Wie die Beiträge im Bremer Sprachblog verbindet in dieser Woche auch unsere Presseschau zwei Perspektiven auf das Thema „bedrohte Sprachen“. Weiterlesen
Body-Bag Blues
Da wir in den vergangenen Tagen hier im Bremer Sprachblog eine (ungeplante) „Denglisch“-Woche hatten, bleiben wir dem Thema auch zum Wochenende treu und wenden uns dann in der nächsten Woche wieder ernsthafteren Themen zu.
Die Lokalredaktion der Westdeutschen Zeitung hat am letzten Wochenende angekündigt, dass man eine Woche lang ganz auf englische Lehnwörter verzichten wolle. Das ist ein interessantes sprachliches Experiment, das ich prinzipiell trotz (oder gerade wegen) meines anglistischen Hintergrunds voll und ganz unterstütze. Leider wird diese Aktion (wieder einmal) nicht durch eine bejahende Liebe zur deutschen Sprache und ihrer schöpferischen Kraft motiviert (sonst würde sie wohl auch nicht auf eine Woche und den Lokalteil beschränkt sein), sondern durch eine diffuse Angst vor der „denglischen“ Gefahr: Weiterlesen
French Connection
Eine Initiative namens „Comité pour la langue du droit européen“ (Kommission für die Sprache des europäischen Rechts) möchte Französisch zur einzigen verbindlichen Rechtssprache der Europäischen Union machen. Nun ist Französisch ohnehin die dominante Sprache am Europäischen Gerichtshof, man fragt sich also, welche Motivation hinter dieser Initiative steckt. Und da wird es très amusant:
Maurcie Druon, Leiter von CPLDE, prominenter Autor und Sekretär der Academie Française, sagte, alle Sprachen seien gleichberechtigt und alle nationalen Bedenken würden berücksichtigt. Dennoch sei es bezüglich der Auslegung der Texte besser, sicherzustellen, was geschrieben würde. Italienisch sei die Sprache der Lieder, Deutsch sei geeignet für Philosophie und Englisch eigne sich für die Dichtung. Französisch sei für präzise Formulierungen am besten geeignet, es habe dafür die richtige Härte. Es sei die sicherste Sprache für rechtliche Fragen. Die Sprache von Montesquieu sei unschlagbar.
Damit dürfte klar sein, was von Äußerungen von Mitgliedern der Académie Française zu halten ist. Andererseits sollten wir wahrscheinlich dankbar sein, dass die Deutschen hier noch relativ glimpflich davonkommen. Das letzte Mal, dass ich jemanden über die Tauglichkeit des Deutschen für bestimmte Funktionen sprechen gehört habe, klang das wesentlich weniger schmeichelhaft:
Treffen sich ein Holländer und ein Deutscher. Sagt der Holländer: „In Holland lernen wir jetzt alle Latein, weil wir gehört haben, dass im Himmel nur Latein gesprochen wird.“ Fragt der Deutsche: „Und was macht ihr, wenn ihr in die Hölle kommt?“ „Kein Problem“, antwortet der Holländer. „Deutsch sprechen wir ja sowieso“.
Wichtige Wörter
Kürzlich habe ich Jack Vances Das Weltraummonopol gelesen (2002, Bastei Lübbe; orig. The Five Gold Bands, 1950). In diesem ansonsten für Vance eher enttäuschenden Buch erregte folgender Satz meine Aufmerksamkeit. Die Hauptfigur, Paddy Blackthorn, spricht über eine außerirdische Spezies, die Adler genannt wird, und sagt unter anderem:
Die Adler hier — ihre Neugier ist unstillbar, und sie sind von Natur aus so hartnäckig, dass es in ihrer Sprache kein Wort für diese Eigenschaft gibt.
Vor dem Hintergrund unserer Eskimowörter-für-Schnee-Debatte ist das ein interessanter Gedanke. Hinter dem Schneemythos steckt ja die Annahme, dass eine Sprachgemeinschaft für kulturell wichtige Dinge besonders viele Wörter haben muss. Jack Vance weist hier darauf hin, dass es auch umgekehrt geht: eine Sache kann in einer Kultur so selbstverständlich sein, dass man überhaupt nicht darüber reden muss.
Spamprobleme
Die meisten von uns kämpfen täglich mit Spam (ich habe letzte Woche darüber geschrieben), die „Aktion lebendiges Deutsch“ kämpft diesen Monat mit dem Wort „Spam“. Der Wortistiker findet, dass kein neues Wort hermuss, da „Spam“ sowohl lautlich als auch inhaltlich passt. Ich stimme zu, bemerke aber gerade, dass ich in meinem Beitrag letzte Woche eine Reihe von Synonymen verwendet habe — nicht aus sprachbewahrerischem Eifer, sondern um den Text etwas abwechslungsreicher zu gestalten. Die „Aktion lebendiges Deutsch“ kann sich die Synonyme gerne hier abholen. Neben Spammail (5x) und Spam (4x) habe ich verwendet: Werbemail und unerwünschte E‑Mail (je 2x), digitaler Werbemüll, elektronische Wurfsendung, Massenwerbung, Sülzmail und Werbebotschaft (je 1x). Außerdem hatte ich noch E‑Müll und Müllmail auf meiner Liste, sie kamen mir dann aber zu neckisch vor, um sie zu verwenden.
