Archiv der Kategorie: Schplock

In dieser Kat­e­gorie befind­en sich die Beiträge aus Kristin Kopfs Blog Sch­plock (2007–2012)

Falsche Freunde und wahre Worte

Von Kristin Kopf

2009-04-25-fauxamisKür­zlich habe ich eine schöne Liste mit falschen Fre­un­den aus dem Mit­tel­hochdeutschen gefun­den. “Falsche Fre­unde” ken­nt wahrschein­lich jed­er aus der Schule – Wörter, die sich täuschend ähn­lich sehen/täuschend ähn­lich klin­gen, aber völ­lig ver­schiedene Bedeu­tun­gen haben. Meis­tens entste­hen sie dadurch, dass zwei Sprachen ein und das­selbe Wort unter­schiedlich behan­deln – es kommt zu Bedeu­tungsverän­derun­gen, die nicht par­al­lel ver­laufen. (So macht z.B. das Englis­che aus einem ger­man­is­chen Wort etwas anderes als das Deutsche, ver­gle­iche gift ‘Geschenk’ und Gift.) Oder aber eine Sprache entlehnt ein Wort und es bekommt eine leicht (oder radikal) andere Bedeu­tung. (So z.B. ein franzö­sis­ches Lehn­wort im Deutschen.)

Falsche Fre­unde” im Mit­tel­hochdeutschen sind eigentlich nur die Vorgänger unser heuti­gen Wörter, bevor sie all die Bedeu­tungsver­schiebun­gen durchgemacht haben. Die Gefahr, dass wir sie in ihrer heuti­gen Bedeu­tung ver­ste­hen ist natür­lich beson­ders groß, weil es sich ja um eine Vorstufe des heuti­gen Deutschen han­delt und es erstaunlich oft ganz gut klappt, die neuhochdeutsche Bedeu­tung zu nehmen.

Ein paar willkür­liche Beispiele aus der Liste, wie immer mit ein­er Vernei­gung vor Kluges Ety­mol­o­gis­chem Wörterbuch:

Mit den Sinnen denken

Das mit­tel­hochdeutsche betraht­en ‘bedenken, erwä­gen, aus­denken’ bekam im Früh­neuhochdeutschen den Bedeu­tungszusatz ‘beim Anschauen erwä­gen’, machte also eine Bedeu­tungsv­eren­gung mit. Schließlich nahm der Aspekt des Anschauens über­hand, sodass betra­cht­en heute ‘anschauen’ heißt. Das Ele­ment des Nach­denkens find­et man noch im Wort Betra­ch­tun­gen. Solche Bedeu­tungsver­schiebun­gen passieren sehr häu­fig mit Wahrnehmungsver­ben und Ver­ben, die kog­ni­tive Vorgänge beschreiben (begreifen und erfassen z.B. kom­men aus der anderen Rich­tung, sie beze­ich­neten ursprünglich das konkrete Anfassen, beziehen sich jet­zt aber auf das Verstehen).

My home is my castle

ellende ‘fremdes Land, Fremde’ ist tat­säch­lich der Ursprung für unser heutiges Elend. Das Wort Land steckt sog­ar noch drin: Im West­ger­man­is­chen gab die Bil­dung *alja-landja- ‘außer Lan­des seiend’. Im Althochdeutschen fällt der Umlaut über das Wort her und macht elilen­ti daraus.1

Im Aus­land zu sein war ein­stens kein Spaß, meist war man da, weil man ver­ban­nt war – und so kam es, dass das Wort die Bedeu­tung ‘Unglück, Jam­mer’ annahm. Es hat also eine Bedeu­tungsver­schlechterung mitgemacht.

Das ist nicht witzig!

