Wortwahlplaner, Teil 2

Von Susanne Flach

Da wir Exper­tin­nen für Wörter­wahlen sind und einen aus­geprägten Ser­vicegedanken in die Tat umset­zen wollen, erweit­ern wir unseren tra­di­tionellen Wort­wahlplan­er um den Blick über die Gren­ze. Auf­grund der kul­turellen Notwendigkeit („zu stark­er Deutsch­land­bezug der Urwahl“) und des durch­schla­gen­den Erfol­gs emanzip­ieren sich unsere Nach­bar­län­der seit 1999 (Öster­re­ich), 2002 (Liecht­en­stein) und 2003 (Schweiz) auch lexiko­grafisch mit eige­nen Wörter­wahlen. ((Was möglicher­weise von eini­gen etwas despek­tier­lich inter­pretiert wer­den kön­nte, hat aber einen ganz beza­ubern­den Neben­ef­fekt: die Würdi­gung der Idee ein­er Sprachge­mein­schaft, und das unab­hängig davon, ob Schweiz­er, Öster­re­ichis­ches oder Liecht­en­stein­er Stan­dard­deutsch jew­eils eigene Aus­baus­prachen sind oder Vari­etäten ein­er Sprache.)) Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 44/2013

Von Kristin Kopf

Was ist Aller­heili­gen für ein Wort? Was passiert, wenn man sein gewohntes sprach­lich­es Umfeld ver­lässt? Und was macht eigentlich der Anglizis­mus des Jahres 2013? Das und vieles mehr im heuti­gen Blogspektrogamm:

Stephan Bopp erk­lärt auf FRAGEN SIE DR. BOPP, woher die Beze­ich­nung Aller­heili­gen kommt, wie das Fest in anderen Sprachen heißt und was das mit brasil­ian­is­ch­er Geografie zu tun hat.

Auf KLEINERDREI erzählt Maike (@ruhepuls) von ihrer bewegten Dialek­t­bi­ografie.

Asyl­suchende Men­schen durch Sprache krim­i­nal­isieren? Ein Leicht­es für den aus­tralis­chen Ein­wan­derungsmin­is­ter Mor­ri­son, wie William Steed von FULLY (SIC) erk­lärt: »By repeat­ed­ly asso­ci­at­ing refugee boat arrivals with the word ‘ille­gal’, it is a con­stant reminder that the gov­ern­ment con­sid­ers these peo­ple to be ille­gal […], and peo­ple who do ille­gal things are bad, right?«

Für unsere mosel­fränkische und lux­em­bur­gis­che Leser­schaft inter­es­sant: Auf INFOLUX startet Luc Belling eine Serie von Blog­beiträ­gen zu Jugend­sprache in Lux­em­burg auf, man ahnt es, Lux­em­bur­gisch: »D’Elementer vun der Jugend­sprooch definéieren sech a men­gen Aen awer net nëm­men duerch Beson­neschkeeten am Wuertschatz, mä am grousse Ganzen an de Kom­mu­nika­tion­s­muster a ‑gewun­nechte vun de Jugendlechen.«

Zuguter­let­zt darf ein Hin­weis auf den ANGLIZISMUS DES JAHRES 2013 mit sein­er Web­seite, sein­er Face­book­seite und seinem Twit­terkon­to nicht fehlen. In der ersten Woche der Nominierun­gen sind mehr als 20 Vorschläge einge­gan­gen, näm­lich: Commonismus/Commonist/commonistisch, crashen, derailen, Expat, –gate, Handy­gate, Handyüberwachung, Hip­ster, insta­gram­men, liken, like-geil, lol/lollig, Merkel­gate, Nin­com­poop, Phablet, Phubbing/phubben, Sec­ond Screen, Self­ie, Sex­ting, stalken, Surf­bremse, und Whistle­blow­er.

Und wir so juchu!

Von Susanne Flach

In der WELT hat sich let­zte Woche Jörn Lauter­bach Gedanken zum Gesprächsver­hal­ten von Mittdreißigerin­nen in Ham­burg­er Yup­pievierteln gemacht. Was an sein­er Glosse bemerkenswert ist: Lauter­bach ist ein wirk­lich inter­es­santes sprach­lich­es Phänomen aufge­fall­en. Lei­der zieht er in der Folge nur stereo­typ­is­che Schlüsse und ver­packt diese eben wieder in unmo­tivierte Sprachquen­gelei. Stel­lvertre­tend dafür seine Unterüber­schrift: „Wie die arme deutsche Sprache im Schein der Bistro­kerze weit­er verküm­mert“. Weit­er­lesen

