Eine Mannschaft, die sie Elf nannten

Von Anatol Stefanowitsch

Die dpa hat sich gestern in ein­er inter­es­san­ten Hin­ter­grundgeschichte mit den Spitz­na­men der National­mannschaften beschäftigt, die derzeit in Brasilien um die Welt­meis­ter­schaft spie­len. Diese einzi­gar­tige Gele­gen­heit, Sprach­wis­senschaft und Fußball zu ein­er klick­trächti­gen Geschichte zu verbinden, kann ich natür­lich nicht ungenutzt vorüberziehen lassen.

Spitznamen für Fußballmannschaften

Die Spitz­na­men der Mannschaften fall­en in drei große Kategorien:

1. Mannschaftsfarben/Nationalfarben. In diese größte der drei Kat­e­gorien fall­en Spanien (La Roja oder La Furia Roja, „die rote Furie“), Chile (eben­falls La Roja), die Nieder­lande (Oran­je), Argen­tinien (Albice­leste „weiß-him­mel­blau“), Uruguay (Celeste, „him­mel­blau“), Ital­ien (Squadra Azzu­ra, „blaues Geschwad­er“) und Frankre­ich (Les Bleus) – let­ztere heißen ja eigentlich auch Équipe Tri­col­ore („drei­far­bige Mannschaft“) nach der franzö­sis­chen Flagge, den Namen habe ich aber länger nicht mehr in der deutschen Berichter­stat­tung gehört. El Tri­col­or, oder kurz El Tri heißt auch die mexikanis­che National­mannschaft (manch­mal auch La Verde „die Grüne“). Manch­mal kommt zur Farbe noch ein weit­eres Wort dazu, z.B. bei Bel­gien (Rode Duiv­els oder Dia­bles Rouges, „Rote Teufel“) oder Ghana (Black Stars, „schwarze Sterne“, nach dem Stern auf der Nation­alflagge). Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 24/2014

Von Kristin Kopf

Wovor hat Franz Josef Wag­n­er Angst? Warum empfind­en wir manche Vor­na­men als männlich­er oder weib­lich­er als andere? Wie kann sich eine reine Endung zu einem Wort emanzip­ieren? Und worüber spricht man ger­ade in der Neu­rolin­guis­tik? Vier Links, vier Antworten:

  • Wer schon immer mal wis­sen wollte, was in »Post von Wag­n­er« ste­ht, ohne sie dafür lesen zu müssen, wird nun auf SURVEILLANCE AND SECURITY mit ein­er kor­puslin­guis­tis­chen Analyse von Joachim Schar­loth informiert»Wag­n­er hat […] Angst davor, Rent­ner oder ein Pflege­fall in Deutsch­land zu wer­den, vor Krebs, vor den let­zten Tagen. Aber auch vor Kim Jong-un und einem Wachs-Hitler (und bemerkenswerte Koinzi­denz: Angst auf der Auto­bahn). Und schließlich hat er Angst nachts in Berlin, Angst vor Berlin und Angst, nachts durch Berlin zu gehen.«
  • Zur »Weib­lichkeit« und »Männlichkeit« von Ruf­na­men wird in den let­zten Jahr(zehnt)en viel geforscht: Hier haben wir mal was fürs Deutsche ver­linkt, und diese Studie von neulich baut eben­falls darauf auf. Für die USA stellt Ari­ka Okrent auf MENTALFLOSS fest, dass die vergebe­nen Män­ner­na­men klan­glich immer »weib­lich­er« wer­den, aber: »In sim­ple terms, boys’ names became more like girls’ names so peo­ple start­ed mak­ing girls’ names girli­er. Nam­ing prac­tices change over the years, but there is a gen­er­al ten­den­cy to main­tain gen­der dis­tinc­tions. If the names get too sim­i­lar to each oth­er, adjust­ments will be made toward gen­der polarization.«
  • Für SLATE schreibt Gretchen McCul­loch über ein Suf­fix, das es in den let­zten Jahrzehn­ten zum eige­nen Wort geschafft hat: das englis­che -ish. »But while it’s quite com­mon for new words to be formed by adding pre­fix­es or suf­fix­es (edi­to­ri­al­ize from edi­tor, anti-nuclear from nuclear), or even by re-cast­ing a por­tion of a word that had­n’t before been thought of as an affix (snow­maged­don based on armaged­don, choco­holic based on alco­holic), it’s exceed­ing­ly uncom­mon to form a new word by keep­ing the suf­fix and dis­card­ing the rest.«
  • Und zum Schluss noch ein klein­er Ver­anstal­tungstipp: Näch­sten Dien­stag find­et an der FU Berlin die Antrittsvor­lesung ((Das ist eine Vor­lesung, die mit dem Antritt ein­er Pro­fes­sur ein­herge­ht, aber in der Prax­is fast immer erst viele Semes­ter später stat­tfind­et …)) des Neu­rolin­guis­ten Friede­mann Pul­ver­müller statt, mit dem Titel »Braucht die Sprache ein Gehirn?«