Das Wort witze heißt im Mit­tel­hochdeutschen ‘Wis­sen, Ver­stand, Besin­nung, Ein­sicht, Klugheit, Weisheit’. Es ist eine Ableitung von wis­sen. Im 17. Jahrhun­dert hat das franzö­sis­che Wort esprit auf den Witz eingewirkt, das sich in der Bedeu­tung mit ihm über­schnitt, aber zusät­zlich das ‘geistre­iche’ Ele­ment besaß. (Das nen­nt man Lehnbe­deu­tung: Ein vorhan­denes Wort entlehnt eine Bedeu­tung von einem Wort aus ein­er anderen Sprache.) So bekam Witz bald die Bedeu­tung ‘geistre­iche For­mulierung’ und im 18. Jahrhun­dert mussten Witze nicht mehr geistre­ich sein, das Wort hieß nur noch ‘Scherz’. So kann der Intellekt in den Schmutz gezo­gen wer­den … der Unter­gang des Abend­lan­des ist nahe …

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Schuttertal revisited

Von Kristin Kopf

(Ergänzun­gen zu: Am Pas­cal seine Mut­ter | Wer­be­hefter für Motogross­ren­nen)

Nach­dem ich gestern – nicht primär für das Sch­plock – eine Stunde vor dem Regal mit Dialek­tbeschrei­bun­gen in der Insti­tuts­bib­lio­thek ges­tanden habe, gibt es noch ein paar Kleinigkeit­en zum Ale­man­nis­chen nachzu­tra­gen, lustiger­weise aus einem Buch, das Lehrerin­nen helfen soll, Dialek­te­in­flüsse aus dem Ale­man­nis­chen zu erken­nen und die Schüler dafür zu sen­si­bil­isieren. Darin wer­den Schüler­fehler analysiert und erk­lärt, also sehr ähn­lich wie das, was ich hier gemacht habe. Dann mal los:

Am Pascal seine Mutter …

… scheint ein beliebter Fehler zu sein. Zur Erin­nerung: dem wird dialek­tal so aus­ge­sprochen, dass es nur noch wie äm oder am klingt, weshalb das Kind hier am Pas­cal statt dem Pas­cal geschrieben hat. (Dass die Namen Artikel haben, ist ja auch über das Ale­man­nis­che hin­aus verbreitet.)

Das Buch hat ein Beispiel, in dem es eigentlich um die falsche Flex­ion von Her­rn geht, wo es auch zu ein­er solchen Rein­ter­pre­ta­tion kam:

(1) wir woll­ten im Herr Lehrer die Hose zunähen ‘wir woll­ten dem Her­rn Lehrer die Hose zunähen’

Der reduzierte Vokal vor dem [m] wurde hier als [i] analysiert, in meinem Pas­cal-Beispiel als [a], aber der Effekt ist sehr ähnlich.

Werbehefter für Motogrossrennen

Das Büch­lein gibt noch eine ganz ordentliche Aus­beute an Sub­stan­tiv­en her, die im Ale­man­nis­chen den Plur­al mit -er bilden, im Hochdeutschen aber nicht. Im Orig­i­nal­beitrag habe ich ja schon Heft Hefter und StückStück­er genan­nt, die kom­men in der Liste auch vor, und zusät­zlich gibt es:

  • Stein – Steiner
  • Seil – Seiler
  • Bein – Beiner
  • Ding – Dinger
  • Geschenk – Geschenker
  • Scheit – Scheiter
  • Bett – Better
  • Geschäft – Geschäfter
  • Hemd – Hemder
  • Spiel – Spieler
  • Gewicht – Gewichter
  • Men­sch – Menscher
  • Geschmack – Geschmack­er (kommt mir ohne Umlaut selt­sam vor)
  • Unglück – Unglücker
  • Schick­sal – Schick­saler (kommt mir ohne Umlaut selt­sam vor)
  • Gewehr – Gewehrer
  • Geschirr – Geschirrer
  • Hag – Häger
  • Brot – Bröter
  • Ross – Rösser
  • Ort – Örter

Nicht alle davon ver­wen­det man im Schut­ter­tal, aber sehr viele kom­men mir sehr ver­traut vor.

