Blogspektrogramm 4/2015

Von Susanne Flach

Bevor Sie sich von der bun­ten Liste mit Wider­worten an Pegi­da-Ver­ste­her/in­nen, selt­samen phonetis­chen Phänome­nen, Marken­na­men und lin­guis­tis­chen Aspek­ten bei Char­lie Heb­do ablenken lassen, erin­nern wir Sie an Ihre Wahlpflicht:

Wieder da? Gut, weit­er geht’s:

  • Im Zuge ein­er plumpen und angstschüren­den Ver­ständ­nisof­fen­sive für PEGIDA behauptete Eri­ka Stein­bach (CDU), deutsche Kinder näh­men „Akzent und Weltan­schau­ung“ von Kindern mit Migra­tionsh­in­ter­grund an (gemeldet u.a. von der FAZ). NOVEMBERREGEN antwortet direkt von der Basis, aus einem Stadt­teil mit hohem Migra­tionsan­teil.
  • Wird Char­lie Heb­do als Name der Zeitschrift jet­zt aber ein Begriff für Ter­ror bleiben? Das zugrun­deliegende sprach­liche Phänomen der Metonymie bei tragis­chen Großereignis­sen disku­tiert Rick Paulas im PACIFIC STANDARD als „The Lin­guis­tics of Tragedy“.
  • Neue Pro­duk­te und Marken benen­nen? Uff, kein ein­fach­er Job — seziert Neil Gabler in THE NEW YORK TIMES.
  • A pro­pos ein­fach – Eck­hard Sten­gel disku­tiert auf MEEDIA miss­glück­te Beispiele der soge­nan­nten „Leicht­en Sprache“ aus der Zeitschrift „Das Par­la­ment“, die zeigen, dass Leichtigkeit alles andere als ein­fach ist. (In diesem Zusam­men­hang auch noch ein­mal der Hin­weis auf Ana­tols kri­tis­chen Beitrag zur Leicht­en Sprache in der Zeitschrift „Aus Poli­tik und Zeit­geschichte“, die – drama­tis­che Ironie – als Beilage von „Das Par­la­ment“ ver­trieben wird.)
  • Julian von Heyl rezen­siert auf KORREKTUREN.DE die Duden-Broschüre mit dem Unter­ti­tel „Kuriose Wortvorschläge an die Duden­reak­tion“.
  • Das SPRACH-BLOG präsen­tiert einen Beleg des rel­a­tiv bizarren Phänomens des ingres­siv­en Ja in einem nord­schwedis­chen Dialekt (von dem ich bish­er nur gerüchteweise gehört hat­te — und es mir gaaaaanz anders vorgestellt hat­te). Ingres­sive Laute wer­den beim Ein- statt Ausat­men produziert.

Sexting [Kandidaten für den Anglizismus 2014]

Von Anatol Stefanowitsch

Der let­ze Wortkan­di­dat auf der Short­list für unseren Anglizis­mus des Jahres 2014 beze­ich­net die schön­ste Neben­sache der Welt 2.0: Sex­ting – das Versenden von Tex­ten und ero­tis­chen Self­ies. Sehen wir uns an, ob dieses Wort den Ansprüchen unseres Wet­tbe­werbs stand­hält und vielle­icht sog­ar in let­zter Minute an Social Freez­ing, Phablet, Big Data, Inter­net of ThingsSmart­watch, Pho­to­bomb­ing, Black­fac­ing, Self­ie und Emo­ji vor­beizieht. Weit­er­lesen

Kandidaten für den Anglizismus des Jahres 2014: Selfie

Von Susanne Flach

Wir haben nie ein beson­ders großes Geheim­nis darum gemacht, dass Self­ie ein absoluter Top­kan­di­dat auf den Titel ist. Wir lieben Self­ie. Bei uns kam das dig­i­tale Selb­st­por­trait ja auch vor allem lin­guis­tisch beson­ders gut an — der vierte Platz im let­zten Jahr lag auch an der starken Konkur­renz. Und als Senkrecht­starter 2013 waren wir entzückt (obwohl nicht über­rascht), dass es auch 2014 nominiert wurde. Weit­er­lesen

