Barocke Blutarmut

Von Anatol Stefanowitsch

Über die Sprache der ehe­ma­li­gen DDR wer­den ja häu­fig Dinge erzählt, die mehr mit Vorurteilen als mit der sprach­lichen Wirk­lichkeit zu tun haben. Let­zte Woche habe ich dieses Juwel auf Welt Online gefunden:

Dann erfand die ost­deutsche Wirk­lichkeit neue Wörter für neue Sachver­halte. Vielfach han­delte es sich dabei um Abkürzun­gen, die man im West­en schon deshalb nicht ver­stand, weil das, was sie benan­nten, dort nicht vorkam: VEB und VVB, LPG und NVA, zum Beispiel. Die Beziehung der Staatspartei SED zur deutschen Umgangssprache war gekennze­ich­net durch Blu­tar­mut und barocke Formel­haftigkeit. Gern erfand sie auch Neol­o­gis­men, etwa wenn ein­fache Berufe durch eine neue Beze­ich­nung aufgew­ertet wer­den soll­ten. Da gab es etwa den Fachar­beit­er für Bürotech­nik. Es han­delte sich um die Steno­typ­istin. Auch die Ver­suche, christlichen Fes­ten den athe­is­tis­chen Garaus zu machen, führten zu sprach­lich­er Ver­renkung. Eine gewisse Promi­nenz erlangte die Jahre­send­flügelfig­ur, die nichts anderes beze­ich­nete als den Wei­h­nacht­sen­gel. Ein ander­er tabuisiert­er Bere­ich war das Ster­ben. Der DDR-Beitrag zum The­ma war ein neues Wort für den Sarg: Erdbestat­tungsmö­bel. [Welt Online]

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Mal wieder John und Mary

Von Kristin Kopf

Ein Lesetipp: An Intro­duc­tion to Clas­si­cal Gen­er­a­tive Psychology

[…] Chom­sky defines the mind as the “set of well-formed thoughts” (1957z:3984) and then goes on to stip­u­late a com­plex deriva­tion­al sys­tem which allows us to gen­er­ate all the indi­vid­u­als in our cell phone reg­is­ter by a finite-state automa­ton, from a sin­gle under­ly­ing rep­re­sen­ta­tion. His two most famous exam­ples are:

(a) [John loves Mary.]
(b) [John hates Mary.]

Chom­sky claims that the sen­tences (a‑b) are derived from the sin­gle under­ly­ing rep­re­sen­ta­tion /John loves Mary./ by a num­ber of extrin­si­cal­ly ordered mood-trans­for­ma­tion rules. He argues that John has to m‑command Mary in order to cre­ate an emo­tion­al link and then in the case of (a) Mary can move up to John’s pad for a brief merge. […]”

Eisenberg über Sick

Von Anatol Stefanowitsch

Über Ines Bal­cik bin ich auf ein Inter­view im Deutsch­land­funk aufmerk­sam gewor­den, in dem der Pots­damer Sprach­wis­senschaftler Peter Eisen­berg über den Zus­tand der deutschen Sprache spricht. Sein Urteil, dem ich mich nur anschließen kann: das deutsche Sprach­sys­tem „ist so groß und so umfan­gre­ich und so dif­feren­ziert wie es noch nie war“. Weit­er­lesen

1000 Kommentare

Von Anatol Stefanowitsch

Ein Blog lebt vom Zusam­men­spiel der Beiträge und der Kom­mentare, und deshalb freue ich mich über die aktive Kom­men­tarkul­tur, die sich im Bre­mer Sprach­blog entwick­elt hat. Vor eini­gen Tagen hat­ten wir den ein­tausend­sten Kom­men­tar, näm­lich diesen hier, der mich rel­a­tiv sprach­los macht, der aber die Denkweise viel­er Sprach­nör­gler auf inter­es­sante Weise offen­legt. Mir fehlt lei­der oft die Zeit, mein­er­seits wieder auf Kom­mentare zu antworten, aber zum Glück gibt es mit­tler­weile eine Rei­he von Stammkommentator/innen, die das häu­fig ohne­hin tre­f­fend­er tun, als ich das sel­ber kön­nte. Weit­er­lesen

