Service ist Service bleibt Service

Von Susanne Flach

ERLANGEN (sl). Die Deutsche Bahn ist zur Sprach­pan­scherin des Jahres gekürt wor­den. Das teilte die DEUTSCHE SPRACHWELT diese Woche in Erlan­gen mit. Den alljährlich ver­liehenen Neg­a­tivpreis erhält das Reise­un­ternehmen für 2013, weil es das präg­nante deutsche Wort Ser­vice aus dem Unternehmenslexikon gestrichen hat. „Die Ver­drän­gung ver­ständlich­er deutsch­er Sprache schre­it­et unaufhalt­sam voran. Wir wollen das nicht länger hin­nehmen“, begrün­det Thomas Paulwitz, Chefredak­teur der ver­lei­hen­den Insti­tu­tion für Sprach­pflege, das Urteil.

Seit die Bahn Mitte des let­zten Jahres angekündigt hat­te, dass im Zuge ein­er größeren unternehmensin­ter­nen Sprachre­form der Ser­vi­ce­Point aus­ge­di­ent hat und in DB Infor­ma­tion umbe­nan­nt wer­den wird, sei die Deutsche Bahn um eine präg­nante Beze­ich­nung ärmer. DB Infor­ma­tion, so die Sprachex­perten, sei kein adäquater Ersatz für den großen Kat­a­log an Leis­tun­gen, die man an den Schal­tern erhal­ten könne, die meist weit über Infor­ma­tio­nen zu Fahrplä­nen, Ver­spä­tun­gen oder Zugaus­fällen hin­aus­gin­gen. Die Umbe­nen­nung könne bei Reisenden deshalb in Zukun­ft zu großer Ver­wirrung und Des­ori­en­tierung führen. „Der qual­i­ta­tive Aspekt des DB-Ser­vice hat bei unser­er Entschei­dung über die Äch­tung der unheil­vollen Fremd­wort­flut aber keine Rolle gespielt“, ver­sichert die Jury, „Ser­vice auf Abstell­gleis ist ein­fach so ein däm­lich­es Wortspiel“.

Mit dieser Ausze­ich­nung wird der Deutschen Bahn die Ehre zuteil, die bis­lang lediglich ihren Vorstän­den Hart­mut Mehdorn (2007) und Johannes Ludewig (1999) vor­be­hal­ten war, die eben­falls für die Über­nahme von unver­ständlichen und unzure­ichend beschreiben­den Lehn­wörtern gerügt wur­den. „Das war also über­fäl­lig“, war aus gut informierten Sprach­pflegerkreisen zu hören.

Äh, wartense mal.

Wie? Sprachwahrerin? Ach so, son Pos­i­tivpreis dies­mal? Aso­ja, äh, janö, nadann, also wir haben uns schon gewun­dert. Aber in dem Fall macht die Ausze­ich­nung ja voll Sinn. Und den Ster­nen, Foki und Rund­funken der Welt ist auch nicht die sprach­pflegerische Höch­stleis­tung aufge­fall­en, hier eine Max­i­mal­bankrot­terk­lärung zu würdi­gen, die die Hot­line ab sofort — man will’s eigentlich gar nicht so genau wis­sen — durch Ser­vice-Num­mer ersetzt.

Für die Moral: Sprach­wahrerin mit Movierungssuffix.

