Sprachbrocken 20/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Die franzö­sis­che Sprache ste­ht kurz vor dem Ausster­ben: zu ein­er „banalen“, ja „toten Sprache“ werde es, befürchtet der Sprach­schützer Bernard Piv­ot, wenn die franzö­sis­che Bil­dungsmin­is­terin sich mit ihrem Plan durch­set­ze, an franzö­sis­chen Uni­ver­sitäten auch das Englis­che als Unter­richtssprache zuzu­lassen. Denn Sprache, so Piv­ot, sei das, was eine Nation aus­mache und schon seit jeher sei es so gewe­sen, dass Siegermächte den Besiegten ihre Sprache aufgezwun­gen hät­ten. Als Fran­zose ken­nt er sich da aus, denn die Kolo­nial­macht Frankre­ich hat das bestens vorgemacht, was es Piv­ot ermöglicht, in einem Neben­satz von „unseren“ – also franzö­sis­chen – „großen Schrift­stellern aus Afri­ka und von den Antillen“ zu schwär­men. Aber wenn es das Franzö­sis­che ist, das ver­drängt wird, und sei es nur aus ein paar Sem­i­naren, dann ste­ht die franzö­sis­che Nation vor dem Aus. Auch die Ironie, dass mit dem Englis­chen eine Sprache nach Frankre­ich zurück­kehrt, die sich durch eine jahrhun­derte­lange franzö­sis­che Besatzung bis zur Unken­ntlichkeit verän­dert hat, ent­ge­ht ihm offen­sichtlich. Weit­er­lesen

Sprachbrocken 19/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Die Geschichte der geschlechterg­erecht­en Sprache, das mussten wir auch dieser Tage wieder fest­stellen, ist eine Geschichte voller Missver­ständ­nisse. Voller mutwilliger, ver­mei­d­bar­er Missver­ständ­nisse, die eigentlich bere­its hun­dert Mal aus­geräumt wor­den sind.

Dass die Macher/innen der Hei­del­berg­er Studieren­den­zeitung RUPRECHT nicht die hell­sten Sterne am qual­ität­sjour­nal­is­tis­chen Ster­nen­him­mel sind, wird schnell klar, wenn man mit dem kon­fron­tiert wird, was diese für „Satire“ hal­ten: Sex­is­mus mit ein­er Prise Ver­harm­lo­sung von recht­sex­tremem Ter­ror­is­mus. Auf der Titel­seite eines fik­tiv­en „Hei­del­berg­erinnen­er Stu­dentin­nen­magazins“ namens „car­o­la“ find­en sich Teas­er wie „Ohne Ler­nen durch die mündliche Prü­fung: Unsere besten Styling-Tipps“ aber auch „Frau Zschäpe plaud­ert aus dem Nähkästchen / Zwis­chen zwei Män­nern / Beate über die besten Unter­grund-Stel­lun­gen für drei“. Anlass dieser „Satire“ ist die Entschei­dung der „ruprecht“-Redaktion, ihre Texte nicht mehr zu „gen­dern“ und auch den Unter­ti­tel der Zeitschrift von Hei­del­berg­er Studieren­den­zeitung in Hei­del­berg­er Stu­den­ten­zeitung zu ändern. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 20/2013

Von Sprachlog

Statt lorem ipsum: ich bin mal wieder son Ein­leitung­s­text und frage mich manch­mal, ob mich jemand liest. Wäre das Ver­fassen dieser Zeilen son­st nicht eine uner­hörte Ver­schwen­dung früh­son­ntäglich­er Lebens­freude? Ähem, jet­zt aber mal zur Sache — unsere auser­wählten Worte zum Sonntag:

Blogspektrogramm 19/2013

Von Sprachlog

Liebe Müt­ter, liebe son­sti­gen Men­schen, her­zlich willkom­men zum neun­zehn­ten Blogspek­tro­gramm! Heute geht es unter anderem um uralte Wörter, ganz neue Wörter und das Image von Sprachen.

