In der Kategorie „Richtet euch nach meinen Worten, nicht nach meinen Taten“ regt sich dieser Tage wieder einmal jemand über Angliszismen auf, der seine Ratschläge eigentlich lieber selbst in die Tat umsetzen sollte. Der „Klein Report“ (das Deppenleerzeichen übersehen wir geflissentlich), ein Schweizer Mediendienst, verwendet im Menü seiner Webseite folgende Lehnwörter: Home, News, Links, Newsletter (2 Mal) und Handy-Flash. Alles gebräuchliche Begriffe, aber für alle gäbe es deutsche Entsprechungen. Aber nur, weil man sich selber mit vollen Händen beim englischen Wortschatz bedient, möchte man das anderen nicht zugestehen: Weiterlesen
Seit wann machen wir im Deutschen Sinn?
Zu den meistgelesenen Beiträge hier im Sprachblog gehört die Serie über die Redewendung Sinn machen — vier der fünf Teile (siehe hier: I, II, III, IV, V) kommen unter die ewigen Top Ten. Auch die Diskussion in den Kommentaren zu diesen Beiträgen flammt immer wieder einmal auf. Das freut mich natürlich, und so möchte ich einige der dort diskutierten Fragen ich in nächster Zeit in mehr oder weniger knappen Beiträgen aufgreifen.
Im ersten Teil der Serie habe ich unter anderem darauf hingewiesen, dass es sich bei der Redewendung Sinn machen nicht um ein neues Phänomen handelt, anders als folgendes Zitat des obersten Sinnmachenhassers Bastian Sick vermuten lässt: Weiterlesen
Hallo WDR2-Hörer!
Herzlich Wilkommen im Bremer Sprachblog. Wenn das kurze Interview im Morgenmagazin Sie neugierig auf die Eskimowörter für Schnee gemacht hat, finden Sie hier zwei längere Blogbeiträge dazu:
Natürlich sind Sie herzlich eingeladen, sich auch darüberhinaus auf den Seiten des Bremer Sprachblogs umzusehen. Der Link „Favoriten“ im Menü rechts ist ein guter Einstiegspunkt in unser Archiv.
Nachtrag I: Im Interview wollte ich mich aufgrund der Kürze der Zeit und der (verständlichen) Anweisung der WDR-Redaktion, nicht allzu ausführlich über Dinge wie „Morphologie“ und „abgeleite Wörter“ zu reden, nicht auf eine unterschiedliche Bedeutung der Wortstämme aput und qanik festlegen. Wie im Blogbeitrag „Schneeschmelze“ erwähnt, wird allgemein (und vermutlich korrekt) berichtet, dass im Westgrönländischen aput „liegender Schnee“ und qanik „fallender Schnee“ bedeutet. Das Deutsche hat hier ja auch zwei Wörter: Weiterlesen
Schplock ist kein Splog!
Na wie gut, dass ich bei meiner Blogbenennung nicht nach der Schreibung gegangen bin … sonst hieße ich heute Splog — und das heißt, wie ich eben gelernt habe, spam blog. (Siehe auch hier! Und hier, mit tollem Titel: Behind Splogging: Why Sploggers Splog.)
Die Bezeichnung Blog anfürsich ist ziemlich spannend — sie kommt ja bekanntermaßen von weblog. Dass so etwas abgekürzt wird, ist nicht ungewöhnlich — aber dass dabei der letzte Laut des ersten Wortes dem zweiten zugeschlagen wurde, stellt eine Extravaganz besonderen Ausmaßes dar.
Techniken, mit denen man Wörter verkürzt, unterteilt man in der Sprachwissenschaft in mehrere Untergruppen. Vier davon hier:
- Kontaminationen: zwei Wörter verschmelzen. Lokal besonders beliebt: Mainz+ einzigartig zu mainzigartig. Aber natürlich gehört auch das oben erwähnte Splog dazu.
