Archiv der Kategorie: Kommentare

Die fünf Freunde und die Rückkehr zur sprachlichen Normalität

Von Anatol Stefanowitsch

Öster­re­ich ist ja, nach eigen­er Aus­sage, die Heimat großer Söhne – so groß, dass für große Töchter neben ihnen kaum noch Platz ist. Aber nicht nur das – es ist auch das Land der Berge, das Land am Strome, das Land der Äck­er, das Land der Dome – und das Land der Häm­mer. Und einen beson­ders großen Ham­mer haben 650 Expert/innen für die psy­cholin­guis­tis­che Ver­ar­beitung männlich­er Pronomen und Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen, äh, nein, für die, äh, nein, für die Struk­tur und Bedeu­tung der deutschen Gegen­wartssprache – nein, ich fange noch mal an. Weit­er­lesen

Hochmut großer Söhne

Von Anatol Stefanowitsch

Am Text der öster­re­ichis­chen Nation­al­hymne find­et sich, wie es bei Tex­ten von Nation­al­hym­nen nun ein­mal so ist, wenig Erhal­tenswertes. Sie feiert die Land­schaft (gut, das ist ger­ade noch erträglich), das „für das Schöne beg­nadete“ und mit „hoher Sendung“ aus­ges­tat­tete Volk (das ist dann eben, nation­al­hym­nen­typ­isch, nicht mehr erträglich), die kriegerische Ver­gan­gen­heit, und eine „arbeits­fro­he“ Zukun­ft. Und natür­lich wird dem „Vater­land“ auch ordentlich Treue geschworen.

Kann von mir aus alles weg, zusam­men mit dem „God save the Queen“, dem „land of the free and … home of the brave“, dem „Россия — священная наша держава“, dem „Einigkeit und Recht und Frei­heit“ und all den anderen Din­gen, die sich Natio­nen in ihren Hym­nen so zusam­men­phan­tasieren. Weit­er­lesen

Deutsch ins Grundgesetz reloaded reloaded

Von Susanne Flach

Der Vere­in Deutsche Sprache (VDS) hat — mal wieder — gefordert, die deutsche Sprache im Grundge­setz zu ver­ankern. Die Forderung stößt schon seit 2007 bei Poli­tik und Gesellschaft auf wenig Gegen­liebe. Der weiteste Vorstoß endete 2011 mit einem ernüchtern­den Erleb­nis vor dem Peti­tion­sauss­chuss des Bun­destages.

Nun sind in Dort­mund die Wun­den offen­bar zumin­d­est soweit ver­heilt, dass man sich mit seinen Leben­szielvere­in­barun­gen erneut an die Öffentlichkeit wagt. Über­nom­men hat die Mel­dung über den „Giessen­er Aufruf“ immer­hin der GIESSENER ANZEIGER. ((Und qua­si als erweit­erte Tick­er­mel­dung die BERLINER MORGENPOST und DIE WELT.)) Weit­er­lesen

Der Name der Windrose

Von Anatol Stefanowitsch

Dass Frauen sys­tem­a­tisch unter­schätzt wer­den, ist ja nichts Neues, aber dass Orkane unter­schätzt wer­den, wenn sie weib­liche Namen haben, klingt zunächst wie ein schlechter Scherz aus der Rumpelka­m­mer des Patriarchats.

Genau das haben amerikanis­che Forscher/innen aber her­aus­ge­fun­den. In der in den Pro­ceed­ings of the Nation­al Acad­e­my of Sci­ence erschiene­nen Studie „Female hur­ri­canes are dead­lier than male hur­ri­canes“ [PDF, Bezahlschranke] stellt das Team um den Dok­toran­den Kiju Jung von der Uni­ver­si­ty of Illi­nois at Urbana Cham­paign zunächst die Ergeb­nisse ein­er Archivs­tudie vor, für die sie alle atlantis­chen Orkane aus­gew­ertet haben, die zwis­chen 1950 und 2012 auf das nor­damerikanis­che Fes­t­land getrof­fen sind. Sie fan­den her­aus, dass starke Orkane mit weib­lichen Namen sig­nifikant mehr Todes­opfer fordern als solche mit männlichen Namen – und das, obwohl sie die beson­ders starken Stürme Audrey (1957, 416 Tote) und Kat­ri­na (2005, 1833 Tote) vor­sicht­shal­ber unberück­sichtigt ließen. Weit­er­lesen

Deutsch für Podcast

Von Susanne Flach

Der Vere­in Deutsche Sprache (VDS) sucht über seinen wöchentlichen Strompostrund­brief auch regelmäßig nach Alter­na­tiv­en für Anglizis­men. Damit führen sie auf eine gewisse Art diese pein­liche „Aktion le-he-he-he-bendi­ges Deutsch“ fort. Und warum nicht mal ein paar alte Klas­sik­er aufspüren?