  • Im LEXIKOGRAPHIEBLOG unter­sucht Michael Mann den Ein­satz von griechis­chen Buch­staben zu Ver­frem­dungszweck­en und kommt unter anderem zu dem Schluss, dass die Sprache ein »zack­iges« Image hat.
  • Auf EPHEMERA hat sich Sprachlo­gau­tor Ana­tol Ste­fanow­itsch mit der Beze­ich­nung Haustürken aus ein­er taz-Kolumne von Kübra Gümüsay auseinan­derge­set­zt.
  • In den let­zten Tagen ging eine Studie zur Rekon­struk­tion von 23 »Urwörtern« ein­er ange­blich 15.000 Jahre alten Ursprache durch die Medi­en (hier, extrem schlecht hier), die Aysa Pereltsvaig und Mar­tin Lewis auf GEOCURRENTS (Englisch) mas­siv kri­tisieren.
  • Dass ein Wort nicht zuerst im Duden ste­ht und dann erst ver­wen­det wer­den kann, sollte Sprachlogle­serIn­nen hin­re­ichend bekan­nt sein. Wenn nicht, leis­tet dieses Video von DUDENONLINE Aufklärungsarbeit.
  • Auf INSPIRATION & MORE (Englisch) teilt Meghann ihre ganz sub­jek­tiv­en Ein­drücke zu ver­schiede­nen Sprachen. Haben Sie Ergänzun­gen? Gerne in den Kommentaren!

Von Tribunen und Tribünen

Von Susanne Flach

Am Mon­tag scheit­erte bei Wer wird Mil­lionär? ein Kan­di­dat an der „Wortherkun­ft“ von Tribüne, deren Her­leitung RTL immer­hin 125.000€ wert gewe­sen wäre. Was zunächst von RTL als ein­fach sug­geriert und in der Folge von vie­len Boule­vard­jour­nal­is­ten und Kom­men­ta­toren als „offen­sichtlich“ dargestellt wurde, ist aber etwas kom­plex­er (das Sprachlog twit­terte).

Die Frage lautete: Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 18/2013

Von Sprachlog

Und nun, liebe Leserin­nen und Leser, kom­men – *tusch* – die dieswöchi­gen Links mit aller­hand unter­halt­samen Geschicht­en, span­nen­den Phänome­nen und Star Wars.

  • Der Staat Wash­ing­ton hat seine Geset­ze kom­plett in geschlechterg­erechte Sprache über­führt. LUISE PUSCH kom­men­tiert die Änderun­gen und erin­nert, auf das Deutsche bezo­gen, an ihren radikalsten Reformvorschlag.
  • Von aktuellen Ereignis­sen inspiri­ert hat sich Ste­fan Hart­mann von PRIEMELPFUHL Geschichte, Ver­wen­dung und Bedeu­tung der Begriffe asozial und unsozial angesehen.
  • Anne Curzan (hier) und Geoff Pul­lum (hier) kom­men­tieren im CHRONICLE OF HIGHER EDUCATION im Zusam­men­hang mit John McWorthers TED-Vor­trag (BS 17/2013) den Sta­tus von slash als Kon­junk­tion slash Dis­junk­tion (Englisch).
  • Michael Mann vom LEXIKOGRAPHIEBLOG erzählt uns in einem zweit­eili­gen Beitrag etwas zum Heavy-Met­al-Umlaut und die Kyril­lisierung von Text aus Designgründen.
  • Zum gestri­gen „Star Wars Day“ noch eine von vie­len, vie­len Mel­dun­gen dazu:  Die Kult-Rei­he soll in Nava­jo über­set­zt wer­den, gemessen an den SprecherIn­nen­zahlen größte indi­gene Sprache Nor­damerikas (Englisch).
  • Total April, immer aktuell: Geoff Nun­berg nimmt die Diskus­sion um das Wort mar­riage aus lexiko­grafis­ch­er Sicht unter die Lupe (Englisch).

Sprachbrocken 18/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Mein wöchentlich­es Durchkäm­men der Presse liefert nicht immer Mate­r­i­al für die Sprach­brock­en – so auch diese Woche. Ich habe deshalb per Twit­ter nach The­men­wün­schen gefragt, die ich im Sprach­brock­en­for­mat beant­worten kön­nte. Aus den zahlre­ichen Wün­schen habe ich vier aus­gewählt, zu denen mir spon­tan etwas ein­fiel (die übri­gen Vorschläge habe ich mir notiert und werde vielle­icht bei Gele­gen­heit darauf zurück­kom­men). Los gehts.
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Shitstormgeburtstag

