Sprache in Scherben

Von Anatol Stefanowitsch

Judith Holofernes von Wir sind Helden ist ein poet­is­ches Genie, und „Kaputt“ vom Album „Sound­so“ ist ein­er ihrer besten Texte (Nör­gler, dibbe­d­abb & Co: das ist keine wis­senschaftliche Aus­sage, son­dern eine Mei­n­ung — die dür­fen Wis­senschaftler auch haben).

Aber der Refrain des Liedes birgt ein kleines sprach­wis­senschaftlich­es Rät­sel. So wird er auf der Web­seite der Band zitiert: Weit­er­lesen

[Surftipp] Wunderland Deutsch

Von Kristin Kopf

Es gibt auf der Welt ja auch noch andere Blogs — und eines davon will ich heute empfehlen: Wun­der­land Deutsch von Bar­bara Bauer. Eine sehr schön gemachte Seite, auf der es um die deutsche Sprache geht. Die Beiträge sind meis­tens kurz, sehr über­sichtlich und sehr gut zu lesen. Ich bin Anfang des Jahres drübergestolpert und habe ein bißchen herumgestöbert.

wunderland

Aus dem ersten Beitrag, darüber, was das Blog nicht will:

Zum anderen sind derzeit Strö­mungen zu bemerken, deren Zugang zur Sprache sich dadurch definiert, Fehler jeglich­er Art anzuprangern, sich darüber lustig zu machen und sich dadurch selb­st zu pro­fil­ieren. Beispiele sind etwa die Zwiebelfis­chkolum­nen von Bas­t­ian Sick, Lan­gen­schei­dts „Übelset­zun­gen“ und diverse Inter­net­seit­en, die sich über „Dep­pe­na­pos­tro­phe“, „Dep­pen­leerze­ichen“ usw. lustig machen. Nicht zu vergessen sind die ewigen Jam­mereien wegen des ange­blichen Ver­falls der deutschen Sprache, die gle­ich­falls hier­her gehören.”

Ja! Ja! Ja! An mein Herz!

Zum Ein­stieg empfehle ich:

  • Tem­pusse, Visas und Abstrak­tums (Zur Plu­ral­bil­dung bei Fremd­wörtern — dazu kommt von mir auch mal noch was. Angenehm ideologiefrei.)
  • Monat­sna­men (Ein Auf­tak­t­beitrag für 12 Posts zu den Monats­beze­ich­nun­gen — ein­fach unten auf “Monate” klick­en, um die Einzel­beiträge zu find­en. Es gibt sehr viel Ety­molo­gie auf der Seite.)
  • Die Reform von 1901 (Exem­plar­isch für die vie­len Beiträge zu his­torischen Ereignis­sen und wichti­gen Per­so­n­en in der Geschichte der deutschen Sprache und Sprachwissenschaft.)

That’s Greek to me!

Von Kristin Kopf

Heute ein Ver­weis auf das Lan­guage Log — und zwar genauer auf diesen Ein­trag mit einem Dia­gramm (gefun­den via StrangeMaps), das zeigt, welche Sprachen in welchen Sprachen als pro­to­typ­isch unver­ständlich betra­chtet wer­den. Als Quelle dient ein entsprechen­der Wikipedia-Ein­trag.

Es geht also darum, dass man sagt “Das klingt X für mich”, wobei X irgen­deine als unver­ständlich emp­fun­dene Sprache ist, und damit aus­drückt, dass man etwas nicht ver­ste­ht. Im Englis­chen ist es z.B. That’s Greek to me!

Das sieht alles sehr span­nend aus, allerd­ings fürchte ich, dass die einzel­nen Ein­träge noch ein­mal über­prüft wer­den müssten. Für Deutsch ist z.B. Spanisch einge­tra­gen, wegen Das kommt mir Spanisch vor — aber Das kommt mir Spanisch vor hat eigentlich nicht die Bedeu­tung ‘Ich ver­ste­he das nicht’, son­dern ‘Das ist mit sus­pekt, das kommt mir komisch vor’. (Ärg­er­licher­weise kommt das auch in der deutschen Wikipedia nicht richtig raus.)

