Archiv der Kategorie: Kommentare

Für Gott und Pippi Langstrumpf

Von Anatol Stefanowitsch

Man kann — und muss — Kristi­na Schröder für vieles kri­tisieren — ihren schiefen Extrem­is­mus­be­griff und die Fol­gen, die der für die Förderung von Ini­ti­atven gegen Recht­sex­trem­is­mus hat­te, ihren leicht­fer­ti­gen Umgang mit recht­spop­ulis­tis­chen Schlag­worten wie dem von der „deutschen­feindlichen Gewalt“ und maskulis­tis­chen wie dem von der „jun­gen­feindlichen Päd­a­gogik“, und ganz all­ge­mein natür­lich ihre oft antifem­i­nis­tis­che und antie­manzi­pa­torische Welt­sicht, wie sie z.B. in ihrem Buch „Danke, emanzip­iert sind wir sel­ber: Abschied vom Dik­tat der Rol­len­bilder“ zum Aus­druck kommt.

Darüber ver­gisst man dann leicht, dass ihre konkreten fam­i­lien­poli­tis­chen Posi­tio­nen deut­lich pro­gres­siv­er sind als die der Mehrheit ihrer Partei (was ja auch der Grund ist, warum sie sich mit diesen Posi­tio­nen nie durch­set­zen kann).

[Hin­weis: Im fol­gen­den Text wer­den Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache zitiert.] Weit­er­lesen

Es ist nicht alles Gold, was Bär

Von Anatol Stefanowitsch

Das Marken­recht macht mich als Sprach­wis­senschaftler schon an ganz nor­malen Tagen trau­rig. Ich bin kein Recht­san­walt (deshalb ja auch „mich als Sprach­wis­senschaftler“), aber so weit ich das beurteilen kann, ermöglicht es Han­del­treiben­den, so gut wie jedes sprach­liche Ele­ment als Beze­ich­nung ihres Pro­duk­ts zu reservieren, solange sie die ersten sind, die es für sich beanspruchen.

So wer­den nicht nur Wörter, Wortkom­bi­na­tio­nen und Satzteile oder ganze Sätze dem all­ge­meinen Sprachge­brauch ent­zo­gen, son­dern auch pro­duk­tive Wort­bil­dung­sprozesse – Volk­swa­gen und Springer haben sich vor eini­gen Jahren darum gestrit­ten, wem Wörter gehören, die mit Volks- begin­nen (auch solche, die noch gar nicht existieren) – oder einzelne Buch­staben (BMW hat ger­ade vom Patent­gericht bescheinigt bekom­men, dass der Buch­stabe M als Beze­ich­nung für ein Auto schutzfähig ist).

Eine Entschei­dung des Landgerichts Köln geht nun einen Schritt weit­er und ver­bi­etet sog­ar Dinge, die uns an Wörter erin­nern kön­nten, die dem all­ge­meinen Sprachge­brauch ent­zo­gen sind. Weit­er­lesen

Nicht zu retten: das Wort des Jahres

Von Anatol Stefanowitsch

Die Gesellschaft für Deutsche Sprache hat eine sehr gemis­chte Nachvol­lziehbarkeits­bi­lanz, wenn es um das Wort des Jahres geht. Die Kri­te­rien, die ein Wort zu einem Anwärter um diesen Titel machen, beschreibt die Gesellschaft so:

Aus­gewählt wer­den Wörter und Aus­drücke, die die öffentliche Diskus­sion des betr­e­f­fend­en Jahres beson­ders bes­timmt haben, die für wichtige The­men ste­hen oder son­st als charak­ter­is­tisch erscheinen („ver­bale Leit­fos­silien“ eines Jahres). Es geht nicht um Worthäu­figkeit­en. Auch ist mit der Auswahl keine Wer­tung bzw. Empfehlung ver­bun­den. [Web­seite der GfdS]

Um Wort des Jahres zu wer­den, soll ein Wort also ein­er­seits im laufend­en Jahr „wichtig“ und „charak­ter­is­tisch“ gewe­sen sein, gar die „öffentliche Diskus­sion … beson­ders bes­timmt haben“, auf der anderen Seite muss es aber nicht beson­ders häu­fig gewe­sen sein.