Dagegen ist kein Mittel gewachsen

Von Kristin Kopf

Auf der Fahrt zur DGfS-Tagung im März fiel mir fol­gen­des “Falt­blatt Ihr Reise­plan” in die Hand:
mittelgewachsen1

Es dauerte eine ganze Weile, bis mir klar wurde, woher mein Unbe­ha­gen stammte: Statt kein Kraut gewach­sen ste­ht in der Wer­beanzeige kein Mit­tel. Selt­sam, zumal es um ein pflan­zlich basiertes Mit­tel geht, Kraut also vol­lkom­men angemessen gewe­sen wäre. Lange habe ich mir den Kopf darüber zer­brochen, ob es nun Absicht (dazu schien es mir zu unauf­fäl­lig) oder ein Verse­hen (dazu schien es mir zu pro­fes­sionell) war. Oder ob sich die Wen­dung gar verän­dert? Let­zteres ist schnell über­prüf­bar, eine kurze Googelei führt zu 39 Tre­f­fern1 für “kein Mit­tel gewach­sen” – ein paar Kostproben:

Die Suche nach “kein Kraut gewach­sen” erzielt hinge­gen 38.500 Tre­f­fer – sieht also so aus, als sei es eher ein Versprecher/Verschreiber als ein Wan­del­prozess. Wie kamen die Leute aber auf Mit­tel, warum wird die Ver­tauschung doch rel­a­tiv häu­fig gemacht?

Wahrschein­lich hat das mit anderen Wen­dun­gen zu tun, die etwas ähn­lich­es aus­drück­en wie dage­gen ist kein Kraut gewach­sen, z.B. da(gegen) hil­ft kein Mit­tel, es gibt kein Mit­tel gegen X, etc. Die große inhaltliche Ähn­lichkeit führt dazu, dass Kraut leicht gegen Mit­tel aus­ge­tauscht wer­den kann. Das nen­nt man “Kon­t­a­m­i­na­tion”. Weit­ere Beispiele2 sind:

(1) Sei mir nicht übel. < Sei mir nicht böse + Nimm’s mir nicht übel

(2) Er ist mit auf die Pelle getreten. < Er ist mir auf die Pelle gerückt + Er ist mir auf die Füße getreten

Das Wele­da-Rät­sel ist übri­gens gelöst, das Unternehmen hat mir auf eine Anfrage geantwortet:

Es wurde in der Wer­beanzeige für Fer­rum phos­pho­ricum comp. absichtlich „Kraut“ durch „Mit­tel“ erset­zt, weil es ein wenig irri­tiert wodurch die Aufmerk­samkeit erhöht wird.

Trau­rige Nachricht­en, macht mich das doch zum unwilli­gen Werkzeug der Wer­bekam­pagne. Glück­licher­weise ist die Erkäl­tungs­sai­son erst­mal vor­bei, sodass sich hier hof­fentlich auch nie­mand bewor­ben fühlt.

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[Surftipp] Jenseits von ASCII

Von Kristin Kopf

Mal wieder ein Link, während ich noch auf eine Mail warte, die Infor­ma­tio­nen für den näch­sten inhaltlichen Beitrag liefern soll. Über Strange Maps gefun­den: Eine Karte mit ein­er Über­sicht über Son­derze­ichen in den Zeichen­sätzen europäis­ch­er Sprachen:

2009-04-20-ascii

Die Größe der Län­der ori­en­tiert sich an der Zahl der über Ascii hin­aus­ge­hen­den Zeichen ein­er Sprache, ein beliebtes Prinzip. Ein Wort der War­nung: Dass ein ungewöhn­lich­es Zeichen sich im Zeichen­satz befind­et, heißt noch lange nicht, dass es in der entsprechen­den Sprache unun­ter­brochen in Ver­wen­dung ist.

Man kann sich die Karte als Pdf herun­ter­laden oder sog­ar als Poster zuschick­en lassen.

2009-04-20-niederl

Willkür­lich her­aus­gepickt will ich ein bißchen was zum Nieder­ländis­chen sagen: Es hat sämtliche Vokale mit zwei Punk­ten drüber. Das sind aber nicht, wie im Deutschen für <ä, ö, ü>, Umlautze­ichen, d.h. man spricht sie nicht anders aus als <a, o, u>. Die Punk­te dienen vielmehr dazu, die Wort­struk­tur anzuzeigen und heißen Trema.