Strange Maps hat zum Deutschen noch Kaud­er­welsch anzu­bi­eten und spekuliert, es beze­ich­nete vielle­icht Rätoro­man­isch. Das ist gar nicht so abwegig, Kluge ken­nt die The­o­rie auch — Welsch ist ja ein altes Wort für roman­is­che Sprachen. Im Deutschen wurde es eher abw­er­tend gebraucht, in der Schweiz wohl neu­tral. Trotz­dem ist es kein beson­ders gutes Beispiel für die Sprachen­samm­lung, denn erstens stellt man heute keinen Bezug zu ein­er bes­timmten Sprache mehr her, und zweit­ens hat es die zusät­zliche Bedeu­tung ‘Ich ver­ste­he es nicht weil es schlecht formuliert/ausgesprochen/… ist’. Entsprechend find­et es sich auch meist in abw­er­tenden Kon­tex­ten wie So ein Kaud­er­welsch! (Eine pos­i­tive Ver­wen­dung ist z.B. bei der Rei­he Kaud­er­welsch gelungen.)

Die gängig­ste Wen­dung bei uns ist völ­lig ohne Bezug zu Fremd­sprachen — Ich ver­steh nur Bahn­hof. Die deutsche Sprache scheint im Gegen­zug auch von kein­er anderen Sprache als beson­ders unver­ständlich wahrgenom­men zu werden …

In der Gesamt­sicht scheinen Griechisch und Chi­ne­sisch sehr beliebt zu sein. (Fachchi­ne­sisch gibt’s bei uns ja auch. Und Angler‑, Jäger‑, …latein.) Inter­es­sant, dass es bei­des Sprachen mit anderen Schrift­sys­te­men sind.

Der blinde Fleck der Lehnwortgegner

Von Anatol Stefanowitsch

Der Kon­feren­zstress ver­hin­dert es derzeit, dass ich regelmäßiger blogge, aber ich ver­spreche, dass sich das bald wieder ändert. Zum Glück brauchen die Sprachblogleser/innen mich nicht, um laut über Sprache nachzu­denken: die Diskus­sion zu meinem let­zten Ein­trag hat ger­ade die in diesem beschei­de­nen Blog eher sel­tene Gren­ze von 40 Kom­mentaren erre­icht. Die Diskus­sion hat sich vom ursprünglichen The­ma wegen­twick­elt (der Frage nach dem Ver­fas­sungsrang des Deutschen) und dreht sich nun um die Vor- und Nachteile von Lehn­wörtern (ich werde darauf ver­weisen, wenn ich das näch­ste Mal dafür kri­tisiert werde, dass ich zu viel über Anglizis­men schreibe).

Ein Argu­ment, das die Lehn­wort­geg­n­er in dieser Diskus­sion bre­it­treten ist das der Ver­ständlichkeit: Anglizis­men (und andere Lehn­wörter) seien deshalb schlecht, weil diejeni­gen, die deren Ursprungssprache nicht beherrschen, sie nicht ver­ste­hen kön­nten. Weit­er­lesen

Von der sluntrœr und der äffinn

Von Kristin Kopf

Heute will ich ein ganz altes Buch vorstellen: Das Buch der Natur. Kon­rad von Megen­berg beant­wortet alle Fra­gen, die die Men­schen im Mit­te­lal­ter quäl­ten, häu­fig mith­il­fe zuver­läs­siger Autoritäten wie Plin­ius oder Aris­tote­les. Darunter zum Beispiel:

Wie sieht es bei Tieren mit der Ver­mehrung aus?

  • diu kränchinn stêt, wenne si der kranch vogelt.
  • diu äffinn hât ain ding sam ain weip und der aff ainz sam ain hunt.
  • die störch tœtent iriu weip, diu êbrecherinn sint und sich niht gereinget habent in den wazzern nâch irr pôshait.

Warum bekommt man graue Haare?

daz hâr grâwet von der kel­ten des hirns, wenne diu nâtür­le­ich hitz sô krank wirt, daz si des hirns kel­ten nicht mag gesen­fti­gen, ez sei von alter oder von sor­gen oder von unfuor.

Und warum wer­den Män­ner kahl, Frauen aber nicht?

dar umb auch wer­dent die haizen man kal wenne si unkäusch pfle­gent, aber die frawen kalwent niht, dâ von daz si kel­terr nâtûr sint wan die man.

