Archiv der Kategorie: Schplock

In dieser Kat­e­gorie befind­en sich die Beiträge aus Kristin Kopfs Blog Sch­plock (2007–2012)

Googlehupf gegoogelt

Von Kristin Kopf

Patrick hat im Mai bemerkt, dass ich <gegooglet> schreibe statt <gegoogelt>:

Mir ist auch aufge­fall­en, dass Du „gegooglet“ schreib­st, obwohl Präskrip­tivis­ten „googel-“ als Stamm vorschreiben (vgl. hier). Wäre mal inter­es­sant rauszufind­en wie oft dieser „Fehler“ so im Schnitt passiert.

2009-07-28-gegooglet

Ich habe natür­lich einen Grund für meine Schrei­bung, und zwar die Tat­sache, dass Google drin­steckt. Da das Verb eine Ableitung des Eigen­na­mens ist, erscheint es mir höchst gewagt, diesen Eigen­na­men schriftlich zu entstellen, in googel. Genau das tun aber Wörter­büch­er wie der Duden. Und haben dafür zugegeben­er­maßen auch einen guten Grund: Es gibt eine ganze Menge deutsch­er Ver­ben auf -eln, in die sich googeln aus­geze­ich­net einfügt:

  • han­deln, ich han­dle – gehandelt
  • lächeln, ich läch­le gelächelt
  • googeln, ich google gegoogelt

Die 1. Per­son Sin­gu­lar spielt hier eine wichtige Rolle: Statt ich han­dele, lächele kann es auch ich han­dle, läch­le heißen. Den Aus­fall des e im Wortin­neren beze­ich­net man als “Synkope”. Dadurch entste­ht eine Form auf -le, die dem Ende von Goog-le gle­icht. Das bietet eine Art Anknüp­fungspunkt für das neue Verb: In der 1. Per­son Sin­gu­lar kann es unverän­dert bleiben, in den anderen fügt es sich in die Rei­he der anderen l-Ver­ben ein. (Diesen Vor­gang nen­nt man “Analo­gie”.)

Dass die 1. Per­son Sin­gu­lar in den deutschen Ver­ben aus der Rei­he tanzt (ich handle, du handelst, er handelt; wir/sie handeln, ihr handelt) ist zwei ver­schiede­nen Tilgung­sprozessen geschuldet. Das e in han­dle ist näm­lich nicht das­selbe wie in handeln: Bei han­deln gehört es zum Wort­stamm, bei han­dle ist es die Flexionsendung.

Vor langer, langer Zeit (im Mit­tel­hochdeutschen, 1050–1350) hat­ten ein­mal sowohl Stamm als auch Endung immer ein e:

Stamm Endung
Infini­tiv handel en
ich handel e
du handel est
er/sie/es handel et
wir handel en
ir handel et
sie handel en

Dann wurde das Endungs-e synkopiert, und zwar

  • bei allen Ver­ben in der 2./3. Sg. und der 2. Pl. (du mach­est > du machst)
  • bei Ver­ben, deren Stamm auf -er oder -el endet im Infini­tiv und der 1./3. Pl. (sie han­de­len > sie han­deln).

Es bleibt also nur die 1. Per­son Sin­gu­lar be-e-t:

Stamm Endung
Infini­tiv handel n
ich handel e
du handel st
er/sie/es handel t
wir handel n
ihr handel t
sie handel n

Nun gibt es aber noch eine zweite e-Tilgung. Dies­mal ist sie frei­willig und bet­rifft das e im Stamm. Bei Ver­ben, die auf -el enden, kann es in der 1. Per­son Sin­gu­lar getil­gt wer­den, also ich han­dele oder ich han­dle. Ersteres sieht man aber m.E. wirk­lich nur noch in schriftlich­er Form:

Stamm Endung
Infini­tiv handel n
ich hand(e)l e
du handel st
er/sie/es handel t
wir handel n
ihr handel t
sie handel n

Daraus resul­tierend ist das vorher dreisil­bige Wort in allen Präsens­for­men zweisil­big gewor­den: han-deln, han-dle, … Dadurch wird das Wort ohne Infor­ma­tionsver­lust kürz­er und bekommt das trochäis­che Beto­nungsmuster (betonte Silbe – unbe­tonte Silbe), das generell im Deutschen sehr beliebt ist.

Die gesproch­ene Sprache ist vielerorts noch viel weit­er und hat mit­tler­weile alle e-Laute eli­m­iniert: ich han­dl, du han­dlst, er han­dlt, wir/sie han­dln, ihr han­dlt. Deshalb ist die Debat­te darüber, ob man <googlen> oder <googeln> schreibt für das gesproch­ene Deutsch auch ziem­lich irrel­e­vant – gesprochen heißt es ein­fach gugln.

Ich habe mal gegooglet (“Seit­en auf Deutsch”), und zwar den Infini­tiv (goog[el/le]n) und das Par­tizip (gegoog[el/le]t):

  • -le: 726 000 (gesamt) – Infini­tiv: 644.000, Par­tizip: 82.000
  • -el: 964 000 (gesamt) – Infini­tiv: 543.000, Par­tizip: 421.000

Ins­ge­samt hat also die Duden­lö­sung die Nase vorn, allerd­ings gibt es große Unter­schiede zwis­chen Infini­tiv (googlen dominiert leicht) und Par­tizip (gegoogelt dominiert extrem). Google selb­st scheint das Wort übri­gens nicht zu gebrauchen.

Wo spricht man Platt? Und wo das beste Hochdeutsch?

Von Kristin Kopf

Ernst Wil­helm hat in seinem Blog gefragt, wie der Zwiebelfisch drauf kommt, dass man südlich von Han­nover kein Platt mehr spreche. Ich nehme an, der Zwiebelfisch hat um des drama­tis­chen Effek­ts Willen unter­trieben – denn natür­lich spricht man auch südlich von Han­nover noch Platt. Je nach Def­i­n­i­tion auch noch viel weit­er südlich.

Die Beze­ich­nung Platt wird näm­lich für zwei Dinge ver­wen­det, die sich teil­weise über­lagern: Zum einen ist es ein Syn­onym für die wis­senschaftliche Beze­ich­nung Niederdeutsch. Damit wer­den alle Mundarten beze­ich­net, die von der Zweit­en Lautver­schiebung nicht erfasst wur­den, wo man also noch Pund, Appel, dat und mak­en statt Pfund, Apfel, das und machen sagt. In Han­nover und Umge­bung heißt die niederdeutsche Mundart Ost­fälisch. Im Süden reicht sie bis Göt­tin­gen und noch ein Stückchen weit­er. Das sieht man pri­ma auf diesem Auss­chnitt ein­er Wikipedi­akarte – das Ost­fälis­che trägt die Num­mer 7:

2009-07-16-Niederdeutsch

Rheinisches Platt – ein Oxymoron?