Nun hat also der VDS gestern in seinem Info­brief 19/2014 dazu aufgerufen, ein „deutsches“ Wort für Pod­cast zu find­en. Weil das natür­lich längst keine/n Sprachlogleser/in mehr hin­term Ofen vom Hock­er haut, blieb mir für einen lau­ni­gen Kom­men­tar nur Twit­ter: Weit­er­lesen

Sprache und Denken — Nachlese [Lange Nacht der Wissenschaften]

Von Susanne Flach

Am Sam­stag haben Ana­tol und ich uns an der „Lan­gen Nacht der Wis­senschaften“ in Berlin beteiligt. Wer nicht dabei sein kon­nte — zeitlich (Gesangswettstre­it!), räum­lich (Dahlem!) oder finanziell (Ein­tritt zur LNDW!) ((Wom­it in unter­schiedlich­er Gewich­tun­gen und Kom­bi­na­tion möglich­er Abwe­sen­heit­sur­sachen unsere Kri­tik an der LNDW abgedeckt wäre.)) — dem bieten wir hier einen nar­ra­tiv­en Rück­blick mit Lit­er­aturhin­weisen, natür­lich auch für unser großar­tiges Pub­likum vom Sam­stag — von dem wir natür­lich hof­fen, dass einige den Weg zum Sprachlog gefun­den haben.

In unserem Vor­trag woll­ten wir eini­gen Leit­fra­gen zu „Sprache und Denken“ aus lin­guis­tis­ch­er Per­spek­tive auf den Grund gehen. Wie Ana­tol hier schrieb: Weit­er­lesen

Spähmetaphorik und ihre Grenzen [re:publica]

Von Anatol Stefanowitsch

Auch auf der re:publica wurde natür­lich viel disku­tiert über die Überwachung des Inter­nets durch die Geheim­di­en­ste (diskur­siv immer vertreten durch die NSA) und die Apathie, mit der die über­wälti­gende Mehrheit der Bevölkerung auf diese Überwachung reagiert. Ich sage „natür­lich“, weil dieses The­ma für die Net­zge­meinde seit vie­len Monat­en beherrschend ist, nicht, weil es zwin­gend beson­ders dringlich ein­er Lösung durch die Net­zge­meinde har­rt. ((Wom­it ich nicht sagen will, dass sie kein­er Lösung bedarf, aber es stellt sich natür­lich die Frage, ob es eine solche Lösung über­haupt gibt und ob es, wenn es eine solche Lösung gibt, die Net­zge­meinde oder ihre net­zpoli­tis­chen Organ­i­sa­tio­nen sind, die sie find­en wer­den. Es stellt sich weit­er­hin die Frage, ob das Prob­lem der Überwachung durch Geheim­di­en­ste das dringlich­ste zu lösende Prob­lem der Net­zpoli­tik ist. Ich sage das alles nicht, weil ich gerne überwacht werde oder Überwachung grund­sät­zlich für harm­los halte, son­dern, weil das Fra­gen sind, die meines Wis­sens bis­lang wenig disku­tiert wor­den sind.)) Weit­er­lesen

Männer sind Norm, Frauen sind Ideologie

Von Anatol Stefanowitsch

Geschlechterg­erechte Sprache ist nicht nur ein gesellschaftlich kon­tro­ver­s­es The­ma – kein Wun­der in ein­er Gesellschaft, in der der Mann immer noch als Norm gilt –, son­dern vor allem auch eines, über das sich viele Men­schen schlicht noch nie Gedanken gemacht haben – eben­falls kein Wun­der in ein­er Gesellschaft, in der der Mann immer noch als Norm gilt. Es ist deshalb klar, dass man nicht automa­tisch vom Schlimm­sten aus­ge­hen sollte, wenn jemand gegen geschlechterg­erechte Sprache argu­men­tiert und etwa behauptet, das „gener­ische“ Maskulinum sei unprob­lema­tisch, da ja alle wüssten, dass dabei auch Frauen ein­be­zo­gen sind, und jede Abwe­ichung von dieser sprach­lichen Form würde Texte nur unles­bar machen. Die- oder der­jenige kön­nte ja ein­fach aus ein­er Unken­nt­nis des The­mas so argumentieren.