Bericht zur Lage der deutschen Sprache Reloaded

Von Sprachlog

Im Novem­ber haben wir hier im Blog den von der Deutschen Akademie für Sprache und Dich­tung und der Union der deutschen Akademien der Wis­senschaften her­aus­gegebe­nen Band Reich­tum und Armut der deutschen Sprache. Erster Bericht zur Lage der deutschen Sprache in drei Blog­beiträ­gen disku­tiert [Teil 1 von Ana­tol, Teil 2 von Susanne, Teil 3 von Kristin]. Da wir den Band ja sowieso gele­sen hat­ten, haben wir uns entsch­ieden, ihn auch gle­ich richtig zu rezen­sieren. Das Ergeb­nis ist nun in zwei Teilen in der Zeitschrift für Rezen­sio­nen zur ger­man­is­tis­chen Sprach­wis­senschaft erschienen, und da das eine Open-Access-Zeitschrift ist, ste­ht allen inter­essierten Leser/innen ab sofort sowohl unsere inhaltliche Rezen­sion des Berichts als auch unsere Bew­er­tung sein­er Öffentlichkeit­stauglichkeit und ‑wirk­samkeit frei zur Ver­fü­gung. Das wird übri­gens nicht das einzige Mal bleiben, dass aus dem Sprachlog gemein­same Fachveröf­fentlichun­gen entste­hen, aber dazu ein ander­mal mehr.

Blogspektrogramm 10/2014

Von Kristin Kopf

Trotz dieswöchiger Kon­feren­zreise mit zwei Drit­teln des Sprachlogs haben wir eifrig fürs Spek­tro­gramm gesam­melt: Ana­tol sagt vernün­ftige Dinge, andere sam­meln ver­rück­te Wörter oder Namen.

  • Julia Schmitt vom RHEINNECKARBLOG hat ein kluges Inter­view mit Ana­tol Ste­fanow­itsch zur Diskri­m­inierung durch und mit Sprache geführt, das sog­ar passend bebildert wurde ((Nein, nicht das Foto von Ana­tol, weit­er run­ter­scrollen!)): »Ist es auch ein Prob­lem, dass diejeni­gen, die es bet­rifft, an solchen Diskus­sio­nen oft­mals gar nicht beteiligt sind? — Ja. Dabei ist es wäre gar nicht schw­er, sie zu beteili­gen, denn sie äußern sich häu­fig sehr aus­führlich. Aber erstens bekom­men sie keine medi­ale Aufmerk­samkeit. Zweit­ens wird ihnen auch oft fehlende Objek­tiv­ität vorge­wor­fen – man tut so als ob sie ger­ade durch ihre Betrof­fen­heit nichts Sin­nvolles beizu­tra­gen haben.« 
  • Lothar Lem­nitzer sam­melt in der Wort­warte aktuelle Wörter, die zuvor im Deutschen noch nicht belegt waren. Für die WELT hat er einige davon erläutert. Mit dabei sind ein Bana­nen­handy, eine Like-Attacke und Tweet­cep­tions.
  • Im LEXIKOGRAPHIEBLOG schreibt Michael Mann wieder über schw­er schreib­bare Wörter. (Duden nen­nt die char­mant »rechtschreib­lich schwierig«.) Wer schon immer wis­sen wollte, wie man zum Beispiel Kom­miKomi­liKomillMit­studierende schreibt und sich das vielle­icht auch merken kann, lese hier nach.
  • Die ZEIT ste­ht auf Namenkarten, ihr hof­fentlich auch: Dieses Mal wurde das Vorkom­men von Dop­pel­na­men in Deutsch­land kartiert, nach Angaben aus dem DFA.
  • Bei XKCD (Englisch) gings diese Woche um assump­tions und asser­tions.

Samstags verharmlost man Gewalt gegen Frauen

Von Anatol Stefanowitsch

Das ZDF wird seinen Bil­dungsauf­trag ja schon länger auf etwas eigen­willige Weise gerecht: Man ver­hält sich möglichst igno­rant sex­is­tisch und ras­sis­tisch und reagiert auf Kri­tik entwed­er gar nicht, oder, indem man sich lustig macht. Höhep­unk­te der sex­is­tis­chen Grund­bil­dung waren zum Beispiel Joko Win­ter­schei­dts sex­ueller Über­griff auf eine Messemi­tar­bei­t­erin im Rah­men ein­er „Mut­probe“ oder der Werbespot für die Frauen-Fußball­welt­meis­ter­schaft 2013, bei dem aus Bal­lza­uber ein Ball­sauber wurde, bildlich umge­set­zt durch eine Fußball­spielerin, die einen Fußball in der Waschmas­chine wäscht. Zur Aus­bil­dung von All­t­agsras­sis­ten trug zulet­zt Markus Lanz bei, als er bei „Wet­ten dass“ zum unter­halt­samen Black­face aufrief.