Hinzu kommt aber noch eine zweite Ver­wen­dung von Platt, bei der sich die SprecherIn­nen her­zlich wenig darum scheren, ob sie im niederdeutschen Gebi­et leben oder nicht, näm­lich als Syn­onym für Dialekt. Diesen Gebrauch find­et man vor allem im west­mit­teldeutschen Sprachraum, also zwis­chen Ger­m­er­sheim und Düs­sel­dorf. Eine Befra­gung des Atlas’ der deutschen All­t­agssprache zeigt das ein­drück­lich – hier der Link zur Karte, alle blauen Punk­te beze­ich­nen SprecherIn­nen, die von ihrem Dialekt als Platt sprechen. (Soweit ich das ver­standen habe, kann ein Ort­spunkt aus nur ein­er Per­son beste­hen, aber auch aus mehreren, je nach dem, wie viele geant­wortet haben. Also ist es eher als Impres­sion zu werten, ähn­lich wie bei König.)

Ist Platt platt?

Das Wort Platt kommt wohl aus dem Nieder­ländis­chen, das es wiederum aus dem Franzö­sis­chen entlehnt hat. Im Nieder­ländis­chen tauchte es erst­mals in einem Druck des Neuen Tes­ta­ments aus Delft aus – im Titel und Vor­wort kommt die Wen­dung in goede plat­ten duytsche vor (Sanders 1982:26). plat bedeutet dabei ‘klar, deut­lich, allen ver­ständlich’ und nahm nach und nach die Bedeu­tung ‘allen ver­ständliche Sprache’ (im Gegen­satz zum Lateinis­chen) an. Das Wort schaffte es auch in den niederdeutschen Sprachraum, und von dort aus wahrschein­lich ins West­mit­teldeutsche – allerd­ings nicht bevor es eine Bedeu­tungsver­schlechterung zu ‘niedrige, derbe Sprech­weise’ mit­gemacht hat­te. Ab dem 18. Jahrhun­dert war es in Nord­deutsch­land gebräuch­lich. Sowohl Sanders (1982) als auch Stell­mach­er (1990) weisen darauf hin, dass die neg­a­tive Bedeu­tung noch heute mitschwinge. Mir selb­st kam das allerd­ings nie so vor, eher im Gegenteil.

Die Erk­lärung, dass Platt vom plat­ten Land komme, auf dem es gesprochen wird, find­et sich übri­gens in älteren Wörter­büch­ern (z.B. bei Campe 1809), scheint aber mit­tler­weile wider­legt zu sein.

Platt- und Hochdeutsch

Ernst Wil­helm schreibt auch:

Eck frage mek ohne­dem worumme die Luie glöwet dat heier in use Gegend dat beste Hochdütsch esproket ward. [Meine Über­set­zung: Ich frage mich sowieso, warum die Leute glauben, dass hier in unser­er Gegend das beste Hochdeutsch gesprochen wird.]

Das frage ich mich allerd­ings auch.

Bis Anfang des 17. Jahrhun­derts war Niederdeutsch (genauer die ältere Sprach­stufe Mit­tel­niederdeutsch) sowohl die gesproch­ene als auch die geschriebene Sprache in Nord­deutsch­land. Dass ihre Ver­schrif­tung endete und sie fast nur noch in den nieder­eren Gesellschaftss­chicht­en gesprochen wurde, hat mehrere Gründe (nach König 2005):

  • den großen Ein­fluss der hochdeutschen Dichter­sprache in mit­tel­hochdeutsch­er Zeit (1050–1350).
  • den Nieder­gang der Hanse im 15. Jahrhun­dert (das Mit­tel­niederdeutsche wurde auch als Hans­esprache beze­ich­net) und den gle­ichzeit­i­gen wirtschaftlichen Auf­stieg oberdeutsch­er Städte (Augs­burg, Nürnberg).
  • wichtige poli­tis­che und juris­tis­che Insti­tu­tio­nen, die im Süden ange­siedelt sind (Kaiser, Reichskammergericht).
  • die zunehmende kul­turelle Bedeu­tung des Südens.

Das “beste” Hochdeutsch im niederdeutschen Gebiet?

Als Hoch- und Schrift­sprache set­zte sich also das Hochdeutsche durch. Nun gab es zu Beginn des 19. Jahrhun­derts bere­its eine sehr ein­heitliche hochdeutsche Schrift­sprache (wie die ent­stand, erzäh­le ich ein ander­mal) – aber die Aussprache war ein ganz anderes Paar Schuhe, je nach Region kon­nte das schriftlich so ein­heitliche Deutsch sehr, sehr ver­schieden klin­gen. Die niederdeutschen Dialek­te sind in der Aussprache von den hochdeutschen Dialek­ten ziem­lich weit ent­fer­nt, wesentlich weit­er als vom Nieder­ländis­chen z.B. Für Nord­deutsche war das Hochdeutsche wie eine Fremd­sprache, es musste ganz neu gel­ernt wer­den. Wie man es schrieb war klar, wie aber sollte es aus­ge­sprochen wer­den? Das Zauber­wort heißt “Schreiblau­tung”, also buch­stabenge­treue Aussprache des Geschriebenen.

Im Süden war es leicht, das Geschriebene entsprechend der lokalen Dialek­te auszus­prechen – Dialekt und Schrift­sprache waren ja doch recht eng miteinan­der ver­wandt. So gab (und gibt) es in vie­len süd­deutschen Dialek­ten kein ö, son­dern an den entsprechen­den Stellen ein e. Es heißt also heren statt hören, Wert­er statt Wörter. Immer ein e zu lesen, wo ein <ö> stand, war für die Men­schen über­haupt kein Prob­lem. (Wir sprechen hier natür­lich nur von Men­schen, die lesen kon­nten. Men­schen, die nicht zu dieser Schicht gehörten, sprachen auss­chließlich ihren Dialekt, ohne Ver­such, sich dem nur geschriebe­nen Stan­dard anzupassen.)

Im niederdeutschen Sprachge­bi­et gab es die Möglichkeit ein­er mod­i­fizierten Aussprache nicht. Die Laute des Niederdeutschen waren ein­fach zu ver­schieden von denen des Hochdeutschen. Im Sprechen hätte man bei jedem Wort qua­si die Auswirkun­gen der Zweit­en Lautver­schiebung und ander­er Laut­wan­del­prozesse des Hochdeutschen rück­gängig machen müssen, und das geht ein­fach nicht. Entsprechend sprachen die Men­schen im niederdeutschen Gebi­et die hochdeutsche Schrei­bung aus, wie sie das­tand. So gelangte man schließlich zur Auf­fas­sung, die Nord­deutschen sprächen das beste Hochdeutsch.