- Kürzungen: Ein Teil des Wortes wird weggelassen: (Omni)Bus, (Eisen)Bahn, …
- Abkürzungen: Einzelne Buchstaben, meist die Anfangsbuchstaben der entsprechenden Wörter, werden aneinandergereiht und als Buchstaben ausgesprochen: dpa, SpVzKmA, …
- Akronyme: Eigentlich wie bei den Abkürzungen, nur dass die Buchstaben nicht als solche ausgesprochen werden, sondern man sie hintereinanderweg liest, wie ein normales Wort: Bafög, Egli1, …
Das blog gehört eigentlich der zweiten Gruppe an — aber während die meisten Wörter dieser Gruppe in europäischen Sprachen an den Silbengrenzen abgetrennt werden (Omni|bus), oder gar an den Wortgrenzen (Eisen|bahn), verstößt blog gegen beides: web und log bilden jeweils eine Silbe und ein Wort. Von der ersten Silbe einfach einen Laut beizubehalten, ist seltsam. Wie kommt’s also? Ein Artikel des Economist legt nahe, dass es sich um ein Wortspiel handelte (Wikipedia hat’s für mich gefunden):
“The word “blog” appears to date back to 1997, when one of the few practitioners at the time, Jorn Barger, called his site a “weblog”. In 1999, another user, Peter Merholz, playfully broke the word into “we blog”, and somehow the new term—blog—stuck as both a verb and a noun.”
Hm, das Thema ist noch lange nicht ausgeschöpft, aber ich will morgen eine Sparty feiern … Man sieht sich!
Ich hab’n jpg in dem pdf und will’s auf DVD brennen …
Viele computerbezogene Abkürzungen sind ja noch recht bekannt (www, http, CD, …) — aber gerade bei einigen der Formate, die ich täglich benutze, hatte ich keine Ahnung, was sie eigentlich bedeuten.
Wer ein bißchen rätseln will, dem sei meine Auswahl hier genannt: pdf, jpg, mp3, DVD, CD-ROM
Und wer Erleuchtung sucht, möge nach unten scrollen!
Jetzt zur Auflösung:
- pdf - portable document format: So weit, so naheliegend. Ich wünschte, mehr Menschen würden es benutzen, im ihre Dokumente transportierbar zu machen ...
- jpg — Joint Photographic Experts Group: Wahrscheinlich ein Department des CIA …
- mp3 - MPEG‑1 Audio Layer 3 (MPEG — Moving Picture Experts Group): Noch mehr Experten, hui.
- DVD — Digital Versatile Disc: Ein wahrhaft vielseitiges Medium und der Tod der
- CD-ROM - Compact Disc Read-Only Memory: Der erste Teil war mir klar, aber woher das ROM kam … Ich meine, ich wusste, dass es nichts mit Rom zu tun hat, wie ein beliebtes Brennprogramm suggeriert (Gibt’s das noch? Ist es noch beliebt?), aber dass es so profan sein würde …
Ich würde ja vorschlagen, dass Ihr in die Kommentare schreibt, wie klar Euch das längst war, oder welche anderen bekannten Computerabkürzungen Ihr auflösen könnt — aber ich fürchte, dann wird klar, wie wenige Leute hier lesen. Also … vielleicht lieber nicht 😉
Lieber noch ein paar Überlegungen zum Status dieser Abkürzungen. Sind es Wörter? So richtige?
DVD und CD-ROM sicher: Schon ihre Langformen waren Substantive (disc), die einfach nur gekürzt wurden, sie bezeichnen (in der Mehrzahl) silberne Scheiben, die man anfassen und rumschleppen kann, Sätze wie “Ich habe meine CD-ROM zerkratzt, aber glücklicherweise hatte ich den Film noch auf DVD” hört man alle naselang, sie bilden auch ganz normale Pluralfomen (die DVDs, die CD-ROMs) — aber was ist mit den Dateiformaten?
Bei der Langform dieser Abkürzungen handelt es sich auch um Substantive — allerdings um welche, die etwas anderes bezeichneten: format bezog sich auf das Speicherformat, nicht auf das konkrete Dokument, das in diesem Format existiert, group bezog sich auf die Gruppe von Menschen, die das Format erstellt hat, nicht auf die konkrete Bilddatei (JPEG), layer (mp3) auf … was weiß ich, irgendwas Technisches halt. Bei letzterem wurde sogar so krass abgekürzt, dass es von layer keinen Rest mehr in der Abkürzung gibt.
Die Abkürzungen wurden kreiert um zu kennzeichnen, dass eine Datei einem bestimmten Format angehört. Oder sogar einem von einer bestimmten Gruppe erstellten Format. (So gesehen folgt JPG einer ähnlichen Benennungsmotivation wie Kolumbien, Cooktown oder Peter Moosleitners interessantes Magazin. Allerdings hat ausgerechnet JPG die Sache nicht sooo weit mitgemacht wie PDF und mp3, wahrscheinlich, weil das Format meist nur eine geringe Rolle spielt, man spricht halt von einem Bild.)