Die nieder­ländis­che Wikipedia zum Trema:

Het trema of deel­teken is een spelling­steken dat bestaat uit twee pun­t­jes die boven een klink­erteken wor­den gezet. Het trema geeft aan dat de ermee gemar­keerde klink­er het begin is van een nieuwe let­ter­greep en dus niet moet wor­den gelezen als zou hij samen met de er aan vooraf­gaande letter(s) een klank weergeven, zoals in knieën.

[Meine eilige Über­set­zung: Das Trema oder der Tren­npunkt ist ein Schriftze­ichen, das aus zwei Punk­ten beset­zt, die über Vokalze­ichen geset­zt wer­den. Das Trema zeigt an, dass der damit markierte Vokal den Anfang ein­er neuen Silbe darstellt und somit nicht so gele­sen wer­den darf, als würde er gemein­sam mit dem/den vor­ange­hen­den Buch­staben einen Laut wiedergeben, wie in knieën ‘Knie (Plur­al)’.]

Ein Wort wie nieder­ländisch knie ‘Knie’ (gesprochen fast wie im Deutschen) wird im Plur­al also in die Sil­ben knie-ën geteilt. (Im Deutschen sagen wir ja ein­mal “kni” und ein­mal “kni-je”, schreiben es aber bei­de Male gle­ich.) Beispiele für das Trema (aus dem Wikipediaeintrag):

  • <ä> tetraëder ‘Tetraed­er’
  • <ë> con­ciërge ‘Haus­meis­terIn’
  • <ï> egoïsme ‘Ego­is­mus’
  • <ö> coör­di­natie ‘Koor­di­na­tion’
  • <ü> reünie ‘Tre­f­fen’

Die so markierten Buch­staben wer­den also genau­so gesprochen wie ihre punk­t­losen Kol­le­gen, die Punk­te dienen nur der Silbentrennung.

Fälle, in denen die bei­den Punk­te wirk­lich einen Umlaut darstellen und somit einen ander­sklin­gen­den Laut beze­ich­nen, gibt es zwar auch, aber nur sehr wenige, näm­lich Fremd­wörter aus dem Deutschen, wie:

  • <ä> salon­fähig, einzel­gänger
  • <ö> fremd­kör­p­er
  • <ü> glüh­wein, über­haupt

Im Deutschen hinge­gen gibt es Trema­ta (d.h. in ihrer Nicht-Umlaut-Funk­tion) nur bei Eigen­na­men (i.d.R. aus anderen Sprachen) wie Cit­roën aus dem Franzö­sis­chen. Trema­ta auf <a, o, u> gibt es meines Wis­sens keine, es beste­ht also keine Verwechslungsgefahr.

[Surftipp] Müller, Meier, Hassdenteufel

Von Kristin Kopf

Müller, Meier, Has­s­den­teufel – Was unsere Namen ver­rat­en” ist ein Radiobeitrag über Fam­i­li­en­na­men, gemacht von Studieren­den des jour­nal­is­tis­chen Sem­i­nars der Uni Mainz. Gesendet wurde er zwar schon im Jan­u­ar, aber die Inhalte sind auch im Inter­net abruf­bar. Inter­viewt wur­den vor allem die Mitar­bei­t­erin­nen des DFG-Pro­jek­ts Deutsch­er Fam­i­li­en­na­me­nat­las, und wenn man noch nichts über Namenkunde weiß, ist das auf jeden Fall sehr span­nend. Alle Beiträge kön­nen hier gehört und geschaut werden:

2009-04-17-hassdenteufel

Werbehefter für Motogrossrennen

Von Kristin Kopf

Neues aus Schut­ter­tal … nach­dem wir alles über am Pas­cal seine Mut­ter wis­sen, geht es heute um Frau Schwab und das, was sie so macht:

Näm­lich Wer­be­hefter.