Kaiser, König, Edelmann …

Von Kristin Kopf

Hier im Sprachlog gab es ja mal so eine sprachgeschichtliche Kom­po­nente, nicht? Die kommt jet­zt mit voller Kraft zurück! In den let­zten Monat­en war ich hier sehr zurück­hal­tend, weil all meine Lust daran (und vor allem Zeit dafür), Sprach­wis­senschaftlich­es all­ge­mein­ver­ständlich zu erk­lären, in ein Buch­pro­jekt geflossen ist. Mit­tler­weile ist das beina­he abgeschlossen und im Sep­tem­ber kommt es raus – hier die Ver­lagsankündi­gung. Der Beschrei­bung­s­text ist etwas kryp­tisch, aber let­ztlich mache ich darin Sprachgeschichte an der Geschichte aus­gewählter Wörter sicht­bar. Die Ety­molo­gien sind also der Aufhänger, dahin­ter ver­birgt sich ein zwar assozia­tiv­er, aber sys­tem­a­tis­cher­er Blick auf (vor allem) Laut- und Bedeu­tungswan­del und den Wortschatz.

Auf dem (sehr steini­gen!) Weg zum fer­ti­gen Pro­dukt mussten immer wieder einzelne Kapi­tel dran glauben, und da ich so schnell sich­er kein zweites Ety­molo­giebuch schreiben werde, werde ich die in den näch­sten Monat­en nach und nach verbloggen – natür­lich neu angepasst ans Medi­um. Los geht es mit der Geschichte von Kaiser und Zar, die nicht nur ähn­lich mächtig sind, son­dern auch noch bei­de ein­er gemein­samen sprach­lichen Quelle entsprin­gen, und mit dem König, hin­ter dem Zeu­gung, Geburt und Geschlecht stehen.

Ein Name wird Programm

Den Kaiser als Herrsch­er haben wir uns in Rom abgeschaut. Dort gab es einst einen gewis­sen Gaius Julius Cae­sar, seines Zeichens enorm ein­flussre­ich­er Chef des römis­chen Reichs – so ein­flussre­ich, dass sein Name Pro­gramm wurde. Bei der römis­chen Bevölkerung set­zte sich Cae­sar als generelle Beze­ich­nung für ihren Herrsch­er durch − selb­st als der schon wieder ganz andere Namen trug. Das ver­lief also ähn­lich wie bei den Pro­duk­t­na­men Tem­po oder Tesa, die heute an jed­er Art von Papier­taschen­tuch oder Klebe­streifen haften kön­nen: Ein her­aus­ra­gen­der Vertreter wird zur Beze­ich­nung ein­er ganzen Gruppe gle­ichar­tiger Men­schen oder Gegenstände.

Dann kamen die ger­man­is­chen Völk­er an und Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 23/2014

Von Kristin Kopf

Na, gestern genug Sonne abbekom­men? Dann kann der heutige Tag ja ganz dem Spek­tro­gramm gewid­met wer­den. Viel Spaß mit Ton­trägern, Bösewicht­en, aktueller Forschung, Min­der­heit­en­sprachen und unüber­set­zbaren Wörtern!