Natürlich waren sie extrem kurz, wie das bei Dateiendungen immer ist. (Manche Betriebssysteme lassen nur drei Zeichen zu. *hach* Wikipedia bildet unglaublich …)
Als ComputernutzerIn wird man also tagtäglich mit den Endungen konfrontiert, aber fast nie mit den Feinheiten des dahinterstehenden Formats. So gesehen war der Weg nicht weit von der Grundbedeutung ‘Dateiformat’ zu ‘gehört einem bestimmten Format an’ (in Kontexten, bei denen die Endung an einen Dateinamen angefügt wurde) zu ‘konkrete Datei in einem bestimmten Format’ — wobei noch immer alle Bedeutungen existieren. (Finde ich.)
So war die Abkürzung anfangs ein Wort, dann eine Art technischer Marker, bei dem ich mich schwertue, ihn als Wort zu bezeichnen (immer, wenn’s an einem Dateinamen hängt) und wurde schließlich wieder zu einem Wort mit einer anderen Bedeutung.
Diese Wörter in ihrer neuen Bedeutung haben noch mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, ganz besonders was die Schreibung anbetrifft.
Wie heißt es nun, .pdf, pdf, Pdf oder PDF?
(1) Ich habe ein .pdf gefunden (leider auf Japanisch) es hiess: MainMemory Extension Manual — for End User.
Quelle
(2) ach du möchtest ein pdf erstellen?
Quelle
(3) Ich habe ein Pdf, könnte es Ihnen bei Interesse per Mail schicken, PN darf ich noch nicht.
Quelle
(4) Ich habe ein PDF zur einer ach so tollen Internetdruckerei geschickt und bekam ein Druckergebnis in der manche Texte richtig waren und manche halt nur aus ä bestanden.
Quelle
Manche Leute schreiben PDF-Format, aber einfach das Format zu verdoppeln ist auch nicht so elegant. PDF-Dokument gibt’s auch.
Ich bin gespannt, was sich da durchsetzen wird. Mein Wunschtraum wäre ja Pedeäf (wie Edeka aus E.d.K., Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin).
Schmutz(e(d))ecke
Ein unerwarteter positiver Nebeneffekt der Arbeit mit sprachwissenschaftlichen Korpora: Man häuft einen bunten Schatz unsystematischer Wissensbröckchen an. Denn beim Durchsuchen der Korpusdateien nach Beispielen stolpert man immer wieder über merkwürdige Geschichten und unbekannte Wörter, die nach ausführlicher Recherche verlangen. In einem Korpus von indischem Englisch fand ich gestern zum Beispiel den folgenden Satz:
As the water enters the schmutzecke, biological action breaks down some of the organic matter. (ICE-IND:W2A-036#25:1)
Obwohl es mir eigentlich um die grammatischen und semantischen Eigenschaften des Verbs enter ging, witterte ich bei der schmutzecke natürlich sofort einen Kandidaten für das „schönste ausgewanderte Wort“. Was mag der Inder mit einer schmutzecke meinen? Weiterlesen
Snack su Silvester: Seeunkraut
Ein schöner Fall, der zeigt, dass bei zusammengesetzen Wörtern (Komposita) die Teilbedeutungen nicht automatisch die Gesamtbedeutung ergeben — und dass man entsprechend ganz schön danebenliegen kann, wenn man die Einzelbestandteile wörtlich übersetzt:
Manchmal wurden solche wörtlichen Übersetzungen übrigens zu “richtigen” deutschen Wörtern — allerdings meistens nur, wenn es entweder noch kein deutsches Wort dafür gab, oder das Wort aus irgendeinem Grund als inadäquat empfunden wurde.
So etwas nennt man dann Lehnübersetzung: Hellseher (frz. clairvoyant), Einkaufszentrum (engl. shopping center), allmächtig (lat. omnipotens).
[Weihnachten] Die Christmette und Xmas
Heute, dank meines Bruders, ein bißchen Etymologie … Warum heißt es Christmette und nicht Christmesse?
Die beiden Formen haben, wider Erwarten, nichts miteinander zu tun:
Mette kommt von lat. laudes mātūtīnae, also ‘Morgenlob’. Irgendwann fiel das erste Wort weg und im spätlat. hieß es nur noch mattina. In dieser Form wurde es dann ins Althochdeutsche (500/750‑1050) entlehnt, wurde im Mittelhochdeutschen (1050–1350) zu mettî(ne), mettene und kam schließlich bei der heutigen Form an.
laudes mātūtīnae bezeichnete die erste Gebetszeit des Tages, sie wird auch Vigil oder Matutin genannt. Dieses Stundengebet wurde nachts verrichtet, frühestens um Mitternacht, und bezieht sich entsprechend auf den folgenden Tag. Es ist eigentlich keine Messe, also kein Gottesdienst mit Eucharistiefeier — dazu wurde nur die Christmette. Die ja jetzt vielerorts auch schon um 22 Uhr gefeiert wird.
