Blogspektrogramm 38/2013

Von Sprachlog

Was hat der Wahlson­ntag mit dem Spek­tro­gramm zu tun? Genau, nichts! Daher geht es heute bei unser­er Linksamm­lung auch um Wort­wahl, aus­tralis­che Sprachen, den Ein­fluss von Medi­en und, äh, SpitzenkandidatInnensprache.

  • Michael Mann macht sich im LEXIKOGRAPHIEBLOG in ein­er Kor­pus­recherche Gedanken, wann in der Berichter­stat­tung von Fre­itod und wann von Selb­st­mord die Rede ist. (Außer­dem: Lesen Sie »Sand«!)
  • Aus­tralis­che Wochen im Sprachlog: Um den Zusam­men­hang von Käse und Spracher­halt geht es in ein­er Sendung von ABC RADIO AUSTRALIA …
  • … und über den Zusam­men­hang von Sport und aus­tralis­chen Sprachen schreibt Chris­tine Nicholls in THE CONVERSATION.
  • Unter welchen Umstän­den kann die Sprache von Serien­fig­uren die Aussprache der ZuschauerIn­nen verän­dern? SCI-NEWS fasst eine aktuelle Studie zusam­men: »[S]imply being exposed to tele­vi­sion is not suf­fi­cient to cause accent change; for someone’s speech to alter, they need to reg­u­lar­ly watch the show and become emo­tion­al­ly engaged with the characters.«
  • Wie sprechen Merkel und Stein­brück? (Oder eher: Ihre Reden­schreiberIn­nen.) Ein kleines Analy­se­v­ideo mit begren­ztem Tief­gang gibt’s beim SPON.

Blogspektrogramm 37/2013

Von Sprachlog

Die Blog­welt hat sich den gestri­gen Ruhetag zur deutschen Sprache offen­bar sehr zu Herzen genom­men. Alles Eng­lish, aber aha: Preskrip­tivis­mus, Sprach­stan­dards und die Evo­lu­tion von Interpunktion.

  • Wenn Sie sich schon mal gefragt haben, woher das ¶-Zeichen kommt, hat Kei­th Hous­ton im NEW YORKER in „The ancient roots of punc­tu­a­tion“ vielle­icht eine Antwort.
  • To com­mem­o­rate yesterday’s #hap­pyruhetag, take a look at UK expat in Berlin Jac­in­ta Nandi’s take on Slip­ping Stan­dard in the Ger­man Youth’s com­mand of German.
  • Tom Scott, der schon im BS 30/2013 zu Gast war, hat aber Auf­schlussre­ich­es zur Auf­gabe und Arbeitsweise von Wörter­büch­ern zu sagen. Er erklärt’s hier am Beispiel des OED, aber der DUDEN ist nicht so viel anders: „The Oxford Eng­lish Dic­tio­nary, hailed as the author­i­ty on the Eng­lish lan­guage, is descrip­tive, not pre­scrip­tive. … They will tell you what’s con­sid­ered cor­rect, but if pop­u­lar opin­ion changes, so will they — and so should you.“
  • Sehenswert: Die Nor­we­gian Asso­ci­a­tion of Lit­er­ary Trans­la­tors spielt in einem sim­plen Film mit Sprache: „Trans­la­tors are a waste of space“. Respekt.

Krautspeak Day

Von Anatol Stefanowitsch

To most Ger­mans, today is just an ordi­nary Sam­stag (or Sonnabend, depend­ing on where they live). But to Ger­man lan­guage pre­scrip­tivists, it is a qua­si-nation­al hol­i­day, a lin­guis­tic Fourth of July and Fifth of Novem­ber rolled into one: the Tag der Deutschen Sprache (“Day of the Ger­man Lan­guage”), a sort of pre­scient com­mem­o­ra­tion day for the Ger­man lan­guage as it will have been when it no longer is.