Durch lange sorgfältige Pflege hat sich auf der Bühne eine besonders reine Aussprache des Deutschen herausgebildet”

Es gab aber auch noch einen zweit­en Ort, an dem man sich sehr um eine ein­heitliche Lau­tung bemühte: Die The­ater­bühne. Schon Goethe forderte eine ein­heitliche Büh­ne­naussprache ein, und 1898 wurde sie schließlich auf ein­er Kon­ferenz von Mit­gliedern des deutschen Büh­nen­vere­ins und Vertretern der Ger­man­is­tik in Berlin fest­gelegt. Nachzule­sen ist sie in Theodor Siebs’ “Deutsche Büh­ne­naussprache”. Es han­delt sich dabei aber aus­drück­lich nicht um eine Schreiblau­tung, Siebs – übri­gens ein Nord­deutsch­er – schreibt:

[D]ie Schrei­bung kann niemals Maßstab für die Aussprache sein. Die Schrift ist gegenüber der Aussprache stets etwas Sekundäres.

Das merkt man z.B. bei Wörtern mit <st> oder <sp> am Anfang: Würde man sie nach der Schrei­bung aussprechen, müsste es S‑tein oder S‑piel heißen. Siebs forderte aber, wie es auch der tat­säch­lichen Aussprache entsprach, den sch-Laut:

[D]ie nord­west­deutsche Aussprache sp, st ist als mundartliche Eige­nart auf der Bühne dur­chaus zu vermeiden.

Bis zur Entste­hung des Aussprachedu­dens (BRD, 1962) bzw. des “Wörter­buchs der deutschen Aussprache” (DDR, 1964) war die Büh­ne­naussprache maßgebend,  sie galt als kor­rekt. Für kor­rek­te Aussprache gibt es übri­gens auch einen Fach­be­griff: Orthoepie (also wie Orthografie, nur gesprochen). Obwohl die Büh­ne­naussprache von der nord­deutschen Schreiblau­tung bes­timmt bee­in­flusst wurde, ist sie nicht mit ihr gle­ichzuset­zen. Es ist also reine Def­i­n­i­tion­ssache, wo das “beste” Hochdeutsch gesprochen wird. Wenn man die Güte aber daran misst, wie sehr die Aussprache als kod­i­fiziert­er Stan­dard gilt, dann hat Han­nover nicht mehr so viel zu melden.

Heutige Aussprachewörter­büch­er lassen sehr viele Vari­at­en zu und berück­sichti­gen das gesproch­ene Deutsch zu einen größeren Maße. Sie ori­en­tieren sich auch nicht mehr an Schaus­pielerIn­nen, son­dern z.B. an Nachricht­en­sprecherIn­nen, also Men­schen, die ein möglichst bre­ites Pub­likum möglichst neu­tral informieren wollen.

[Beim Googlen bin ich auch noch auf einen inter­es­san­ten Artikel zum The­ma gestoßen: Han­nover für Sprach­be­gabte]

Willkommen in Raiputsihi!

Von Kristin Kopf

Kür­zlich kam hier jemand her auf der Suche nach einer

deutschlandkarte auf japanisch

Ja, wie kann man so etwas find­en? Wahrschein­lich wird ja nicht “Deutsch­land­karte” dabeis­te­hen, wenn’s auf Japanisch ist. Ich hat­te mehrere semi­b­ril­lante Ideen, die schiefge­gan­gen sind: In der japanis­chen Wikipedia hat der Ein­trag für Deutsch­land nur eine deutsche Karte, bei GoogleMaps-Japan sind die Orte in Orig­i­nal­sprache beze­ich­net. Dann also doch das Offen­sichtlich­ste: Bilder­suche bei Google mit dem Such­wort ドイツ (doit­su ‘Deutsch(land)’). Gle­ich auf der ersten Seite gibt es drei Karten: eine zweis­prachige, und zwei rein japanis­che. Ver­fein­ert man die Suche noch mit den Schriftze­ichen für Land­karte, 地図, find­et man u.a. noch eine etwas detail­liert­ere zweis­prachige Karte.

All diese Karten sind in Katakana beschriftet, also der Schrift für Fremd­wörter. Dabei ver­sucht man, den deutschen Klang so gut wie möglich mit den japanis­chen Laut­en und vor allem der japanis­chen Phono­tak­tik wiederzugeben.

Phono­tak­tik beze­ich­net die in ein­er Sprache möglichen Lautkom­bi­na­tio­nen. Beson­ders was die Kon­so­nan­ten anbe­t­rifft, gibt es da zwis­chen ver­schiede­nen Sprachen große Unter­schiede. Im Deutschen kön­nen Sil­ben mit mehreren aufeinan­der­fol­gen­den Kon­so­nan­ten begin­nen oder enden, wie ʃt-, ʃpr-, ʃl-, kr-, … (stehen, sprechen, schlafen, kriechen) oder -nf, -rm, -ln, -rbst … (Hanf, Arm, stre­icheln, Herbst). Solche Kom­bi­na­tio­nen heißen auch “Kon­so­nan­ten­clus­ter”. Im Japanis­chen gibt es das qua­si nicht. Am Anfang ein­er Silbe kön­nen max­i­mal zwei Kon­so­nan­ten ste­hen, aber auch nur ganz bes­timmte, und am Ende nur einer.

  • Sil­be­nan­fang: max­i­mal ein Kon­so­nant+j (geschrieben als <y>) wie in hap-pya‑ku ‘800’, gya‑ku ‘Gegen­teil’
  • Sil­be­nende: nur ein Kon­so­nant wie in jin ‘Men­sch’, hap-pya-ku ‘800’ – und wenn der Kon­so­nant nicht n ist, dann geht es auch nur als Teil eines Dop­pelkon­so­nan­ten, d.h. die näch­ste Silbe muss mit dem­sel­ben Kon­so­nan­ten anfangen.

Wenn man mit solchen Sil­ben nun deutsche Wörter erfassen will, wird’s schwierig. Was ist mit ein­er Stadt wie Stuttgart? Die Lösung ist ein­fach: Man schiebt ein paar Vokale zwis­chen die stör­rischen Kononan­ten­clus­ter: shu-tut-to-ga-ru-to (シュトゥットガルト). Schwup­ps, entspricht das Wort den phono­tak­tis­chen Regeln des Japanis­chen. Die Vokale zwis­chen stimm­losen Kon­so­nan­ten wer­den übri­gens fast gar nicht aus­ge­sprochen (bzw. sie wer­den stimm­los, aber dazu ein ander­mal), so dass der Wor­tan­fang für deutsche Ohren wie scht- klingt. Den Effekt kann man bei diesem Wort, shukudai ‘Hausauf­gaben’, hören – es klingt wie shku­dai.

