku­tiert die Anglizis­mus-des-Jahres-Jury die Wortkan­di­dat­en, die es in die Endrunde geschafft haben. Heute das Sub­stan­tiv Frack­ing und das dazuge­hörige Verb frack­en.

Das Wort Frack­ing (mach­mal auch: Frac­ing) ist eine Kurz­form des englis­chen Hydraulic Frac­tur­ing, der Beze­ich­nung für eine Tech­nik zur Förderung von Rohstof­fen wie Erdöl und Erdgas. Dabei wird in die Gesteinss­chicht­en, die die Rohstoffe umschließen, unter hohem Druck ein Gemisch aus Wass­er und ver­schiede­nen Chemikalien hineingepumpt, um auf diese Weise Risse zu erzeu­gen, durch die die Rohstoffe zur Bohrungsstelle fließen können.

Wer mehr über die Tech­nik selb­st erfahren will, dem sei dieser aktuelle Beitrag im Fis­chblog emp­fohlen; aus lexiko­grafis­ch­er Per­spek­tive sind zwei Dinge wichtig: In Deutsch­land lagert sehr viel Erdgas in Gesteinss­chicht­en, an die ohne diese Tech­nik derzeit kein Her­ankom­men ist (weshalb die Energiekonz­erne die Tech­nik gerne in großem Maßstab anwen­den möcht­en), und die Tech­nik hat schw­er­wiegende Kon­se­quen­zen für die Umwelt (weshalb vor allem die Men­schen in den poten­ziellen Frack­ing-Gebi­eten das unbe­d­ingt ver­hin­dern wollen). Das führt zu ein­er anhal­tenden Debat­te, die das Wort im let­zten Jahr in den all­ge­meineren Sprachge­brauch gespült hat: Im Deutschen Ref­eren­zko­r­pus taucht es 2010 in nur zwei Tex­ten auf, 2011 find­et es sich bere­its 70 Mal in 25 ver­schiede­nen Tex­ten, und bis Juli 2012 (weit­er geht das Kor­pus derzeit noch nicht) waren es dann schon über 400 Tre­f­fer in mehr als 160 Tex­ten. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 3/2013

Von Sprachlog

Endlich Son­ntag, Zeit für neue Lin­guis­tik­links! Heute geht es im Blogspek­tro­gramm um Studierende, Chat­sprache, Brötchen (oder Weck­le? oder Schrip­pen?), die kleine Hexe, Tat­toos, geladene Phrase­ol­o­gis­men und  Sprachen­vielfalt auf der Erde. Viel Spaß beim Lesen!

  • In der ZEIT schreibt Astrid Her­bold über aktuelle Forschungsergeb­nisse zu Sprache im Inter­net. Dafür hat sie mit Sprach­wis­senschaft­lerIn­nen gesprochen, die Span­nen­des her­aus­ge­fun­den haben: Dass nicht alles dem Wun­sch nach Kürze geschuldet ist, zum Beispiel. Dass die Schriftkom­pe­tenz steigt. Und dass die Welt nicht unterge­ht. (Via @freeapophis)
  • Eben­falls in der ZEIT hat man anlässlich des Thierse’schen Schwaben­bash­ings (wir erin­nern uns) eine Karte mit dialek­tal­en Beze­ich­nun­gen für ‘Brötchen’ aus dem fan­tastis­chen dtv-Atlas Deutsche Sprache aus­ge­graben und graphisch aufge­frischt. Wer gerne seinen eige­nen Sprachge­brauch ein­brin­gen möchte, kann übri­gens Weit­er­lesen

Sprachbrocken 3/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Sprach­lich drehte sich die öffentliche Diskus­sion in dieser Woche vor­rangig um das Unwort des Jahres, Opfer-Abo, das Susanne am Dien­stag bere­its besprochen hat. Ich kann mich ihrer Bew­er­tung anschließen und will hier nur einen Nebe­naspekt nachre­ichen. Die TAZ erwäh­nt in ihrer Mel­dung zum Unwort, dass das Wort Opfer „in der Jugend­sprache eine schwache, dumme oder unter­legene Per­son“ beze­ichne, die „an ihrer schlecht­en Behand­lung sel­ber Schuld“ sei. Ich bin mehrfach darauf ange­sprochen wor­den, a) ob das stimme und b) wie es dazu kom­men kon­nte. Die erste Antwort ist ein­fach: Ja, es stimmt, sog­ar der DUDEN führt die Bedeu­tung „Schwäch­ling, Ver­lier­er (beson­ders als Schimpf­wort)“ als „abw­er­tenden“ Begriff der Jugend­sprache auf. Die zunächst ungewöhn­lich erscheinende Ver­schiebung im Wort­ge­brauch ergibt sich dabei nicht vor­rangig aus ein­er Verän­derung der früheren Wortbe­deu­tung „jemand, der durch jeman­den, etwas umkommt, Schaden erlei­det“ — diese Bedeu­tung bleibt ja auch in der jugend­sprach­lichen Ver­wen­dung erhal­ten. Was sich verän­dert hat, ist das hin­ter dem Sprachge­brauch ste­hende Wertesys­tem: in ein­er Gesellschaft, in der Men­schen füreinan­der ein­ste­hen, sind Opfer Men­schen, denen etwas Schreck­lich­es zugestoßen ist, weil wir nicht aus­re­ichend auf sie aufgepasst haben, und denen deshalb unsere Für­sorge und unser Mit­ge­fühl gilt. In ein­er Gesellschaft, in der jed­er für sich ver­sucht, auf der gesellschaftlichen Leit­er möglichst weit nach oben zu klet­tern, sind Opfer Men­schen, die zu schwach für diesen bru­tal­en Klet­ter­wet­tbe­werb waren, und die wir dafür ver­höh­nen, um ja nicht mit ihnen gle­ichge­set­zt zu wer­den. Und unsere Jugendlichen haben offen­sichtlich sehr genau erkan­nt, welch­es dieser bei­den Gesellschaftsmod­elle wir ihnen vor­leben. Weit­er­lesen

Log in for Sprachschutz

Von Susanne Flach

Alle Wege führen zum Sprachlog! Deshalb begrüßen wir die ZDFin­fo-Zuschauer/in­nen, die über Ana­tols Besuch in der Sendung login hier­her gespült wur­den. Und für den Fall, dass Sie diese Unter­richtsstunde zum Klas­sik­er der Apoka­lypsethe­men ver­passt haben, kön­nen Sie seit heute mor­gen in der Mediathek Ihre Hausauf­gaben nach­holen (und das Chat­pro­tokoll von nach der Sendung). Möglicher­weise stellen Sie sich danach aber die Frage, wer eigentlich „gewon­nen“ hat, wenn man so will. Zwar „kippte“ die Stim­mung unter den Zuschauer/innen während der Sendung zugun­sten der sach­lichen Diskus­sions­führung. Erstaunlich ist aber, dass die Gegen­seite gewohnt argu­ment­frei, uner­wartet schlecht vor­bere­it­et und mit einem vorher­sag­baren Plat­titü­den­bin­go immer noch 43% der Pub­likums­gun­st auf sich ziehen konnte. 

Aber der Rei­he nach.

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