Im Hochdeutschen gibt es zwar das Wort der Hefter (Plur­al: die Hefter), das eine Mappe zum Ein­heften beze­ich­net (oder gele­gentlich einen Tack­er). Wahrschein­lich wurde es aus dem Verb­stamm von heften und der Endung -er gebildet, so wie Bohrer aus bohren+er, Steck­er aus stecken+er, und so weiter.

Dieses Wort ist hier aber nicht gemeint, es geht vielmehr um Prospek­te, also Werbehefte. Der Plur­al auf -er bei diesem Wort ist eine dialek­tale Eigen­heit: KindKinder, LiedLieder, GliedGlieder, … im Hochdeutschen gibt es eine ganze Gruppe von Wörtern mit Plur­al auf -er.

In Dialek­ten gibt es zwar meist diesel­ben (oder sehr ähn­liche) Arten der Plu­ral­bil­dung, aber es müssen nicht unbe­d­ingt diesel­ben Wörter in diese Grup­pen gehören. Im Schut­ter­tal gehört HeftHefter ganz reg­ulär zur Gruppe mit -er-Plur­al, während es im Hochdeutschen zur Gruppe mit -e-Plur­al gehört (wie Beete, Stifte, Wege, …). Auch mit dabei: StickSticker ‘Stücke’.1

Gut möglich, dass die Ver­wen­dung von Hefter als Plur­al von Heft noch zusät­zlich durch das vorhan­dene hochdeutsche Wort Hefter gestärkt wird, das ja auch eine sehr ähn­liche Bedeu­tung hat.

[23.4.09: Zu diesem Beitrag gibt es eine Ergänzung.]

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[Ostern] Ostern

Von Kristin Kopf

Ostern ist nicht nur ety­mol­o­gisch inter­es­sant, son­dern auch vom Wort­ma­te­r­i­al her: Es gab ein­mal einen Sin­gu­lar, die Oster, heute ist aber nur noch der Plur­al Ostern gebräuch­lich. Den man gele­gentlich auch wieder als Sin­gu­lar ver­wen­den kann: das Ostern.

Ostern 1987 - noch kein Interesse an Etymologien

Ostern 1987 – noch kein Inter­esse an Etymologien

Woher das Wort kommt, ist nicht so ein­deutig. Es ist auf jeden Fall ver­wandt mit Osten als dem Ursprung der Sonne und bezieht sich wahrschein­lich auf eine vorchristliche Got­theit der Mor­gen­röte, auf jeden Fall aber auf das Länger­w­er­den der Tage und den Früh­ling. Mor­gen­röte, Aufer­ste­hung, der Weg war nicht weit und die Über­tra­gung auf das christliche Fest schnell erledigt. Im Althochdeutschen hieß das Fest ôst(a)râ, im Mit­tel­hochdeutschen ôster. Der Monat April hieß übri­gens früher ein­mal ôster­mânôth, ange­blich so benan­nt durch Karl den Großen. (Zu den Monat­sna­men auch: Wun­der­land Deutsch.)

Die europäis­chen Sprachen sind, was Ostern ange­ht, nicht so variantenreich:

  • Das Englis­che hält es mit dem Deutschen (East­er).
  • Die meis­ten Sprachen haben aus dem Hebräischen/Aramäischen entlehnt (ich zitiere keine Urform, da ich keine zuver­läs­sige Quelle habe), und zwar die Beze­ich­nung des jüdis­chen Pes­sach-Festes, mit dem Ostern nicht von unge­fähr zeitlich und kausal in Bezug ste­ht: Dänisch (Påske), Spanisch (Pas­cua), Finnisch (Pääsiäi­nen), Franzö­sisch (Pâques), Ital­ienisch (Pasqua), Nieder­ländisch (Pasen), Nor­wegisch (Påske), Rumänisch (Paşti), Rus­sisch (Пасха), Schwedisch (Påsk)
  • Ungarisch (Húsvét): hús heißt auf jeden Fall ‘Fleisch’, die Zusam­menset­zung wahrschein­lich ‘Fleisch nehmen/kaufen’, aber die Bedeu­tung stammt nur aus dem Inter­net, also wer weiß. Wäre aber logisch, die Fas­ten­zeit ist da näm­lich vorbei.
  • Mit Bezug auf die Nacht, wie an Wei­h­nacht­en auch, gibt es ‘große Nacht’ im Pol­nis­chen (Wielka­noc) und Tschechis­chen (Velikonoce). Im Let­tis­chen (Liel­d­ien­as) ist hinge­gen der Tag groß.