Und für alle, die gerne rätseln …

  • ライプツィヒ raiput­si­hi
  • ガルミッシュ=パルテンキルヒェン garumisshu-parutenkiruhen
  • ボットロプ bot­toropu
  • ハノーファー hanoofaa
  • フリードリヒスハーフェン furi­idori­hisuhaafen
  • ベルリン berurin
  • シュヴェリーン shuveriin

Die Lösun­gen:

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Skurrile Ortsnamen – heute: Katzenelnbogen

Von Kristin Kopf

Das Sch­plock wurde in den let­zten Wochen immer wieder mit Such­abfra­gen wie lustige städte name (8.7.), land­karte lustige städte (6.7.), lustige städte­na­men (3.7., 27.6.), lustige städt­de­na­men deutsch­land­karte (30.6.) und lustide städte namen (28.6.) gefun­den. Auch die Nach­frage nach lusti­gen Deutsch­land­karten war enorm.

Der lustig­ste Ort, der mir so spon­tan ein­fällt, ist Katzenelnbo­gen. Fragt nicht wie, auf dem Weg zu irgen­deinem Fach­schaftswoch­enende sind wir eines Nachts dort vorbeigekommen.

Die Wikipedia bietet eine Ety­molo­gie für den Namen an, näm­lich das lat. Cat­timeli­bo­cus als Zusam­menset­zung aus Cat­ti (ein­er Volks­beze­ich­nung) und Meli­bo­cus (‘Berg, Gebirge’). Als Quelle wird Mey­ers Kon­ver­sa­tion­slexikon angegeben, aber ich bin damit nicht so glück­lich. Der erste zitierte Ein­trag gibt zwar “lat. Cat­timeli­bo­cus, ‘Meli­bokus der Kat­ten’” in Klam­mern nach dem Ort­sna­men an, das heißt aber noch lange nicht, dass die deutsche Beze­ich­nung darauf zurück­ge­ht. Die zweite “Quelle” zeigt, dass Meli­bokus keines­falls ‘Berg, Gebirge’ bedeutet, son­dern vielmehr ein Eigen­name ist und auch Malchen heißt: “ein­er der bemerkenswertesten Gipfel an der hes­sis­chen Bergstraße, am nord­west­lichen Rande des Oden­waldes, östlich von Zwin­gen­berg”. Hier seht ihr, dass der nicht ger­ade in der Nähe von Katzenelnbo­gen liegt. Auch die Infor­ma­tion “Bei Ptolemäos beze­ich­net Meli­bokon oros den Thüringer Wald oder den Harz rückt den Meli­bokus nicht näher an Katzenelnbo­gen heran.

Suchbild mit Katze

Such­bild mit Katze

Die zweite Ety­molo­gie, auf die die Wikipedia ver­weist (“Eine andere Inter­pre­ta­tion besagt…”), stammt von der pri­vat­en Home­page von Hein­rich Tis­chn­er. Die Seite ist ein Kurio­sum – Herr Tis­chn­er liefert beispiel­sweise Über­set­zun­gen in ver­schiedene Sprachen kosten­los, aber expliz­it nicht, wenn man sie sich dann tätowieren lassen will. Und der sprach­wis­senschaftliche Bere­ich bedi­ent sich höchst selt­samer Ter­mi­ni, die Darstel­lung der zweit­en Lautver­schiebung würde ich mal als eigen­willig beze­ich­nen. Der Ein­trag zu Katzenelnbo­gen sieht aber nicht so schlecht aus, lei­der kann ich die genan­nten Quellen momen­tan nicht über­prüfen. Er ken­nt die Geschichte mit den Chat­ten auch, hält sie aber für eine gelehrte Neu­bil­dung. Nach Tis­chn­er kommt die Beze­ich­nung wirk­lich von Katze – als Syn­onym für etwas Kleines/Minderwertiges – und Ellen­bo­gen – als Beze­ich­nung für eine Bach­biegung. Als Ern­st­nen­nung führt er Cazenele­bo­gen (1102) an.

Alles nicht so ganz befriedi­gend … also dachte ich mir, ich schaue mal, was die Katzenelnbo­gen­er selb­st sagen, die wer­den ja hof­fentlich jeman­den haben, der sich mit der Orts­geschichte ausken­nt. Und scheint tat­säch­lich so: “Die wohl warschein­lich­ste [sic!] Deu­tung des Namens ist: ‘Ort an der kleinen Bachkrüm­mung (Dörs­bach)’.” Damit ste­ht es 2:1 für Tis­chn­er & Katzenelnbo­gen vs. IP 89.60.232.82. Ich würde das noch nicht als End­stand beze­ich­nen, aber als Tendenz.

Auf dieser Karte hier habe ich Euch Katzenelnbo­gen markiert, und noch ein paar andere Orte mit skur­rilen oder net­ten Namen: Dün­fus, Möcht­enich, Ken­n­fus, Erpel, Hohn, Guck­heim, Ich­st­edt und Neuglück. Weit­ere Nen­nun­gen sind her­zlich willkommen!

[Lesetipp] Dialektwandel im Südwesten

Von Kristin Kopf

Bei sci­ence­gar­den gibt es einen schö­nen Bericht über Dialek­t­forschung an der Uni Freiburg (mit einem lei­der eher unter­durch­schnit­tlich guten Titel). Enorm les­bar geschrieben, ich empfehle ihn wärmstens:

2009-07-15-sciencegarden

こんにちは & Guten Tag

Von Kristin Kopf

Ich habe ja die Suchan­frage katakana guten tag kür­zlich zum Anlass genom­men, ein bißchen was über japanis­che Schrift­sys­teme zu schreiben. Dabei habe ich geschrieben:

Auf Japanisch heißt ‘Guten Tag’ kon­nichi­wa. […] Das wird nor­maler­weise so geschrieben:今日は.

Nun stimmt es auf jeden Fall, dass 今日は (sehr oft auch in Hira­gana-Schrei­bung: こんにちは) benutzt wird, um jeman­den zu grüßen. Die Form heißt aber wörtlich nur ‘dieser Tag, heute’ oder ‘was diesen Tag/heute bet­rifft’. 今 (こん) kon ste­ht für ‘dies’ und 日 (にち) nichi für ‘Tag’. 日 heißt übri­gens auch noch ‘Sonne’ und ist ein Teil des Wortes Japan: 日本 nihon (‘Son­nenur­sprung, ‑basis’).

