Blogspektrogramm 26/2013

Von Sprachlog

Wie gewohnt erscheint heute unsere kleine Auslese zu sprach­lich­er Vielfalt, sprach­nör­g­lerisch­er Ein­falt und plau­si­blen Din­gen über Spracherwerb:

  • Alexan­der Lasch vom SPRACHPUNKT hat sich die „Rudol­städter Erk­lärung“ des VDS zu Gaucks Sicht auf Sprache im viel­sprachi­gen Europa ange­se­hen.
  • SCIENCEDAILY berichtet von ein­er Studie, die her­aus­fand, dass non-ver­bale Hin­weise von Erwach­se­nen während der Kom­mu­nika­tion mit Kleinkindern diesen dabei helfen, ihren Wortschatz schneller und qual­i­ta­tiv umfan­gre­ich­er auszubauen.
  • GEOCURRENTS informiert in etwas unglück­lich zwei­deutiger For­mulierung über eine „neu(e) ent­deck­te“ Sprache in Aus­tralien — wobei sich „neu“ ver­mut­lich eher darauf bezieht, dass Light Walpiri als Mis­chsprache von unter 35jährigen gesprochen wird, als dass sie eben erst ent­deckt wurde (denn bere­its 2005 pub­lizierte O’Shannessy ihre Ergeb­nisse dazu). Immer­hin: Light Walpiri hat ein paar inter­es­sante mor­phosyn­tak­tis­che Eigenheiten.
  • Fast wie in eigen­er Sache: „Shit­storm“ ste­ht im neuen DUDEN (via FAZ).

Donnerstagsrätsel (4)

Von Susanne Flach

Jeden drit­ten manchen irgend­wannsten Don­ner­stag im Monat kommt unser cooles Don­ner­stagsrät­sel, heute mal wieder mit einem Etymologiequiz.

Die unten ste­hen­den Wörter im Wor­dle kön­nen paar­weise miteinan­der in Verbindung gebracht wer­den (Achtung: zwei Paare sind zu dritt). Und, wie Kristin, die Erfind­erin des Ety­molo­giequizzes, sich das so gedacht hat, kön­nen die Ver­wandtschafts­beziehun­gen seeeeeeehr weit zurück gehen. Und weil Ver­wandtschaft immer ein biss­chen kom­pliziert­er ist, kön­nte sie natür­lich auch nur teil­weise sein, d.h. aus kleineren Ele­menten (v.a. Wurzeln, Stämme) bestehen.

Seiense nett zu mir, ich hab das zum ersten Mal gemacht und hoffe, dass es nur eine Lösung gibt. Aber auf jeden Fall: Viel Knobelspaß!

etymologiequiz

P.S.: Lösun­gen gibt’s am Mon­tag. Schum­meln ist …äh, also, hm — machense was se wolln. Die Kom­mentare sind teil­weise offen (bzw. wer­den im Span­nungs­bo­ge­nauf­bau manuell unsicht­bar gemacht, d.h. nicht wun­dern, wenn ein bere­its erschienen­er Kom­men­tar vor­läu­fig ver­schwindet), also im Not­fall ein­fach gaaanz schnell run­ter­scrollen und die Lösungsvorschläge abgeben.

Hier geht’s zur Lösung. Die Nen­nung aller, die’s richtig gewusst haben, wäre jet­zt n büschen sehr aufwändig. Aber Her­zlichen Glück­wun­sch an alle! Es war schw­er­er als gedacht, es nicht zu leicht zu machen.

Ich bin ein Sprachmythos

Von Anatol Stefanowitsch

Es wäre ja zu schön, wenn John F. Kennedy sich in sein­er viel zitierten und in der Wahrnehmung (west-)deutscher Medi­en his­torisch befremdlich über­höht­en „Ich-bin-ein-Berliner“-Rede tat­säch­lich als mit Marme­lade gefülltes Back­w­erk beze­ich­net hätte. Aber obwohl sich entsprechende Gerüchte vor allem in der englis­chsprachi­gen Welt hart­näck­ig hal­ten, hat er das nicht. Das durfte ich anlässlich des 50. Jahrestages sein­er Rede nicht nur der AFP erk­lären, son­dern das habe ich schon vor genau fünf Jahren – damals noch im Bre­mer Sprach­blog – aus­führlich disku­tiert. Und Susanne hat vor zweiein­halb Jahren beschrieben, wie und wo dieser Mythos ent­standen ist.