Messe kommt von spätlat. missa ‘Gottesdienst’, das so ins Althochdeutsche entlehnt wurde und im Mittelhochdeutschen dann zu messe wurde.
Woher das lat. missa genau kommt, ist nicht ganz geklärt, Kluge nennt als gängige Hypothese, dass es von Ite, missa est. ‘Gehet, es ist entlassen!’ kommt, was vor dem Abendmahl gesagt wurde, um alle wegzuschicken, die nicht daran teilnehmen durften.
Von der kirchlichen Messe kommt übrigens auch die weltliche, über den Zwischenschritt ‘kirchliches Fest’ zu ‘Jahrmarkt, Großausstellung’.
Das englische mass ‘Gottesdienst’ hat denselben Ursprung wie Messe, Christmas entspräche also einem fiktiven *Christmesse für ‘Weihnachten’.
Zu Xmas gibt es grade einen kurzen Artikel bei der FAZ, der erklärt, woher das X kommt — vom griechischen Buchstaben Chi nämlich, mit dem das Wort Christus (‘der Gesalbte’) im Griechischen beginnt: Χριστός.
Liegestütz
Sprachblogleser und ‑kommentator Pierpaolo Frasa schickt mir folgende Beobachtung per Email und fragt sich, wie andere Leser/innen das sehen mögen: Weiterlesen
[Buchtipp] Täuschende Wörter
Schon lange mal wollte ich Euch Heike Olschanskys Buch “Täuschende Wörter”1 ans Herz legen. So lange schon, dass ich grade ein sehr intensives déjà-écrit-Erlebnis habe. Naja, hier auf jeden Fall nicht.
Das Buch ist ein Mini-Lexikon für Volksetymologien.
Eine Etymologie ist die Geschichte eines Wortes — woher es kommt und wie es sich im Lauf der Zeit verändert hat, lautlich und semantisch (also von der Bedeutung her).
Wenn man z.B. das heutige Wort Marschall nimmt und es zurückverfolgt, kommt man bei althochdeutsch marascalc raus, ‘Pferdeknecht’ (mar ‘Pferd’, scalc ‘Diener’ — da kommt übrigens auch der Gottschalk her!).
Wenn verschiedene Wörter auf einen gemeinsamen Stamm zurückgeführt werden können, so bezeichnet man sie als etymologisch verwandt und kann damit im Tutorium Angst und Schrecken verbreiten. (Etymologisch verwandt ist z.B. schneiden mit Schnitt oder frieren mit Frost.)
Für Etymologien gibt es etymologische Wörterbücher — für’s Deutsche z.B. den “Kluge”.2
Eine Volksetymologie kommt dann zustande, wenn ein Wort fälschlicherweise mit Wörtern zusammengebracht wird, mit denen es gar nichts zu tun hat. Klassisches Beispiel sind der Maulwurf und der Tollpatsch, daher lieber was anderes:
Der Schmetterling hat nichts mit schmettern zu tun sondern kommt wahrscheinlich von Schmettenling (ostmitteldeutsch), dessen erster Bestandteil wohl von Tschechisch smetana ‘Milchrahm’ herrührt3. Das hat dann seine Ursache darin, dass im Volksglauben Schmetterlinge oft mit Milchprodukten in Verbindung gebracht wurden — Olschansky führt an, dass sie sich angeblich gerne auf Milchgefäße setzen oder dass Hexen sich in Schmetterlinge verwandelten, um Milch und Rahm zu stehlen. Was lustigerweise auch am engl. butterfly zu sehen ist.
Weitere Erklärungen gibt’s im angepriesenen Buch, unter anderen für die Wörter Affenschande, Armbrust, Beispiel, Braten, Eichhörnchen, Eisvogel, Friedhof, …
Außerdem gibt es ein Kapitel zu Volksetymologien in anderen Sprachen und in Eigennamen und ein wunderbares Mini-Glossar von vier Seiten, das alle verwendeten Fachbegriffe auch für Laien verständlich macht.
Natürlich sind viele der Volksetymologien auch in einem normalen etymologischen Wörterbuch erklärt, aber dazu muss man sie alle erst einmal finden. Und Olschansky schreibt so angenehm lesbar und gleichzeitig ernsthaft wissenschaftlich (sie gibt z.B. alle bekannten Formen in älteren Sprachstufen an, manchmal sogar bis ins Indogermanische zurück), dass es eine Freude ist.
Also: Lesen!