Donnerstagsrätsel: Akrobatische, unmoralische Grenadiere

Von Kristin Kopf

Nicht nur Arbeit und Robot­er haben eine uner­wartet enge Beziehung, der deutsche Wortschatz ist voller solch­er Kuriositäten. Und deshalb ist das Don­ner­stagsrät­sel zurück: In der fol­gen­den Wortwolke

[…] habe ich sprach­liche Ver­wandte durcheinan­derge­wor­fen – immer zwei Wörter besitzen eine gemein­same Wurzel. Welche gehören zusammen?

Die Ver­wandtschaft kann ziem­lich weit zurück­ge­hen, weshalb der Bezug bei den wenig­sten offen­sichtlich ist. So wür­den, wären sie drin, Etat und Dis­tanz zusam­menge­hören, denn Etat kommt über frz. état aus lat. sta­tus ‘Zus­tand’, was zu stāre ‘ste­hen’ gebildet wurde und Dis­tanz kommt von lat. dis­tan­tia, ein­er Abstrak­t­bil­dung zu dis­tāre ‘voneinan­der weg­ste­hen’, das sich aus dis- und stāre ‘ste­hen’ zusam­menset­zt. []

2016-08-Rätsel_Sprachlog

(Alpha­betis­che Liste am Ende des Beitrags.)

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Blogspektrogramm 32/2016

Von Kristin Kopf

Das heutige Spek­tro­gramm ist rand­voll mit Aussprache­daten­banken, der Aus­bre­itung rechter Slo­gans (the­ma­tisch benach­bart dazu gibt’s Kri­tik am VDS und eine Analyse von Trump-Tweets) und schließlich einem Ein­blick in die Hawai­ian­is­che Gebärdensprache.

  • Ins­beson­dere in Fernsehn und Radio bemüht man sich darum, auch Namen und sel­tenere Fremd­wörter auszus­prechen wie im Orig­i­nal. Dabei helfen Aussprache­daten­banken — die der ARD stellt Peter Lück­e­mey­er in der FAZ vor: »Über rund 375.000 solch­er Daten­sätze ver­fügt die ARD-Aussprache­daten­bank […]. Sie ist ein Kind des Com­put­erzeital­ters, denn solche „Daten­banken“ hat­te es früher auch schon ver­streut über die Stu­dios gegeben. Das waren allerd­ings Karteikarten, auf denen dann hand­schriftlich „Celebidache: Tschelebidake“ notiert war, damit kein Sprech­er über den Namen des rumänis­chen Diri­gen­ten stolpern musste.«