Für diejeni­gen, die sich nicht durch diese empfehlenswerten, aber alten, Blog­beiträge wühlen wollen: Der Mythos geht unge­fähr so. Kennedy hätte eigentlich sagen müssen Ich bin Berlin­er, da das soge­nan­nte Prädikat­snomen, also das Sub­stan­tiv, das dem Verb sein fol­gt, in dieser Art von Herkun­ft­szuschrei­bung keinen Artikel haben dürfe. Deshalb sei Kennedys Ich bin ein Berlin­er nicht als Herkun­ft­szuschrei­bung zu inter­pretieren, und Berlin­er könne sich hier nicht auf „Einwohner/in der Stadt Berlin“ beziehen. Die einzige Alter­na­tiv­in­ter­pre­ta­tion für Berlin­er sei „mit Marme­lade gefülltes rundlich-plattge­drück­tes Back­w­erk“. Weit­er­lesen

Deutsche, deutschere, deutscheste Bahn

Von Anatol Stefanowitsch

Dass deutsche Unternehmen die englis­che Sprache gerne ver­wen­den, um sich ein inter­na­tionales Image zu geben, ist nicht nur ein Triv­ialplatz, es ist sog­ar Gegen­stand sprach­wis­senschaftlich­er Forschung. ((Z.B. Ingrid Piller (2001) Iden­ti­ty con­struc­tion in mul­ti­lin­gual adver­tis­ing. Lan­guage in Soci­ety 30, 153–186.)) Beson­ders die Deutsche Bahn hat das in der Ver­gan­gen­heit so aus­giebig getan, dass sie sog­ar von Lehn­wortlib­eralen wir mir dafür schon (wenn auch sehr milde) kri­tisiert wor­den ist – wir haben sie im Sprachlog aber auch schon für ihre kreative Lehn­wor­tikono­grafie und für ihr nur schein­bar defizientes, tat­säch­lich aber his­torisch akku­rates Englisch gelobt. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 25/2013

Von Sprachlog

Im Blogspek­tro­gramm Nr. 25 geht es unter anderem um Rechtschrei­bung (heute und früher) und Wörter­büch­er (aktuelle und zukün­ftige), inklu­sive Minirät­sel. Viel Spaß beim son­ntäglichen Stöbern!

  • Auf DR. MUTTI beschäftigt sich Juliana Goschler unter anderem aus sprach­wis­senschaftlich­er Per­spek­tive mit dem aktuellen Spiegel-Titel »Die Rechtschreip-Kater­strofe«: »Fängt das Som­mer­loch dieses Jahr schon Mitte Juni an, oder ste­hen wir tat­säch­lich vor den Trüm­mern ein­er gebilde­ten Nation? Und wenn ja, wer ist dies­mal schuld? Das Inter­net, die Migranten, oder die all­ge­gen­wär­ti­gen Gut­men­schen?«
  • Eben­falls zu Orthografie gibt es auch einen Beitrag auf DRADIO WISSEN mit dem His­torik­er Kir­ill Levin­son, der erk­lärt, warum Rechtschreibfehler sozial kon­stru­iert sind: »Orthografis­che Regeln gibt es nicht, so wie es zum Beispiel Berge oder Wolken oder was weiß ich, Wass­er und Feuer gibt, son­dern sie wer­den gegeben, und zwar von Men­schen«
  • Der TAGESSPIEGEL meldet, dass der Leipziger Ger­man­ist Beat Sieben­haar die Protestschreiben wis­senschaftlich unter­suchen wird, die sich in der Sache Gener­isches Fem­i­ninum in der Grun­dord­nung der Uni Leipzig (wir berichteten hier, hier, hier, hier) ange­sam­melt haben — wir sind ges­pan­nt! (Via @Erbloggtes)
  • Im LEXIKOGRAPHIEBLOG nimmt Michael Mann den Duden-Ein­trag Türke mit lexiko­graphis­ch­er Genauigkeit auseinan­der und baut ihn wieder neu zusammen.
  • Es ste­ht uns eine neue DUDEN-Auflage bevor. Sie wis­sen schon, das sind diese bil­li­gen Hand­langer von Mod­e­fuzzis und Amitüm­lern aller Art. Wer will, kann in einem lei­der etwas knap­pen Quiz schon mal rat­en gehen, welche Wörter neu aufgenom­men wur­den. (Via Lexiko­gra­phieblog)