In the Eng­lish-speak­ing world, pre­scrip­tivists are con­cerned main­ly with a small set of words and gram­mat­i­cal struc­tures that they call “bad gram­mar” – phe­nom­e­na like the “split” infini­tive or the pas­sive (struc­tures which they would like to remove from the lan­guage com­plete­ly), the rel­a­tive mark­ers that and which (which they would like to see used for restric­tive and non-restric­tive rel­a­tive claus­es respec­tive­ly), and cer­tain sen­ten­tial adverbs like hope­ful­ly (which they seem to think should nev­er be used to express the speaker’s atti­tude towards the con­tents of a sen­tence). They typ­i­cal­ly jus­ti­fy their pro­scrip­tions and pre­scrip­tions by appeals to log­ic (although they nev­er spell out what that log­ic actu­al­ly is). Weit­er­lesen

Ein Feiertag für die deutsche Sprache

Von Anatol Stefanowitsch

Das Deutsche hat eine Sprachge­mein­schaft mit über 100 Mil­lio­nen Mit­gliedern, von denen die meis­ten im All­t­ag nie ern­sthaft mit irgen­dein­er anderen Sprache in Berührung kommen.

Auf deutschen Fernsehkanälen laufen nicht nur den ganzen Tag lang qual­i­ta­tiv zweifel­hafte aber unzweifel­haft deutschsprachige Eigen­pro­duk­tio­nen, auch Filme und Serien aus dem Aus­land wer­den auss­chließlich in deutsch syn­chro­nisierten Fas­sun­gen gesendet. Kaum noch ein Kino zeigt Filme im Orig­i­nal und seit Online die DVD getötet hat, wird es immer schw­er­er, Orig­i­nal­fas­sun­gen über­haupt noch zu bekom­men. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 36/2013

Von Sprachlog

Heute gibt es im Spek­tro­gramm Links zu Besser­wis­sern, Sprach­wech­sel, olymp­is­chen und weniger olymp­is­chen Wet­tbe­wer­ben, und zu guck­en haben wir auch was. Viel Spaß!

  • Über lan­guage bul­lies schreibt Matthew J.X. Mal­a­dy auf SLATE (Englisch): »Com­ments sec­tions, for instance, are to lan­guage bul­lies what the Cheers bar was to Norm Peter­son, or what murky waters at twi­light are to the bull shark. […] for some lan­guage bul­lies, acqui­si­tion of spe­cial­ized, tech­ni­cal information—knowledge of an oft-mis­tak­en def­i­n­i­tion, for instance, or mas­tery of a par­tic­u­lar­ly tricky gram­mar rule—is at least part­ly under­tak­en in antic­i­pa­tion of an ego-boost­ing endgame.«
  • Im GUARDIAN erzählt Char­lotte Mendel­son von der Sprache ihrer Großel­tern, die sie selb­st nicht beherrscht, mit der sie aber Erin­nerun­gen und Gefüh­le verbindet: »At its peak, my vocab­u­lary nev­er encom­passed more than 40 words, none of which I ever learned to spell. Indeed, it bare­ly occurred to me that they could be spelled. […] It is only in adult­hood that I realise the val­ue of my 40 words. […] All the mem­o­ries are in the tiny bits of Hun­gar­i­an I learned from them.« 
  • Auf der Suche nach Spon­sorIn­nen ist André Mei­n­unger im SPRAACHENBLOG, zur Finanzierung der Lin­guis­tikolympiade. Vielle­icht liest hier ja jemand mit, die helfen kann?
  • Auch Namen gehören zur Sprache — zum Beispiel die soge­nan­nten Phänonyme, Namen für Natur­ereignisse. THE CLIMATE NAME CHANGE (Englisch) schlägt eine Änderung des Benen­nungssys­tems von Wirbel­stür­men vor und visu­al­isiert auch gle­ich, wie das klin­gen kön­nte. Unbe­d­ingt anschauen!
  • Beim GREAT LANGUAGE GAME gib’s Sprach­beispiele, die ihrer Sprache zuge­ord­net wer­den müssen. Na, wie hoch ist Ihr Score?

