Sprachlicher Imperialismus

Von Anatol Stefanowitsch

Im let­zten Beitrag hat­te ich verse­hentlich nicht auf das Inter­view mit Ver­fas­sungsrichter Di Fabio ver­linkt, son­dern auf einen Gastkom­men­tar meines Würzburg­er Kol­le­gen Nor­bert Richard Wolf in der Main­post. Da dieser Kom­men­tar äußerst lesenswert ist, hole ich hier offiziell eine nicht-verse­hentliche Ver­linkung nach.

Wolf drückt zunächst Zweifel an der Sinnhaftigkeit ein­er Ver­ankerung der deutschen Sprache im Grundge­setz aus und weist dann noch darauf hin, dass „Die anderen machen es aber auch“ in diesem Fall kein gutes Argu­ment ist: Weit­er­lesen

Sprachverleugnende Eliten

Von Anatol Stefanowitsch

Die Frage, ob die deutsche Sprache als Staatssprache im Grundge­setz fest­geschrieben wer­den soll, hat uns hier im Sprach­blog immer wieder beschäftigt, zulezt im Dezem­ber, als die CDU einen Parteitags­beschluss mit dieser Forderung fasste. Seit­dem ist auf der poli­tis­chen Bühne nichts weit­er geschehen und man durfte schon hof­fen, dass die Forderung der Partei (die bei der Bun­deskan­z­lerin auf wenig Gegen­liebe stieß), leise in der Versenkung ver­schwinden würde.

Doch nun ist die Debat­te neu aufge­flammt, weil der Ver­fas­sungsrichter Udo Di Fabio in einem Inter­view mit der Rheinis­chen Post dieser Forderung angeschlossen hat. Zunächst spricht er sich dage­gen aus, jed­er poli­tis­chen Mode Ver­fas­sungsrang zu geben: Weit­er­lesen

Ken Lee und der Dadaismus einer Fremdsprache

Von Kristin Kopf

Wenn die Klausuren vor­bei sind, gibt’s auch wieder wortre­ichere Ein­träge, versprochen.

Wom­it ich mich vom Ler­nen ablenke, kann man hier sehen:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=_RgL2MKfWTo&hl=de&fs=1]

Was mich vor allem fasziniert, ist die Ein­stel­lung zu Sprache, die dahin­ter­steck­en muss. Die Sän­gerin ist ja fest davon überzeugt, dass sie alles richtig singt — wahrschein­lich, weil sie es ihrer Mei­n­ung nach exakt so nachs­ingt, wie sie es gehört hat.
Dass das nicht reicht um ver­standen zu wer­den, weil man immer mit den Ohren sein­er Mut­ter­sprache hört, wurde ihr wohl erst später klar.

De Saussure

Von Kristin Kopf

Nur ein schneller Link … ein Artikel aus dem Times Lit­er­ary Sup­ple­ment über Fer­di­nand de Saus­sure, eine ganz große Fig­ur in der Sprach­wis­senschaft: The poet who could smell vow­els
Der Artikel ist eine Melange aus Biographis­chem und Lin­guis­tis­chem und vielle­icht eher für Leute inter­es­sant, die Saus­sure schon kennen.

Zehn „Geheimnisse“ der deutschen Sprache

Von Anatol Stefanowitsch

Auf Bild Online sind dieser Tage unter der Über­schrift „Die 10 Geheimnisse der deutschen Sprache“ zehn nicht sehr geheime Wis­sens­brock­en über die deutsche Sprache erschienen. Beim Lesen der Über­schrift habe ich Vor­freude über die Dummheit­en ver­spürt, die da wohl ste­hen wür­den und die ich hier zerpflück­en kön­nte. Aber beson­ders ergiebig war die Sache dann doch nicht. Nur bei ein paar Details liegt die Bild-Redak­tion offen­sichtlich daneben, der Rest ist etwas unge­nau oder schw­er nachvol­lziehbar aber nicht ein­deutig falsch. Da ich mir die Arbeit aber nun ein­mal gemacht habe, will ich die Ergeb­nisse mein­er Über­prü­fung trotz­dem teilen. Weit­er­lesen

Bücher für umsonst! (quasi)

Von Kristin Kopf

Hier kön­nen Studierende (meist sprach­wis­senschaftliche) Büch­er aus den Rei­hen narr stu­di­en­büch­er und bach­e­lor-wis­sen zum Testle­sen bestellen. Als Gegen­leis­tung füllt man ein ein­seit­iges For­mu­lar zum entsprechen­den Buch aus, und das war’s. (Wenn man das nicht macht, muss man doch noch bezahlen …)
Ich habe es aus­pro­biert, klappt alles ein­wand­frei, jet­zt besitze ich eine Ein­führung in die rus­sis­che Sprachwissenschaft.
Wer also schon immer mal DAS SCHWARZE BUCH haben wollte … los, los, los!