Sprachbrocken 25/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Die sprach­liche Nachricht der Woche war fra­g­los „‚Tweet‘ kommt ins Wörter­buch“. Das Wörter­buch, um das es dabei ging, war das Oxford Eng­lish Dic­tio­nary, das tweet war das englis­che Verb to tweet. Und tat­säch­lich find­et sich der entsprechende Ein­trag bere­its in der Online-Ver­sion des Wörter­buchs, eben­so, wie der für das Sub­stan­tiv tweet. Dabei ist nicht das Wort selb­st neu, denn das stand bish­er natür­lich schon mit der Bedeu­tung „einen kurzen, hohen Ton oder eine Serie solch­er Töne machen“ (für das Verb) und „kurz­er, hoher Ton wie ihn ein klein­er Vogel macht“ (für das Sub­stan­tiv) im größten Wörter­buch der englis­chen Sprache. Nun kom­men zwei Verbbe­deu­tun­gen hinzu. Eine für das Verb ohne Objekt (z.B. John tweets): „einen Beitrag auf dem sozialen Net­zw­erk­di­enst Twit­ter machen. Auch: Twit­ter regelmäßig oder gewohn­heitsmäßig ver­wen­den“. Und eine für das Verb mit Objekt (z.B. John tweet­ed a pic­ture of a cat): „eine Nachricht, eine Infor­ma­tion auf Twit­ter veröf­fentlichen“. Als Erst­be­leg für Verb und Sub­stan­tiv gibt das OED derzeit einen Blog­beitrag auf dem Blog NevOn vom 15. März 2007 an – für Sprach­fans eine klare Her­aus­forderung, einen früheren Beleg zu find­en. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 24/2013

Von Sprachlog

Seien Sie unbe­sorgt, auch heute hal­ten wir am Ende des son­ntäglichen Sprachlog­tun­nels gaaanz viele bunte Bild­chen für Sie bere­it (ohne Katzen). Bis dahin: Inter­views zum gener­ischen Fem­i­ninum, hypoth­e­sis­che Höhenaus­flüge und die US-Marine.

  • Die DEUTSCHE WELLE inter­viewt Luise Pusch (@luisepusch) zum gener­ischen Fem­i­ninum, aka dem „Empathi­etrain­ing für Männer“.
  • Nach Hort Simon (BS23/2013) befragte Anfang der Woche SPIEGEL ONLINE unseren Ana­tol Stefanowitsch.
  • Anke Dom­scheit-Berg kom­men­tiert auf GENERISCHES FEMININUM: „Jeden­falls ist es erfreulich, dass die Argu­mente immer­hin die gle­ichen sind, wie die, mit denen der gener­ische Maskulinum meis­tens vertei­digt wird: bessere Les­barkeit, das andere Geschlecht ist halt ein­fach mit gemeint.“
  • Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG berichtet — wie viele englis­chsprachige Medi­en — über eine Studie von Caleb Everett, der in PLOS ONE Höhen­la­gen mit dem Vorkom­men sel­tener Kon­so­nan­ten kor­re­liert. Das Prob­lem: weniger die mögliche Plau­si­bil­ität der These, son­dern die Sta­tis­tik, auf der Everett seine Erk­lärung auf­baut — wie Sean Roberts (REPLICATED TYPO) und Mark Liber­man (LANGUAGE LOG) anschaulich ein­wer­fen (Englisch).
  • Das OXFORD ENGLISH DICTIONARY (OED) hat einen Minor Relea‑, ups, nun­ja, hm, äh, also halt so n paar neue Wörter aufgenom­men und Ein­träge erweit­ert, bericht­en sie auf ihrem Blog (Englisch).
  • WIE DAS WALL STREET JOURNAL BERICHTET (Englisch), VERZICHTET DIE US-MARINE IN IHREM MITTEILUNGEN KÜNFTIG WEITGEHEND AUF DIE VERWENDUNG VON GROSSBUCHSTABEN, UNTER ANDEREM, DAMIT DIE SOLDATINNEN NICHT DAS GEFÜHL HABEN, PERMANENT ANGESCHRIEN ZU WERDEN (hä?).
  • Wem das zu aggres­siv war: das WSJ hil­ft mit diesem Artikel aus (Englisch).
  • Monat der Visu­al­isierung: Karten mit (Kinder-)Vornamen in den USA, Dialek­twörter (in den USA), die Geschichte hin­ter den Dat­en der Dialek­twörterkarten (in den USA), der „Atlas of True Names“ (für die USA, Kana­da & die britis­chen Inseln) und, für die kün­st­lerisch inter­essierten unter Ihnen, Illus­tra­tio­nen selt­samer Wörter. ((Vielle­icht liegt es an mir — Flo­ra, Fau­na, Architek­tur und bere­its basale Kun­st — dass mir die Illus­tra­tion für ‚Zugzwang‘ gän­zlich abgeht.))