Das は ist eine Par­tikel. (Ja, in der Sprach­wis­senschaft ist es die Par­tikel, Mehrzahl die Par­tikeln.) Japanis­che Par­tikeln zeigen die Funk­tion eines Wortes in einem Satz an. Sie sind also so ähn­lich wie Kasusendun­gen, nur dass sie nicht direkt am Wort kleben, son­dern am Ende der betr­e­f­fend­en Wort­gruppe (“Nom­i­nalphrase”) ste­hen. Es gibt eine Par­tikel, die das Sub­jekt markiert (が ga) und eine, die das Objekt markiert (を o). Es gibt auch eine, die eine Gen­i­tivkon­struk­tion bilden kann (の no) und noch eine Menge mehr mit anderen Funk­tio­nen. Hier mal ein Satz:

追いかけていた。
Hund SUBJ Katze OBJ ver­fol­gte

Ein Hund ver­fol­gte eine Katze.’

Die Par­tikel は hat eine inter­es­sante Funk­tion: Sie ist ein Topikmarker.

Weil das Top­ik im Deutschen meis­tens auch gle­ichzeit­ig das Sub­jekt des Satzes ist, haben deutsche Japanis­chlerner­In­nen oft enorme Prob­leme damit, den Unter­schied zwis­chen der Sub­jek­t­par­tikel が und der Top­ik­par­tikel は zu ver­ste­hen. Ganz grob vere­in­facht markiert die Top­ik­par­tikel den Teil des Satzes, über den eine Aus­sage getrof­fen wird. Wenn sich z.B. in ein­er Runde Leute vorstellen und man sagt 私クリスチーンです (ich TOP Kristin bin) ‘Ich bin Kristin’ dann benutzt man は um zu beto­nen, dass es jet­zt um einen selb­st geht. Also als wür­den sich im Deutschen Hanspeter, Car­o­line, Fritz und Bet­ti­na schon vorgestellt haben und dann sage ich “Ja, und ich bin Kristin” oder “Ich bin Kristin”. Dabei betont man also den Gegen­satz zu allen anderen. Das ist nur eine Funk­tion des Top­iks, ich belasse es jet­zt aber mal dabei.

Als Hil­f­skon­struk­tion um den Unter­schied zum Sub­jekt deut­lich zu machen, benutzt man beim Erk­lären oft die Wen­dung was X bet­rifft … Das allerd­ings ist nicht beson­ders ele­gant und keine gute deutsche Über­set­zung des japanis­chen Satzes.

Bei 今日は ist das は ein Hin­weis darauf, dass es sich wahrschein­lich ein­mal um einen Satzteil gehan­delt hat, man mit­tler­weile aber nur noch den Anfang sagt – das, worüber man eine Aus­sage tre­f­fen will. Ich habe lei­der kein ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch für’s Japanis­che (und wenn, kön­nte ich es wohl nicht lesen), aber ich habe ein bißchen gegooglet und z.B. diese Erk­lärung gefunden:

btw, こんにちは does actu­al­ly just mean Today.…..
It’s adop­tion as a greet­ing is cus­tom­ary; it is used as an entry into a conversation:
こんいちは、どうですか?
So, how are you / how are things today?
The abbre­vi­a­tion to its use as a greet­ing sim­i­lar to Hel­lo or Good Day is an adopt­ed custom.

Danach kommt es also von Wie geht’s heute? Da im sel­ben Ein­trag aber ein Fehler steckt, was Guten Mor­gen bet­rifft, bin ich noch etwas skep­tisch, ob’s wirk­lich von genau dieser Kon­struk­tion kommt. Dass da aber mal was gewe­sen sein muss, halte ich für ziem­lich sicher.

Guten Tag im Deutschen hat ja auch einen Teil seines Satzes ver­loren, näm­lich so etwas wie Ich wün­sche dir einen guten Tag! Und sog­ar das guten geht oft unter. Das passiert übri­gens in vie­len Sprachen und ist ganz natür­lich: Oft gebrauchte Grüße müssen kurz sein, man kann ja nicht immer den Riese­naufwand eines ganzen Satzes betreiben.

Der neue Duden und die ***maut

Von Kristin Kopf

Die 25. Duden-Auflage ste­ht ins Haus – ob ich mir mal wieder einen kaufe? Mein aktuell­ster ist von 1996 (21. Auflage) und hat als Reform-vor-der-Reform-Werk einen gewis­sen his­torischen Wert.

In ein­er Pressemit­teilung kann man schon mal guck­en, welche Wörter es dies­mal geschafft haben: hier. Einige ver­wun­dern mich etwas, die hätte ich schon längst drin ver­mutet: Busch­funk, Fern­beziehung, Ret­tungss­chirm, Stock­brot und Vogelschlag.

Was ich total wider­lich finde ist Cam­pus­maut. Ich ste­he Sprache sehr, sehr sel­ten wer­tend gegenüber und finde alles furcht­bar span­nend und inter­es­sant, aber Cam­pus­maut ist für mich der Hor­ror. Ich weiß nicht, wer sich’s aus­gedacht hat (ange­blich Studierende?), für mich ist es auf jeden Fall ein typ­is­ches Spiegel-online-Wort. Ja, ich lese da. Ja, es hat masochis­tis­che Ausmaße.

Ich habe sog­ar mal einen Beitrag über Spiegel-online-Deutsch ange­fan­gen, bin aber über Cam­pus­maut und bim­sen (*arrrg* Der Hor­ror!) nicht hin­aus­gekom­men. Spiegel online hat ja die Unter­rubrik UniSPIEGEL. Sie ken­nt das Wort Stu­di­enge­bühren qua­si gar nicht. Wenn das mal verse­hentlich ein­er schreibt, scheint es vor Veröf­fentlichung des Artikels mit Suchen-Erset­zen in Cam­pus­maut umge­wan­delt zu wer­den. Die Wort­bil­dung war am Anfang mal orig­inell – aber als per­ma­nentes Syn­onym? Die Luft ist raus und die Beze­ich­nung klingt ein­fach nur noch total verkrampft.