Wozu braucht man Augenbrauen?

Die augen­prâwe sint den augen nôt­dürftig, dar umb, wenn daz tier slâf, daz kain auzwendigz dinch in daz aug valle.

Was ist ein Echo?

Die stimm sint zwaier­lai: aineu ist hin­laufend, diu ander her­wider­laufend. diu hin­laufend ist die von dem ges­timten tier gêt hin­dan; diu wider­laufend die haizet ze latein echo, und geschi­ht wenn der ges­timt luft sich wider­stôzt an pau­men oder an häusern, die in ainem tal der­hœht sint und sô gele­gen sint, daz si den ges­timten luft ze samen hal­tent, daz er under der stimm form beleiben muoz.

Wozu ist eine Speis­eröhre gut?

Diu slun­trœr haizt ze latein ysoph­a­gus oder mery und ligt hin­den gegen dem hals. die rœrn haizt Aris­totiles des magen munt, dar umb, daz si rüert unz an der zun­gen ursprunch und nimt daz ezzen und daz trinken und tregt ez in den magen, daz ez diu nâtûr kocht und beraitt, daz ez nütz allen gelidern. 

Und wie war das mit der aus­gle­ichen­den Gerechtigkeit?

ez gêt auch daz kindel in die werlt des êrsten mit dem haupt. aber ez gêt wider auz der werlt des êrsten mit den füezen, wan man kêrt im die füez für, sô man ez ze grab tregt.

Das Buch ist ein wahrer Schatz, und ich habe den Ein­druck, dass man auch ein bißchen was davon ver­ste­hen kann, wenn man keine Ahnung von Mit­tel­hochdeutsch hat. 

Ein paar Hin­weise zur Schreibung:

  • <p> ist oft das heutige <b> — pôshait ‘Bosheit’, prâwe ‘Braue’, pau­men ‘Bäu­men’
  • <z> kann für heutiges <s> ste­hen — daz ‘dass’, muoz ‘muss’, füezen ‘Füßen’, ezzen ‘essen’
  • <e> kann für unser heutiges <ä> ste­hen — tregt ‘trägt’
  • <v> ste­ht oft für heutiges <f> - valle ‘falle’
  • Der Zirkum­flex zeigt an, dass ein Vokal lang ist.

Oh, und noch ein Dis­claimer, nicht dass ich mich Ver­stor­be­nen gegenüber poli­tisch inko­r­rekt ver­halte: Ich weiß, dass Kon­rad das nicht komisch gemeint hat und ern­stzunehmendes Wis­sen zusam­menge­tra­gen hat. Die ver­flosse­nen Jahrhun­derte haben allerd­ings einen gewis­sen Lustigkeits­fak­tor ins Spiel gebracht.

AschRmittwoch

Von Kristin Kopf

Ascher­mittwoch kommt von der Asche, die man auf’s Haupt streut, soweit, so trans­par­ent. Warum aber Aschermittwoch? Warum nicht Aschen­mittwoch oder Aschemittwoch?

Syn­chron betra­chtet, d.h. wenn man nur das heutige Deutsch anschaut, ist es nicht weit­er ver­wun­der­lich. Ein Ver­fahren der Wort­bil­dung ist es, zwei Wörter zu einem neuen zusam­men­zuset­zen. Das nen­nt man “Kom­po­si­tion”. Häu­fig steckt aber zwis­chen diesen bei­den Wörtern noch etwas — das Fugenele­ment. Laut Gram­matik-Duden kommt es bei 30% der deutschen Wörter vor (allerd­ings scheint es mir fraglich, wie man die Zahl der deutschen Wörter messen will, da Kom­po­si­tion ja pro­duk­tiv ist). Fugenele­mente nen­nt man all diese Heizungskeller, Rinderställe, Lampenschirme und Donau­dampf­schiff­fahrtsgesellschaftskapitänsmützen.

Vie­len von ihnen sieht man ihre Herkun­ft noch an — sie sehen alten Gen­i­tiv­for­men ähn­lich, wie zum Beispiel des Teufels Kerl > Teufelskerl. Die Uminter­pre­ta­tion als Erst­glied des Kom­posi­tums nen­nt man “Reanalyse”. Heute hat das Fugenele­ment keine gram­ma­tis­che Funk­tion mehr.

