Da aktualisiert die Duden-Redaktion ihr Wörterbuch mit über 5000 Wörtern, darunter urdeutsche (und hervorragend zueinander passende) Schönheiten wie Schuldenbremse und Vollpfosten, und alles, was die internationale Presse interessiert, ist – der Shitstorm. Nicht ganz unschuldig an dem internationalen Medieninteresse: Die Sprachlogger/innen, unter deren Federführung Shitstorm zum „Anglizismus des Jahres“ 2011 gewählt wurde. Kaum ein Artikel, der diese Wahl nicht als Aufhänger nimmt (unser Jurymitglied Michael Mann hat es über den damaligen Bericht auf The Local sogar in den Bericht der BBC geschafft). Weiterlesen
Archiv der Kategorie: Randbemerkungen
Deutsche, deutschere, deutscheste Bahn
Dass deutsche Unternehmen die englische Sprache gerne verwenden, um sich ein internationales Image zu geben, ist nicht nur ein Trivialplatz, es ist sogar Gegenstand sprachwissenschaftlicher Forschung. ((Z.B. Ingrid Piller (2001) Identity construction in multilingual advertising. Language in Society 30, 153–186.)) Besonders die Deutsche Bahn hat das in der Vergangenheit so ausgiebig getan, dass sie sogar von Lehnwortliberalen wir mir dafür schon (wenn auch sehr milde) kritisiert worden ist – wir haben sie im Sprachlog aber auch schon für ihre kreative Lehnwortikonografie und für ihr nur scheinbar defizientes, tatsächlich aber historisch akkurates Englisch gelobt. Weiterlesen
Sprachbrocken 25/2013
Die sprachliche Nachricht der Woche war fraglos „‚Tweet‘ kommt ins Wörterbuch“. Das Wörterbuch, um das es dabei ging, war das Oxford English Dictionary, das tweet war das englische Verb to tweet. Und tatsächlich findet sich der entsprechende Eintrag bereits in der Online-Version des Wörterbuchs, ebenso, wie der für das Substantiv tweet. Dabei ist nicht das Wort selbst neu, denn das stand bisher natürlich schon mit der Bedeutung „einen kurzen, hohen Ton oder eine Serie solcher Töne machen“ (für das Verb) und „kurzer, hoher Ton wie ihn ein kleiner Vogel macht“ (für das Substantiv) im größten Wörterbuch der englischen Sprache. Nun kommen zwei Verbbedeutungen hinzu. Eine für das Verb ohne Objekt (z.B. John tweets): „einen Beitrag auf dem sozialen Netzwerkdienst Twitter machen. Auch: Twitter regelmäßig oder gewohnheitsmäßig verwenden“. Und eine für das Verb mit Objekt (z.B. John tweeted a picture of a cat): „eine Nachricht, eine Information auf Twitter veröffentlichen“. Als Erstbeleg für Verb und Substantiv gibt das OED derzeit einen Blogbeitrag auf dem Blog NevOn vom 15. März 2007 an – für Sprachfans eine klare Herausforderung, einen früheren Beleg zu finden. Weiterlesen
Sprachbrocken 24/2013
Die Überschrift „Sprachreform an der Uni Leipzig: Guten Tag, Herr Professorin“, mit der Spiegel Online die Meldung über das generische Femininum in der Grundordnung der Universität Leipzig versehen hat, hatte ihr Gutes und ihr Schlechtes. Schlecht war, das die deutsche Presse diese Überschrift flächendeckend wörtlich nahm und einer erstaunten Öffentlichkeit mitteilte, dass (männliche) Professoren in Leipzig ab sofort so anzureden seien (das BILDBLOG hat das schön dokumentiert [1], [2]). Gut war, dass die Meldung, und damit auch das Problem sprachlicher Diskriminierung, auf diese Weise ins öffentliche Bewusstsein gelangt ist. Ich sehe die Verantwortung für die Berichterstattung auch gar nicht bei Spiegel Online, sondern bei den Redaktionen, die offenbar gleich nach der Lektüre der Überschrift ihre eigenen Meldungen verfassten, statt weiterzulesen und zu erfahren, worum es wirklich ging.