  • Rechte Slo­gans sick­ern in den All­t­ag: Die AUGSBURGER ALLGEMEINE hat u.a. mit Ana­tol Ste­fanow­itsch gesprochen: »«Lügen­presse», «Volksver­räter», «Über­frem­dung» — Wer über die eigene Sprache nach­denkt, bemerkt vielle­icht an sich selb­st, dass nach vie­len Diskus­sio­nen über Asylpoli­tik solche Wörter leichter auszus­prechen sind. «Wenn man sich viel damit beschäftigt, muss man ständig beson­ders aufmerk­sam sein, sich diesem Effekt zu entziehen», sagt Ste­fanow­itsch. «Aber es ste­ht etwas auf dem Spiel.» Sich nicht zu dis­tanzieren von her­ab­würdi­gen­den Wörtern, berge die Gefahr, harm­los wirk­ende Muster zu übernehmen.« (Ähn­lich auch diese kurze DPA-Mel­dung.)
  • Sprach­wis­senschaft­lerIn­nen haben sich darüber beschw­ert, dass die Zeitschrift Forschung & Lehre dem VDS eine Plat­tform bietet — Details zur Geschichte gibt’s bei Hen­ning Lobin in der ENGELBART-GALAXIS: »Zeich­net sich hier eine neue Strate­gie im Umgang mit wis­senschaftlichen Kon­flik­ten ab? Dass man deren Vertretern „Befind­lichkeit­en“ und einen Hang zur Polit­i­cal Cor­rect­ness unter­stellt? Die Tat­sache, dass eine solche Argu­men­ta­tion im Zusam­men­hang mit einem Vere­in, der offen­sichtlich eine erhe­bliche pop­ulis­tis­che Anfäl­ligkeit aufweist, aus­gerech­net vom Deutschen Hochschul­ver­band unter Ver­weis auf einen Wikipedia-Artikel gel­tend gemacht wird, lässt uns alle verblüfft und irri­tiert zurück…«
  • Foren­sis­che Sti­l­analyse mal anders: David Robin­son hat sich auf VARIANCE EXPLAINED Tweets von Don­als Trump unter der Hypothese ange­se­hen, dass (nur) eine Teil­menge von Trump selb­st stammt: »My analy­sis, shown below, con­cludes that the Android and iPhone tweets are clear­ly from dif­fer­ent peo­ple, post­ing dur­ing dif­fer­ent times of day and using hash­tags, links, and retweets in dis­tinct ways. What’s more, we can see that the Android tweets are angri­er and more neg­a­tive, while the iPhone tweets tend to be benign announce­ments and pictures.«
  • Die Hawai­ian­is­che Gebär­den­sprache wurde ger­ade erst als eigen­ständi­ge Sprache anerkan­nt, schon ist sie vom Ausster­ben bedro­ht. Im GUARDIAN berichtet Ross Per­lin darüber, welche Fak­toren dazu führen, dass sie nicht mehr gesprochen wird: »Like every nat­ur­al lan­guage, [Hawai­ian Sign Lan­guage] is the evolved prod­uct of a spe­cif­ic his­to­ry, the uncon­scious cre­ation of a com­mu­ni­ty. For it to sur­vive, local sign­ers will have to make a delib­er­ate choice to use it. The same may be increas­ing­ly true of Deaf­ness itself.« (Sehr lang, aber lohnt sich!)