Das kön­nte auch für das „Komi­tee zur Regelung des Schriftverkehrs“ des Aus­tri­an Stan­dards Insti­tute gel­ten, das in einem Entwurf für eine Über­ar­beitung ÖNORM A 1080 („Richtlin­ien für die Textgestal­tung“) vorschlägt, das „gener­ische“ Maskulinum tat­säch­lich zur Norm zu erheben und damit alle For­men geschlechterg­erechter Sprache für inko­r­rekt zu erk­lären (wir berichteten).

Als die öster­re­ichis­che Sprach­wis­senschaft­lerin und Lek­torin Karin Wetschanow, Mitau­torin eines Leit­fadens für geschlechterg­erechte Sprache des öster­re­ichis­chen Bun­desmin­is­teri­ums für Bil­dung, Wis­senschaft und Kul­tur (PDF) dem Komi­tee in der Wiener Zeitung vor­warf, „von ein­er ‚antifem­i­nis­tis­chen Ide­olo­gie‘ geprägt zu sein und auf die Exper­tise maßge­blich­er Wis­senschaftler verzichtet zu haben“, war ich zunächst sehr skep­tisch. Weit­er­lesen

Der Mann als Norm

Von Anatol Stefanowitsch

Vor eini­gen Wochen haben wir hier über den Ver­such zweier Wikipedia-Autoren berichtet, das soge­nan­nte „gener­ische“ Maskulinum (also die patri­ar­chale Prax­is, männliche Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen „geschlecht­sneu­tral“ zu ver­wen­den) als all­ge­meinen Stan­dard festzule­gen (in der Abstim­mung scheit­erte dieser Ver­such spek­takulär, was entwed­er darauf hin­weist, dass die Wikipedianer/innen ins­ge­samt mehr Bewusst­sein für diskri­m­inierende Sprach­struk­turen haben als gemein­hin angenom­men, oder dass sie Vorschriften noch mehr has­sen als geschlechterg­erechte Sprache).

Aktuell ver­sucht nun das Aus­tri­an Stan­dards Insti­tute, densel­ben Taschen­spiel­er­trick abzuziehen. Wie der Vere­in öster­re­ichis­ch­er Juristin­nen berichtet, schlägt das ASI im aktuellen Entwurf für die ÖNORM A 1080 („Richtlin­ien für die Textgestal­tung“) vor, „auf weib­liche For­men zu verzicht­en und stattdessen mit­tels Gen­er­alk­lauseln klarzustellen, dass Frauen in der männlichen Form mit­ge­meint seien.“ Auch das Binnen‑I und die in Öster­re­ich üblichen weib­lichen For­men für akademis­che Titel (z.B. Dr.in, Prof.in) sollen nach der Vorstel­lung des ASI als inko­r­rekt gel­ten. „Auf weib­liche For­men könne in schriftlichen Tex­ten verzichtet wer­den, denn männliche For­men wür­den für bei­de Geschlechter gel­ten, so die Empfehlung.“ Weit­er­lesen

Samstags verharmlost man Gewalt gegen Frauen

Von Anatol Stefanowitsch

Das ZDF wird seinen Bil­dungsauf­trag ja schon länger auf etwas eigen­willige Weise gerecht: Man ver­hält sich möglichst igno­rant sex­is­tisch und ras­sis­tisch und reagiert auf Kri­tik entwed­er gar nicht, oder, indem man sich lustig macht. Höhep­unk­te der sex­is­tis­chen Grund­bil­dung waren zum Beispiel Joko Win­ter­schei­dts sex­ueller Über­griff auf eine Messemi­tar­bei­t­erin im Rah­men ein­er „Mut­probe“ oder der Werbespot für die Frauen-Fußball­welt­meis­ter­schaft 2013, bei dem aus Bal­lza­uber ein Ball­sauber wurde, bildlich umge­set­zt durch eine Fußball­spielerin, die einen Fußball in der Waschmas­chine wäscht. Zur Aus­bil­dung von All­t­agsras­sis­ten trug zulet­zt Markus Lanz bei, als er bei „Wet­ten dass“ zum unter­halt­samen Black­face aufrief.

Der neueste Geniestre­ich des ZDF ist nun eine Wer­bekam­pagne für den „Sam­stagskri­mi“. Die Kam­pagne beste­ht aus fünf Motiv­en (zweimal Print und dreimal „Ambi­ent“, sowie einem Fernsehspot, der mehrere dieser Motive kom­biniert). Jedes Motiv beste­ht aus ein­er bekan­nten Redewen­dung, die durch die Bebilderung dop­peldeutig wird. Weit­er­lesen