Blackfacing (Kandidaten für den Anglizismus 2014)

Von Anatol Stefanowitsch

Das Wort Blackfacing/Blackface war 2012 schon ein­mal für den Anglizis­mus des Jahres nominiert. Die Beleglage war sein­erzeit aber zu dünn, um dieses anson­sten sehr inter­es­sante Wort in die engere Wahl zu ziehen (mein dama­liger Beitrag, aus dem ich im Fol­gen­den einzelne Pas­sagen übernehme, find­et sich hier [Hin­weis: dieser und andere hier ver­link­te Texte enthal­ten z.T. ras­sis­tis­che Sprache und/oder Abbil­dun­gen]). Heute werde ich unter­suchen, ob sich an der Häu­figkeit und vor allem Bre­ite der Ver­wen­dun­gen in der Zwis­chen­zeit geän­dert hat.

Zunächst zur all­ge­meinen Ori­en­tierung: Das Wort black­face (engl. black “schwarz” und face “Gesicht”) beze­ich­net ursprünglich eine im 19. und frühen 20. Jahrhun­dert in den USA prak­tizierte The­ater– und Vari­eté-Tra­di­tion, bei der weiße Schauspieler/innen oder Sänger/innen auf über­trieben stereo­typ­isierte Weise als Schwarze geschminkt auf­trat­en (einen Überblick bietet die englis­chsprachige Wikipedia). Die Bedeu­tung des Wortes hat sich über die Jahre aus­geweit­et und beze­ich­net inzwis­chen all­ge­mein Sit­u­a­tio­nen, in denen sich weiße Men­schen schminken, um schwarze Men­schen darzustellen. Das black­face ist in dop­pel­ter Weise ras­sis­tisch belegt: Erstens, weil die Tra­di­tion aus einem zutief­st ras­sis­tis­chen geschichtlichen Zusam­men­hang stammt, in dem ein Auftreten schwarz­er Schauspieler/innen als inakzept­abel galt, und zweit­ens, weil beim Black­face nicht nur das Make-Up selb­st und die dazuge­hörige Mimik über­trieben stereo­typ­isiert ist (dicke rote Lip­pen, strup­pige Haare, weit aufgeris­sene Augen), son­dern auch die Zusam­men­hänge, in denen es ver­wen­det wurde (Schwarze als naive, fröh­liche Unter­hal­ter). Weit­er­lesen

Photobombing: Kandidat für den Anglizismus 2014

Von Kristin Kopf

Wie jedes Jahr im Jan­u­ar beteili­gen wir uns an der Wahl zum Anglizis­mus des Jahres, indem wir die Kan­di­dat­en der Endrunde auf ihre Tauglichkeit zum Sieger abklopfen. Bere­its abge­han­delt haben wir Social Freez­ing, Phablet, Big Data, Inter­net of Things und Smart­watch, heute ist Pho­to­bomb­ing an der Reihe.

Nor­mal­men­schen und Stars tun es, Tiere tun es, die Queen hat es getan ((Dank an @pia_pe)) und, break­ing news, Miss Israel ((Dank an @erbloggtes)) … ja, was eigentlich genau? Das Pho­to­bomb­ing, im Deutschen auch Pho­to­bomben, beze­ich­net, wie Men­schen (oder Tiere) ein Foto­mo­tiv durch ihre Anwe­sen­heit »spren­gen«. Dabei kön­nen sie sich unbe­merkt im Hin­ter­grund ver­steck­en oder sich vor das Motiv drän­gen, und die Moti­va­tio­nen kön­nten unter­schiedlich­er nicht sein: Aus Spaß, aus Bosheit, zu Wer­bezweck­en, aus Verse­hen. Eine kun­st- oder kul­turgeschichtliche Betra­ch­tung der ganzen Angele­gen­heit würde mich sehr inter­essieren — während bei Pri­vat­fo­tos bes­timmte Sit­u­a­tio­nen (z.B. Hochzeit und Stran­durlaub) sowie bes­timmte Störele­mente (z.B. nack­te Hin­tern und Erek­tio­nen) sehr häu­fig wiederkehren, bleiben Stars eher auf dem roten Tep­pich oder ein­er Par­ty und schnei­den ein wenig Gri­massen. Das genügt schon, allein ihre Berühmtheit sorgt für die Explo­sion des Bildes.

