Ich war zu Ostern bei meinen Eltern und habe sie natürlich immer heimlich belauscht und mir badische Dialektphänomene aufgeschrieben. Was ich aber auch getan habe: mir meine Bildersammlung aus der Kindergartenzeit angeschaut. Weniger wegen der Bilder, als vielmehr wegen der Schrift. Und oh, was ich da für Schätze gefunden habe! Folgendes Schreiben ist auf ein halbes Jahr vor meiner Einschulung datierbar:
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Archiv der Kategorie: Schplock
Einhällig und aufwendig
Ich habe eben einen (übrigens ausgezeichneten!) Blogbeitrag von Anatol Stefanowitsch zum iPad gelesen und darin folgende Schreibung entdeckt:
Schon damals habe ich mich darüber gewundert, dass die Presse hier so einhällig einen Humor pflegt (oder aufgreift), der auf der krampfhaften Suche nach anstößigen Doppeldeutigkeiten beruht und der mir seit der sechsten Klasse nicht mehr begegnet ist.
Ein großartiger Satz, ganz nebenbei. Mir geht’s aber um das <ä> in einhällig. Das ist zwar ein Rechtschreibfehler, aber er deutet auf etwas spannendes hin: eine gelehrte Volksetymologie, denn hier wurde einhellig wahrscheinlich an hallen angeschlossen und entsprechend mit <ä> geschrieben.
In Wirklichkeit stammt’s vom althochdeutschen Verb hellan ‘tönen’. Das ist heute ausgestorben, an seiner Stelle hat sich hallen durchgesetzt, das seit dem 15. Jahrhundert belegt ist und vom mittelhochdeutschen Substantiv hal ‘Hall’ abgeleitet wurde (welches wiederum doch auf hellan zurückgeht, aber den Schlenker erspare ich euch lieber).
ä‑tymologische Schreibung
Dass man Wörter an verwandte Wörter mit <a> anschließt und entsprechend <ä> statt <e> schreibt, ist eine beliebte Praxis. Ihr erinnert euch vielleicht dran, wie’s bei der Rechtschreibreform hieß, dass man jetzt <aufwändig> mit <ä> schreibt, weil es von <Aufwand> kommt und <Stängel> wegen <Stange>. Das Prinzip, das man damit verfolgt, heißt “Morphemkonstanz” – zusammengehörige Wörter sollen auch durch die Schreibung als solche markiert werden.
Das ist ganz deutlich bei den Umlautpluralen, wo man niemals <Hand> – <Hende> schreiben würde (aber durchaus mal getan hat), oder bei den Weiterlesen
Schplockflaute trotz Linguistikleben
Eigentlich sollte man denken, dass ich momentan vor Schplock-Ideen geradezu übersprudle – immerhin bereite ich gerade elf verschiedene und extrem spannende Prüfungsthemen vor1. Aber nix da, jeder Versuch, darüber zu schreiben, artet in zähe, enzyklopädisch-belehrende Abhandlungen aus.
Dann war Chomsky in Mainz, da könnte man ja auch was drüber schreiben – oh, aber er war so uninspirierend und hat all das gesagt, was man so kennt und was einen nach den faulen Tomaten greifen lässt. (“The Minimalistic program is just an effort to show what’s true is true”, “You don’t have to learn the syntax and semantics [of foreign languages] because it’s there already”, “The entire study of language for 2500 years is kind of off track”) Und dann klumpten sich massenweise Leute hinterher auch noch um ihn herum zusammen und ließen sich Autogramme geben. Peinlich.
Was ist noch passiert in meinem Linguistikleben? Ich war bei einer Projektvorstellung in der Mainzer Akademie der Wissenschaften für das geplante Digitale Familiennamenwörterbuch Deutschlands, was superspannend war. Das Wörterbuch soll alle Familiennamen Deutschlands erfassen und etymologisieren (inklusive denen fremdsprachiger Herkunft). Und online verfügbar sein. Und für Laien verständlich formuliert. Ooooh! Also ganz fest die Daumen drücken, dass es bewilligt wird.
Diese Woche war ich für drei Tage bei einem tollen Workshop zu Wort- und Silbensprachen in Freiburg. Übrigens interessant, wie die badische Identität in Freiburg immer und überall betont wird – da wird man auf einem Plakat an der Uni Willkumme geheißen, auf der Speisekarte gibt’s Brägele (Brägili) und Schäufele (Schiifili), und Versicherungsunternehmen und Banken bemühen sich um Werbesprüche, die irgendwo badisch beinhalten.
Da der Workshop ein sehr spezielles Thema hatte, lässt er sich kaum für’s Schplock ausschlachten. (Einen Lesetipp zum Thema hatte ich hier ja schon.) Einen großartigen Schweizerdeutschen Satz aus dem Vortrag von Beat Siebenhaar will ich euch aber auf keinen Fall vorenthalten: blitstststsu:g Übersetzungsversuche willkommen!
So, das nächste Mal hoffentlich etwas kohärenter. Bis dahin ein Verweis auf meine letztjährige Osterreihe.