Hier gibt es übri­gens eine ganze Samm­lung von Oster­beze­ich­nun­gen in ver­schiede­nen Sprachen.

[Ostern] Karfreitag

Von Kristin Kopf

Hier haben wir doch noch einen Tag, der den Kum­mer aus­drückt, mit dem es am Grün­don­ner­stag nichts wurde. Kar- geht auf althochdeutsch kara ‘Kum­mer, Sorge’ zurück (übri­gens ver­wandt mit dem englis­chen care). Ein Blick in Grimms Wörter­buch zeigt aber, dass das Wort Kartag ursprünglich nicht all­ge­mein einen trau­ri­gen Tag beze­ich­nete, son­dern einen ganz bes­timmten trau­ri­gen Tag: den “tag an welchem ein ver­stor­ben­er unter klaggeschrei beerdigt und dann das leichen­mahl gehal­ten wird” (DWB). Im Zim­brischen, ein­er deutschen Sprachin­sel in Ital­ien, hat es diese Bedeu­tung noch heute.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia

Der Kar­fre­itag ist also ein­fach der Tag, an dem Jesus dem christlichen Glauben nach starb und prompt beerdigt wurde. Im Mit­tel­hochdeutschen hieß der Tag karvrî­tac oder schlicht kar­tac.

Auch heute habe ich mich ein bißchen im restlichen Europa umgesehen:

  • heiliger Fre­itag’: Spanisch (Viernes San­to), Franzö­sisch (Ven­dre­di saint), Ital­ienisch (Ven­erdì San­to)
  • guter Fre­itag’: Nieder­ländisch (Goede Vri­jdag), Englisch (Good Fri­day) – Zumin­d­est im Englis­chen kommt es von der ursprünglichen Bedeu­tung ‘heilig’.
  • großer Fre­itag’: Rus­sisch (Великая пятница), Tschechisch (Velký pátek), Pol­nisch (Wiel­ki Piątek), Ungarisch (Nagypén­tek), Est­nisch (Suur reede), Rumänisch (Vinerea Mare)
  • Lei­dens­fre­itag’: Rumänisch (Vinerea Patim­ilor)
  • langer Fre­itag’: Schwedisch (Långfreda­gen), Dänisch (Langfredag), Nor­wegisch (Langfredag), Finnisch (Pitkäper­jan­tai) – Im Englis­chen scheint es auch ein­mal einen Long Fri­day gegeben zu haben, “due to the long fast imposed upon this day”.  Ob das die richtige Ety­molo­gie ist, weiß ich allerd­ings nicht.

Hat tip to … & Stephen Fry

Von Kristin Kopf

Oft find­et man am Ende eines englis­chsprachi­gen Blo­gein­trags die Wen­dung “Hat tip to NAME”. Sie dient dazu, darauf hinzuweisen, dass das Gepostete (Link, Video, Nachricht, Bild …) in einem anderen Blog gefun­den wurde oder man einen Hin­weis darauf per Mail/in den Kommentaren/… bekom­men hat. Es ist also eine Art von Urhe­ber­hin­weis, auch wenn er eher auf Find­erIn­nen denn auf wirk­liche Urhe­berIn­nen ver­weist. Oft wird der “Hat tip” aber auch ein­fach als Dank verwendet.