Ein ana­lytisch denk­ender Men­sch kön­nte da einen gewis­sen Wider­spruch erken­nen, und dieser Wider­spruch würde auch erk­lären, warum die Wörter des Jahres von milde inter­es­sant (Teu­ro [2002], Stresstest [2011], Hartz IV [2004]) über milde triv­ial (Finanzkrise [2008], Kli­makatas­tro­phe [2007]) bis mildes Kopf­schüt­teln aus­lösend (Wut­bürg­er [2010], Das alte Europa [2003]) reichen.

Aber, und ich will da gar nicht lange um den heißen Brei herum­re­den, selb­st bei ein­er an dieses Wörter­wirrwar angepassten Erwartung­shal­tung kann ich das Gefühl, das mich beim diesjähri­gen Siegerwort erfasst, nur als „nicht ein­mal fas­sungs­los“ beze­ich­nen. Die Jury selb­st scheint zu ahnen, dass sie da eine merk­würdi­ge Wahl getrof­fen hat, denn auch in der Pressemit­teilung wieder­holt sie noch ein­mal, dass „[n]icht die Häu­figkeit eines Aus­drucks“ entschei­dend sei, son­dern „seine Sig­nifikanz bzw. Popularität“.

So, wie beim Wort Ret­tungsrou­tine, halt:

Dieses Wort spiegelt nicht nur das schon seit eini­gen Jahren dauer­haft aktuelle The­ma der insta­bilen europäis­chen Wirtschaft­slage wider, son­dern beschreibt zudem die zahlre­ichen und wiederkehren­den Maß­nah­men, die bish­er zur Sta­bil­isierung unter­nom­men wur­den. Sprach­lich inter­es­sant ist die wider­sprüch­liche Bedeu­tung der bei­den Wortbe­standteile: Während eine Ret­tung im eigentlichen Sinn eine akute, ini­tia­tive, aber abgeschlossene Hand­lung darstellt, bein­hal­tet Rou­tine – als Lehn­wort aus dem Franzö­sis­chen – eine wiederkehrende, wenn nicht gar auf Dauer angelegte und auf Erfahrun­gen basierende Entwicklung.

Ich meine, es ist ja das gute Recht der Jury, sich nicht an Vorkom­men­shäu­figkeit­en zu binden, aber.

Aber.

Ein Wort, das im Deutschen Ref­eren­zko­r­pus des Insti­tuts für Deutsche Sprache genau einen Tre­f­fer hat? Und das in der Schweiz­er Tageszeitung St. Galler Tag­blatt? Aus dem Jahr 2001? In einem Zusam­men­hang, der so gar nichts mit der Bedeu­tung zu tun hat, mit der die Gesellschaft das Wort ver­sieht? Nämlich:

Ist der Zusam­men­stoss unver­mei­dlich, kön­nte eine Früherken­nung zumin­d­est das Ver­let­zungsrisiko der Pas­sagiere min­dern. Denn heute starten Sicher­heitssys­teme wie Airbag oder Gurt­straf­fer ihre Ret­tungsrou­tine erst, wenn sich die Kon­tra­hen­ten tat­säch­lich berühren und die Sen­sorik eine bedrohliche Sit­u­a­tion erkan­nt hat. [St. Galler Tag­blatt, Das sehende Auto, 9.11.2001]

Ein Wort, das selb­st der Spiegel im gemein­samen Archiv von Print und Online nur ein einziges Mal find­et? Und zwar eben­falls in einem Zusam­men­hang, der keinen Bezug zu Wirtschaft und Sta­bil­isierung hat? Nämlich:

1614 Ein­sätze fuhren die Nothelfer let­ztes Jahr, ret­teten dabei 1933 Men­schen, holten ver­let­zte Mas­chin­is­ten von Frachtern und klaubten im Sturm Män­ner von Bohrin­seln. … Häu­fig find­et die Ret­tungsrou­tine im tück­ischen Bran­dungs­bere­ich statt, bei hohen Grund­seen und mit nur weni­gen Metern Wass­er unter dem Kiel. [Der Spiegel, Sie rauschen weit­er, bis es böse knallt, 15.9.1975]

Ein Wort, für das sich nur mit Mühe über­haupt rel­e­vante Tre­f­fer find­en lassen, die nicht mit der Wörter­wahl selb­st zusam­men­hän­gen? Ein Wort, das haupt­säch­lich in einem ein­samen Zitat des CDU-Poli­tik­ers Wolf­gang Bos­bach über­liefert ist? Nämlich:

Bos­bach hat schon mehrfach gegen Ret­tungs­maß­nah­men ges­timmt. Den­noch rech­net er mit ein­er klaren eige­nen Mehrheit der Koali­tion im Par­la­ment: „Alleine der Umstand, dass die EFSF noch einige Jahre par­al­lel läuft zum ESM, wird nicht dazu führen, dass die Regierung keine eigene Mehrheit bekommt“, sagte er. Bos­bach beklagte „eine Art Ret­tungsrou­tine“, die sich bei den Euro-Hil­fen eingestellt habe. [dpa, zit. laut. Wirtschaftswoche, 28.3.2012]

Einem Zitat, das, wie die dpa in ihrer Mel­dung fest­stellt, die einzige Fund­stelle ist, die sie für das Wort in den „470 000 Artikeln, die alle deutschsprachi­gen Dien­ste der Nachricht­e­na­gen­tur dpa dieses Jahr bis zum Don­ner­stag ver­bre­it­eten“ find­en kann?

Wenn dieses Wort „pop­ulär“ und „sig­nifikant“ ist, dann mehr so im Stillen und gut ver­steckt vor der deutschen Sprachge­mein­schaft. Wenn es „öffentliche Diskus­sion des betr­e­f­fend­en Jahres beson­ders bes­timmt“ hat, dann muss das unter Auss­chluss der Öffentlichkeit geschehen sein. Wenn es „charak­ter­is­tisch“ ist, dann in dem Sinne, in dem Del­phine charak­ter­is­tisch für die Sahara sind.

Das ist kein „ver­bales Leit­fos­sil“, das ist eine ver­bale Zufallsmu­ta­tion, die es kaum aus der Mund­höh­le her­aus geschafft hat, in der sie geschlüpft ist. Wenn es den Wet­tbe­werb „Das bedro­hte Wort“ noch gäbe, man würde aufgeregt her­beieilen, denn ein der­art seltenes Wort hat man selb­st dort mit viel Mühe nie find­en können.

Um ein Wort zu find­en, das es noch weniger ver­di­ent, Wort des Jahres zu wer­den, wird die Gesellschaft für deutsche Sprache den Sieger im näch­sten Jahr gle­ich selb­st erfind­en müssen. Vielle­icht Wörter­wahlfälschung. Oder Sig­nifikanzver­bot. Oder Pop­ulärm (wie in Viel Pop­ulärm um Nichts).

Wickie und der starke William

Von Susanne Flach

Vor zwei Wochen sorgte ein Artikel im Forschungs­magazin APOLLON der Uni­ver­sität Oslo für kollek­tives Aufhorchen inner­halb der Sprach­wis­senschaft. Der nor­wegis­che Lin­guist Jan Ter­je Faar­lund von der Uni­ver­sität Oslo und sein amerikanis­ch­er Kol­lege Joseph Emonds von der Palacký-Uni­ver­sität in Olo­mouc (Tschechien) behaupten, dass Englisch auf­grund der „fun­da­men­tal“ ähn­lichen Struk­tur von Englisch und Nor­wegisch eigentlich eine skan­di­navis­che Sprache sei. Damit stellen sie die bish­erige Klas­si­fizierung des Englis­chen als west­ger­man­is­che Sprache mit Friesisch und Nieder­ländisch als eng­ste „Ver­wandte“ in Frage.

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Österreichische Wörterwahlen

Von Anatol Stefanowitsch

Während die Wörter­wahlen 2012 in Deutsch­land mit dem Jugend­wort des Jahres ger­ade erst begonnen haben, ist Öster­re­ich schon fer­tig: Auf einen schlag gab die Forschungsstelle Öster­re­ichis­ches Deutsch an der Uni­ver­sität Graz heute das Wort des Jahres, das Unwort des Jahres, das Jugend­wort des Jahres und den Ausspruch des Jahres 2012 bekan­nt (PDF). Weit­er­lesen

Happy Birthday, liebe SMS

Von Anatol Stefanowitsch

Wenn wir die erste über den Short Mes­sag­ing Ser­vice ver­schick­te Kurz­nachricht als Geburtsstunde der Tech­nolo­gie anse­hen, wird die SMS heute 20 Jahre alt: Wie jede Zeitung und jed­er Radio- und Fernsehsender berichtet, schick­te der Pro­gram­mier­er Neil Pap­worth seinem Kol­le­gen Richard Jarvis am 3. Dezem­ber 1992 die erste SMS. Die Tech­nolo­gie, die hin­ter der SMS steckt, ist allerd­ings älter, ihre Entwick­lung begann 1984. Und erst im Jahr nach Pap­worths leg­endärem Wei­h­nachts­gruß kamen die ersten Kund/innen in den Genuss des Kurz­nachrich­t­en­di­en­stes. So kön­nen wir auch im näch­sten Jahr noch ein­mal den zwanzig­sten Geburt­stag der SMS feiern, und im Jahr darauf sog­ar den dreißigsten.