Der neueste Geniestre­ich des ZDF ist nun eine Wer­bekam­pagne für den „Sam­stagskri­mi“. Die Kam­pagne beste­ht aus fünf Motiv­en (zweimal Print und dreimal „Ambi­ent“, sowie einem Fernsehspot, der mehrere dieser Motive kom­biniert). Jedes Motiv beste­ht aus ein­er bekan­nten Redewen­dung, die durch die Bebilderung dop­peldeutig wird. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 9/2014

Von Susanne Flach

Ihr son­ntäglich­es Früh­stücks­fernse­hen ver­meldet heute bran­dak­tuelle Infor­ma­tion zu The­men in Wirtschaft, Migra­tion und Krim-Kon­flikt. Die Kul­turredak­tion ver­weist darüber hin­aus auf einen Lecker­bis­sen des Cineasmus.

  • Uni­ver­sitäten (hier: USA) lassen sich immer öfter ihre Mar­ket­ing­sprüche paten­tieren. Paten­tieren! An ihre eigentlichen Auf­gaben erin­nern Jacob H. Rooks­by im CHRONICLE OF HIGHER EDUCATION und Geof­frey Pul­lum im LANGUAGE LOG.
  • Im TAGESSPIEGEL erläutert Natalia Gar­ga­ri­na vom Zen­trum für All­ge­meine Sprach­wis­senschaft in Berlin, dass und warum es für Kinder mit Migra­tionsh­in­ter­grund vorteil­hafter ist, wenn sie zu Hause die Sprache ihrer Eltern ler­nen.
  • Nicht ganz uner­he­blich­es Span­nungspo­ten­tial birgt die Entschei­dung der neuen ukrainis­chen Führung, ein Gesetz zur Stärkung der Region­al­sprachen zurück­zunehmen, berichtet die TAZ. (Auch bei der Ein­führung 2012 hat es die Bevölkerung in Unruhe ver­set­zt.)
  • Im NEW YORKER macht sich Hen­drik Hertzberg in ein­er zweit­eili­gen Serie Gedanken zu sprach­lichen Anachro­nis­men in Fil­men und Serien, „Nobody said that then“, Teil I und Teil II. (Seine Beispiele wären zu über­prüfen, aber es geht ja eher um einen inter­es­san­ten Gedanken.)
  • Hal­lo Herr Müll­mann! – Was? – Sie ver­ste­hen mich nicht? Sie sind wohl ein Ital­iener? – Nein? Dann sind Sie aber ein Türke. – Sehen Sie, ich habe das sofort errat­en. Ich wollte Sie nur etwas fra­gen, Herr Türke.“ — Scar­lett Ammá schreibt in der neuen Kolumne „Third Cul­ture“ (MIGAZIN) über ras­sis­tis­che Sprache und Darstel­lung in Janosch-Kinder­büch­ern.

Heiße Mohr, will nichts verstehen

Von Anatol Stefanowitsch

Es gibt die ganz nor­male Denk­faul­heit. Es gibt mutwillige Igno­ranz. Und dann gibt es noch das deutsche Feuil­leton – erfun­den, damit Denk­faul­heit und mutwillige Igno­ranz nicht so schlecht dastehen.

Ein Beispiel? Na gut:

Ges­tat­ten, mein Name ist Mohr. Rein­hard Mohr. Mohr mit o‑h, wohlge­merkt. Nie habe ich Stamm­baum­forschung oder Ety­molo­gie betrieben, aber soviel weiß ich: Mohr kommt von Mau­re, ein ursprünglich griechis­ches Wort, das dunkel- und schwarzhäutige Men­schen beze­ich­net. Ich aber bin weiß.