Sprachbrocken 24/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Die Über­schrift „Sprachre­form an der Uni Leipzig: Guten Tag, Herr Pro­fes­sorin“, mit der Spiegel Online die Mel­dung über das gener­ische Fem­i­ninum in der Grun­dord­nung der Uni­ver­sität Leipzig verse­hen hat, hat­te ihr Gutes und ihr Schlecht­es. Schlecht war, das die deutsche Presse diese Über­schrift flächen­deck­end wörtlich nahm und ein­er erstaunten Öffentlichkeit mit­teilte, dass (männliche) Pro­fes­soren in Leipzig ab sofort so anzure­den seien (das BILDBLOG hat das schön doku­men­tiert [1], [2]). Gut war, dass die Mel­dung, und damit auch das Prob­lem sprach­lich­er Diskri­m­inierung, auf diese Weise ins öffentliche Bewusst­sein gelangt ist. Ich sehe die Ver­ant­wor­tung für die Berichter­stat­tung auch gar nicht bei Spiegel Online, son­dern bei den Redak­tio­nen, die offen­bar gle­ich nach der Lek­türe der Über­schrift ihre eige­nen Mel­dun­gen ver­fassten, statt weit­erzule­sen und zu erfahren, worum es wirk­lich ging.

Keine Ver­ant­wor­tung tra­gen dage­gen die Kolumnist/innen, die dann auf der Grund­lage dieser Mel­dun­gen hämis­che und völ­lig unin­formierte Mei­n­ungsstücke in ihre Tas­taturen häm­merten. Denn anders als etwa Blogger/innen, von denen man eine gewisse Sorgfalt und Fachken­nt­nis gewohnt ist, muss sich das deutsche Feuil­leton ja an eine Selb­stverpflich­tung hal­ten, die max­i­male Empörung bei min­i­maler Zurken­nt­nis­nahme der Real­ität vorschreibt. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 23/2013

Von Sprachlog

Willkom­men zum dreiundzwanzig­sten Blogspek­tro­gramm des Jahres, dies­mal mit Son­der­berichter­stat­tung zum gener­ischen Fem­i­ninum und zum neusten (naja) Coup des VDS.

  • Auf LAUT & LUISE äußert sich die Lin­guistin Luise Pusch in einem Inter­view anlässlich des Leipziger Sen­ats­beschlusses zum gener­ischen Fem­i­ninum in der Grun­dord­nung der Uni (wir berichteten) zum The­ma: »Ich beze­ichne das gener­ische Fem­i­ninum schon seit 30 Jahren als Empathi­etrain­ing für Män­ner, damit sie mal eine Vorstel­lung davon entwick­eln, was es eigentlich bedeutet, immer nur mit­ge­meint zu sein und eigentlich nie genau zu wis­sen, ob mann eigentlich über­haupt gemeint ist.«
  • Auch der TAGESSPIEGEL hat  ein Inter­view dazu geführt, mit dem Berlin­er Ger­man­is­ten Horst Simon: »Ger­ade Leute, die schon länger aus der Schule raus sind, mögen es nicht, wenn gut gel­erntes Wis­sen entwertet wird und einem so Möglichkeit­en genom­men wer­den, sich von schlechter Gebilde­ten abzuheben. Beim fem­i­nis­tis­chen Sprachge­brauch haben nun außer­dem vor allem Män­ner Angst, dass ihre Pfründe ver­loren gehen. Das amüsiert mich.«

Weit­er­lesen

Leipzigs Juristen: Echte Männer

Von Anatol Stefanowitsch

Wir befind­en uns im Jahre 2013 nach Chris­tus (einem Mann). Ganz Leipzig ist von den Fem­i­nistin­nen beset­zt. Ganz Leipzig? Nein! Eine von unbeugsamen Män­nern bevölk­erte Fakultät hört nicht auf, dem Ein­drin­gling Wider­stand zu leis­ten. Auf der Start­seite der Fakultät an promi­nen­ter Stelle ver­linkt find­et sich fol­gende Erk­lärung des Dekans (eines Mannes): Weit­er­lesen