Sprachpanscher und Sprachpinscher

Von Anatol Stefanowitsch

Warum Men­schen, die keine Ahnung von Sprache haben, sich aus­gerech­net zu einem Vere­in zusam­men­schließen, dem es um Sprache gehen soll, werde ich wohl nie ver­ste­hen. Aber wenn ich so einen Vere­in hätte, würde ich es genau wie der Vere­in Deutsche Sprache machen, und mich darauf beschränken, ander­er Leute Sprachge­brauch zu kri­tisieren. Denn die sind dann vielle­icht so beschäftigt damit, sich gegen die Kri­tik zu ver­wahren, dass sie gar nicht nach­fra­gen, worauf diese sich eigentlich gründet.

Ob das bei der DUDEN-Redak­tion funk­tion­iert, die vom VDS ger­ade zum Sprach­pan­sch­er des Jahres ernan­nt wurde, bleibt abzuwarten – die Redak­tion des Wörter­buchs ist nicht ger­ade für eine sehr aktive Öffentlichkeit­sar­beit bekan­nt (der let­zte Tweet der Press­es­telle stammt vom 4. April 2013, die let­zte Pressemel­dung von Anfang Juli). Aber wenn sie sich äußert, dann hat der VDS ihr mit der Begrün­dung zur Sprach­pan­sch­er-Wahl eine Steil­vor­lage geliefert, anhand der­er sie die Funk­tion­sweise eines mod­er­nen Wörter­buchs erk­lären kön­nte: Weit­er­lesen

No word for Labersack

Von Susanne Flach

Sprachlogleser Kai hat uns drüben auf Face­book einen Link zuge­spielt, weil ein paar Künstler/innen sich ange­blich ein­er lin­guis­tis­chen Muse bedi­ent und elf „unüber­set­zbare“ Begriffe illus­tri­ert haben. Da ste­hen jet­zt so Dinge drin wie dépayse­ment, franzö­sisch für ‚das Gefühl, nicht im eige­nen Land zu sein‘ (wörtlich: ‚Fremd­heit‘) oder pochemuch­ka, ange­blich rus­sisch für ‚eine Per­son, die viele Fra­gen stellt‘. Immer­hin hat das Beispiel für Deutsch, Waldein­samkeit, einen Wikipedia-Ein­trag und wir wis­sen jet­zt glück­licher­weise um seine gewisse kul­turhis­torische und diachrone Rel­e­vanz.

Diese Art von Lexikon- und Kul­turver­ständ­nis ist natür­lich nicht neu, sprach­lich inter­es­san­ter macht es solche Ein­würfe aber nicht. Lis­ten „unüber­set­zbar­er Wörter aus anderen Kul­turen“ und ver­gle­ich­bare Meme enthal­ten auf­fäl­lig häu­fig quel­len­lose Beispiele aus exo­tis­chen Sprachen, die nie­mand ver­i­fizieren kann. Wahlweise sind die Begriffe so sel­ten, dass sie den Sprecher/innen über­haupt nicht bekan­nt sind. Mir ist das für einen ern­sthaften lin­guis­tis­chen Kom­men­tar mit­tler­weile eher zu lahm. ((Zur Ein­führung: ich hat­te mal was zum alban­is­chen Bartwuchs geschrieben, Ana­tol zu Wortschatzer­weiterun­gen und Katas­tro­phen im Japanis­chen. Ben Zim­mer bietet im Lan­guageL­og eine all­ge­meine Über­sicht  zu dieser Art der Kultur„forschung“.)) Deshalb warte ich bis auf weit­eres erst­mal geduldig auf eine Illus­tra­tion zu Laber­sack, ‚Ger­man for a per­son who labers too much‘.

Etwas neuer — aber irgend­wie beson­ders skur­ril — in diesem Fall ist: die Macher/innen berufen sich auf Through the Lan­guage Glass (dt. Im Spiegel der Sprache), ein exzel­lentes pop­ulär­wis­senschaftlich­es Buch des Lin­guis­ten Guy Deutsch­er. Zwar trägt dieses den Unter­ti­tel „Why the World Looks Dif­fer­ent in Oth­er Lan­guages“, aber wer auch immer den dig­i­tal­en Grif­fel geschwun­gen hat, kann das Buch nicht gele­sen haben. Nicht nur, dass keines der Wörter von Deutsch­er auch nur erwäh­nt wird. ((Zur Über­prü­fung reicht bere­its die Such­funk­tion der Textvorschau bei Ama­zon.)) Es geht bei Im Spiegel der Sprache über­haupt nicht um löchrige Lexiko­nun­ter­schiede, son­dern um völ­lig andere, lin­guis­tisch wirk­lich rel­e­vante Fra­gen.