Das Phänomen des Pho­to­bomb­ings gibt es in ver­schiede­nen Spielarten schon lange — z.B. in Form der beliebten »Hasenohren« ((Die Unter­schrift zu diesem Foto sug­geriert, dass Hasenohren und Pho­to­bomb­ing etwas Ver­schiedenes sind, eben­so gibt es aber ander­swo auch ganz viele Fälle von Hasenohren, die als Pho­to­bomb­ing klas­si­fiziert wer­den.)) –, benan­nt wird es dage­gen erst in neuer­er Zeit. ((Hier ein Text, in dem die Autorin sich Gedanken dazu macht, wie ältere Fotos nach Aufkom­men der Beze­ich­nung neu inter­pretiert und rezip­iert werden.))

Wann wurde die erste Photobomb gezündet?

Die Suche im englis­chen Sprachraum legt nahe, dass das Wort dort noch nicht alt ist Weit­er­lesen

Blogspektrogramm 3/2015

Von Kristin Kopf

Was hat unser heutiges Spek­tro­gramm zu bieten? Neben den Sprachlogk­las­sik­ern Anglizis­men und gener­isches Maskulinum kön­nen Sie diese Woche etwas über philol­o­gis­che Arbeit im 19. Jahrhun­dert erfahren, oder darüber, wie wir Wörter abspe­ich­ern und abrufen und warum wir dabei manch­mal danebengreifen.

  • Die heiße Phase beim ANGLIZISMUS DES JAHRES ist ange­laufen. Hier im Sprachlog gab es ja schon einige Wortbe­sprechun­gen in den let­zten Tagen, und Michael Mann hat sich diese Woche im LEXIKOGRAPHIEBLOG das Phablet ange­se­hen. Beacht­en Sie auch die Illustration!
  • Für Sprachlogle­serIn­nen inhaltlich zwar nicht neu, aber Eva Wol­fan­gel schreibt für die STUTTGARTER ZEITUNG erfreulich unaufgeregt über einen Vor­trag zum gener­ischen Maskulinum und stereo­typen Geschlechter­wahrnehmungen: »Auch das Argu­ment viel­er Frauen, sie fühlten sich nicht aus­geschlossen, hält den Unter­suchun­gen nicht stand. Selb­st wenn diese ver­sicherten, sich mit­ge­meint zu fühlen, zeigten sie im MRT die oben beschriebe­nen Gehirnaktivierungen.«
  • Auf BAYERN 2 gibt es eine schöne Reportage über Johann Andreas Schmeller zu hören, den Begrün­der des Bayrischen Wörterbuchs.
  • Was trinkt die Kuh? Und was hat die Antwort darauf damit zu tun, wie Wörter in unserem Gehirn abge­spe­ichert wer­den? Auf LEXICON VALLEY erk­lärt Mered­ith Wein­hold den Zusam­men­hang. »As soon as you hear “cows” in “What do cows drink?” your brain goes “Oh hey, cows! We might need the word milk soon, I’ll get that ready.” And then when you’ve heard the whole ques­tion, ask­ing for some­thing that gets drunk, your brain jumps in with “Milk! You can drink milk!”«

Kandidaten für den Anglizismus 2014: Internet of Things

Von Kristin Kopf

Wie jedes Jahr im Jan­u­ar beteili­gen wir uns an der Wahl zum Anglizis­mus des Jahres, indem wir die Kan­di­dat­en der Endrunde auf ihre Tauglichkeit zum Sieger abklopfen. Bere­its abge­han­delt haben wir Social Freez­ing, Phablet und Big Data, heute ist Inter­net of Things an der Reihe.

In meinem Fre­un­deskreis kur­siert seit Jahren ein irres Konzept: Mehmet, Maike und Amaru haben sich irgend­wann über­legt, dass man  zusam­menge­hörige Sock­en per RFID wiedervere­ini­gen kön­nte und dann gle­ich weit­er, dass auch die Auswahl passender Klei­dungsstücke darüber erfol­gen kön­nte. Das ging so weit, dass ein Ampel­sys­tem bei Wet­ter- oder Mode­un­tauglichkeit das Ver­lassen der Woh­nung ver­hin­derte (rot) oder hin­ter­fragte (gelb, “Wollen Sie das wirk­lich tun?”).