Eine willkür­liche Auswahl:

  • Stu­di­enge­bühren-Umfrage: Cam­pus­maut ver­has­ster denn je (25.06.2009)
  • Als die von ihnen beantragte Senkung der Cam­pus­maut im Sen­at abgeschmettert wurde, fühlten sich die Stu­den­ten­vertreter vol­lends veräp­pelt. (05.06.2009)
  • Urteil zur Cam­pus­maut: Eltern müssen Stu­di­enge­bühren zahlen (29.05.2009)
  • Sie forderten die kom­plette Abschaf­fung der Cam­pus­maut — doch Stu­den­ten, die Grü­nen und die SPD sind mit ihrer Klage am bay­erischen Ver­fas­sungs­gericht gescheit­ert. (28.5.2009)

Für den Zeitraum vom 24.01.2005 bis 09.07.2009 gibt die spiegeleigene Suche 159 Tre­f­fer aus. Der 24. Jan­u­ar 2005 scheint die Erst­nen­nung zu sein, damals noch als Cam­pus-Maut, frühere Belege find­et die Suche nicht:

Längst bere­it­en sich Wis­senschaftsmin­is­ter, Unis und Kred­it­ge­ber auf die Cam­pus-Maut vor, der­weil pla­nen die Stu­den­ten den Protest. (24.01.2005)

So, jet­zt habe ich meinem Abscheu Worte ver­liehen, jet­zt ist wieder gut. Ich habe ja nur sehr wenig gegen das Wort an für sich, es zeigt eine Menge Kreativ­ität und schafft es auch noch festzuhal­ten, dass Stu­di­enge­bühren und LKW-Maut zu einem ähn­lichen Zeit­punkt große The­men in den Medi­en waren – aber die pen­e­trante Benutzung tut ihm ein­fach nicht gut.

05.06.2009

Japanische Schrift 2: Malen die Japaner gerne?

Von Kristin Kopf

(Teil 1 | Teil 2)

Heute geht es nach Alphabet‑, Sil­ben- und Moren­schriften um einen weit­eren Typ Schrift­sys­tem: den logografischen.

Bei logografis­chen Schrift­sys­te­men beste­ht ein Bezug zwis­chen dem Beze­ich­neten und dem Schriftze­ichen, aber kein­er (bzw. kaum ein­er) zur Laut­gestalt des Wortes. Die japanis­chen Kan­ji stellen ein solch­es Sys­tem dar. Hier seht ihr das Kan­ji für Geld:

2009-07-07-kanji

Logografis­che Zeichen kön­nen unter­schiedlichen Bil­dung­sprinzip­i­en fol­gen. Was man direkt erwartet sind Pik­togramme, also Bildze­ichen: Das Beze­ich­nete wird direkt abge­bildet. Das ist zum Beispiel der Fall beim Zeichen für ‘Pferd’, 馬. Sieht nicht aus wie ein Pferd? Die Zeichen sind natür­lich zwis­chen­zeitlich vere­in­facht wor­den. Die Entwick­lung kann man sich so vorstellen (nach Fol­jan­ty 1984:32):

2009-07-07-Kanjipferd

Dann gibt es Ideogramme, also Sinnze­ichen. Sie beste­hen aus mehreren Pik­togram­men und erhal­ten durch die Kom­bi­na­tion eine neue Bedeu­tung. So ergibt zum Beispiel ‘Men­sch’ 人 und ‘Lanze’ 戈 zusam­men die neue Bedeu­tung ‘angreifen’ 伐. Damit lassen sich auch abstrak­tere Inhalte darstellen.

Auch Sym­bol­ze­ichen wie 一 ‘1’, 二 ‘2’, 三 ‘3’ zählen dazu.

Und schließlich sind da noch die Phono­gramme, also Lautze­ichen. Sie sind eben­falls aus (min­destens) zwei Kan­ji zusam­menge­set­zt – dabei liefert eines von ihnen ein wenig Infor­ma­tion zur Bedeu­tung und das andere zur Aussprache. Hier ein Beispiel (nach Fol­jan­ty 1985:47):

Das Zeichen für ‘Berg’ ist 山. Das Zeichen für ‘Kap’ ist 崎. Es besteht

  1. aus dem Berg-Kan­ji (links), das für den Bedeu­tung­steil zuständig ist, also zeigt, dass das neue Wort auch etwas mit Bergen zu tun hat (Wikipedia: “Kap beze­ich­net eine auf­fäl­lige oder scharfe Land­spitze, die beson­ders an Gebirgsküsten gut aus­geprägt sein kann”), und
  2. aus dem Kan­ji 奇 ‘selt­sam, Neugierde’, dessen Bedeu­tung für das neue Wort völ­lig irrel­e­vant ist. Wichtig ist aber, wie 奇 aus­ge­sprochen wird, und zwar ki. Das Wort 崎 bein­hal­tet diese Silbe näm­lich, es wird misaki gesprochen. Diesen Kan­jibe­standteil nen­nt man Phonetikum, weil er einen Hin­weis zur Aussprache gibt.

Die Phono­gramme erscheinen oft wie Hexerei 😉

Da die Aussprache nicht an das Schriftze­ichen gebun­den ist, ist im Japanis­chen etwas sehr Ver­rück­tes möglich: Ein und das­selbe Schriftze­ichen kann auf ver­schiedene Arten aus­ge­sprochen wer­den. Das nen­nt man Lesun­gen. Die meis­ten Zeichen haben min­destens zwei Lesun­gen, und je nach Wort wählt man die eine oder die andere. Da gibt’s grobe Regeln, aber die ers­pare ich Euch heute lieber.

Es gibt also im Japanis­chen drei Schrift­sys­teme: Zwei Moren­schriften und eine logografis­che Schrift. Die Auf­gaben sind klar getren­nt, sodass die Wahl des Schrift­sys­tems schon Infor­ma­tio­nen über den Inhalt ver­mit­telt: Bei Kan­ji rech­net man mit Wort­stäm­men, bei Hira­gana mit gram­ma­tis­chen Infor­ma­tio­nen und bei Katakana mit Fremd­wörtern oder Werbung.

Japanische Schrift 1: Warum Hiragana keine Silben darstellen

Von Kristin Kopf

(Teil 1 | Teil 2)

Ich habe mal wieder die Suchan­fra­gen durchge­blät­tert, die zum Sch­plock führten. Eine davon lautete:

katakana guten tag (24.4.2009)

Auf Japanisch heißt ‘Guten Tag’ kon­nichi­wa. (Zum Anhören dort auf den kleinen Pfeif drück­en.) Das wird nor­maler­weise so geschrieben: 今日は. Die ersten bei­den Zeichen sind soge­nan­nte Kan­ji, das let­zte Zeichen ist ein Hira­gana. In Katakana würde man es so schreiben: コンニチハ. Das tut man aber eigentlich nicht, weil Katakana Schriftze­ichen sind, mit denen man Fremd­wörter notiert, keine alteinge­sesse­nen japanis­chen Wörter (oder vor Ewigkeit­en aus dem Chi­ne­sis­chen entlehnten).

