Österreich ist ja, nach eigener Aussage, die Heimat großer Söhne – so groß, dass für große Töchter neben ihnen kaum noch Platz ist. Aber nicht nur das – es ist auch das Land der Berge, das Land am Strome, das Land der Äcker, das Land der Dome – und das Land der Hämmer. Und einen besonders großen Hammer haben 650 Expert/innen für die psycholinguistische Verarbeitung männlicher Pronomen und Personenbezeichnungen, äh, nein, für die, äh, nein, für die Struktur und Bedeutung der deutschen Gegenwartssprache – nein, ich fange noch mal an. Weiterlesen
Archiv der Kategorie: Kommentare
Hochmut großer Söhne
Am Text der österreichischen Nationalhymne findet sich, wie es bei Texten von Nationalhymnen nun einmal so ist, wenig Erhaltenswertes. Sie feiert die Landschaft (gut, das ist gerade noch erträglich), das „für das Schöne begnadete“ und mit „hoher Sendung“ ausgestattete Volk (das ist dann eben, nationalhymnentypisch, nicht mehr erträglich), die kriegerische Vergangenheit, und eine „arbeitsfrohe“ Zukunft. Und natürlich wird dem „Vaterland“ auch ordentlich Treue geschworen.
Kann von mir aus alles weg, zusammen mit dem „God save the Queen“, dem „land of the free and … home of the brave“, dem „Россия — священная наша держава“, dem „Einigkeit und Recht und Freiheit“ und all den anderen Dingen, die sich Nationen in ihren Hymnen so zusammenphantasieren. Weiterlesen
Deutsch ins Grundgesetz reloaded reloaded
Der Verein Deutsche Sprache (VDS) hat — mal wieder — gefordert, die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern. Die Forderung stößt schon seit 2007 bei Politik und Gesellschaft auf wenig Gegenliebe. Der weiteste Vorstoß endete 2011 mit einem ernüchternden Erlebnis vor dem Petitionsausschuss des Bundestages.
Nun sind in Dortmund die Wunden offenbar zumindest soweit verheilt, dass man sich mit seinen Lebenszielvereinbarungen erneut an die Öffentlichkeit wagt. Übernommen hat die Meldung über den „Giessener Aufruf“ immerhin der GIESSENER ANZEIGER. ((Und quasi als erweiterte Tickermeldung die BERLINER MORGENPOST und DIE WELT.)) Weiterlesen
Der Name der Windrose
Dass Frauen systematisch unterschätzt werden, ist ja nichts Neues, aber dass Orkane unterschätzt werden, wenn sie weibliche Namen haben, klingt zunächst wie ein schlechter Scherz aus der Rumpelkammer des Patriarchats.
Genau das haben amerikanische Forscher/innen aber herausgefunden. In der in den Proceedings of the National Academy of Science erschienenen Studie „Female hurricanes are deadlier than male hurricanes“ [PDF, Bezahlschranke] stellt das Team um den Doktoranden Kiju Jung von der University of Illinois at Urbana Champaign zunächst die Ergebnisse einer Archivstudie vor, für die sie alle atlantischen Orkane ausgewertet haben, die zwischen 1950 und 2012 auf das nordamerikanische Festland getroffen sind. Sie fanden heraus, dass starke Orkane mit weiblichen Namen signifikant mehr Todesopfer fordern als solche mit männlichen Namen – und das, obwohl sie die besonders starken Stürme Audrey (1957, 416 Tote) und Katrina (2005, 1833 Tote) vorsichtshalber unberücksichtigt ließen. Weiterlesen
Deutsch für Podcast
Der Verein Deutsche Sprache (VDS) sucht über seinen wöchentlichen Strompostrundbrief auch regelmäßig nach Alternativen für Anglizismen. Damit führen sie auf eine gewisse Art diese peinliche „Aktion le-he-he-he-bendiges Deutsch“ fort. Und warum nicht mal ein paar alte Klassiker aufspüren?
Nun hat also der VDS gestern in seinem Infobrief 19/2014 dazu aufgerufen, ein „deutsches“ Wort für Podcast zu finden. Weil das natürlich längst keine/n Sprachlogleser/in mehr hinterm Ofen vom Hocker haut, blieb mir für einen launigen Kommentar nur Twitter: Weiterlesen
Sprache und Denken — Nachlese [Lange Nacht der Wissenschaften]
Am Samstag haben Anatol und ich uns an der „Langen Nacht der Wissenschaften“ in Berlin beteiligt. Wer nicht dabei sein konnte — zeitlich (Gesangswettstreit!), räumlich (Dahlem!) oder finanziell (Eintritt zur LNDW!) ((Womit in unterschiedlicher Gewichtungen und Kombination möglicher Abwesenheitsursachen unsere Kritik an der LNDW abgedeckt wäre.)) — dem bieten wir hier einen narrativen Rückblick mit Literaturhinweisen, natürlich auch für unser großartiges Publikum vom Samstag — von dem wir natürlich hoffen, dass einige den Weg zum Sprachlog gefunden haben.