Ein paar Beispiele:

  • Für einen Comic­strip: “Hat tip to Greg Pou­los. (Lan­guage Log)
  • Für eine tech­nis­che Erk­lärung: “Hat tip to problogdesign.com for spelling this method out so clear­ly!” (Smit­ten Kitchen)
  • Für ein Foto: “Hat tip to Eric Kinzel” (Lan­guage Log)
  • Für eine Nachricht: “hat-tip Matt Wedel again (Tetra­pod Zool­o­gy)
  • Für einen Auf­satz: “hat tip to Mar­i­lyn Mar­tin” (Lan­guage Log)

Und woher kommt der Aus­druck? Vom Grüßen indem man einen Fin­ger an die Hutkrempe legt. Von da aus ging’s wohl vom reinen Gruß zur Anerken­nung zum Dank.

Und im Deutschen? Wir haben zwar Den Hut vor jeman­dem ziehen, aber das passt nicht wirk­lich auf solche Sit­u­a­tio­nen, weil es ein­fach zu viel Ehrerbi­etung und Respekt aus­drückt. Soooo viel haben die Hin­weis­ge­berIn­nen jet­zt auch nicht geleistet.

Bei Leser­hin­weisen lässt sich das meist recht gut regeln mit “Danke für den Link/Hinweis/… an NAME” o.ä.:

Was ist aber mit Hin­weisen aus anderen Blogs, die man selb­st gefun­den hat – dafür kann man sich doch nicht wirk­lich bei der Per­son bedanken? Das klingt ja dann, als wäre sie aktiv auf einen zugekommen?

Ein bißchen Googlen zeigt, dass der Hat tip ganz gerne über­nom­men wird:

  • Hat tip to Neu­roskep­tic: Ein satirisch­er Seit­en­hieb auf die Ver­hal­tensneu­ro­bi­olo­gie. (Varia & Even­tu­alia)
  • Und Hat Tip an Chris­t­ian But­ter­bach für den Hin­weis auf diesen erfrischen­den Post! (Eine neue Frei­heit)

Eine etwas nüchterne Alter­na­tive habe ich auch gefun­den, ganz ohne das dank­ende Element:

Lei­der ist es recht schw­er, nach Hat tips zu googlen, die Hat tip nicht ver­wen­den. Falls also jemand Hin­weise hat … ich werde auch weit­er ergänzen, falls ich noch andere For­mulierun­gen finde.

So. Und wie kam ich drauf? Genau: Ich wollte ein Video posten, in dem Stephen Fry über Sprache spricht. (Mal wieder.) Und dabei nicht unter­schla­gen, dass ich es nicht selb­st gefun­den habe, son­dern in der Linksamm­lung des Bre­mer Sprach­blogs, wo es “Zetter­berg” gepostet hat:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=wzMIKsrjcOI&hl=de&fs=1&rel=0]

(Im vorherge­hen­den Teil geht’s um andere Dinge.)

[Ostern] Gründonnerstag

Von Kristin Kopf

So, jet­zt wird hier mal wieder ein bißchen ety­mol­o­gisiert! Die Kar­woche bietet dafür ja wirk­lich mehr als genug Gele­gen­heit – los geht’s mit dem Grün­don­ner­stag. In mein­er Kind­heit wurde immer behauptet, das Erst­glied gehe auf mit­tel­hochdeutsch grî­nen ‘den Mund weinend/knurrend/winselnd/lachend verziehen’ zurück und drücke qua­si die Trau­rigkeit über die Gefan­gen­nahme Jesu aus. Weil greinen im Ale­man­nis­chen heute noch ein das Wort für ‘weinen’ ist, erschien mir diese Erk­lärung immer sehr einleuchtend.

2009-04-09-grunDoch Kluge hat eine Über­raschung parat: Im Mit­tel­hochdeutschen gab es die Fügung der grüene don­er­stac bere­its und somit einen ein­deuti­gen Bezug zur Farbe Grün. Aber was hat das Grün mit diesem Tag zu tun? Kluge und die Grimms sagen: In religiös­er Hin­sicht kaum etwas.

die deu­tung von gr. bleibt umstrit­ten, doch ist der name sichtlich eher volk­sthüm­lichen als kirch­lichen gepräges (DWB)