Anglizismus 2013: Es geht los

Von Anatol Stefanowitsch

Am Fre­itag haben wir darauf hingewiesen: Es ist die Jahreszeit der Wörter­wahlen, und damit auch Zeit für den „Anglizis­mus des Jahres 2013“: Wie schon in den let­zten drei Jahren wer­den wir mit Ihrer Hil­fe in den näch­sten Monat­en wieder das englis­che Lehn­wort wählen, das die deutsche Sprache im laufend­en Jahr am stärk­sten bere­ichert hat. Wir erin­nern uns: 2010 kam das Wort leak­en auf Platz 1 (und zwar ohne dass Mit­glieder der Jury das vor der Bekan­nt­gabe enthüllt hätte); im Jahr 2011 wurde der Shit­storm zum Sieger gekürt (eine Entschei­dung, die einen inter­na­tionalen Medi­en­sturm, aber keine Empörungswelle aus­löste; im let­zten Jahr gewann dann Crowd­fund­ing knapp vor Hip­ster und Frack­ing (die Kosten der Wörter­wahl trug die Jury ganz ohne finanzielle Hil­fe aus dem Netz). Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 43/2013

Von Anatol Stefanowitsch

Falls Sie das hier lesen, hat Kristin ver­schlafen oder das Blogspek­tro­gramm ein­fach vergessen. Um das sou­verän zu über­spie­len, habe ich die durch die Zei­tum­stel­lung gewonnene Stunde genutzt, um selb­st ein paar Link­tipps zusammenzuwerfen.

Pronomen für alle

Von Anatol Stefanowitsch

Auch englis­chsprachige Sprachge­mein­schaften führen mal mehr, mal weniger erhitzte Diskus­sio­nen um geschlechterg­erechte Sprache. Dabei haben sie es sehr leicht: Da die meis­ten Sub­stan­tive im Englis­chen kein gram­ma­tis­ches oder natür­lich­es Geschlecht haben, sind es eigentlich nur die Per­son­al­pronomen für die dritte Per­son Ein­zahl und eine Hand­voll von Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen wie chair­man, wait­ress oder clean­ing woman, die Prob­leme bere­it­en. Für let­ztere gibt es längst Alter­na­tiv­en (chair per­son, serv­er, clean­er), sodass genau genom­men nur die Per­son­al­pronomen übrig bleiben.

Bei englis­chen Pronomen wird (genau wie im Deutschen und vie­len anderen Sprachen) in der der drit­ten Per­son Ein­zahl – und nur dort – nach Geschlecht unter­schieden: männlich wahrgenommene Per­so­n­en wer­den mit he, weib­lich wahrgenommene mit she beze­ich­net. ((Ich kön­nte hier ein­fach „Män­ner“ und „Frauen“ schreiben, aber inter­es­san­ter­weise ver­wen­den wir Pronomen nicht nach dem tat­säch­lichen Geschlecht, für das wir ja bei den meis­ten Men­schen nur indi­rek­te Evi­denz haben, son­dern nach dem ver­muteten.)) Das ist in zweifach­er Hin­sicht problematisch.
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Wortwahlplaner

Von Susanne Flach

Jahre­sende ist Wort­wahl­sai­son. Und damit Sie im Spätherb­st und Früh­win­ter nicht den Überblick ver­lieren, haben wir die Kri­te­rien der wichtig­sten Wort­wahlen zusam­menge­tra­gen und mit aufwändi­gen Algo­rith­men die Bekan­nt­gabe der jew­eili­gen Gewin­ner­wörter vorhergesagt:

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Blogspektrogramm 42/2013

Von Susanne Flach

Neu und nur diese Woche: Inte­gra­tion von Namen aus anderen (Schrift-)Systemen, Jacob Grimm (und son Preis), mal was mit weniger Zahlen und ein brand­heißer Pres­setipp. Die Redak­tion wün­scht viel Vergnügen:

  • Bei SPRACHSTAND schreiben Juliana Goschler und unser Autor Ana­tol unter „Namen sind Schall und Schrift“ über die Inte­gra­tion von Namen und warum sich Ste­fanow­itsch nicht mehr Стефановић schreibt.
  • Zum 150. Todestag von Jacob Grimm (und der Ver­lei­hung eines Preis­es mit gle­ichem Namen) schreibt Karl-Heinz Göt­tert (vgl. BS 41/2013) in der WELT — „Schützt Grimm vor spießi­gen Fremd­wortjägern“: „Wenn heute der für seinen Kampf gegen die Anglizis­men bekan­nte Vere­in Deutsche Sprache zusam­men mit ein­er Stiftung einen Jacob-Grimm-Preis ver­lei­ht (…), kann man sich nur die Augen reiben.“ ((Anlass: die Ver­lei­hung des Preis­es an Ulrich Tukur.))
  • Die Pirahã sind wieder The­ma, dieses Mal berichtet Mike Vuo­lo in LEXICON VALLEY von ihrem offen­sichtlich sehr sel­te­nen Numer­al­sys­tem, das nicht „zählt“, son­dern „grup­piert“ (Englisch). ((Dass Pirahã so oft mit für uns exo­tis­chen Beson­der­heit­en Fokus der Berichter­stat­tung ist, liegt auch daran, dass diese Beson­der­heit­en in der Lin­guistIn­nenge­meinde in den let­zten Jahren für einige Furore gesorgt haben — und jet­zt unter ganz beson­ders viel Beobach­tung stehen.))
  • Mal wieder Spra­chur­sprung: Science@ORF zu Gesten vs. Warn­rufen bei Pri­mat­en und was das mit unser­er Sprache zu tun hat (Studie hier).
  • Ulti­ma­tiv­er Pres­setipp: „Homo­phones Weak­ly. Updat­ed on Sun­daes“.