Allerd­ings kom­men die Fugenele­mente bei weit­em nicht alle von alten Gen­i­tiv­en — bei Heizungskeller sieht man es ganz gut, der Gen­i­tiv würde der Heizung heißen, im Plur­al Heizun­gen. Kein s weit und bre­it. Es muss nach dem Vor­bild ander­er Wörter, die ein Genitiv‑s hat­ten, in den Heizungskeller einge­wan­dert sein. (Das nen­nt man “Analo­gie”.)

Bei Lam­p­en­schirm ist es mehr eine Sin­n­frage. Zwar heißt es der Lam­p­en, aber ist ein Schirm wirk­lich für mehrere Lam­p­en da? Doch wohl kaum? Warum hätte es jemand mit dem Plur­al bilden sollen?

Warum wird also nur der Ascher­mittwoch dem Vor­wurf aus­ge­set­zt, dass er sich zu Unrecht mit seinem r schmückt, wenn doch sehr viele Kom­posi­ta zu frem­dem Mate­r­i­al greifen?

Weil er eine alte Form ist. Der Ascher­mittwoch hat­te sein r schon immer. Wie kann das sein, wenn es der Asche, Aschen heißt? Kluge erk­lärt: Es ist eine regionale Plu­ral­form. Ein Blick ins mit­tel­hochdeutsche Wörter­buch macht nicht viel schlauer — außer dass Asche damals zwar meist fem­i­nin war, aber auch maskulin sein kon­nte. Ich habe mich auf die Suche gemacht und ins rheinis­che, pfälzis­che, elsäs­sis­che, elsäs­sisch-lothringis­che und lux­em­bur­gis­che Wörter­buch geschaut — nichts, immer mit n. Der dig­i­tale Wenker-Atlas hat auch nicht geholfen, da ste­ht keine Asche drin. Schw­eren Herzens gebe ich also auf … zumin­d­est vorerst.

Grimms Wörter­buch ken­nt mit r übri­gens auch Ascher­brödel, ascher­far­big, Ascherkleid und Ascherkuchen.

Im rheinis­chen Wörter­buch von gestern find­en sich neben der hochdeutschen Form Ascher­mittwoch auch r‑lose For­men: Öschemeppeg und Äis­chemet­twouch.

Rasenmontag

Von Kristin Kopf

Den Rosen­mon­tag habe ich in weis­er Voraus­sicht fern von Mainz ver­bracht — was mich nicht daran hin­dert, mal wieder ein Blick ins ety­mol­o­gis­che Wörter­buch zu wer­fen. (Bei Olschan­sky ste­ht auch was dazu, ich hab sie nur nicht mit auf die Flucht genom­men. Und, natür­lich, bei den Grimms.)

Man ahnt es schon, mit Rosen hat der Tag nichts zu tun — im Rheinis­chen hieß er, laut Kluge, ursprünglich rasen(d)montag, wobei das Par­tizip Präsens rasend soviel wie ‘tol­lend’ bedeutete.1 Komisch, dass das a im Hochdeutschen zum o wurde? Das Rheinis­che Wörter­buch hil­ft: es gibt als Aussprache rōsənt an, und unter diesem Lem­ma find­et sich auch:

rose Mondag Fast­nachtsmon­tag Rip2 noch vielfach auf dem Lande, aber schon vielfach unter dem Ein­fluss der Stadt Köln Ruse­mondag ‘Rosen­mon­tag’ ”

Wahrschein­lich ist ruse ein­fach eine Aussprachevari­ante, das kon­nte ich bish­er noch nicht verifizieren.

Das Rheinis­che Wörter­buch ken­nt auch noch ein paar andere Mon­tage:

  • der schwere Mon­tag ist der Mon­tag “nach den hl. drei Köni­gen, an welchen früher alle Gemein­de­beamten usf. schwören mussten” — also schon wieder so ein falsch­er Fre­und, schwören hat im Rheinis­chen näm­lich viele ver­schiedene Vari­anten, darunter auch eine mit e
  • der goue Mon­tag ist der Mon­tag in der Karwoche
  • der bloən Mon­tag konkur­ri­ert mit dem Rosen­mon­tag, er beze­ich­net in eini­gen Regio­nen auch den Fastnachtsmontag

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Fastnachtsausbruch

Von Kristin Kopf

Es ist wieder soweit … geschmack­los verklei­dete Men­schen pinkeln geräuschvoll an die Hauswand. Und das ist erst der Anfang der Mainz­er Fast­nacht, liebevoll “Fasse­nacht” genan­nt. (Man kann übri­gens “Zug­plakettcher” in der Stadt kaufen.)
Grimms Wörter­buch charak­tierisiert die Fast­nacht char­mant als “die let­zte derb ausgenossene freszzeit vor dem beginn der faste”.