Presseschau
Der Tagesspiegel hat diese Woche mit Noam Chomsky — dem Sigmund Freud der modernen Sprachwissenschaft und einem scharfsinnigen Kritiker der Reichen und Mächtigen — gesprochen. Über Sprachwissenschaft redet Chomsky dort nicht viel, sie hat ihn in den letzten Jahren auch nicht mehr sehr intensiv beschäftigt. Auf die Frage „Hat Ihre wissenschaftliche Arbeit unter Ihrem politischen Engagement gelitten?“ antwortet er: „Ja, sehr. Ich habe sehr viel Zeit mit politischer Arbeit verbracht.“ Für mich eine einleuchtende Erklärung für den etwas lieblosen Eindruck, den seine sprachwissenschaftlichen Theorien auf mich machen. Weiterlesen
Denglische Patienten und eingebildete Kranke
Über das ib-Klartext-Sprachblog habe ich gerade noch rechtzeitig von einer Sendung erfahren, in der die ARD gestern Nacht die Frage stellte „Wer rettet die deutsche Sprache?“ (die Sendung lief, wenn ich das richtig sehe, erstmalig im November 2005 im SWR und wird seitdem periodisch wiederholt).
Die Sendung an sich war unspektaktulär. Auf bekannte Art und Weise wurde von der Existenz einiger englischer Lehnwörter im öffentlichen Raum auf den Untergang des Abendlandes geschlossen. Ich kann nicht genau sagen, wie, denn immer, wenn sich jemand über die üblichen Verdächtigen — Backshop, Service Center, und City Call — ereifert, überkommt mich eine bleierne Müdigkeit und ich wache erst wieder auf, wenn es Pech und Schwefel regnet und die Reiter der Apokalypse die deutsche Sprache und Kultur unerbittlich und unwiederbringlich hinwegfegen. Außerdem wurden ein paar sehnsuchtsvolle Blicke nach Frankreich geworfen, wo die Académie Française der Bevölkerung die Lehnwörter mit Geldstrafen austreibt. Zu Wort kamen hauptsächlich Mitglieder des Vereins Deutsche Sprache (VdS). Alles nichts Neues, und deshalb bin ich froh, dass ich für diese Sendung nicht extra wachgeblieben bin. Weiterlesen
Spam Poetry
caravan calculus
curve priesthood / with the burden of intentions / contrive respectability
luscious recruiter / nobly explosive / snare human nature
Xerox gentility / hoarsely pyramid / retiring reprisal
Nein, ich bin nicht zu den Literaturwissenschaftlern übergelaufen, und das ist keine zeitgenössische englische Poesie. Ich habe diese Verse aus ausgewählten Betreffzeilen der E‑Mails zusammengestellt, die tagtäglich in meinem Spamordner landen. Es ist noch gar nicht lange her, da waren diese Betreffzeilen geradeheraus: „Sex all night long?“, „U can save your money“, „Need S0ftware?“ oder „Contratulations! You have won the lottery!“. Wenn man die elektronischen Wurfsendungen öffnete, ahnte man, was einen erwartete: zweifelhafte Offerten für Viagra, Hypotheken und Adobe Photoshop oder die Aufforderung, doch bitte umgehend seine Bankverbindung nach Nigeria zu übermitteln um das Preisgeld für eine Lotterie zu erhalten, an der man nie teilgenommen hatte. Doch seit einiger Zeit sind die Betreffzeilen immer häufiger kleine surrealistische Kunstwerke und wenn man die E‑Mails öffnet, enthalten sie Textwüsten aus zusammenhangslosen Sprachfetzen. Was ist da geschehen? Weiterlesen
Presseschau
Im Rahmen eines EU-Forschungsprojektes wollen Sprachwissenschaftler der Universität des Saarlandes die maschinelle Übersetzung verbessern. Das ist auch dringend notwendig, wenn man sich zum Beispiel folgenden Babelfish-Unfall ansieht, mit dem ein sprachlich argloser Spammer neulich mein Vertrauen zu gewinnen versuchte:
Danke für Verwenden der Deutsche Bank on-line Übertragung® Dienstleistungen. Zwecks abschließende Zustimmung für deine Verhandlung zur Verfügung stellen, wir benötigen zusätzliche Informationen. Bitte Dein on-line Bankkonto zugänglich machen und zu überprüfen das die Informationen sind korrekt und führen deine Einschreibung durch. Wenn wir nicht von dir innerhalb der folgenden 24 Stunden hören, wir annullieren deine on-line Übertragung® Dienstleistungen.
Diese Verbesserung soll erreicht werden durch eine Kombination von symbolischen Verfahren (bei denen anhand grammatischer Regeln übersetzt wird, die die Sprachwissenschaftler dem Computer vorher mühsam beibringen) und statistischen Verfahren (bei denen anhand statistischer Regeln übersetzt wird, die der Computer sich durch den Vergleich existierender Originale und Übersetzungen selbst beibringt). Ich wünsche den Kollegen viel Erfolg und hoffe, dass ich meine Spam in naher Zukunft in fehlerfreiem Deutsch lesen kann. Aber ich fürchte, das wird noch eine Weile dauern. Weiterlesen
Bedrohte Wörter
Ich wollte eigentlich etwas über Bodo Mrozek schreiben, der auf seiner Webseite und neuerdings auch in zwei Büchern („Lexikon der bedrohten Wörter“ I und II) völlig ironiefrei für den Erhalt von Wörtern wie Duttengretel, Hagestolz und Nasenfahrad agiert.
Doch gerade sehe ich, dass die Freie Presse den Düsseldorfer Sprachwissenschaftler Rudi Keller zu diesem Thema interviewt hat. Dem, was Keller sagt, ist wenig hinzuzufügen und so empfehle ich Ihnen einfach die Lektüre des Interviews. Weiterlesen