Sinnesfreuden (V)

Von Anatol Stefanowitsch

In den let­zten vier Wochen haben wir uns mit ver­schiede­nen Aspek­ten der Redewen­dung Sinn machen beschäftigt. Wir haben gezeigt, dass sie älter ist, als gemein­hin angenom­men und dass sich ver­mut­lich nicht von Jour­nal­is­ten und Poli­tik­ern, son­dern von Philosophen und Lit­er­at­en in die Sprache einge­führt wor­den ist. Wir haben gezeigt, dass wed­er aus syn­tak­tis­ch­er, noch aus seman­tis­ch­er Sicht irgen­det­was gegen die Inter­gra­tion dieser Redewen­dung in die deutsche Sprache spricht. Und wir haben gese­hen, dass sie, wenn sie denn tat­säch­lich aus dem Englis­chen stammt, völ­lig kor­rekt und in vollem Umfang entlehnt wor­den ist.

Mehr bleibt eigentlich nicht zu sagen. Bis auf das Wichtig­ste, natür­lich. Sick und seine Anhänger gehen stets davon aus, dass Sinn machen nicht nur falsches Deutsch ist, son­dern dass es sich dabei auch noch um eine völ­lig über­flüs­sige Redewen­dung han­delt, da es aus­re­ichend Alter­na­tiv­en gebe: Weit­er­lesen

Schneegestöber

Von Anatol Stefanowitsch

Ich weiß nicht, ob es am Herb­st­wet­ter liegt oder daran, dass ich in diesem Semes­ter ein Sem­i­nar zum The­ma „Sprache und Denken“ gebe, auf jeden Fall denke ich wieder ein­mal an die Eski­mowörter für Schnee, und dabei fällt mir ein, dass ich damals eine Frage offen gelassen habe.

Sprach­bloggeur“ P.J. Blu­men­thal hat­te sein­erzeit in seinem zweit­en Schneep­ost­ing ein Tele­fonat mit einem gewis­sen Her­rn Olsen von der grön­ländis­chen Selb­stver­wal­tung erwäh­nt, der die Anzahl von Schneewörtern im Kalaal­lisut auf „unzäh­lige“ schätzte (wom­it er natür­lich Recht hat­te, denn wie wir ja nun wis­sen, haben alle Sprachen mit pro­duk­tiv­en Wort­bil­dungsmech­a­nis­men unzäh­lige Wörter für alles):

Daraufhin emp­fahl er mir die Lek­türe des Buch­es ”Glos­sary of Snow and Ice“, geschrieben Anfang der 70. Jahre von Ter­rence Arm­strong, Bri­an Roberts und Charles Swith­in­bank. In diesem Werk, so Herr Olsen, finde man die Kalaal­lisut-Begriffe mit Über­set­zun­gen ins Dänis­che. Er ver­sprach mir Genaueres darüber zu schick­en, ist wohl nicht dazugekommen.

Mir ließ dieses Glos­sar seit­dem keine Ruhe. Weit­er­lesen

Sinnesfreuden (IV)

Von Anatol Stefanowitsch

Bevor wir näch­ste Woche unsere Rei­he über das Sinn machen abschließen, kom­men wir heute auf einen eher neben­säch­lichen Aspekt zu sprechen. Es wird manch­mal behauptet, die Redewen­dung sei nicht nur aus dem Englis­chen entlehnt (was möglicher­weise stimmt, obwohl ich mir da inzwis­chen nicht mehr so sich­er bin) son­dern sie sei sog­ar falsch entlehnt. Robert Sed­laczek hat zum Beispiel im Jan­u­ar in der Wiener Zeitung die Sätze Macht es über­haupt Sinn, zu spenden? und Selb­stver­ständlich macht spenden Sinn… genan­nt und dann fol­gende, bemerkenswerte Behaup­tung aufgestellt:

Aber stilis­tisch sind die bei­den Sätze eine Katas­tro­phe! Sie klin­gen wie eine schlechte Über­set­zung aus dem Englis­chen! Dort sagt man in der negierten Form „It doesn’t make sense“ und meint „Es hat keinen Sinn“. So ste­ht die Phrase im „Lan­gen­schei­dt“. „It makes sense“ wird dort gar nicht ver­merkt, ist aber vere­inzelt zu hören.

(ConAl­ma, die wir in der ersten Folge schon zitiert haben, find­et übri­gens auch, dass die Redewen­dung im Englis­chen „im Grunde in der Vernei­n­ung benützt“ wird).

