Archiv der Kategorie: Schplock

In dieser Kat­e­gorie befind­en sich die Beiträge aus Kristin Kopfs Blog Sch­plock (2007–2012)

l‑Vokalisierung reloaded

Von Kristin Kopf

Nach meinem Beitrag zur l-Vokalisierung in schweiz­erdeutschen Dialek­ten haben sich natür­lich ein paar Schweiz­er zu Wort gemeldet – und mich dazu gebracht, meine Aus­führun­gen noch etwas zu dif­feren­zieren. Sie hat­ten näm­lich Prob­leme mit der Behaup­tung, l zwis­chen Vokalen werde vokalisiert. Ich hat­te ja geschrieben:

Fasst man die Regeln, die Haas (1983) nen­nt, zusam­men, so gilt die Vokalisierung immer …

  1. … nach Vokal, z.B. Sauz ‘Salz’, Soue ‘Sohle’, Taau ‘Tal’ und
  2. … wenn l der Sil­benkern2 ist, z.B. Fogu ‘Vogel’.

Bei Dop­pel-l wird auch dop­pelt vokalisiert, z.B. uuer ‘Teller’.

Nun habe ich Her­rn Haas wirk­lich sehr grob zusam­menge­fasst, indem ich als ersten Punkt ein­fach “nach Vokal” geschrieben habe. Hier nun die dif­feren­ziert­ere Fassung:

  1. … nach Vokal, z.B. Sauz ‘Salz’, Soue ‘Sohle’, Taau ‘Tal’
    (a) Beim ersten Beispiel, Salz > Sauz, han­delt es sich um ein l zwis­chen Vokal und Kon­so­nant,
    (b) beim zweit­en, Sohle > Soue, ste­ht es zwis­chen zwei Vokalen
    © und beim drit­ten, Tal > Taau, nach Vokal ganz am Wortende.
  2. … wenn l der Sil­benkern ist, z.B. Fogu ‘Vogel’
  3. Bei Dop­pel-l wird i.d.R. auch dop­pelt vokalisiert, z.B. uuer ‘Teller’.

Num­mer 1b ist der Fall, mit dem nicht alle ein­ver­standen waren. Begrei­flich, denn Haas schreibt dazu, dass es sich dabei um ein region­al eng begren­ztes Phänomen han­dle. Gölä bleibt meist Gölä und die von mir kreierte Vokauisierung hört man sich­er nur sel­ten (während Vokau für ‘Vokal’ ganz nor­mal ist, da er ja dem drit­ten Unter­punkt fol­gt – danke Pierpaolo!)

Nun habe ich lei­der kein patentes Mit­tel gefun­den, um dieses Gebi­et so richtig festzu­nageln. Ich habe einen Blick in den Sprachat­las der deutschen Schweiz gewor­fen, neben­her enorm viel über Schweiz­er Geografie gel­ernt und aus den Dat­en die fol­gende Karte kreiert:

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Was sich begeben vnnd zugetragen hat / in Deutsch:vnnd Welschlant …

Von Kristin Kopf

Ich lese ger­ade früh­neuhochdeutsche Zeitung­s­texte und muss sagen, ich wäre um eine Aus-aller-Welt- oder Panora­ma-Seite sehr dankbar. Es geht immer nur um die nervi­gen Evan­ge­lis­chen, die in stun­den­lan­gen Audien­zen und Res­o­lu­tio­nen Rechte fordern und manch­mal ein bißchen Krawall machen. Sehr sel­ten wird mal jemand erstochen oder ent­führt, Über­fälle von “See-” oder “Meer­raubern” wer­den zwar etwas öfter, aber nur in Hin­blick auf ihren wirtschaftlichen Schaden berichtet.

Aber auch wenn der Inhalt wenig abwech­slungsre­ich ist: Die Sprache macht alles wieder wett. Früh­neuhochdeutsch liest sich aus heutiger Per­spek­tive ein­fach sehr lustig, selb­st wenn es bit­ter­ernst gemeint ist. Ein sehr inter­es­san­ter Punkt sind dabei die zahlre­ichen Fremd­wörter lateinis­chen oder franzö­sis­chen Ursprungs, die es so nicht bis heute geschafft haben.

Da ist jemand darauf bedacht, das Kön­i­gre­ich selb­st zu defendirn, Weit­er­lesen

[Lesetipp] Kleine Auslese

Von Kristin Kopf

In let­zter Zeit habe ich einiges gele­sen, was ich euch nicht unver­linkt lassen will …

Lost in Trans­la­tion von Lera Borodit­sky (die auf dem Foto irgend­wie an Bones erinnert) …

… han­delt davon, ob Sprache die Art und Weise bee­in­flusst, wie wir denken. Die Autorin ist Psy­cholo­gin und hat eine ganze Menge span­nende Exper­i­mente zu solchen Fragestel­lun­gen gemacht, deren Ergeb­nisse in diesen Text ein­fließen. Wirk­lich sehr empfehlenswert. Auch wer sich nicht so für die The­o­rie dahin­ter inter­essiert, wird eine Menge faszinierende Details über Sprachen entdecken.