Irgend­wann fan­den die drei her­aus, dass das alles gar nicht so weit ab der Wirk­lichkeit war — und ich fand her­aus, dass es zum Inter­net of Things gehört, unseren heuti­gen Kan­di­dat­en für den Anglizis­mus des Jahres 2014: Weit­er­lesen

Kandidaten für den Anglizismus 2014: Big Data

Von Anatol Stefanowitsch

Wie jedes Jahr im Jan­u­ar beteili­gen wir uns an der Wahl zum Anglizis­mus des Jahres, indem wir die Kan­di­dat­en der Endrunde auf ihre Tauglichkeit zum Sieger abklopfen. Bere­its abge­han­delt haben wir Social Freez­ing und Phablet, heute ist Big Data an der Reihe.

Das Wort Big Data beze­ich­net sowohl Daten­men­gen, die so groß sind, dass sie mit herkömm­lichen Meth­o­d­en nicht mehr hand­hab­bar sind, als auch die Spe­ich­er- und Rechen­meth­o­d­en, die zur Lösung dieses Prob­lems entwick­elt wur­den und wer­den (diese Bedeu­tun­gen find­en sich im Oxford Eng­lish Dic­tio­nary für das Englis­che, und unser Jury-Mit­glied Michael Mann hat sie im let­zten Jahr in sein­er Analyse auch für den deutschen Sprachge­brauch gefun­den – im Duden ste­ht das Wort noch nicht).

Big Data ist zum zweit­en Mal in der Endrunde für den Anglizis­mus des Jahres, ver­passte im let­zten Jahr aber deut­lich einen vorderen Platz (dafür lan­dete es bei der Wort-des-Jahres-Wahl auf Platz 5). Sehen wir uns an, inwieweit es den Kri­te­rien unseres Wet­tbe­werbs genügt und ob es vielle­icht in diesem Jahr ein aus­sicht­sre­ichen Kan­di­dat für das lexikalis­che Siegertrep­pchen ist. Weit­er­lesen

Kandidaten für den Anglizismus 2014: Social Freezing

Von Susanne Flach

Alle Wort­wahlen sind vor­bei. Alle? Natür­lich nicht. Denn unsere Leser/innen wis­sen: nach der Wahl ist vor der Wahl und die Beste kommt zum Schluss! So markiert die exzel­len­ten Arbeit unser­er Kolleg/innen der Unwort-Jury tra­di­tionell den Startschuss für die heiße Phase der Wahl zum Anglizis­mus des Jahres — und wir begin­nen heute den Besprechungs­marathon für die 10 Kan­di­dat­en unser­er Short­list — und präsen­tieren Ihnen ab heute jeden Tag einen.

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Unwort des Jahres 2014: Lügenpresse

Von Anatol Stefanowitsch

Die „Sprachkri­tis­che Aktion“ hat das Unwort des Jahres 2014 bekan­nt­gegeben: Lügen­presse. Mit dieser Wahl set­zt die Jury um Nina Janich von der TU Darm­stadt ihre exzel­lente Arbeit der let­zen Jahre fort.

Um Unwort des Jahres zu wer­den, muss ein Wort „gegen das Prinzip der Men­schen­würde“ oder „Prinzip­i­en der Demokratie ver­stoßen“ oder „einzelne gesellschaftliche Grup­pen diskri­m­inieren“, und es muss „euphemistisch, ver­schleiernd oder gar irreführend“ sein. Auf das unsägliche Dön­er-Morde (2011), traf das auch aus unser­er Sicht klar zu, genau wie beim Opfer-Abo, und beim Sozial­touris­mus im let­zten Jahr waren wir eben­falls ein­er Mei­n­ung mit der Sprachkri­tis­chen Aktion.

Die Wahl des Wortes Lügen­presse begrün­det die Sprachkri­tis­che Aktion wie fol­gt: Weit­er­lesen