Aber woher kommt eigentlich die Beze­ich­nung? Die gängige Erk­lärung lautet immer, es sei eine Zusam­menset­zung aus “Fas­ten” und “Nacht”, also qua­si die Nächte vor der Fas­ten­zeit — aber ein Blick in Kluges Ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch ver­rät, dass es sich nur um eine Volk­se­t­y­molo­gie han­delt. In Wirk­lichkeit ist alles viel … mys­ter­iös­er. Die Herkun­ft ist näm­lich unklar.
Es muss ein­mal eine Form gegeben haben, die fasanaht hieß, wovon der zweite Teil schon ‘Nacht’ bedeutet, aber der erste nicht zuzuord­nen ist. Kluge spekuliert ein bißchen und ist dafür, dass es von ein­er indoger­man­is­chen Wurzel mit der Bedeu­tung ‘reini­gen, läutern’ kommt (*pwos-).
Diese wiederum kön­nte aber auch die Wurzel von fas­ten sein, *pwos-to- ‘rein, rechtschaf­fen, gewis­senhaft’. Also vielle­icht doch die Nacht vor dem Fas­ten? Hm …

Und was ist mit Karneval? Es kommt vom ital. carnevale, das auch wieder ein Herkun­ft­sprob­lem hat. Kluge schlägt eine Entwick­lung wie diese vor: lat. de carne levare ieiu­ni­um ‘von Fleisch weg­nehmen Fas­ten’ (Wort-für-Wort) > car­nel­e­vare > car­nel­e­var­i­um > carnevale.
Nach sein­er Erläuterung hat uns Kluge noch fol­gen­des zu bieten: “Täter­beze­ich­nung: Karneval­ist”.

Leave Luck to Heaven

Von Kristin Kopf

Was bedeuten eigentlich all die Namen japanis­ch­er Elektonik‑, Kam­era- und Autohersteller?

Ich war inves­tiga­tiv tätig … die meis­ten Infor­ma­tio­nen stam­men von den Fir­men­home­pages, einige von Wikipedia (aber ver­i­fiziert), und natür­lich waren auch eine Menge Wörter­büch­er beteiligt.

Toshi­ba 東芝 ist ein Klam­mer­wort, bei ein­er Fir­men­fu­sion zusam­menge­zo­gen aus tokyo shi­baura den­ki. Tokio düfte ja klar sein (heißt übri­gens ‘Osthaupt­stadt’), Shibau­ra ist ein Stadt­teil von Tokio und 電気 den­ki heißt ‘Strom, Energie’.

Suzu­ki スズキ heißt ganz lang­weilig nach dem Grün­der, Michio Suzu­ki (鈴木道雄)*.
Das einzige, was etwas über­rascht, ist die Schrei­bung. Im Japanis­chen gibt es näm­lich mehrere Schrift­sys­teme: Hira­gana und Katakana sind Schriften, bei denen für jede More (vere­in­facht kann man auch Silbe sagen) ein Zeichen ste­ht. Hira­gana wer­den für gram­ma­tis­che Infor­ma­tio­nen benutzt, Katakana meist für Fremdwörter.
Und dann gibt es noch die Kan­ji, Schriftze­ichen, die (wieder vere­in­facht gesagt) nicht Laute, son­dern Bedeu­tun­gen abbilden. Die benutzt man für Sub­stan­tive, Adjek­tive, Ver­ben … und auch Eigennamen.
Der Name Suzu­ki wird daher so geschrieben: 鈴木. Was er heißt, scheint nicht so klar zu sein … die englis­che Wikipedia schlägt ‘bell tree’ vor (ein Musikin­stru­ment?), ander­swo im Inter­net habe ich ‘Glyzinie’ gefun­den, und die japanis­che Wikipedia sagt, es wäre gar nicht ein­deutig gek­lärt. (Die The­o­rien zur Herkun­ft habe ich aber lei­der nicht ver­standen.) 木 heißt auf jeden Fall ‘Baum, Holz’.
Dass das Unternehmen sich jet­zt mit Katakana schreibt, statt mit den Kan­ji des Unternehmensgrün­ders, ist eine gängige Prax­is in Japan.