Von Anatol Stefanowitsch

Seit wir 2011 Shit­storm zum Anglizis­mus des Jahres gewählt haben, verge­ht kaum eine Woche, in der ich meinen Namen nicht irgend­wo in Verbindung mit diesem Wort lesen darf. Wann immer ein Shit­storm disku­tiert wird, find­en sich in einem Neben­satz oder in einem erk­lären­den Kas­ten ein Hin­weis auf unsere Wahl und ein oder zwei Zitate von mir. Obwohl ich leicht zu erre­ichen bin, sind diese Zitate nor­maler­weise alt und stam­men aus Pressemit­teilun­gen oder Inter­views, und nicht aus mein­er Lau­da­tio oder Susannes exzel­len­ten Beiträ­gen zu diesem Wort. ((Wobei hier ein Lob an die Wikipedia angemessen ist, die sich in dem Ein­trag zu diesem Wort in wichti­gen Punk­ten auf unsere Recherchen stützt.)) So auch heute, wo eine Pressemel­dung der dpa den 50. Geburt­stag des Wortes bekan­nt gibt (abge­druckt z.B. in der Wolfs­burg­er All­ge­meinen Zeitung unter der Über­schrift „Ver­meintlich neues Wort“): Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 17/2013

Von Sprachlog
  • Ben Zim­mer schreibt im BOSTON GLOBE (Englisch) über sur­re­al, nach den Bomben­ex­plo­sio­nen beim Marathon eines der am häu­fig­sten aufgerufe­nen Worte im Mer­ri­am-Web­ster Dictionary.
  • John Simp­son, Chefredak­teur des Oxford Eng­lish Dic­tio­nary (OED) gibt nach 37 Jahren in diesem Jahr seinen Posten auf — TIME ENTERTAINMENT hat mit ihm über seine Arbeit all­ge­mein und die span­nende Zeit der Umstel­lung von Print auf Online gesprochen (Englisch).
  • John McWorther spricht auf TEDtalks über „txtng“ oder „fin­gered speech“ (etwa: SMS, Chat & son­stige orthografisch verkürzte Sprache) — und warum es die Sprache nicht kaputt macht (Englisch).
  • Auch auf TEDtalks, zwar nicht neu, aber immer aktuell: Kate Bur­ridge von der Monash Uni­ver­si­ty über Euphemis­men (Englisch).
  • Die ent­ge­genge­set­zte Rich­tung schla­gen Ane Kleine-Engel und Jut­ta Schu­mach­er auf INFOLUX ein: sie gehen der Ety­molo­gie der unglück­lich zahlre­ichen Beze­ich­nun­gen für Dummkopf auf den Grund.
  • Der INDEPENDENT (Englisch) berichtet von Forschun­gen zur Fähigkeit von Walen bei der Mus­ter­erken­nung von akustis­chen Sig­nalen — und dass diese Tiere men­schliche Laute imi­tieren kön­nen. (Achtung: der Artikel ver­säumt eine saubere Tren­nung von unbe­d­ingt auseinan­der zu hal­tenden Ebe­nen — tierische Imi­ta­tion bzw. Vokalisierung sollte nicht mit (men­schlich­er) Sprache ver­glichen werden.)
  • Etwas spezieller und detail­liert­er: wer sich für Namen­forschung inter­essiert, wird im ONOMASTIKBLOG fündig. Dieter Kre­mer über die ital­ienis­chen SchmiedsFer­rari und Fer­rero.

Sprachbrocken 17/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Über die religiösen Mythen exo­tis­ch­er Kul­turen kur­sieren ja die wildesten Gerüchte, was häu­fig daran liegt, dass sie in eben­so exo­tis­chen Sprachen abge­fasst sind und dass es keine Über­set­zun­gen gibt. Ein Grund mehr, einen Meilen­stein des interkul­turellen Ver­ständ­niss­es zu feiern, der diese Woche bekan­nt wurde: der Mythos „Star Wars Episode IV: Eine neue Hoff­nung“ (bei Fun­da­men­tal­is­ten aus nicht nachvol­lziehbaren Grün­den als „Episode I“ bekan­nt) wird, wie der HOLLYWOOD REPORTER meldet, endlich ins Nava­jo über­set­zt. Damit wird dieses urtüm­liche und schw­er ver­ständliche Epos erst­mals Mit­gliedern ein­er fort­geschrit­te­nen Zivil­i­sa­tion zugänglich gemacht, die so unschätzbar wertvolle Ein­blicke in das spir­ituelle Leben der soge­nan­nten „Amerikan­er“ (die sich selb­st nur Peo­ple, also grob über­set­zt „Men­schen“ nen­nen) erhal­ten. Weit­er­lesen