Das Erbe des Arbeitsroboters

Von Kristin Kopf

Dieser Tage bin ich im früh­neuhochdeutschen Wörter­buch auf den Ein­trag ack­er­ro­bot ‘Fron­di­enst der Bauern’ gestoßen. Das hat mich etwas aus dem Konzept gebracht: Es geht um Arbeit und das zweite Wort sieht qua­si aus wie Robot­er, Zufall wird das kaum sein. Nun kam der Robot­er im 20. Jh. ins Deutsche, Früh­neuhochdeutsch sprach man aber zwis­chen 1350 und 1650 — das eine kann also nicht direkt vom anderen abstam­men. Also habe ich etwas in der Ver­gan­gen­heit herumge­graben, wo ich auf viel Plack­erei und arme Waisenkinder gestoßen bin: Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 29/2016

Von Kristin Kopf

Hur­ra, hur­ra, das Spek­tro­gramm ist wieder da! Heute gibt’s Spracherken­nungssoft­ware, eine Stop­puhr, ein paar Über­set­zung­prob­leme und einen tragis­chen Fall qua­si kollek­tiv­en moralis­chen Ver­sagens in der Linguistik.

  • Googles automa­tis­che Spracherken­nung ist auf männliche Stim­men hin opti­miert, stellt Rachael Tat­man auf MAKING NOISE & HEARING THINGS fest, und das ist schlecht: »This is a real prob­lem with real impacts on people’s lives. Sure, a few incor­rect Youtube cap­tions aren’t a mat­ter of life and death. But some of these appli­ca­tions have a lot high­er stakes. Take the med­ical dic­ta­tion soft­ware study. The fact that men enjoy bet­ter per­for­mance than women with these tech­nolo­gies means that it’s hard­er for women to do their jobs. Even if it only takes a sec­ond to cor­rect an error, those sec­onds add up over the days and weeks to a major time sink, time your male col­leagues aren’t wast­ing mess­ing with tech­nol­o­gy. And that’s not even touch­ing on the safe­ty impli­ca­tions of voice recog­ni­tion in cars.« Wie das passiert, erk­lärt der Artikel wunderbar.
  • Ein kleines Tool zur Mes­sung von Rededauer gibts auf der Sin­gle-Pur­pose-Seite arementalkingtoomuch.com. Lei­der fehlt die Möglichkeit, anzugeben, wie viele Män­ner und Frauen über­haupt am Gespräch teil­nehmen, um den Wert rel­a­tiv berech­nen zu kön­nen, aber in manchen Kon­tex­ten vielle­icht doch brauchbar.
  • In der SÜDDEUTSCHEN hat sich Jörg Häntzschel (schon vor ein paar Wochen) über­legt, welche Prob­leme sich bei der Über­set­zung von (police) shoot­ing und to shoot ergeben und man kann ihm ein wenig beim Nach­denken zuse­hen: »Nicht ein­mal für das tran­si­tive Verb to shoot gibt es ein Äquiv­a­lent. Im Englis­chen bleibt erst mal offen, was genau die Kugel angerichtet hat. Sie hat das Opfer getrof­fen, Blut fließt — das zählt. Im Deutschen hinge­gen muss man, um den Vor­gang über­haupt beschreiben zu kön­nen, noch bevor der Pul­ver­dampf ver­zo­gen ist, klären, ob das Opfer erschossen oder “nur” angeschossen wurde.«  Manche sein­er Über­set­zung­sprob­leme sind sich­er keine so großen — die deutschen Wörter kön­nen ihre Bedeu­tung ja verän­dern, um auch die englis­che Bedeu­tung mitzuer­fassen, eben dadurch, dass sie in neuen Kon­tex­ten genutzt wer­den, aber das leichte Unbe­ha­gen, das dem voraus­ge­ht, wird hier ganz gut erfasst. (Via @check_live)
  • Rory Car­roll schreibt im GUARDIAN über Genie, ein Mäd­chen, das 1970 im Alter von 13 Jahren das erste Mal in Kon­takt mit der Außen­welt und mit Sprache kam. Der Artikel streift die sprach­wis­senschaftlichen Aspek­te nur, ist aber den­noch (oder erst recht) lesenswert: »Over time, Genie slipped from head­lines – Viet­nam was burn­ing, the Bea­t­les were in the midst of break­ing up – but she retained the atten­tion of sci­en­tists, espe­cial­ly lin­guists. She was a prize spec­i­men for hav­ing grown up with­out lan­guage or social train­ing. Could she now learn language?«

Blogspektrogramm 25/2016

Von Susanne Flach

Guten Mor­gen! Im Aus­tausch gegen ein pünk­tlich­es Spek­tro­gramm bieten wir Ihnen heute eine kleinere Auswahl, die Ihnen aber immer­hin Emo­ji, Gerechte Sprache, Schimpfwörter und einen Gen­er­a­tor bietet. Damit ist Ihre Zeit famos investiert. Viel Spaß!

Blogspektrogramm 23/2016

Von Kristin Kopf

Das heutige Spek­tro­gramm hat vier exk­lu­sive Links zu bieten: Zu neu­tralen Frauen, fu´ßballverdächtigen Fam­i­li­en­na­men, crazy-ass Wort­bil­dung und diskri­m­inieren­der Typografie. Damit passt es vom Umfang her wun­der­bar ins noch verbleibende Restwochenende:

  • Die Anna oder das Anna? Die RHEINPFALZ hat mit Julia Fritzinger darüber gesprochen, wo, wie und warum Frauen­na­men im Neu­trum ste­hen: »„Es“ oder „et“, „das“ oder „dat“ für Frauen ist erstaunlich weit ver­bre­it­et. Es kommt vor allem in west­mit­teldeutschen und süd­west­deutschen Dialek­ten vor, aber auch im Lux­em­bur­gis­chen, Elsäs­sis­chen und Schweiz­erdeutschen. Dabei gibt es starke regionale Unter­schiede, was die Ver­wen­dung ange­ht, manch­mal schon zwis­chen einzel­nen Orten. In manchen sagen die Leute zum Beispiel „die Julia“, aber trotz­dem „Es hat Geburtstag“.«
  • Ecke, Ball­weg, Los­er, Spiel­er — Fam­i­li­en­na­men, die ein wenig nach EM klin­gen, aber natür­lich nichts damit zu tun haben. Woher sie kom­men, weiß NAMENFORSCHUNG.NET: »Tat­säch­lich han­delt es sich bei Spiel­er meist um einen Beruf­s­na­men zu mit­tel­hochdeutsch spilære, spiler für einen Musikan­ten und fahren­den Sänger. Möglich ist auch ein Über­name zu mit­tel­hochdeutsch spilære für Per­so­n­en, die viel Zeit mit Spie­len, früher v.a. mit Wür­fel­spie­len ver­bracht haben.«
  • Vom Schimpf­wort zum Inten­sivier­er ist es in den meis­ten Sprachen nicht sehr weit. Auf JSTOR|DAILY erk­lärt Chi Luu, was es mit dem englis­chen -ass auf sich hat: »Once, we were all hap­py enough using rather dull words like “very” and “real­ly” as inten­si­fiers, as in “a very big car” or “a real­ly crazy idea.” They’ve often become so (anoth­er inten­si­fi­er) overused and dilut­ed in effect that many com­plain bit­ter­ly about their use at all. In casu­al speech, using “-ass” as an inten­si­fi­er suf­fix attached to an adjec­tive, we might express the same ideas as the more col­or­ful “a big-ass car” and “a crazy-ass idea.” Obvi­ous­ly, we’re not talk­ing about actu­al pos­te­ri­ors being big or crazy, so the curse word has devel­oped into a kind of func­tion­al lin­guis­tic mor­pheme, car­ry­ing a more effec­tive and emphat­ic weight.« (Über Inten­sivier­er im Deutschen, wie Mords- und Bomben-, habe ich übri­gens auch im Kleinen Ety­mo­log­icum ein Kapi­tel geschrieben.)
  • Sind Ihnen in den let­zten Tagen die Dreifachk­lam­mern um Twit­ter­na­men aufge­fall­en? Coop­er Wald­man und Antho­ny Smith beschreiben auf MIC, woher sie stam­men — Typografie als »Hate Speech«: »Neo-Nazis, anti-Semi­tes and white nation­al­ists have begun using three sets of paren­the­ses encas­ing a Jew­ish sur­name — for instance, (((Fleish­man))) — to iden­ti­fy and tar­get Jews for harass­ment on blogs and major social media sites like Twit­ter. As one white suprema­cist tweet­ed, “It’s closed cap­tion­ing for the Jew-blind.”« Mit­tler­weile haben sich viele Twit­ter­nutzerIn­nen diese Klam­mern allerd­ings als Sol­i­dar­itäts­mark­er angeeignet.

Public Viewing Of Public Viewing

Von Susanne Flach

Gestern begann in Frankre­ich die Fußball-Europameis­ter­schaft – mir wäre in den let­zten Wochen vor lauter dis­sertieren gar nicht aufge­fall­en, wie schnell die EM auf uns zukommt, wenn, ja wenn nicht die Alerts von Google zu „Anglizis­mus“ voll mit „Leichen­schauen“ gewe­sen wären. Tra­di­tionell haben wir zu Fußball-Großereignis­sen in den let­zten Jahren eher gelang­weilt ein­fach auf die Artikel im Sprachlog ver­linkt, die sich damit beschäfti­gen, dass pub­lic view­ing im (Amerikanis­chen) Englisch nicht eigentlich „Leichen­schau“ heißt, son­dern dass es das auch heißen kann, weil pub­lic view­ing ein all­ge­mein­er Begriff für das Ein- und Anse­hen von Din­gen durch die Öffentlichkeit ist (z.B. Regierungs­doku­mente, Exponate aus Kun­st, Geschichte oder Botanik, Flughäfen, Paraden ein­er Sport­mannschaft, sich selb­st in Sozialen Net­zw­erken oder eben halt Leichen). Das Argu­ment wird übri­gens nicht valid­er, wenn dann noch jemand sagt, es heiße streng genom­men auch nicht Leichen­schau, son­dern Auf­bahrung.

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Blogspektrogramm 22/2016

Von Susanne Flach

Guten Mor­gen! Heute wieder volles Pro­gramm und inter­es­santes und zum Nach­denken anre­gen­des aus den Bere­ichen soziale Vari­a­tion, Migra­tion & Über­set­zung, Syn­chro­ni­sa­tion, his­torische Seman­tik und Mohammed Alis Beitrag zur Poe­sie. Viel Spaß und einen zauber­haften Sonntag!