Vielle­icht wollte die Per­son aber auch wis­sen, wie die deutschen Wörter Guten Tag ausse­hen wür­den, wenn man sie auf Japanisch auf­schreiben wollte? Da wäre mein Vorschlag: グテン ターク (gu-te‑n ta-a-ku).

Ein schön­er Anlass, um das mit den Kan­ji, Hira­gana und Katakana mal ein bißchen aufzudröseln:

Drei Schriftsysteme für eine Sprache?

Im Japanis­chen gibt es drei ver­schiedene Schrift­sys­teme. Zwei davon, die Katakana und die Hira­gana, sind sich sehr ähn­lich, das dritte, die Kan­ji, ist ganz anders und wird erst über­mor­gen behan­delt 😉 Welch­es Schrift­sys­tem wann ver­wen­det wird, ist klar definiert.

Die Kan­ji wer­den ver­wen­det für:

  • Sub­stan­tive
  • Wort­stämme von Adjek­tiv­en und Verben

Die Hira­gana für:

  • gram­matikalis­che Endun­gen (Kon­ju­ga­tion), Par­tikeln, Hil­fsver­ben (Okuri­g­ana)
  • Wörter, für die kein Kan­ji mehr existiert
  • als Lese­hil­fe über/neben schwieri­gen Kan­ji (Furi­g­ana)

Und die Katakana für:

  • Fremd­wörter, die nicht aus dem Chi­ne­sis­chen kom­men (auch aus­ländis­che Eigennamen)
  • laut­ma­lerische Wörter (Ono­matopo­et­i­ka)
  • zur Her­vorhe­bung (wie Kur­sivschrift bei uns)
  • in der Wer­bung häu­fig für japanis­che Eigennamen

Die drei Schrift­sys­teme repräsen­tieren zwei sehr unter­schiedliche Ansätze des Schreibens. Die sich wiederum sehr deut­lich von unser­er Art unterscheiden:

ABC und Alphabet

Alpha­betschriften fol­gen mehr oder weniger dem Prinzip, dass jed­er Laut (bzw. genauer jedes Phonem) durch einen Buch­staben (bzw. genauer ein Graphem) repräsen­tiert wird. Es beste­ht also eine Phonem-Graphem-Beziehung. Wed­er das gesproch­ene noch das geschriebene Wort haben irgen­deinen Bezug zur Wortbe­deu­tung, sie sind dem Beze­ich­neten gegenüber völ­lig willkür­lich. (Das ist nur bei laut­ma­lerischen Wörtern anders, da ähnelt der Klang dem Bezeichneten.)

2009-07-07-Alphabet

Man sieht hier also, dass zwar die Laut­struk­tur und die Schrei­bung von Geld miteinan­der verknüpft sind, der Bezug der bei­den zum realen Objekt aber extra gel­ernt wer­den muss.

Die meis­ten Sprachen der Welt wer­den in ein­er Alpha­betschrift notiert. Dazu gehört das lateinis­che Alpha­bet (a, b, c, …), das sich wie das kyril­lis­che (а, б, в, …) aus dem griechis­chen Alpha­bet entwick­elt hat (α, β, γ, …).

In Japan benutzt man keine Alpha­betschrift, sondern:

Sil-ben-schrif-ten und die ominöse Mo-o-re

Es gibt auch Schrift­sys­teme, die nicht einen Laut, son­dern eine ganze Silbe in ein Zeichen stecken.

2009-07-07-SilbeMoreHier sieht man, dass das japanis­che Wort für Geld in Hira­gana aus zwei Sil­ben beste­ht, ka und ne, und jede dieser Sil­ben hat ein Zeichen1. Wobei das etwas gel­o­gen ist – es passt zwar zufäl­lig für dieses Wort, aber eigentlich schreibt man bei Hira­gana keine Sil­ben, son­dern Moren. Moren sind Ein­heit­en, die etwas klein­er sind als Sil­ben. Wenn näm­lich eine Silbe einen lan­gen Vokal bein­hal­tet, dann wird der extra geschrieben.

Mut­ter heißt auf Japanisch okaasan (お母さん2). Das Wort beste­ht aus drei Silben:

2009-07-07-okaasan

Es beste­ht aber gle­ichzeit­ig aus fünf Moren. Um Moren zu bes­tim­men, muss man die Silbe noch ein­mal in kleinere Teile zer­legen. Wer sich nicht für Sil­ben­struk­tur inter­essiert, kann den näch­sten Abschnitt ein­fach über­sprin­gen, aber ich ver­suche es leicht ver­ständlich zu erklären.

Eine Silbe beste­ht aus mehreren Bestandteilen. Wichtig für uns ist jet­zt mal nur das, was nach dem Kon­so­nan­ten kommt (falls ein Kon­so­nant am Anfang ste­ht). Wenn es ein kurz­er Vokal ist und die Silbe dann zuende ist, haben wir gar kein Prob­lem, Silbe und More sind iden­tisch. Das ist z.B. beim o von okaasan so. Deshalb bekommt das o auch nur ein einziges Hira­gana, näm­lich お.

Wenn aber ein langer Vokal fol­gt wie bei kaa, oder sog­ar ein Kon­so­nant wie bei san, ver­hält sich die Sache anders. Bei Lang­vokalen zählt nur der halbe Vokal zur ersten More, die andere Hälfte bildet die zweite More: ka|a. Dadurch bekom­men bei­de Teile ein eigenes Zeichen: か ka und あ a.

Bei Kon­so­nan­ten am Sil­be­nende zählt der Kon­so­nant eben­falls als Extramore: sa|n mit den Zeichen さ sa und ん n.

In Hira­gana hat das Wort also fünf Zeichen: okaasan. (Yeah, ich wollte schon immer mal ne retro-bon­bon­bunte Seite!)

Eine Sprache mit echter Sil­ben­schrift ist zum Beispiel das Chero­kee.

Über­mor­gen geht’s dann weit­er mit den Kanji …

Weit­er­lesen

[Werkzeug] TIPA vs. X‑SAMPA

Von Kristin Kopf

Für meine Mag­is­ter­ar­beit habe ich Sprachauf­nah­men gemacht, die ich jet­zt irgend­wie in Schrift­form brin­gen muss. Da es sich um badis­chen Dialekt han­delt, kann ich nicht ein­fach das deutsche Schrift­sys­tem nehmen – ger­ade bei den Vokalen gibt es da näm­lich Laute, die man so im Stan­dard­deutschen nicht kennt.