In einem einzi­gen kurzen Absatz verdeut­licht Rein­hard Mohr für das Deutsch­landra­dio Kul­tur hier das Kern­prinzip des Feuil­letons. Erstens: „Es geht um mich, mich, mich!“ Zweit­ens: „Natür­lich habe ich nicht recher­chiert.“ Drit­tens: „Trotz­dem erk­läre ich euch Gut­men­schen jet­zt gle­ich mal, wo der große weiße Ham­mer hängt.“ Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 8/2014

Von Kristin Kopf

Sonne, Sonne, Sonne! Das Spek­tro­gramm hat heute nur vier Links, damit noch Zeit bleibt, rauszuge­hen. Dies­mal gehts um Anti­semitismus, Ety­molo­gie, Sprachen­poli­tik und amerikanis­che Dialekte:

  • Mit der JÜDISCHEN  ALLGEMEINEN spricht die Lin­guistin Moni­ka Schwarz-Friesel über ihr Forschung­spro­jekt zu anti­semi­tis­chen Has­s­briefen: »Der Juden­hass ist Teil des kul­turellen Codes viel­er Men­schen und gehört seit Jahrhun­derten unge­brochen zum kom­mu­nika­tiv­en Gedächt­nis der abendländis­chen Gesellschaft. Dage­gen helfen oft wed­er Bil­dung noch Intelligenz.«
  • DR. BOPP erk­lärt, woher das Adjek­tiv fer­tig kommt: »… beim Wort fer­tig ist tat­säch­lich die Endung ig zu erken­nen, mit der häu­fig Adjek­tive gebildet wer­den. Zum Beispiel: ehrgeizig, bär­tig, rutschig, abhängig, faulig, sofor­tig. Im Gegen­satz zu Ehrgeiz, Bart, rutschen, abhän­gen, faul und sofort gibt es das Grund­wort fert aber nicht – oder bess­er gesagt: nicht mehr.«
  • In Alas­ka wird ein Geset­ze­sen­twurf disku­tiert, der 20 native Sprachen Alaskas zu offiziellen Sprachen des Bun­desstaates machen soll, berichtet KTOO: »“I see dying lan­guages and esca­lat­ing sui­cide rates, and think, how can those things not be con­nect­ed? I see the end result of cul­tur­al geno­cide, and think, how can we just decide to accept this?” he said. “There is no mag­ic solu­tion for lan­guage loss. But there is the promise of uni­ty and rec­og­niz­ing that solu­tions exist.”« (Via @linguisten)
  • Das Dialek­tquiz fürs amerikanis­che Eglisch der NY Times (hier) hat schon vor ein­er ganzen Weile die Runde gemacht – aber woher stam­men eigentlich die Dat­en dazu? HERE & NOW führt ein Inter­view mit dem Lin­guis­ten Bert Vaux. (Via Lan­guage Log)

Leichte Sprache, komplexe Wirklichkeit

Von Anatol Stefanowitsch

Die aktuelle Aus­gabe der Zeitschrift „Aus Poli­tik und Zeit­geschichte“ (APUZ 9–11/2014) mit dem The­ma „Leichte und Ein­fache Sprache“ ist seit gestern online ver­füg­bar. ((Das Heft kommt am Mon­tag als Beilage der Wochen­zeitung „Das Par­la­ment“ und kann dann auch bei der Bun­deszen­trale für poli­tis­che Bil­dung bestellt wer­den)) Neben fünf anderen Autor/innen bin auch ich mit einem Beitrag vertreten, in dem ich ver­suche, eine sprach­wis­senschaftliche Einord­nung der „Leicht­en Sprache“ vorzunehmen. Hier die Ein­leitung: Weit­er­lesen

Tag der Muttersprache 2014

Von Anatol Stefanowitsch

Heute ist der Inter­na­tionale Tag der Mut­ter­sprache. Anders als der von Sprach­nör­glern erfun­dene „Tag der Deutschen Sprache“ han­delt es sich dabei um einen offiziellen Gedenk­tag, mit dem die UNESCO an das rapi­de fortschre­i­t­ende Sprach­ster­ben erin­nern will: Von den sechs- bis sieben­tausend Sprachen, die derzeit auf der Welt gesprochen wer­den, wer­den mehr als die Hälfte in den näch­sten hun­dert Jahren ver­schwinden. Weit­er­lesen