Do the lan­guages we speak shape the way we think? Do they mere­ly express thoughts, or do the struc­tures in lan­guages (with­out our knowl­edge or con­sent) shape the very thoughts we wish to express?

(Gefun­den bei Lan­guage Log.)

Von Duden-DNA und ein­er Außerirdis­chen­sprache von Stephan Matthiesen …

… ist eine ganz ungewöhn­liche Art von Artikel: ein Bericht über einen wis­senschaftlichen Work­shop (“Lan­guage as an Evo­lu­tion­ary Sys­tem”). Matthiesen gibt einen Überblick über die ver­schiede­nen Stand­punk­te und Forschungsan­sätze und liefert am Ende sog­ar Links und Lit­er­aturhin­weise: Respekt.

Ob und wie sich das Konzept Evo­lu­tion auf Sprache über­tra­gen lässt, ist noch völ­lig offen. Ein Work­shop brachte kür­zlich ver­schiedene Ansätze zusam­men: Was formt unsere Sprachen?

(Via André auf Face­book und Andre per Mail.)

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Über die Vokauisierung

Von Kristin Kopf

Ich war ja kür­zlich in der Schweiz und habe mir ganz fasziniert zahlre­iche schweiz­erdeutsche Dialek­te ange­hört. Ganz beson­ders auf­fäl­lig in der Phonolo­gie fand ich vier1 Dinge und von diesen vieren kan­nte ich eines noch nicht: das vokalisierte l. Lest ein­fach mal …

[…] D’r Himu vou Wouche
U äs rägnet, was es abe mah,
Nume im Schoufän­schter vom
Reisebüro
Schi­int d’Sunne no.

Hät­ti Flügu zum Flüge
Flug i mit de Vögu furt
U chiem nie meh hei.
I’nes Land ohni Näbu, ohni Räge,
I’nes Land wo si Sunne hei…
I gieng hüt no …. uf u dervo,
Eifach uf u der­vo. […] Weit­er­lesen

Lilliput “Badisch”?

Von Kristin Kopf

Ich habe mir kür­zlich das Lil­liput-Wörter­buch Badisch gekauft – weil’s an der Kasse stand. (Nein, bei Schoko­riegeln falle ich nicht drauf rein.) Und ich bin wider Erwarten recht zufrieden damit. Natür­lich hat es wenig prak­tis­chen Nutzen, aber es ist ganz lustig und scheint mir ordentlich gemacht. Die Ein­träge richt­en sich nach dem Karl­sruher Dialekt und wer­den gele­gentlich durch kleine Infobox­en vervollständigt.

Solche Spaßpro­jek­te lis­ten ja meist eine Vielzahl von Wörtern auf, die max­i­mal scherzhaft, meist aber gar nicht benutzt wer­den. Das Badisch-Wörter­buch hält sich damit angenehm zurück. Es gibt zwar gele­gentlich welche (z.B. Drod­dwar­be­laaidi­ger ‘Trot­toir­belei­di­ger’ für ‘große Schuhe’) , aber die meis­ten Ein­träge sind wirk­lich brauchbar.

Die Texte der Infobox­en sind meist klug geschrieben – hier sei stel­lvertre­tend der Ein­trag Deb­bich ‘Tep­pich, Decke’ zitiert (zum sel­ben The­ma beim Sch­plock):

Im Badis­chen hat man in seinem Bett einen Deb­bich, um sich damit zuzudeck­en. Auch ins Schwimm­bad nimmt man einen Deb­bich als Liegedecke mit. Und wenn ein richtiger Fuß­bo­den­tep­pich schmutzig ist, dann bear­beit­et man ihn mit einem Deb­bich­baddsch­er, einem Teppichklopfer.

Was ich etwas prob­lema­tisch finde: Das Wörter­buch erhebt im Titel den Anspruch, für das “Badis­che” zu gel­ten – das ist aber kein ein­heitlich­er Dialekt. Man benutzt die Beze­ich­nung für alle Dialek­te des früheren Lands Baden, eine Sam­mel­beze­ich­nung also.

Das Büch­lein gibt das zwar freimütig zu, aber ein bißchen geschum­melt wirkt es doch: Eigentlich ist es nur ein süd­fränkisches Wörter­buch – deckt also den Bere­ich ab, der hier pink ist: Weit­er­lesen

Ibere Ittume-Inglische ine ‑Ialektde

Von Kristin Kopf

[Gegenüber dem Orig­i­nal leicht verändert.]

Let­zte Woche habe ich Peter Hafen getrof­fen. Er ist der erste Vor­sitzende des Bern­er Mat­teänglisch-Clubs (mit der char­man­ten Abkürzung Mäc). Die Geheim­sprache Mat­teänglisch hat er in sein­er Schulzeit – wie schon sein Vater und sein Groß­vater – von seinen Klassenkam­er­aden gel­ernt. Die fol­gen­den Erk­lärun­gen basieren teils auf seinen Erzäh­lun­gen, teils auf dem Mäc-Buch Mat­teänglisch. Geschichte der Mat­te. Dialekt und Geheim­sprache von Stirnemann.