Schweinehund

Von Anatol Stefanowitsch

Dass ich in den let­zten Tagen nichts gepostet habe, lag nicht an meinem inneren Schweine­hund, son­dern an ein­er Kon­ferenz in Biele­feld, auf der es keinen Inter­net­zu­gang gab (übri­gens: Biele­feld gibt es tat­säch­lich). Nun ver­suche ich, mich auf den neuesten Stand der Welt­geschehnisse zu brin­gen, und lese ein Inter­view mit Stef­fi Graf auf Welt Online, in dem sie von ihrem neuem Buch „Das Mrs. Sporty-Konzept mit Ste­fanie Graf: Lebenslust und Energie in 30 Minuten“ erzählt (gut, dass ich mich über englis­che Wort­deko­ra­tio­nen ein­fach nicht aufre­gen kann, son­st würde dieser Titel meinen Puls bes­timmt höher schla­gen lassen). Die Welt Online möchte nun wis­sen, ob es ihr schw­er­falle, sich an ihre eige­nen Ratschläge zu hal­ten und klärt zunächst eine Über­set­zungs­frage: Weit­er­lesen

Hotline

Von Anatol Stefanowitsch

Die Aktion Lebendi­ges Deutsch will ja vorge­blich zur Aufhüb­schung des deutschen Wortschatzes beitra­gen, in dem sie Alter­na­tiv­en für englis­che Lehn­wörter sucht. Aber ab und zu ver­weigert die Aktion sich ihrer selb­st gestell­ten Auf­gabe und dann merkt man, worum es eigentlich geht.

Im Dezem­ber 2006 woll­ten die Aktionäre von den Lesern zunächst eine Ein­deutschung des Begriffs Anti-Aging haben, fan­den dann aber: „Was da stat­tfind­et, ist nichts, was ein­er Benen­nung bedarf, in welch­er Sprache auch immer“. Weit­er­lesen

Bahnbashing

Von Anatol Stefanowitsch

Zugegeben, die Deutsche Bahn ist schon schw­er ver­liebt in die englis­che Sprache. An satirischen Verdich­tun­gen dieser Lei­den­schaft beste­ht deshalb kein Mangel:

Wer eine „Mobil­i­ty Bah­n­Card“ hat, kann bald über „Touch & Trav­el“ ein „Tick­et“ für den „City Night­line“ ordern und sich nach dem Trip am „Ser­vice Point“ über den „Call-a-bike“-Standort informieren. Viele dürften da nur noch Bahn­hof ver­ste­hen.[ZDF son­ntags]

Aber selb­st solche Verdich­tun­gen kön­nen mit der Wirk­lichkeit kaum konkur­ri­eren. Weit­er­lesen

7 + 38 + 55 = 0

Von Anatol Stefanowitsch

Ich freue mich immer, wenn ich in irgen­dein­er Zeitung etwas über die wichtige Rolle lese, die die Sprache in unserem Leben spielt. So wie let­zte Woche im Lokalteil des Min­den­er Tage­blatts, in dem unter der an sich schon diskus­sion­swürdi­gen Über­schrift „Sprache ist viel mehr als nur Worte“ über einen Vor­trag zu eben diesem The­ma berichtet wurde:

Wir reden miteinan­der, um uns auszu­tauschen, um zu kom­mu­nizieren. Mit unser­er Sprache ver­mit­teln wir Wis­sen, klären Fra­gen, geben Antworten, erschließen uns die Welt. Wir pfle­gen mit ihr Beziehun­gen oder zer­stören sie“, erk­lärte Annegret Tesche.

Dem kann ich mich nur nach­drück­lich anschließen. Es ist schön, dass so etwas auch ein­mal in der Zeitung ste­ht. Aber dann fol­gt sofort die Ernüchterung: Weit­er­lesen