  • Auf einen musikalis­chen Spazier­gang durch die Dude­nau­fla­gen macht sich Michael Mann im LEXIKOGRAPHIEBLOG: Wann wurde eine Diskothek das, wofür wir sie heute hal­ten und wie tritt die CD erst­mals in Erscheinung?
  • Ist, wer einen britis­chen Akzent hat, böse? Auf SPEECH TALK schreibt Geoff Lind­sey sehr dif­feren­ziert und mit vie­len Hör­beispie­len über Film­fig­uren und ihr Englisch: »I think the pri­ma­ry fac­tor is social rather than nation­al: the most impor­tant thing about ‘British vil­lains’ is not their coun­try of ori­gin but the fact that they sound high class.«
  • Wer aus der Schweiz kommt und What­sApp benutzt, kann der Wis­senschaft helfen: Für ein lin­guis­tis­ches Forschung­spro­jekt wer­den sprach­liche Spenden gesucht!
  • Im NEW INTERNATIONALIST hält Jo Lateu ein Plä­doy­er für die Erhal­tung von Min­der­heit­en­sprachen: »Some peo­ple argue that, since lan­guages ebb and flow as part of a nat­ur­al order, it is point­less try­ing to save them. But the cur­rent threat to most of the world’s 7,000 lan­guages is far from being a nat­ur­al phenomenon.«
  • 13 abso­lut unüber­set­zbare Wörter hat Michael Covar­ru­bias auf WISHYDIG (Englisch) gesammelt.

Deutsch ins Grundgesetz reloaded reloaded

Von Susanne Flach

Der Vere­in Deutsche Sprache (VDS) hat — mal wieder — gefordert, die deutsche Sprache im Grundge­setz zu ver­ankern. Die Forderung stößt schon seit 2007 bei Poli­tik und Gesellschaft auf wenig Gegen­liebe. Der weiteste Vorstoß endete 2011 mit einem ernüchtern­den Erleb­nis vor dem Peti­tion­sauss­chuss des Bun­destages.

Nun sind in Dort­mund die Wun­den offen­bar zumin­d­est soweit ver­heilt, dass man sich mit seinen Leben­szielvere­in­barun­gen erneut an die Öffentlichkeit wagt. Über­nom­men hat die Mel­dung über den „Giessen­er Aufruf“ immer­hin der GIESSENER ANZEIGER. ((Und qua­si als erweit­erte Tick­er­mel­dung die BERLINER MORGENPOST und DIE WELT.)) Weit­er­lesen

Der Name der Windrose

Von Anatol Stefanowitsch

Dass Frauen sys­tem­a­tisch unter­schätzt wer­den, ist ja nichts Neues, aber dass Orkane unter­schätzt wer­den, wenn sie weib­liche Namen haben, klingt zunächst wie ein schlechter Scherz aus der Rumpelka­m­mer des Patriarchats.

Genau das haben amerikanis­che Forscher/innen aber her­aus­ge­fun­den. In der in den Pro­ceed­ings of the Nation­al Acad­e­my of Sci­ence erschiene­nen Studie „Female hur­ri­canes are dead­lier than male hur­ri­canes“ [PDF, Bezahlschranke] stellt das Team um den Dok­toran­den Kiju Jung von der Uni­ver­si­ty of Illi­nois at Urbana Cham­paign zunächst die Ergeb­nisse ein­er Archivs­tudie vor, für die sie alle atlantis­chen Orkane aus­gew­ertet haben, die zwis­chen 1950 und 2012 auf das nor­damerikanis­che Fes­t­land getrof­fen sind. Sie fan­den her­aus, dass starke Orkane mit weib­lichen Namen sig­nifikant mehr Todes­opfer fordern als solche mit männlichen Namen – und das, obwohl sie die beson­ders starken Stürme Audrey (1957, 416 Tote) und Kat­ri­na (2005, 1833 Tote) vor­sicht­shal­ber unberück­sichtigt ließen. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 22/2014

Von Susanne Flach

So, heute übern­immt hier noch mal Berlin, weil Mainz derzeit in Ungarn über Mor­pholo­gie kon­feriert. Today des schö­nen Wet­ters wegen: Gen­i­tive, Anglizis­men, Duden & das Schwa:

  • An der FU haben sich Kolleg/innen let­zte Woche zu ein­er Kon­ferenz zu Gen­i­tiv­en in ger­man­is­chen Sprachen getrof­fen. Die Presse hat das mehrfach aufge­grif­f­en. Dazu haben wir mal zwei Links mit doch recht unter­schiedlichen Schw­er­punk­ten her­aus­ge­grif­f­en: ein Artikel in der SH:Z (Schleswig-Hol­stein) und ein Inter­view im Focus mit Kol­lege Horst Simon.
  • Französ/innen schmuggeln Anglizis­men an Sprachwacht vor­bei! Matthias Heine rezen­siert für DIE WELT die neue Auflage des franzö­sis­chen Duden (und hier die „Mel­dung“).
  • Eine schweiz­er Per­spek­tive: Unter „Homo dudens nervt homo ludens“ schreibt Danie Gold­stein über die Duden­treue im Sprachgebrauch.
  • Der Star unter den Vokalen in Ein­führungsver­anstal­tun­gen: Fak­ten über das Schwa.