Wellness für Deutsch

Von Susanne Flach

Inter­es­san­ter­weise haben wir — die wir uns möglicher­weise als Exper­tin­nen für Anglizis­men beze­ich­nen dür­fen — sel­ten bis nie über Pseu­do- oder Scheinan­glizis­men unter­hal­ten. Das wollen wir ändern. Als Pseudoan­glizis­men beze­ich­net man Wörter, von denen behauptet wird, dass sie a) im Englis­chen nicht existieren oder b) dort ange­blich völ­lig andere Bedeu­tun­gen haben (Klas­sik­er: Handy). Was meist überse­hen wird: Pseudoan­glizis­men bilden keine homo­gene Klasse, deren Mit­glieder ein­deutig von hunds­gewöhn­lichen Anglizis­men abgrenzbar wären (genau­sowenig, wie „nor­male“ Anglizis­men per­fek­te Über­tra­gun­gen wären). Begin­nen wir heute mit Well­ness. Weit­er­lesen

Das generische Femininum und die Gegner des Femininums

Von Anatol Stefanowitsch

Es mag diejeni­gen über­raschen, die mich für einen „poli­tisch kor­rek­ten“ Sprachex­trem­is­ten hal­ten, aber meine Mei­n­ung ist: Nie­mand muss gerechte Sprache gut find­en. Es gibt da schlicht keinen Zwang. Wer ungerechte Sprache ver­wen­den will, darf das selb­stver­ständlich tun, muss aber natür­lich mit den Kon­se­quen­zen leben. Die nor­maler­weise völ­lig aus­bleiben, und im unan­genehm­sten Fall darin beste­hen, auf die Tat­sache hingewiesen zu wer­den, ungerechte Sprache zu verwenden.

Und erst recht muss nie­mand bes­timmte Vorschläge für gerechte Sprache gut find­en. Ger­ade Sex­is­mus ist der­ar­tig tief nicht nur im Wortschatz, son­dern auch in der Gram­matik des Deutschen ver­ankert, dass fast jed­er Vorschlag zu ein­er gerechteren Sprache kurzfristig ein mehr oder weniger prob­lema­tis­ch­er Kom­pro­miss bleiben muss. Das wis­sen natür­lich auch die fem­i­nis­tis­chen Sprach­wis­senschaft­lerin­nen ((Aus Grün­den der Les­barkeit ver­wende ich hier und im Fol­gen­den in gener­ischen Zusam­men­hän­gen auss­chließlich die fem­i­nine Form; das männliche Geschlecht ist dabei selb­stver­ständlich mit gemeint.)) und Aktivistin­nen, von denen die Vorschläge kom­men, denn die haben sich ja im Zweifels­fall über­durch­schnit­tlich aus­führlich mit Sprache beschäftigt.

Und natür­lich ist es völ­lig legit­im, bes­timmte Vorschläge für gerechte Sprache aus der Per­spek­tive ein­er Sprach­wis­senschaft­lerin zu kri­tisieren. Aber wer das tut, sollte dann eben auch fundierte Argu­mente brin­gen. Das tun die Sprach­wis­senschaft­lerin­nen, die sich zum gener­ischen Fem­i­ninum bish­er zu Wort gemeldet haben, lei­der nur sel­ten. Wed­er der Freiburg­er Roman­ist Hans-Mar­tin Gauger noch der Berlin­er Sprach­wis­senschaftler André Mei­n­unger hat­ten irgen­dein Argu­ment zu bieten, das in der fem­i­nis­tis­chen Sprach­wis­senschaft nicht schon vielfach entkräftet wor­den wäre. Und auch dem jüng­sten Neuzu­gang in der Gruppe fem­i­ninumkri­tis­ch­er Sprach­wis­senschaft­lerin­nen, dem Frank­furter Ger­man­is­ten Horst Dieter Schloss­er, fällt keins ein.
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