Nun kön­nte man sagen, dass man sowas nicht ernst nehmen darf (lieber solle man Kun­st dahin­ter ver­muten). Kann man echt nich ernst nehmen, tun wir auch nicht. Aber der antizip­ierte Schmun­zel­ef­fekt ist im Vorurteil­skaraoke auf ein­er nicht-triv­ialen Ebene Aus­druck unser­er Welt­sicht: die Eski­mo hock­en den ganzen Tag mit Robbe am Stiel vor der Eishütte und warten in ihrem ein­töni­gen Leben sehn­süchtig auf Besuch, weil ihnen für die vie­len Wörter langsam die Aggre­gatzustände für gefrorenes Wass­er ausgehen.

Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie diese Umset­zung.

Blogspektrogramm 35/2013

Von Susanne Flach

Trotz viel­er nach‑, zwis­chen- und vorse­mes­ter­lich­er Verpflich­tun­gen — die erlesene Auswahl fürs sprach­wis­senshun­grige Pub­likum! Klein, aber fein für diese Woche: Sprachevo­lu­tion, wieder­ent­deck­ten Aufze­ich­nun­gen und britis­ch­er Programmiersprachalternativen.

Die Kunst der Nichtschuldigung

Von Anatol Stefanowitsch

Im Englis­chen gibt es das Wort „Not­pol­o­gy“ für die Äußerun­gen von Politiker/innen, Unternehmen und anderen Organ­i­sa­tio­nen, die sich für etwas entschuldigen müssen, das aber nicht ein­se­hen. Sie täti­gen deshalb entschuldigungsähn­liche Äußerun­gen, die aber tat­säch­lich kein­er­lei Entschuldigung enthal­ten, son­dern die Schuld auf diejeni­gen ver­lagern, bei denen sie sich eigentlich entschuldigen sollen.

Ein lehrbuchar­tiges Beispiel bietet ger­ade die Fir­ma Fer­rero, die einen Werbespot für Pra­li­nen aus weißer Schoko­lade geschal­tet hat; in diesem Werbespot wird eine Wahlver­anstal­tung gezeigt, auf der Wahlplakate „Deutsch­land wählt Weiß!“ verkün­den und die für diesen (gedanken­losen oder geziel­ten) Ras­sis­mus berechtigter­weise mas­siv kri­tisiert wer­den (siehe z.B. hier, hier oder hier). Weit­er­lesen

Macht, Meme und Metaphern

Von Anatol Stefanowitsch

Am Woch­enende habe ich auf der Open Mind 2013 einen Vor­trag über „Macht, Meme und Meta­phern“ gehal­ten. Darin stelle das Konzept des Fram­ings vor, wie es der amerikanis­che Sprach­wis­senschaftler George Lakoff vertritt:

Frames sind men­tale Struk­turen, die for­men, wie wir die Welt sehen. Daraus fol­gt, dass sie unsere Ziele und Pläne for­men, wie wir han­deln, was als gutes oder schlecht­es Ergeb­nis unser­er Hand­lun­gen zählt. … Frames sind Teil dessen, was in den Kog­ni­tion­swis­senschaften „das kog­ni­tive Unbe­wusste“ genan­nt wird – Strukturen/Muster in unserem Gehirns, auf die wir nicht bewusst zugreifen kön­nen, die wir aber an ihren Kon­se­quen­zen erken­nen kön­nen: Wie wir argu­men­tieren und
was als gesun­der Men­schen­ver­stand gilt. Alle
 Wörter wer­den rel­a­tiv zu konzeptuellen Frames
 ver­standen.“ [Lakoff 2004, eig. Übers.]

Die Aufze­ich­nung des Vor­trags ist jet­zt online: Weit­er­lesen