Bemerkenswert ist Sed­laczeks Behaup­tung aus zwei Grün­den. Weit­er­lesen

Das Überleben der Häufigsten

Von Anatol Stefanowitsch

Über sprach­wis­senschaftliche Forschungsergeb­nisse bericht­en die Medi­en ja eher sel­ten. Umso erstaunlich­er, dass let­zte Woche aus­gerech­net eine Geschichte über unregelmäßige englis­che Ver­ben ihren Weg in die Presse gefun­den hat — zum Beispiel auf Spiegel Online und die Web­seite von Bild der Wis­senschaft (vie­len Dank and Sprach­blogleser Wolf­gang Hömig-Groß und Ste­fanie Pohle für den Hinweis).

An die unregelmäßi­gen Ver­ben wer­den sich die meis­ten ja noch aus dem Englis­chunter­richt erin­nern: während die meis­ten englis­chen Ver­ben die Ver­gan­gen­heits­form und das Par­tizip Per­fekt durch Anhän­gen der Endung -ed bilden, müssen bei den unregelmäßi­gen Ver­ben alle For­men einzeln gel­ernt wer­den — go — went — gone, zum Beispiel, take — took — tak­en, sing — sang — sung oder hit — hit — hit. Das ist zwar nichts im Ver­gle­ich zu den hun­derten von Verb­for­men, die man im Franzö­sis­chen oder Spanis­chen ler­nen muss, aber es erfordert trotz­dem eine Menge stu­pid­en Auswendigler­nens. Weit­er­lesen

Sinnesfreuden (III)

Von Anatol Stefanowitsch

In der let­zten Woche haben wir die Behaup­tung von Bas­t­ian Sick und anderen disku­tiert, dass Sinn machen deshalb „ungram­ma­tisch“ sei, weil machen nicht mit abstrak­ten Sub­stan­tiv­en gebraucht wer­den könne. Wir haben gese­hen, dass das schlicht falsch ist: jemand oder etwas kann Spaß, Freude, Laune eben­so machen, wie Lust (auf mehr), Appetit, Angst, Sor­gen, Mut, Hoff­nung, Kopfzer­brechen, etc.

Aber daraus fol­gt natür­lich nicht automa­tisch, dass alle abstrak­ten Sub­stan­tive mit machen ver­wen­det wer­den kön­nen. Sick sieht zusät­zlich ein qua­si-logis­ches Prob­lem :

[Sinn] ist entwed­er da oder nicht. Man kann den Sinn suchen, find­en, erken­nen, ver­ste­hen, aber er lässt sich nicht im Hau­ruck-Ver­fahren erschaffen.

Und diese Behaup­tung wird immer wieder gedanken­los über­nom­men. Weit­er­lesen

Beim Geld hört die Freundschaft auf

Von Anatol Stefanowitsch

Wer sich nicht nur für Sprache, son­dern auch für Sprachen inter­essiert, der ist bei einem der Urgesteine der Sprach­blogs, Lan­guage­hat, bestens aufge­hoben. Betrieben wird es von einem nei­der­re­gend gut bele­se­nen Poly­glot mit einem Faible für Hüte, der täglich über die unter­schiedlich­sten sprach­lichen und kul­turellen Aspek­te von Roma­nen und deren Autoren, Kuriositäten rund um Sprachen und deren Sprech­er, die Herkun­ft und Entwick­lung von Wörtern und vieles mehr schreibt.

Gestern schrieb er über diese Geschichte auf BBC.co.uk, die von einem Stre­it darüber han­delt, wer entschei­den darf, wie das junge EU-Mit­glied Bul­gar­ien den Namen der gemein­samen Währung zu schreiben hat. Weit­er­lesen

Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Die Reut­linger Nachricht­en liefern diese Woche ein Argu­ment für die Rein­hal­tung der deutschen Sprache, auf das ich nie gekom­men wäre. In einem Artikel über Ein­wan­derin­nen, die „nochmal in die Schule [gehen] — „obwohl sie Wasser­bauin­ge­nieurin­nen oder Ärztin­nen sind“ (gemeint sind dabei Deutschkurse), find­et sich fol­gen­des Kleinod:

Sie sind alle sehr motiviert“, berichtet Lehrerin Karin Weg­n­er. Keine Hausauf­gabe ist ihnen zu viel. Sie möcht­en gezielt all­t­agsrel­e­vante The­men wie Fam­i­lie, Kinder, Schule, Woh­nung, Einkauf ler­nen und wichtige Tele­fonate führen kön­nen. Vor allem die vie­len Anglizis­men im mod­er­nen Sprachge­brauch sind Hin­dernisse für das Ver­ste­hen, denn viele von ihnen haben nie Englisch gelernt. 

Aber sie haben ja auch nie Deutsch gel­ernt — die noch viel größere Zahl an deutschen Wörtern im mod­er­nen Sprachge­brauch dürfte also auch ein ziem­lich­es Hin­der­nis darstellen. Weit­er­lesen