Blogspektrogramm 41/2013

Von Kristin Kopf

Im Spek­tro­gramm haben sich dies­mal viele Links zu sprach­lich­er Diskri­m­inierung und zu Sprach­puris­mus ange­sam­melt. Für den Spaß sor­gen Katzen‑, Möbel- und Metalbandnamen.

  • In der taz hat diese Woche ein Text von Arno Frank ((Nicht unser Lesetipp, aber hier.)) zu sprach­lich­er Diskri­m­inierung für zeitungsin­ter­nen Wider­spruch gesorgt. So schreibt Daniel Bax: ((Dem lei­der ent­gan­gen ist, dass das Bre­mer Sprachlog schon lange Geschichte ist.)) »Zu behaupten, der Verzicht auf diskri­m­inierende Begriffe mache sprach­los, ist genau so absurd wie die Befürch­tung, dass Flirts nicht mehr möglich seien, weil Rain­er Brüder­les anzügliche Dirndl-Äußerung skan­dal­isiert wurde.«
  • Noch lesenswert­er ist, was Lalon Sander bemerkt: »Wer in Kat­e­gorien wie Ver­bot und Erlaub­nis denkt verken­nt, dass es nicht bloß darum geht, Worte zu erset­zen, Men­schen anders zu adressieren. „Aber wie soll ich die jet­zt nen­nen?“, diese Frage ste­ht zwis­chen den Zeilen. „Die“, das sind die Neger, Fid­schis und Zige­uner von früher. Doch diese Kon­struk­tion der „Anderen“ gibt es in einem anti­ras­sis­tis­chen Welt­bild nicht mehr, insofern gibt es für sie auch keinen neuen Begriff.«
  • In der WELT schreibt der Ger­man­is­tik Karl-Heinz Göt­tert über den beleibe nicht neuen Sprach­puris­mus. Wer das Sprachlog liest, wird einige alte Bekan­nte im Artikel ent­deck­en: »Nach 1945 trat ein neuer Vere­in, die Gesellschaft für deutsche Sprache, die Nach­folge des All­ge­meinen deutschen Sprachvere­ins an. […] Doch vom alten Puris­mus nahm ver­ab­schiedete man sich.Mit diesem Verzicht auf Fremd­wort-Panikmache ließ die Gesellschaft allerd­ings eine Mark­tlücke offen, die irgend­wann andere besetzten: …«
  • Wer in Karl­sruhe oder in der Nähe wohnt, kön­nte sich für die Tagung »Wörter raus!?« inter­essieren, auf der es u.a. aus sprach- und lit­er­atur­wis­senschaftlich­er Per­spek­tive um diskri­m­inierungs­freie Sprache in Kinder­büch­ern geht.
  • In Mainz fand diese Woche die meines Wis­sens erste sprach­wis­senschaftliche Tagung zu Tier­na­men statt ((Pro­gramm und Abstracts)). Mit einem der Vor­tra­gen­den hat die FAZ ein Inter­view über die Benen­nung von Katzen geführt.
  • Und zum Abschluss noch ein Quiz: Auf IKEA or Death gilt es, Möbel- von Met­al­band­na­men zu unter­schei­den. Schwedis­chken­nt­nisse sind von Vorteil!

Meine Suppe ess’ ich nicht unter anderem Namen!

Von Anatol Stefanowitsch

Ein kurz­er Nach­trag zur Sache mit dem Zige­uner­schnitzel: Wie der Tagesspiegel berichtet, fol­gen Teile der Han­nover­an­er Gas­tronomie dem Beispiel der Stadt, und stre­ichen dieses und ähn­liche Wörter (z.B. Zige­uner­sauce und -gulasch) von der Speisekarte. Die Gerichte nen­nen sie stattdessen Puzs­ta-Schnitzel oder Schnitzel Ungarisch­er Art, Pikante Sauce oder Papri­ka-Sauce und Paprik­ag­u­lasch. Weit­er­lesen