Hier ein willkür­lich aus­gewählter Satz (es geht um die Wörter Mod­er­a­torin­nen oder Ansagerin­nen, die der Sprecherin nicht einfallen):

Badisch: … die, wo ram Fernseh so ebbis erk­läre nodde reb­bis, ebbis …

Hochdeutsch: … die, die im Fernsehn so etwas erk­lären oder etwas, etwas …

Wer den Dialekt nicht spricht, kann ihn so auch nicht richtig vor­lesen. <ie> zum Beispiel ist kein langes i, son­dern wirk­lich ein Diph­thong, i‑e. Es gibt aber natür­lich auch lange i-Laute. Wenn <ie> für den Diph­thong reserviert ist, was macht man mit ihnen? Vielle­icht <ih>? Und schon steckt man mit­ten­drin in lauter Behelf­skon­struk­tio­nen, die das Sys­tem immer weit­er von dem ent­fer­nen, was man eigentlich wollte: ein­er für Sprach­wis­senschaft­lerIn­nen leicht les­baren Umschrift.

Die offen­sichtlich­ste Lösung ist IPA, das phonetis­che Alpha­bet. Dage­gen sprechen allerd­ings mehrere Dinge. Zum Ersten, dass das Pro­gramm, das ich für meine Daten­bank benutze, keine Son­derze­ichen zulässt. IPA-Sym­bole befind­en sich aber bei nor­malen Schrift­sätzen unter den Son­derze­ichen. (Und bei Tricks, durch die nor­male Tas­tatur­tas­ten mit IPA belegt wer­den kön­nen, muss ich dauernd die Tas­tatur umschal­ten, weil ich auch Nicht-IPA-Zeichen brauche. Auch schlecht.) Außer­dem dauert es ewig, die entsprechen­den Zeichen aus der Son­derze­ichentabelle her­auszusuchen und einzufügen.

Zum Zweit­en benutze ich zum Schreiben der Mag­is­ter­ar­beit ein Textsatzpro­gramm, das diese Son­derze­ichen gar nicht lesen kön­nte: LaTeX. Die erste Alter­na­tive, die mir ein­fiel, lautete dementsprechend auch TIPA, das IPA-Paket für LaTeX. Es kann IPA-Zeichen ziem­lich prob­lem­los mit den nor­malen Zeichen der Tas­tatur darstellen. Jedes IPA-Zeichen hat seinen eige­nen Befehl, und wenn man den ein­tippt, ste­ht nach­her im fer­ti­gen Doku­ment das IPA-Symbol.

Der Befehl wird ein­geleit­et mit tex­ti­pa{ – das Back­slash sig­nal­isiert, dass ein Befehl fol­gt, tex­ti­pa teilt mit, dass alle Zeichen jet­zt in IPA “über­set­zt” wer­den sollen, und { und das am Ende des IPA-Textes fol­gende } begren­zen den betrof­fe­nen Bere­ich. Danach kann man wieder ganz nor­mal weiterschreiben.

Inner­halb der tex­ti­pa-Umge­bung wird später jed­er getippte Buch­stabe in ein bes­timmtes IPA-Zeichen umge­wan­delt. Hier ist der Satzfet­zen von oben in TIPA:

[tex­ti­pa{dI@ vo Kam fEKn.se: so Pe.bIs PEK.klE:.K@.nO.d@.Ke.bIs Pe.bIs}]

Und das kommt am Ende raus:

2009-07-02-TIPAklein

Ihr seht auch gle­ich schon den Nachteil: Für viele der Zeichen muss man einen ziem­lich willkür­lichen Buch­staben ler­nen (z.B. K für das umge­drehte R, P für den Glot­tisver­schlus­slaut). Es reicht also nicht aus, IPA zu kön­nen, nein, man muss auch noch die TIPA-Zeichen ler­nen. Oder jedes Mal nach­schla­gen, was es auch nicht bringt. Außer­dem kön­nen so nur Leute, die die TIPA-Zeichen ken­nen, meine Umschrift in der Daten­bank lesen. Uuu­und: Es gibt zwei Meth­o­d­en, IPA-Befehle mit TIPA zu erzeu­gen. Die zweite ist mein­er Erfahrung nach zuver­läs­siger, weil sie sich weniger mit anderen Paketen beißt. Man muss sie nicht mit tex­ti­pa ein­leit­en, son­dern schreibt die Befehle direkt in den nor­malen Text. Und in ihr würde es heißen:

dtextsci­textschwa{} vo textinvscr{}am ftextepsilontextinvscr{}n.setextlengthmark{} so textglotstop{}e.btextsci{}s textglotstoptextepsilontextinvscr{}.kltextepsilontextlengthmark{}.textinvscrtextschwa{}.ntextopeno{}.dtextschwa{}.textinvscr{}e.btextsci{}s textglotstop{}e.btextsci{}s

Ver­rückt, was?

Ich habe mich deshalb für eine andere Tran­skrip­tion entsch­ieden, die zwar nicht alle Prob­leme löst, aber mir liegt sie am besten: X‑SAMPA. Das ist eben­falls ein Nota­tion­ssys­tem, das IPA mit den nor­malen Schriftze­ichen auf der Tas­tatur darstellt – allerd­ings mein­er Mei­n­ung nach etwas natür­lich­er als TIPA. Im Gegen­satz zu TIPA ist es näm­lich dazu gedacht, den Text so zu belassen, er wird nicht mehr in die richti­gen IPA-Zeichen umge­wan­delt. Der obige Text würde in X‑SAMPA lauten:

[dI@ vo Ram fERn.se: so ?e.bIs ?ER.klE:.R@.nO.d@.Re.bIs ?e.bIs]

Sehr viele Zeichen wer­den genau­so wie in TIPA ver­schriftet, z.B. das punk­t­lose i als I, das Schwa als @, … aber ger­ade die Zeichen, die bei TIPA so willkür­lich erscheinen, sind bei X‑SAMPA wesentlich logis­ch­er. Falls mal jemand anders mit der Daten­bank arbeit­en will, kann die Per­son sich so viel schneller ein­denken, falls sie nicht eh schon X‑SAMPA kann.

Wenn ich die Mate­ri­alien aus der Daten­bank in der Mag­is­ter­ar­beit ver­wende, muss ich sie natür­lich in TIPA umwan­deln. Aber dazu hat glück­licher­weise jemand ein Skript geschrieben, das bei mir bish­er auch anstand­s­los funktioniert.

Und jet­zt begebe ich mich zurück zu meinen Tonauf­nah­men – heute Vor­mit­tag habe ich schon 6:33 Minuten geschafft!