Blogspektrogramm 21/2016

Von Kristin Kopf

Unser heutiges Blogspek­tro­gramm kommt gle­ich beim ersten Link vom Kurs ab, um etwas über franzö­sis­che Vernei­n­ung zu erzählen, find­et dann aber wieder zurück zu Sprach­pflege der beson­deren Art, ver­rä­ter­ischen Buch­staben, schlechtem Geschmack und f–. Viel Spaß!

  • Wie kam das Ver­giss­mein­nicht zu sein­er Beze­ich­nung? Stephan Bopp hat’s auf FRAGEN SIE DR. BOPP zusam­menge­tra­gen. Beson­ders span­nend: »Eben­falls im 15. Jahrhun­dert find­et sich im Franzö­sis­chen die gle­ichbe­deu­tende Beze­ich­nung ne m’oublie(z) mie (Mod­ern­frz. ne m’oubliez pas).« An den bei­den franzö­sis­chen Angaben kann man näm­lich eine alte Vernei­n­ungsvari­ante beobacht­en (und hier ver­lassen wir das Reich der kom­men­tierten Ver­linkung für einen kurzen Exkurs:) Das, was im Deutschen durch ein ein­fach­es nicht aus­ge­drückt wird, erledigt im Franzö­sis­chen eine zweit­eilige Form aus ne und pas (bzw. in der älteren Form ne und mie). Geht man ihrer Herkun­ft nach, so zeigt sich für ne eine lange Vernei­n­ungs­geschichte, mie und pas sind aber erst später eingestiegen. mie bedeutete im 15. Jh. wörtlich ‘Krume, Krümel’ und pas heißt auch heute noch ‘Schritt’ (z.B. in Pas de deux). Zur Vernei­n­ung kamen sie wohl durch Übertrei­bung: Auch im Deutschen kann man sagen, dass einen etwas nicht die Bohne inter­essiert, dass man keinen Deut (eine Kupfer­münze von geringem Wert) auf etwas gibt oder keinen Strich für etwas tut. Man ver­weist also auf etwas, das klein und von geringem Wert ist und stärkt damit die Vernei­n­ung — nicht ein­mal soooo wenig passiert etwas. Genau­so geschah das im Franzö­sis­chen, nur dass sich dort eines dieser Ver­gle­ich­swörter, der pas, so sehr etabliert hat, dass es zu einem fes­ten Bestandteil der Nega­tion gewor­den ist. Neben dem Krümel gibt es im Franzö­sis­chen noch weit­ere Ver­lier­er der Entwick­lung, z.B. goutte ‘Tropfen’ und das heute noch eingeschränkt gebrauchte point ‘Punkt’. Inter­es­sant ist, dass sich das Stand­bein der Nega­tion zunehmend ver­lagert: Heute wird das ne umgangssprach­lich zunehmend wegge­lassen und dem pas die ganze Vernei­n­ung über­tra­gen. (Wer sich dafür im Detail inter­essiert, wird unter dem Stich­wort »Jes­persen-Zyk­lus« fündig.)
  • Unser Blog- und Lin­guis­tikkol­lege Kil­ian Evang spricht mit SAGSO über die Gesellschaft zur Stärkung der Ver­ben — wer schon immer mal wis­sen wollte, was ein starkes oder schwach­es Verb ist und vor allem, wie man mit ihnen lin­guis­tisch fundierten Sch­aber­nack treiben kann, kommt hier auf ihre Kosten: »sag­so: Wie würdest du die poli­tis­che Stim­mung in Deutsch­land und Europa gegenüber Schwach­er Ver­ben beschreiben? Wer­den ihrer geduldet? Kil­ian Evang: Der Poli­tik sind schwache Ver­ben weit­ge­hend egal. Wenn es in der Poli­tik um Sprache geht, dann meis­tens um den Wortschatz: Soll­ten Wörter mit Migra­tionsh­in­ter­grund, ins­beson­dere Anglizis­men wie Sale, Self­ie oder Crowd­fund­ing, in der deutschen Sprache geduldet wer­den? Die Gesellschaft zur Stärkung der Ver­ben set­zt sich für eine lib­erale sprach­liche Ein­wan­derungspoli­tik ein. Wörter aus anderen Sprachen sind eine Bere­icherung. Nicht zulet­zt kann man auch mit ihnen tre­f­flich spie­len, wie z.B. von uns gestorkene Anglizis­men wie scannen/sconn/gesconnen oder clustern/clorst/geclorsten zeigen.«