Crowdsourcing, Oxford-style

Von Anatol Stefanowitsch

Don’t men­tion it – in etwa „nicht der Rede wert“ – ist im Englis­chen eine der Stan­dar­d­ant­worten auf Dankes­bekun­dun­gen. Das Oxford Eng­lish Dic­tio­nary hat dieses Mot­to so verin­ner­licht, dass man sich dort gar nicht erst bedankt. Man stellt zwar ein Online-For­mu­lar bere­it, über das Nutzer/innen Erst­belege, Wortvorschläge, Fehler und anderes melden kön­nen – Crowd­sourc­ing hat beim OED eine lange Tra­di­tion, schon die erste Auflage stützte sich stark auf Sprach­belege, die von bele­se­nen Sprachliebhaber/innen eingeschickt und in der Redak­tion des Wörter­buchs von Hand sortiert und in Zettelkästen ver­wahrt wur­den (für unsere jün­geren Leser/innen: Das Inter­net gab es im neun­zehn­ten Jahrhun­dert noch nicht). Aber eine Reak­tion bekommt man auch dann nicht, wenn der gemeldete Vorschlag umge­set­zt oder Man­gel behoben ist Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 40/2013

Von Sprachlog

Da alle Sprachlog­gerin­nen in diesen Tagen auf ein­er voll­gepack­ten Kon­ferenz als Zuhörende und zu Hörende zuge­gen waren, erscheint die heutige Aus­gabe etwas ver­spätet — aber pünk­tlich vor der Tagess­chau. Wir machen das auch unter der Woche wieder gut, versprochen.

  • Wie das Leben in Lied­tex­ten ist, hat Michal Mann (LEXIKOGRAPHIEBLOG) in ein­er lan­gen Liste gesammelt.
  • Die THURGAUER ZEITUNG hat da was zu Forschung mit Twit­ter­dat­en geschrieben. Die jour­nal­is­tis­che Umset­zung ist etwas naiv, stel­lvertre­tend illus­tri­ert das dieser Satz: „Im NLP verbinden sich Lin­guis­tik, Seman­tik und Sta­tis­tik.“ ((Er sug­geriert, Lin­guis­tik hätte nichts mit Seman­tik oder Sta­tis­tik zu tun. Der Artikel kön­nte im Sprachlog also noch mal in ein­er Nach­lese auftauchen.))
  • Geof­frey Pul­lum kom­men­tiert in LINGUA FRANCA die Zukun­fts­form-Spar­men­tal­itäts-Studie von Kei­th Chen (mal wieder), weil diese (mal wieder) von einem Medi­um wohlwol­lend aufge­grif­f­en wurde. (Englisch; als deutschsprachi­gen Überblick empfehlen wir Ana­tols Sprachlog­beitrag an dieser Stelle.)
  • Kreativ: der nationale Wet­ter­di­enst der USA hat in ein­er ver­steck­ten Nachricht die Haushalt­skrise in den USA kom­men­tiert (Englisch).
  • Karte der Woche: die lin­guis­tis­che Vielfalt Südafrikas.

Zur grammatischen Markierung von Geschlechtsverkehr

Von Kristin Kopf

Zur Verteilung von Anre­de­pronom­i­na im Deutschen, also aktuell dem Siezen und Duzen, wurde schon viel Kluges geschrieben. Das, was ich heute im »Wörter­buch der Mikropoli­tik« aus­ge­graben habe, gehört defin­i­tiv nicht dazu. Seinen Ein­trag »Duzen« leit­et Diether Huhn in klas­sis­ch­er Alther­ren­manier ein mit den Worten

Wenn — beispiel­sweise — ein älter­er Hochschullehrer ein­er jun­gen, schö­nen Kol­le­gin vor­sichtig das „Du“ anbi­etet und sie läßt sich allen­falls dazu herab, ihn mit Vor­na­men anzure­den, bleibt aber anson­sten beim „Sie“, dann denkt sie möglicher­weise, ihre Beziehung zu jen­em älteren Kol­le­gen hätte in den Augen der anderen Kol­legin­nen und Kol­le­gen unter­dessen einen Grad von Ver­trautheit angenom­men, daß nur noch das „Du“ nötig sei, um jenen anderen mitzuteilen, daß sie nun doch miteinan­der geschlafen haben.

Luft und Kotztüte geholt? Okay, es geht weit­er: Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 39/2013

Von Sprachlog

Frisch für Sie gesam­melt, bietet das Sprachlog heute Ort­sna­men, Sprach­pan­scherei mit Ehe­bruch, Stim­men die Blut oder Hausar­beit fordern  und ganz viele britis­che Laute.