Toy­ota トヨタ macht es übri­gens genau­so, ist auch ein Fam­i­li­en­name, mit ger­ingfügiger Änderung (der Name lautet Toyoda), der heute in Katakana geschrieben wird. Der Grün­der heißt Sakichi Toy­o­da (豊田佐吉)*. Das Kan­ji 豊 heißt ‘reich, üppig’, 田 ste­ht für ‘Reis­feld’.

Bei Fuji­film 富士フイルム sind die ersten bei­den Zeichen Kan­ji, die let­zten vier Katakana — und endlich wer­den sie auch tat­säch­lich für ein Fremd­wort gebraucht. In Umschrift heißt der zweite Teil näm­lich fu-i-ru-mu ‘Film’.
富士 ist die Beze­ich­nung für den Berg Fuji, also recht sim­pel, aber warum nen­nt sich eine Fir­ma danach? Auf eine Anfrage habe ich fol­gende Antwort von Fuji bekommen:

In 1934, our first man­u­fac­tur­ing facil­i­ty was built at the near place of Mt. Fuji. Mt.Fuji is famous for its beau­ti­ful shape of moun­tain and we all Japan­ese peo­ple are proud of Mt.Fuji. Prin­ci­pal mem­ber who estab­lished our com­pa­ny in 1934, hoped that our com­pa­ny named after Mt.Fuji would be one of the best com­pa­nies in the world in future.”

Der Zusam­men­hang zwis­chen Berg und “one of the best com­pa­nies in the world” hat sich mir allerd­ings noch nicht ganz erschlossen.

Yama­ha ヤマハ - schon wieder so eine, die sich nicht mehr 山葉 schreibt, und nach ihrem Grün­der Torakusu Yama­ha (山葉寅楠)* benan­nt ist. 山 ist das Zeichen für ‘Berg’, 葉 ste­ht für ‘Blatt’.

Canon キヤノン ist ein span­nen­der Fall. Eine der ersten Kam­eras des Unternehmens hieß Kwanon, nach der bud­distis­chen Got­theit des Mit­ge­fühls. Nach dieser Kam­era wurde dann auch die Fir­ma benan­nt. Auf der Fir­men­home­page heißt es:

This title reflect­ed the benev­o­lence of Kwanon, the Bud­dhist God­dess of Mer­cy, and embod­ied the Company’s vision of cre­at­ing the best cameras in the world.”

Die Änderung in Canon erfol­gte 1935 zur besseren Ver­mark­tung, und natür­lich, damit man Weltbester wer­den konnte.

Mit­subishi 三菱 beste­ht aus den Zeichen mit­su ‘drei’ und 菱 hishi ‘Wasserkas­tanie’. Es han­delt sich dies­mal nicht um einen Fam­i­li­en­na­men — die Benen­nung erfol­gte vielmehr nach dem Fir­men­l­o­go, das das Fam­i­lien­wap­pen eines Clans war, bei dem der Fir­men­grün­der angestellt war. (Mehr hier.)

Die Bedeu­tung von Nin­ten­do 任天堂 wird in ver­schiede­nen Quellen angegeben mit ‘das Glück dem Him­mel über­lassen’, was wohl damit zu tun hat, dass die Fir­ma in ihren Anfän­gen Spielka­rten herstellte.

*Bei japanis­chen Namen wird der Nach­name zuerst genan­nt, daher in den Klam­mern die Rei­hen­folge Nach­name-Vor­name, jew­eils zwei Zeichen. Die Schrei­bung japanis­ch­er Namen kann man wun­der­bar in Jim Breens Onlinewörter­buch nach­schla­gen — ein­fach rechts ENAMDICT auswählen und ein Häkchen bei “Search using roman­ized Japan­ese” setzen.