Bei­de bieten als mögliche Erk­lärung an, dass es Brauch war, an diesem Tag (grüne) Kräuter zu essen:

das reich und vielfältig entwick­elte brauchthum am gr., der genusz heil­brin­gen­der kräuter, das grün­don­ner­stag­sei (ant­laszei), der gr. als ter­min der säens und pflanzens u. s. w., […], läszt wie bei ostern an einen nach­hall vorchristlich­er übung denken; ob ihm, wie HOLTZMANN […] ver­mutet, ein Donars­fest im mai zugrunde liegt, bleibt uner­weis­lich (DWB)

Ist die schöne The­o­rie vom Greinen also wirk­lich nicht zu ret­ten? Muss der Grün­don­ner­stag den Hei­den über­lassen wer­den? In den kryp­tis­chen Lit­er­at­u­rangaben Kluges find­et sich doch noch ein Mini­hin­weis auf eine alter­na­tive Ety­molo­gie mit einem ganz ähn­lich klin­gen­den Wort – momen­tan habe ich aber keine Zeit (Habe ich erwäh­nt, dass ich sche­in­frei bin?), die entsprechen­den Zeitschriften und Büch­er herauszusuchen:

HWDA 3 (1931), 1186 f. Anders (Umdeu­tung von ahd. grun stm./stf. ‘Jam­mer, Unglück’): H. Jeske SW 11 (1986), 82–109; LM 4 (1989), 1752 f.”

Let­ztlich bleibt also rät­sel­haft, wie der Tag zu sein­er Farbe kam. Ich habe mich mal in anderen Sprachen Europas umge­se­hen um her­auszufind­en, was noch als Benen­nungsmo­tiv dienen kann:

  • ‘heiliger Don­ner­stag’: Spanisch (Jueves San­to), Ital­ienisch (giovedì san­to), Franzö­sisch (jeu­di saint), Rus­sisch (свято́й четве́рг)
  • großer Don­ner­stag’: Pol­nisch (Wiel­ki Czwartek), Ungarisch (Nagyc­sütörtök), Est­nisch (Suur nel­japäev), Rumänisch (Joia Mare)
  • weißer Don­ner­stag’: Nieder­ländisch (Witte Don­derdag) – wahrschein­lich wegen der litur­gis­chen Farbe Weiß.
  • Fußwaschungs­don­ner­stag’: Englisch (Maun­dy Thurs­day)
  • Reini­gungs­don­ner­stag’: Schwedisch (Skär­tors­da­gen), Nor­wegisch (Skjær­tors­dag), Dänisch (Skær­tors­dag) – schwed. skära und seine Entsprechun­gen heißen eigentlich ‘schnei­den’, haben hier aber wohl eine andere Bedeu­tung.

Aber der grüne Don­ner­stag ist doch nicht ganz einmalig:

  • Tschechisch: Zelený čtvrtek. Die tschechis­che Wikipedia sug­geriert irgen­deine Art von deutschem Ein­fluss (inklu­sive greinen), aber mehr kon­nte ich nicht errat­en. Wenn hier jemand Tschechisch kann … [break­ing news: Meine Fre­undin Esther hat’s über­set­zt: Der zitierte Bischof behauptet tat­säch­lich, es käme vom deutschen Grein­don­ner­stag, der durch Lautver­tauschung zum Grün­don­ner­stag gewor­den sei. Quellen gibt er dazu aber keine an, es ist also Vor­sicht geboten. Auch lustig: In Tschechien scheint man am Grün­don­ner­stag tra­di­tionell Spinat zu essen.]
  • Rumänisch: Joia Verde. Ist neben Joia Mare (s.o.) in meinen Wörter­buch angegeben. Ich kön­nte mir einen deutschen Ein­fluss über die Sieben­bürg­er Sach­sen gut vorstellen, will mich aber nicht zu weit aus dem Fen­ster lehnen.

Beze­ich­nun­gen in weit­eren Sprachen her­zlich willkom­men! Jens ja Lin­da, wie ist es mit Finnisch? Ich bilde mir ein, die Wort­gren­ze gefun­den zu haben (Kiiras|torstai), komme aber man­gels Struk­tur­wis­sen nicht auf die Nen­n­form des Erstglieds.