  • Im LEXIKOGRAPHIEBLOG bei Michael Mann wächst das Ort­sna­men­quiz immer weit­er – dieser Tage kann man sich mit der vierten Aus­gabe vergnügen.
  • Anlässlich eines nicht ganz fehler­freien englis­chen Textes von SpON über das Duden-Sprach­pan­sch­er-Nichtereig­nis macht sich Mark Liber­man im LANGUAGE LOG Gedanken über deutsche und englis­che Beze­ich­nun­gen für, eben, Sprach­pan­sch­er.
  • Was Stim­men im Kopf Schiz­o­phren­er fordern, unter­schei­det sich je nach Kul­tur, schreibt T. M. Luhrmann in der NEW YORK TIMES.
  • Wer Phonetik und britis­che Dialek­te mag, kriegt bei SUPERLINGUO einen Surftipp.

Besserwisserei: Teekesselchen im Chinesischen

Von Anatol Stefanowitsch

Die häu­fig­sten Beschw­er­den, die wir von den Sprachlogleser/innen zu hören bekom­men, sind erstens, dass wir nicht klein­lich und besser­wis­serisch genug sind, und zweit­ens, dass wir häu­fige Beschw­er­den oft ein­fach erfind­en. Wenig­stens bezüglich des ersten Prob­lems wollen wir gerne an uns arbeit­en, und ab jet­zt regelmäßig klein­liche Besser­wis­sereien anbieten.

Die Qual­itätsme­di­en liefern ja täglich Anlass dazu. Zum Beispiel schrieb die WAZ diese Woche:

Die Hand saust nach unten. Baowen Shis Hand­kante schnei­det die Luft wie ein Schw­ert. Immer wieder. Zack. So zeigt die Lehrerin ihren Schülern, in welche Rich­tung die Beto­nung geht: Tang – Beto­nung nach unten. Denn die Melodie macht den Unter­schied. In diesem Fall zwis­chen: super, Zuck­er, liegen oder heiß. Willkom­men in der ersten Stunde Chi­ne­sisch. Die Sprache mit 1000 Teekesselchen. (WAZ, 26.9.2013)

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Im Zenit der Macht

Von Anatol Stefanowitsch

Merkel sei am (oder im oder auf dem) Zen­it ihrer (oder der) Macht, berichtet die deutsche Presse ein­mütig. Ein paar der vie­len Beispiele:

  1. Angela Merkel ste­ht im Zen­it ihrer Macht. (Tagesspiegel)
  2. Merkel ist jet­zt auf dem Zen­it ihrer Macht (Focus)
  3. Angela Merkels größter Erfolg: Bun­deskan­z­lerin auf Zen­it ihrer Macht (Rhein Zeitung)
  4. Die alte und wohl auch neue Kan­z­lerin ste­ht im Zen­it ihrer Macht. (Spiegel Online)
  5. Während François Hol­lande ger­ade mit nur noch 23 Prozent Zus­tim­mung in der jüng­sten Umfrage einen Tief­punkt erre­icht habe, ste­he die Bun­deskan­z­lerin im Zen­it ihrer Macht. (Die WELT)
  6. Merki­avel­li am Zen­it der Macht (Wiener Zeitung)

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Wahlprogrammlinguistik

Von Anatol Stefanowitsch

Für Unentschlossene bietet das Sprachlog zur heuti­gen Bun­destagswahl eine aller­let­zte Entschei­dung­shil­fe. Für jede Partei, die in den Umfra­gen über 2 Prozent liegt, haben wir mit­tels quan­ti­ta­tiv­er kor­puslin­guis­tis­ch­er Ver­fahren (ein­er dis­tink­tiv­en Kollex­e­m­analyse, für diejeni­gen, die es genau wis­sen wollen) ermit­telt, welche Wörter in ihrem Wahl­pro­gramm häu­figer vorkom­men als in allen Wahl­pro­gram­men zusam­men. Das ist inter­es­san­ter, als ein­fach für jedes Wahl­pro­gramm die häu­fig­sten Wörter zu ermit­teln, weil wir auf unserem Weg für jede Partei beson­ders die Unter­schiede zu allen anderen Parteien, also das, was sie beson­ders macht, herausfinden.

Wir präsen­tieren hier kom­men­tar­los die Top 10 jed­er Partei, wobei wir den jew­eils eige­nen Parteina­men und Teile davon, Funk­tion­swörter (Prä­po­si­tio­nen, Pronomen usw.) und Eigen­na­men sowie das Wort Wahl­pro­gramm und seine Syn­onyme wegge­lassen haben. Weit­er­lesen