Keine Verantwortung tragen dagegen die Kolumnist/innen, die dann auf der Grundlage dieser Meldungen hämische und völlig uninformierte Meinungsstücke in ihre Tastaturen hämmerten. Denn anders als etwa Blogger/innen, von denen man eine gewisse Sorgfalt und Fachkenntnis gewohnt ist, muss sich das deutsche Feuilleton ja an eine Selbstverpflichtung halten, die maximale Empörung bei minimaler Zurkenntnisnahme der Realität vorschreibt. Weiterlesen
Leipzigs Juristen: Echte Männer
Wir befinden uns im Jahre 2013 nach Christus (einem Mann). Ganz Leipzig ist von den Feministinnen besetzt. Ganz Leipzig? Nein! Eine von unbeugsamen Männern bevölkerte Fakultät hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Auf der Startseite der Fakultät an prominenter Stelle verlinkt findet sich folgende Erklärung des Dekans (eines Mannes): Weiterlesen
Sprachbrocken 23/2013
Eine der unsympathischsten Aktionen des Vereins Deutsche Sprache ist die alljährliche Wahl eines „Sprachpanschers des Jahres“. Die funktioniert so: 1) Der Verein nominiert prominente Personen wegen abstrus konstruierter sprachlicher Sünden; 2) die Prominenz der Nominierten sorgt für eine breite Berichterstattung; 3) der VDS steht ohne nennenswerte Leistung als Wahrer der deutschen Sprache da. Getroffen hat es diesmal Wolfgang Schäuble, dessen Verbrechen gegen die Deutschlichkeit in „unbeholfenen Exkursionen ins Englische“ bestehe. Mit denen „mache er seit Jahren den Übersetzern in Brüssel Konkurrenz und falle damit allen Versuchen in den Rücken, Deutsch als echte Arbeitssprache in der EU zu verankern“. Weiterlesen
Sprachbrocken 22/2013
Keine Woche vergeht, in der ich nicht irgendwo lese, dass die Sprache der „Schlüssel zur Integration“ sei. Dabei geht es meistens um Schulkinder mit Migrationshintergrund, denen mittels wenig nachvollziehbarer Kriterien mangelhafte Deutschkenntnisse attestiert werden. In Österreich, berichtet unter anderem der KURIER, dürfen Schuldirektor/innen solchen sprachlichen Schlüsselkindern in Zukunft die Schulreife absprechen und sie in gesonderte Vorschulklassen abschieben, wo sie dann ohne Kontakt zu deutschsprachigen Schüler/innen, also vermutlich durch Magie, Deutsch lernen sollen.
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Sprachbrocken 20/2013
Die französische Sprache steht kurz vor dem Aussterben: zu einer „banalen“, ja „toten Sprache“ werde es, befürchtet der Sprachschützer Bernard Pivot, wenn die französische Bildungsministerin sich mit ihrem Plan durchsetze, an französischen Universitäten auch das Englische als Unterrichtssprache zuzulassen. Denn Sprache, so Pivot, sei das, was eine Nation ausmache und schon seit jeher sei es so gewesen, dass Siegermächte den Besiegten ihre Sprache aufgezwungen hätten. Als Franzose kennt er sich da aus, denn die Kolonialmacht Frankreich hat das bestens vorgemacht, was es Pivot ermöglicht, in einem Nebensatz von „unseren“ – also französischen – „großen Schriftstellern aus Afrika und von den Antillen“ zu schwärmen. Aber wenn es das Französische ist, das verdrängt wird, und sei es nur aus ein paar Seminaren, dann steht die französische Nation vor dem Aus. Auch die Ironie, dass mit dem Englischen eine Sprache nach Frankreich zurückkehrt, die sich durch eine jahrhundertelange französische Besatzung bis zur Unkenntlichkeit verändert hat, entgeht ihm offensichtlich. Weiterlesen
Sprachbrocken 19/2013
Die Geschichte der geschlechtergerechten Sprache, das mussten wir auch dieser Tage wieder feststellen, ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Voller mutwilliger, vermeidbarer Missverständnisse, die eigentlich bereits hundert Mal ausgeräumt worden sind.
Dass die Macher/innen der Heidelberger Studierendenzeitung RUPRECHT nicht die hellsten Sterne am qualitätsjournalistischen Sternenhimmel sind, wird schnell klar, wenn man mit dem konfrontiert wird, was diese für „Satire“ halten: Sexismus mit einer Prise Verharmlosung von rechtsextremem Terrorismus. Auf der Titelseite eines fiktiven „Heidelbergerinnener Studentinnenmagazins“ namens „carola“ finden sich Teaser wie „Ohne Lernen durch die mündliche Prüfung: Unsere besten Styling-Tipps“ aber auch „Frau Zschäpe plaudert aus dem Nähkästchen / Zwischen zwei Männern / Beate über die besten Untergrund-Stellungen für drei“. Anlass dieser „Satire“ ist die Entscheidung der „ruprecht“-Redaktion, ihre Texte nicht mehr zu „gendern“ und auch den Untertitel der Zeitschrift von Heidelberger Studierendenzeitung in Heidelberger Studentenzeitung zu ändern. Weiterlesen
Sprachbrocken 18/2013
Mein wöchentliches Durchkämmen der Presse liefert nicht immer Material für die Sprachbrocken – so auch diese Woche. Ich habe deshalb per Twitter nach Themenwünschen gefragt, die ich im Sprachbrockenformat beantworten könnte. Aus den zahlreichen Wünschen habe ich vier ausgewählt, zu denen mir spontan etwas einfiel (die übrigen Vorschläge habe ich mir notiert und werde vielleicht bei Gelegenheit darauf zurückkommen). Los gehts.
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