Mat­teenglisch ent­stand im Bern­er Mat­te­quarti­er und basiert auf dessen Dialekt, dem Mat­te­di­alekt (oder Mat­te-Bern­deutsch) – der vie­len auch schon wie eine Geheim­sprache vorgekom­men sein dürfte, aber nicht mit ihr ver­wech­selt wer­den sollte.

Der Mattedialekt als Soziolekt

Die Mat­te ‘Wiese’ ist ein beson­der­er Stadt­teil Berns: Sie liegt in der Fluß­biegung der Aare direkt am Wass­er – und über 30 Meter unter dem Rest der Stadt. Hier waren früher vor allem Schif­fer und Handw­erk­er ange­siedelt, später dann auch Indus­trie­un­ternehmen und ihre Arbeiter.

Lage der Mat­te in Bern – Quelle: Tschub­by (cc-by-sa, bearbeitet)

In der Mat­te kon­nte sich durch zwei Bedin­gun­gen ein sehr eigen­ständi­ger Dialekt entwick­elt: Weit­er­lesen

[Schplock goes English] How to pronounce German ö and ü

Von Kristin Kopf

Wel­come to Schplock’s first Eng­lish post – a tuto­r­i­al on round­ed front vow­els, name­ly <ö> and <ü>. Impa­tient read­ers might want to skip the more the­o­ret­i­cal first “half” and jump right to the DIY-part below.

What is round in a rounded vowel?

Round­ed vow­els are gen­er­al­ly pro­duced by form­ing a cir­cle with your lips. Or more technically:

Lip round­ing involves draw­ing the cor­ners of the lips togeth­er and pro­trud­ing the lips for­ward from their nor­mal rest posi­tion. (Mad­dieson 2008)

That’s a very com­mon prop­er­ty in back vow­els (pro­duced by putting your tongue some­where in the back of your mouth) like

  • [o] which does­n’t exist in Eng­lish, but you may know it from French eau ‘water’, Ital­ian sole ’sun’ or Span­ish tomar ‘take’,
  • [ɔ] in thought,
  • [u] in goose and
  • [ʊ] in book.

An extreme­ly sim­pli­fied ver­sion of where those sounds are pro­duced can be found in the fig­ure to the right.

In Ger­man, those four sounds dif­fer not only in tongue posi­tion, but also in length: the “lax” vow­els /ɔ/ and /ʊ/ are always short, the “tense” vow­els /o/ and /u/ are always long.

Front vs. back

Round­ing in front vow­els is pret­ty rare in the world’s lan­guages. The prop­er­ty can be found in only 37 of the 526 lan­guages con­sid­ered for the cor­re­spond­ing WALS-map. Only 23 of these pos­sess both high (i.e. ü) and mid (i.e. ö) round­ed front vow­els.1

Source: Ian Mad­dieson, World Atlas of Lan­guage Struc­tures. CC BY-NC-ND.2 (Click for a larg­er version)

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Graf Zahl bei XKCD

Von Kristin Kopf

Der aktuelle XKCD mit Graf Zahl:

Eins! Ah ah ah … Zwei! Ah ah ah … … viele! Ah ah ah … – Prim­i­tive Kul­turen entwick­eln Sesamstraße.”

Es gibt tat­säch­lich Sprachen, in denen es nur sehr wenige Zahlwörter gibt, die sowas wie 1, 2 und ‘viele’ (alles ab 3) bedeuten. Ich würde das allerd­ings nicht “prim­i­tiv”, son­dern extrem span­nend nen­nen. WALS, der World Atlas of Lan­guage Struc­tures, lis­tet 20 Sprachen mit solchen eingeschränk­ten (“restrict­ed”) Zahlen­sys­te­men auf: Weit­er­lesen

Häppscher und andere Kleinigkeiten

Von Kristin Kopf

Vor einiger Zeit habe ich über Kuriositäten wie Kinderlein und Häusercher spekuliert. Das sind For­men, bei denen trotz Verkleinerung ein Plur­al gebildet wird. In Mainz ist man bei solchen Späßen voll dabei:

Meenzer Häppscher

Süpp­sch­er als Meen­z­er Häppscher

Wo es im Stan­dard­deutschen das Häppchendie Häppchen heißt, die Endung -chen bei der Mehrzahlbil­dung also unverän­dert bleibt, sagt man auf Rhein­hes­sisch ’s Häppsche(n) die Häppscher.

Ob und wie der Plur­al bei Verkleinerungs­for­men (“Diminu­tiv­for­men”) markiert wer­den kann, hängt vom Dialekt ab. Dazu habe ich euch mal eine bunte Karte gebastelt, die für die hochdeutschen Mundarten die For­men für Apfel­bäum­chen im Plur­al zeigt: Weit­er­lesen