Update April 2009: Noch ein kurz­er Hin­weis darauf, dass das, was man in das For­mu­lar schreibt, vom Narr-Ver­lag auf sein­er Home­page dazu ver­wen­det wer­den kann, das entsprechende Buch zu bewer­ben. Mit vollem Namen und Studienort.

Rollmöpse und deutsche Sehnsucht

Von Anatol Stefanowitsch

Ich kann gar nicht sagen, was mich mehr erstaunt — die sprach­lichen Unter­gangsphan­tasien der Sprach­nör­gler vom Vere­in deutsche Sprache oder der sprach­liche Größen­wahn, der sich häu­fig im Umfeld der „schön­sten aus­ge­wan­derten Wörter“ breitmacht.

Auf der Web­seite des ZDF erfahren wir in dieser Woche:

110 Mil­lio­nen Mut­ter­sprach­ler, eine der wichtig­sten Sprachen Europas: Jet­zt wid­met sich eine Ausstel­lung im Deutschen His­torischen Muse­um Berlin „Der Sprache Deutsch“.

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Am Pascal seine Mutter

Von Kristin Kopf

Quelle

Im Schut­ter­tal spricht man Alemannisch.
Bas­t­ian Sick mag die Nase rümpfen wie er will und den Tod des Gen­i­tivs herbeischrei(b)en — im Ale­man­nis­chen (wie in vie­len deutschen Dialek­ten) gibt es ihn eh schon lange nicht mehr. In der Regel ste­ht dort, wo im Hochdeutschen ein Gen­i­tiv ste­ht, ein Dativ, und das gilt ganz beson­ders für Possessivkonstruktionen.

Pos­ses­sivkon­struk­tio­nen sind Kon­struk­tio­nen, mit denen man aus­drückt, dass jeman­dem etwas gehört. Dazu gibt es im Deutschen eine ganze Menge Möglichkeiten:

(1) Kristins Sprach­blog
(2) das Sprach­blog der Studentin 
(3) das Sprach­blog von Kristin
(4) von (der) Kristin das Sprachblog
(5) (der) Kristin ihr Sprachblog 

Die Vari­anten (1) — (3) sind stan­dard- und schrift­sprach­lich, sie kön­nen prob­lem­los in ela­bori­erten Tex­ten ver­wen­det werden.
Der Unter­schied zwis­chen (1) und (2) liegt darin, dass bei (1) der Pos­ses­sor (also die Per­son, die etwas besitzt) dem Pos­ses­sum (also das, was besessen wird) vor­angestellt ist, in (2) ist es umgekehrt. In der Regel nutzt man Kon­struk­tion (1) nur für Eigen­na­men und Eigen­na­menähn­lich­es wie Mama, Papa, Oma, Opa. In allen anderen Fällen greift dann Kon­struk­tion (2).
Kon­struk­tion (3) geht eigentlich nur für Eigen­na­men, ist also eine Alter­na­tive zu (1), son­st ist sie eher umgangssprach­lich (?Das Blog von der Stu­dentin, ?Das Haus vom Präsi­den­ten).

Jet­zt aber zu (4) und (5) — (4) wird vom Gram­matik-Duden als region­al und mündlich beze­ich­net, (5) ist “seit langem im gesamten deutschen Sprachraum nach­weis­bar […], eige­nar­tiger­weise bish­er nicht in die geschriebene Stan­dard­sprache aufgenom­men wor­den.” (S. 835)

Zurück zum Ale­man­nis­chen, das Kon­struk­tion (5) benutzt:
Im Schut­tertäler Dialekt wird die Entsprechung des hochdeutschen dem [de:m] als [dɛm] (unge­fähr dämm) real­isiert1. Allerd­ings fällt, wenn das Wort unbe­tont ist, oft das d am Anfang weg. Es wird also zu [ɛm] oder [əm].

Das Wort am wird als [ɔm] aus­ge­prochen (unge­fähr omm), aber manch­mal wird es noch weit­er reduziert, sodass es fast wie [əm] klingt.

Das wurde dem armen Schulkind, das den obi­gen Auf­satz geschrieben hat, zum Ver­häng­nis — es schrieb Frau Ehret ist am Pas­cal seine Mut­ter.

Die dialek­tale Pos­ses­sivkon­struk­tion wird natür­lich auch in der Umgangssprache ver­wen­det, die die Kinder in der Schule sprechen (und als Hochdeutsch beze­ich­nen). Dieser Umgangssprache des Kindes entsprechend wäre es also kor­rekt gewe­sen, dem Pas­cal seine Mut­ter zu schreiben, aber da es nicht mehr wusste, woher das zusam­mengeschrumpfte Wort kam, schrieb es schließlich am.
Der Lehrkraft war’s egal — hochsprach­lich muss Frau Ehret halt doch Pas­cals Mut­ter sein.

Die ver­link­te Seite gibt noch viel mehr dialek­tale Eigen­heit­en her, aber dazu ein ander­mal.

[23.4.09: Zu diesem Beitrag gibt es eine Ergänzung.]

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