Ich lese spannende Bücher und muss dringend erzählen, was drin steht!
Aber erst die Quelle:
Peter Bakker (1997): A Language of Our Own. The Genesis of Michif, the Mixed Cree-French Language of the Canadian Métis. New York, Oxford.
Michif ist eine Sprache, die aus zwei Sprachen besteht, die sich auf sehr ungewöhnliche Weise miteinander verbunden haben — nämlich fein säuberlich.
Lexik
Die eine Hälfte (Verben, Demonstrativa) ist Plains Cree, die andere (Nomen, Adpositionen, Personalpronomen, Numeralien) ist Französisch. Adjektive, Adverbien, Quantifikatoren und andere Funktionswörter können aus beiden Sprachen stammen.
Phonologie
Es gibt zwei verschiedene Phonemsysteme in Michif — selbst wenn ein Phonem in beiden Teilen vorkommt, hat es immer noch verschiedene Allophone. Nur im frz. Teil hat sich eine Art Vokalharmonie entwickelt (die es natürlich im “richtigen” Französisch nicht gibt, aber vielleicht in dem frz. Dialekt der als Basis für Michif diente, das ist noch nicht erforscht). Die beiden Systeme beeinflussen sich also nicht gegenseitig — mit einer klitzekleinen Ausnahme, nämlich der Cree-Betonung, die den frz. Teil in einigen Fällen (drei- oder mehrsilbige Wörter) beeinflusst.
Syntax
Die Wortstellung ist wie im Cree, nämlich sehr frei. Innerhalb der Nominalphrase ist sie wie im Französischen.
Die Kongruenzsysteme der beiden Sprachen verbinden sich — im frz. Teil maskulin/feminin in der NP, im Cree belebt/unbelebt — die frz. Nomen werden also als belebt oder unbelebt klassifiziert und entsprechend kongruiert dann das Cree-Verb.
Morphologie
Manchmal können frz. Wörter Cree-Affixe haben, aber das kommt eher selten vor.
Und wer macht sowas?
Gesprochen wird Michif von den Métis in Kanada und Nordamerika, ein Volk, das sich ebenso fein säuberlich verbunden hat: Die Männer waren europäische Pelzhändler, die Frauen Cree-Indianerinnen. Heute gibt es weniger als 1000 Sprecherinnen und Sprecher, zu Spitzenzeiten waren es aber auch nur maximal 3000. Die meisten von ihnen sprechen weder Französisch noch Cree.
Das Buch von Bakker hat sich zum Ziel gesetzt, herauszubekommen, wie es zu dieser ungewöhnlichen Mischung kam. Bisher hat er allerdings nur Hypothesen verworfen, die eh nicht ernstzunehmen waren, ich warte noch auf die magische Lösung … wenn die kommt, sage ich natürlich Bescheid, und ich suche auch noch ein paar schöne Beispielsätze aus!
Update:
Ich habe natürlich schon lange herausgefunden, was Bakker denkt, auch wenn ich das Buch leider nicht zu Ende lesen konnte. Uuuuuund zwar:
Es handelt sich um ein absichtlich geschaffenes Phänomen, um die neue kulturelle Identität der Métis zu stärken. Das denkt auch Sarah Grey Thomason, ich bin mir aber noch nicht so sicher, ob ich es so plausibel finde. Sollte ich mal wieder in die Nähe des Bakker-Buches kommen, lasse ich mich aber gerne eines Besseren belehren.
Oh, und der versprochene Beispielsatz:
æ be:bi la præses ki:-aja:w‑e:w
ART:Sg. Baby ART:Sg. Prinzessin PRÄT-haben-TRANS.ANIM.3.>3.Sg.
‘Die Prinzessin hatte ein Kind.’
(Bakker/Papen 1997:336)