Bibelstunde

Von Susanne Flach

Als wir in meinem Sem­i­nar let­ztens Meth­o­d­en der empirischen Sprach­wis­senschaft besprochen haben, stellte ich ein paar sim­ple Werkzeuge der Kor­puslin­guis­tik vor. Zur Illus­tra­tion habe ich die Bibel in ein soge­nan­ntes Konko­r­danzpro­gramm geladen und als Such­wort lord (‚Herr‘) eingegeben. Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 21/2014

Von Susanne Flach

Während sich die gesamte Sprachlo­gredak­tion in diesen Minuten zu einem kon­spir­a­tiv­en Tre­f­fen zusam­men­find­et, soll es Ihnen ja auch nicht lang­weilig wer­den. Heute:

  • Jan Opiel­ka stellt im MIGAZIN die Frage, wo im deutschen Rund­funk die Akzente bleiben: „In deutschen Rund­funk- und Fernse­hanstal­ten herrscht in Punk­to Sprache kon­ser­v­a­tive Strenge – bei Sprech­ern und Mod­er­a­toren wer­den regionale und aus­ländis­che Akzente nicht zugelassen.“
  • Mark Liber­man vom Lan­guageL­og schreibt im GUARDIAN über Big Data und Lin­guis­tik.
  • SLATE hat eine Quo­ra-Frage aufge­grif­f­en: „How do Eng­lish speak­ers dif­fer­en­ti­ate a ‚TH‘ sound from an ‚F‘ sound?“. Marc Ettlinger von der UC Berke­ley hat geant­wortet.
  • Schrift­sprache & Sprachen in Indi­en: „In their own write“.

Blogspektrogramm 20/2014

Von Kristin Kopf

Antifaschis­mus, Priv­i­legien, Mehrsprachigkeit und deutsche Dialek­te: Im Spek­tro­gramm Nr. 20 geht es sozi­olin­guis­tisch zu. Viel Spaß beim Lesen und Hören!

  • Im SPRAACHENBLOG erk­lärt Frank Schilden, warum Faschis­mus ein »Unwert­wort« ist, und weshalb der DFB sich mit dem Verdeck­en eines Anti-Faschis­mus-Spruchs äußerst unglück­lich ver­hal­ten hat: »Die zen­tralen poli­tis­chen Texte der BRD sind durch­zo­gen von der Ablehnung jeglich­er faschis­tis­ch­er Ten­den­zen – genau deswe­gen kann man die öffentliche Ablehnung auch nicht ein­fach stre­ichen oder abhän­gen: Man rüt­telt somit, ob man will oder nicht, an den zen­tralen Hochw­ert- und Unwer­twörtern wie Frieden, Demokratie, Frei­heit und auf der anderen Seite Krieg, Ras­sis­mus und Unfrei­heit
  • Er isst die Eier immer ohne Salz und Pfef­fer – was hat dieser Satz mit deutschen Dialek­ten zu tun? Ein hörenswertes ein­stündi­ges Fea­ture über den Deutschen Sprachat­las beim DEUTSCHLANDFUNK.
  • Über das Ver­hält­nis von sprach­lichem Präskrip­tivis­mus, Priv­i­legien und Macht macht sich Melis­sa A. Fabel­lo auf EVERYDAY FEMINISM Gedanken: »And mar­gin­al­iz­ing an entire group of peo­ple based on your per­cep­tions of what Eng­lish is “sup­posed” to sound like exerts pow­er over them that has real and detri­men­tal effects.«
  • Welche Sprachen ver­wen­det man in den USA außer Englisch und Spanisch? Ben Blatt hat für SLATE (Englisch) Zen­sus­dat­en aus­gew­ertet, für die danach gefragt wurde, was man zuhause spreche. Viele bunte Karten gibt es also hier.
  • In Deutsch­land längst passé, in Großbri­tan­nien noch nicht: Die Anrede Miss ‘Fräulein’ für Lehrerin­nen. Aber auch da rühren sich kri­tis­che Stim­men, wie Adi Bloom auf TES berichtet: »It’s a depress­ing exam­ple of how women are giv­en low sta­tus and men, no mat­ter how young or new in the job they are, are giv­en high status«