[Call for Papers] Speculative Grammarian
Trey Jones vom Speculative Grammarian hat mir eine charmante, personalisierte Massenmail geschickt und mich drum gebeten, ein bißchen für den Speculative Grammarian zu werben. Das mache ich natürlich gerne, verdanke ich ihm doch einen Magneten und indirekt auch einen der ersten (sehr minimalistischen – in der Alltagsbedeutung natürlich!) Schplock-Beiträge.
Der SpecGram ist eine erstklassige Zeitschrift für satirische Linguistik, ein, wie Jones sagt, bedauerlicherweise sehr vernachlässigtes Gebiet. Das bedeutet aber auch, dass man hier sehr leicht an eine Publikation kommen kann – gesucht werden nämlich
… satirical and humorous articles, poems, cartoons, ads, and all sorts of other material—and no field within or related to linguistics is off limits.
Und hier etwas elaborierter:
SpecGram is seeking witty, erudite papers in satirical linguistics that demonstrate a comprehensive knowledge of the field of linguistics as a whole, a subtle wit, and a refined sense of written language. Preference is given to material that rouses the passions (not that kind, you hussy) and evokes the intellectual delight of the editors and publishers.
However, as those kinds of papers are pretty hard to come by, SpecGram is accepting papers that are moderately clever, can be edited into some passable form, and don’t rely too heavily on bodily function humor.
[…]
Material written in a language with a passing similarity to English is, for practical reasons, handled more quickly, but is in no way preferred.
Vielleicht hat ja jemand von Euch was in einer Schublade liegen? Oder Lust, was zu schreiben?
Hier ein paar meiner Lieblingsartikel aus dem SpecGram:
- An Introduction to Classical Generative Psychology (Schonmal verlinkt.)
- The Life And Death Of An Anonymous Verb
- X‑bar Diagram Acquisition
Wenn Ihr auch SpecGram-Lieblingsartikel habt, postet die Links dazu in den Kommentaren und nehmt damit die einmaligen Chance wahr, eine auf der Rückseite handsignierte Visitenkarte des SpecGram-Herausgebers aus meiner hochkarätigen Sammlung von Memorabilia zu gewinnen (verkleinerte Darstellung rechts, Magnete nicht enthalten).
Chomsky-SEO
In letzter Zeit kommen superviele Leute zum Schplock, nachdem sie Chomsky Mainz gesucht haben – fasziniert habe ich festgestellt, dass das Schplock bei Googlesuchen danach zur Zeit an erster Stelle steht.
Das liegt nun aber, vermute ich, weniger an der großen Berühmtheit des Schplocks, als an meinem kreativen Titel: Chomsky in Mainz.
Wenn man sowas – im Gegensatz zu mir – absichtlich macht, wird es SEO genannt, Search Engine Optimization. Das bedeutet, dass eine Internetseite für Suchmaschinen optimiert wird, indem man ihr alle relevanten Informationen schnell und unverschnörkelt liefert.
Freigieb- oder ‑gebig?
Das, worüber das ich heute schreiben will, habe ich in meiner Schulzeit für eine reine Reclam-Eigenheit gehalten. In den Reclamheften stand nämlich immer freigebig, wo ich freigiebig erwartet hätte. Komischer Verlag.
Seither ist mir freigebig aber auch in anderen Kontexten begegnet, zuletzt im Wartezimmer in Geo (in der Januarausgabe war übrigens auch ein Artikel über Piraha/Dan Everett drin):
Was hat es damit auf sich? Habe ich mein ganzes Leben lang eine Form benutzt, die sonst keiner kennt?
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z.Zt. erkrankt
Auf der Germanistik-Homepage der Uni Hamburg habe ich folgenden Hinweis gefunden:
z.Zt. erkrankt? Irgendwie kam’s mir komisch vor …
[Lesetipp] Interview mit dem Wortwart
Matthias Heine hat für die FAS ein Interview mit Lothar Lemnitzer, dem Betreiber der Wortwarte, geführt. Insgesamt recht angenehme Fragen und meist sehr gründliche Antworten – ich finde es durchaus lesenswert.
Das zu Beginn erwähnte Buch “Hirndiebstahl im Sparadies” habe ich mir übrigens letztes Jahr gekauft, ich war aber nicht besonders angetan – das eigentlich Coole, nämlich die Wörter, werden durch die sehr bemühten Texte meiner Meinung nach verdorben. Ganz zu schweigen von den Illustrationen. Gesamturteil? Bahnhofsbuchhandlungsbuch. Hat vielleicht jemand Interesse dran?
Die deutsche Bahn als Bewahrerin
Dass Anatol Stefanowitsch im Schplock Blogfutter gefunden hat, ehrt mich enorm. Wie schön, dass sein Beitrag wiederum Anlass für einen Schplock-Beitrag gibt.
Der Beitrag im Sprachlog heißt “Die Deutsche Bahn, Bewahrerin der englischen Sprache” – und darin verbirgt sich ein witziges Phänomen, zu dem ich in meinen HiWi-Zeiten mal umfangreiche Korpusrecherchen angestellt habe. (Die hier verwendeten Beispiele entstammen nicht den damaligen Recherchen.)
Es geht um die Bewahrerin.
We arrive Berlin-Spandau
Fast jedes Mal, wenn ich mit dem Zug unterwegs bin, fällt mir eine kleine Eigenheit im Bahnenglisch auf:
“Ladies and Gentlemen, we arrive Berlin-Spandau …”