  • ã, ă, ģ, ű, ł, … Sprachen erken­nen, (fast) nur an Buch­staben? James Har­beck hat für THE WEEK eine Liste gebastelt. Wie man am Deutschen sieht, ist sie nicht ganz voll­ständig (<ß> wäre zumin­d­est für Deutsch­land und Öster­re­ich sin­nvoll gewe­sen), aber dur­chaus brauch­bar. Neben einzi­gar­ti­gen Buch­staben gibt es auch weit­ere Tipps dazu, wie man nah ver­wandte Sprachen auseinan­der­hal­ten kann. Für Nicht-Alpha­betschriften gibt’s außer­dem ein Fol­low-up.
  • Von schlechtem Geschmack zu schlechter Kun­st? Katy Wald­man zeigt auf LEXICON VALLEY, wie das funk­tion­iert, näm­lich metapho­risch: »we know exact­ly how to tele­graph our dis­dain for (or grudg­ing plea­sure in) bad art. We com­pare it to bad food. The food is bad in the way that the art is bad. It’s not so much dis­agree­able as unhealthy, even unvir­tu­ous. Flu­o­res­cent with goopy cheese, ooz­ing easy sen­ti­ment, it clogs our arter­ies and blunts our intel­lects. […] I wish we could link eat­ing for plea­sure to aes­thet­ic boun­ty as tight­ly as we now bind it to aes­thet­ic “bad­ness.” If only our vocab­u­lary for assess­ing art did not so per­sis­tent­ly claim that less emo­tion, less fem­i­nin­i­ty, and less phys­i­cal pres­ence on earth is more.«
  • Meine Studieren­den haben mich diese Woche gefragt, wozu es im Leben sin­nvoll ist, etwas über Sil­ben­struk­tur zu wis­sen. Schade, dass ich nicht schon vorher James Har­becks Über­legun­gen zur tabube­d­ingten Abkürzung von Flüchen auf STRONG LANGUAGE gele­sen hat­te. Das hätte zwar keinen konkreten Nutzen aufgezeigt, aber bes­timmt hin­re­ichend abge­lenkt. Der Text geht der Frage nach, warum z.B. fuck als f– widergegeben wird, nicht als –u-- oder –k. Dabei gibt er sich nicht allein damit zufrieden, dass das halt der Anfang des Wortes ist: Auch f–k kommt vor, aber fu– kaum. Warum der Vokal nicht mitgenom­men wird, wird  sprach­lich recht expliz­it erk­lärt: »The vow­el is real­ly the busi­ness part of the word. The first let­ter is the face – what we need to rec­og­nize it – but the vow­el is the cock or cunt of the word, and the let­ters after it are the upper legs: not real­ly the fuck­er, but they lead to it. And that all has to do with syl­la­ble struc­ture as we Eng­lish speak­ers know it.«

Kulturelle Schlüsselwörter

Von Susanne Flach

Ich biete seit eini­gen Semes­tern eine wöchentliche Sprech­stunde an, in der sich Studierende und Mitarbeiter/innen zu ihren Kor­pus­pro­jek­ten berat­en lassen kön­nen. Das ist primär als tech­nis­che Beratung gedacht – aber es ist meist schw­er, diese Beratung von inhaltlichen Fra­gen zu tren­nen. Damit die Inspi­ra­tion nicht unge­hört im Büro ver­hallt, will ich das bei öffentlichem Inter­esse immer mal wieder auf­greifen. Mark Liber­man hat drüben im Lan­guageL­og ja auch sein Break­fast Exper­i­mentTM.
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