In unserem Vortrag wollten wir einigen Leitfragen zu „Sprache und Denken“ aus linguistischer Perspektive auf den Grund gehen. Wie Anatol hier schrieb: Weiterlesen
Spähmetaphorik und ihre Grenzen [re:publica]
Auch auf der re:publica wurde natürlich viel diskutiert über die Überwachung des Internets durch die Geheimdienste (diskursiv immer vertreten durch die NSA) und die Apathie, mit der die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung auf diese Überwachung reagiert. Ich sage „natürlich“, weil dieses Thema für die Netzgemeinde seit vielen Monaten beherrschend ist, nicht, weil es zwingend besonders dringlich einer Lösung durch die Netzgemeinde harrt. ((Womit ich nicht sagen will, dass sie keiner Lösung bedarf, aber es stellt sich natürlich die Frage, ob es eine solche Lösung überhaupt gibt und ob es, wenn es eine solche Lösung gibt, die Netzgemeinde oder ihre netzpolitischen Organisationen sind, die sie finden werden. Es stellt sich weiterhin die Frage, ob das Problem der Überwachung durch Geheimdienste das dringlichste zu lösende Problem der Netzpolitik ist. Ich sage das alles nicht, weil ich gerne überwacht werde oder Überwachung grundsätzlich für harmlos halte, sondern, weil das Fragen sind, die meines Wissens bislang wenig diskutiert worden sind.)) Weiterlesen
Männer sind Norm, Frauen sind Ideologie
Geschlechtergerechte Sprache ist nicht nur ein gesellschaftlich kontroverses Thema – kein Wunder in einer Gesellschaft, in der der Mann immer noch als Norm gilt –, sondern vor allem auch eines, über das sich viele Menschen schlicht noch nie Gedanken gemacht haben – ebenfalls kein Wunder in einer Gesellschaft, in der der Mann immer noch als Norm gilt. Es ist deshalb klar, dass man nicht automatisch vom Schlimmsten ausgehen sollte, wenn jemand gegen geschlechtergerechte Sprache argumentiert und etwa behauptet, das „generische“ Maskulinum sei unproblematisch, da ja alle wüssten, dass dabei auch Frauen einbezogen sind, und jede Abweichung von dieser sprachlichen Form würde Texte nur unlesbar machen. Die- oder derjenige könnte ja einfach aus einer Unkenntnis des Themas so argumentieren.
Das könnte auch für das „Komitee zur Regelung des Schriftverkehrs“ des Austrian Standards Institute gelten, das in einem Entwurf für eine Überarbeitung ÖNORM A 1080 („Richtlinien für die Textgestaltung“) vorschlägt, das „generische“ Maskulinum tatsächlich zur Norm zu erheben und damit alle Formen geschlechtergerechter Sprache für inkorrekt zu erklären (wir berichteten).
Als die österreichische Sprachwissenschaftlerin und Lektorin Karin Wetschanow, Mitautorin eines Leitfadens für geschlechtergerechte Sprache des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur (PDF) dem Komitee in der Wiener Zeitung vorwarf, „von einer ‚antifeministischen Ideologie‘ geprägt zu sein und auf die Expertise maßgeblicher Wissenschaftler verzichtet zu haben“, war ich zunächst sehr skeptisch. Weiterlesen
Der Mann als Norm
Vor einigen Wochen haben wir hier über den Versuch zweier Wikipedia-Autoren berichtet, das sogenannte „generische“ Maskulinum (also die patriarchale Praxis, männliche Personenbezeichnungen „geschlechtsneutral“ zu verwenden) als allgemeinen Standard festzulegen (in der Abstimmung scheiterte dieser Versuch spektakulär, was entweder darauf hinweist, dass die Wikipedianer/innen insgesamt mehr Bewusstsein für diskriminierende Sprachstrukturen haben als gemeinhin angenommen, oder dass sie Vorschriften noch mehr hassen als geschlechtergerechte Sprache).
Aktuell versucht nun das Austrian Standards Institute, denselben Taschenspielertrick abzuziehen. Wie der Verein österreichischer Juristinnen berichtet, schlägt das ASI im aktuellen Entwurf für die ÖNORM A 1080 („Richtlinien für die Textgestaltung“) vor, „auf weibliche Formen zu verzichten und stattdessen mittels Generalklauseln klarzustellen, dass Frauen in der männlichen Form mitgemeint seien.“ Auch das Binnen‑I und die in Österreich üblichen weiblichen Formen für akademische Titel (z.B. Dr.in, Prof.in) sollen nach der Vorstellung des ASI als inkorrekt gelten. „Auf weibliche Formen könne in schriftlichen Texten verzichtet werden, denn männliche Formen würden für beide Geschlechter gelten, so die Empfehlung.“ Weiterlesen
Samstags verharmlost man Gewalt gegen Frauen
Das ZDF wird seinen Bildungsauftrag ja schon länger auf etwas eigenwillige Weise gerecht: Man verhält sich möglichst ignorant sexistisch und rassistisch und reagiert auf Kritik entweder gar nicht, oder, indem man sich lustig macht. Höhepunkte der sexistischen Grundbildung waren zum Beispiel Joko Winterscheidts sexueller Übergriff auf eine Messemitarbeiterin im Rahmen einer „Mutprobe“ oder der Werbespot für die Frauen-Fußballweltmeisterschaft 2013, bei dem aus Ballzauber ein Ballsauber wurde, bildlich umgesetzt durch eine Fußballspielerin, die einen Fußball in der Waschmaschine wäscht. Zur Ausbildung von Alltagsrassisten trug zuletzt Markus Lanz bei, als er bei „Wetten dass“ zum unterhaltsamen Blackface aufrief.
Der neueste Geniestreich des ZDF ist nun eine Werbekampagne für den „Samstagskrimi“. Die Kampagne besteht aus fünf Motiven (zweimal Print und dreimal „Ambient“, sowie einem Fernsehspot, der mehrere dieser Motive kombiniert). Jedes Motiv besteht aus einer bekannten Redewendung, die durch die Bebilderung doppeldeutig wird. Weiterlesen