Was hat das alles mit Sprache zu tun? Nun ja, keine andere Kom­mu­nika­tion­stech­nolo­gie wird so häu­fig für den Sprachver­fall nicht nur, aber ger­ade auch bei jun­gen Men­schen ver­ant­wortlich gemacht, wie die kleine, nur 160 Zeichen lange SMS. Weit­er­lesen

Flüchtlinge und Geflüchtete

Von Anatol Stefanowitsch

Vorschläge für sen­si­ble Sprachregelun­gen tre­f­fen sel­ten auf Gegen­liebe. Im Gegen­teil: Sie ziehen Vor­würfe von „Zen­sur“, „Denkver­boten“ und natür­lich „poli­tis­ch­er Kor­rek­theit“ an, wie das Licht die Mot­ten. ((Mit „poli­tis­ch­er Kor­rek­theit“ meinen diejeni­gen, die sie anderen vor­w­er­fen, natür­lich nichts Gutes und die Meta­pher vom Licht (der Ver­nun­ft) und den Mot­ten (aus der ~kiste der Geschichte) gefällt mir immer bess­er, je öfter ich sie lese.))

So auch bei dem Vorschlag, Flüchtlinge lieber als Geflüchtete zu beze­ich­nen. Dieser Vorschlag ist nicht völ­lig neu, aber er erre­icht immer wieder mal eine bre­it­ere Öffentlichkeit, z.B. während des No-Bor­der-Camps in Köln im Juni oder während der aktuellen als Refugee Camp beze­ich­neten Demon­stra­tio­nen.

Warum diese (oder irgen­deine andere) Sprachregelung sin­nvoll sein kön­nte, fra­gen die Geg­n­er poli­tis­ch­er Kor­rek­theit nie: für sie ist klar, dass jede Sprachregelung erstens über­flüs­sig und zweit­ens ein schw­er­er Fall von Sprachver­hun­zung ist. Über­flüs­sig, weil das Wort, um das es jew­eils geht, doch völ­lig unprob­lema­tisch sei, und Sprachver­hun­zung, weil für sie jede unge­wohnte For­mulierung eine ästhetis­che Gefahr darstellt. Sehen wir uns deshalb diese zwei Aspek­te anhand des Begriff­s­paars Flüchtlinge/Geflüchtete näher an, denn es lassen sich daran die Über­legun­gen verdeut­lichen, die bei Vorschlä­gen für Sprachregelun­gen immer eine Rolle spie­len. [Hin­weis: Der fol­gende Text enthält Beispiele ras­sis­tis­ch­er Sprache]. Weit­er­lesen

Yolo & Yallaf!

Von Susanne Flach

Der Lan­gen­schei­dt Ver­lag suchte während des Som­mer­lochs wieder das Jugend­wort des Jahres — und will es am Son­ntag nach Juryauswahl und Pub­likumsab­stim­mung gefun­den haben. Yolo, was für you only live once (‚Du leb­st nur ein­mal‘) ste­ht und laut Jury als „Auf­forderung, eine Chance zu nutzen“ inter­pretiert wird. Weit­ere Nominierun­gen waren (in abw­er­tender Rei­hen­folge): FU!, yal­la, wulf­fen und Koma­su­tra.

Irgend­wie ist yolo sog­ar fast pfif­fig und sprach­wis­senschaftlich als Diskurs­mark­er beina­he inter­es­sant — zumin­d­est, wenn sich der Anspruch die Gewin­ner­worte der let­zten bei­den Jahre, Niveaulim­bo (2010) und Swag (2011), von unten ansieht.

Was aber genau die focussierte Jury aus Spießern von Welt dazu bewogen hat, wulf­fen zu nominieren, das als gut­ten­ber­gen bere­its im let­zten Jahr erkennbar schlecht als Unfug getarnt war, wird ihr Geheim­nis bleiben. Genau wie übri­gens die Nominierungs- und Auswahl­prozesse. Zwar kann jede/r Vorschläge ein­senden, aber schon das wortkarge 358-seit­ige Forum auf der Wahl-Seite lässt Zweifel daran aufkom­men, woher Kan­di­dat­en und Pub­likums­barom­e­ter genau kommen.

(Zu FU! möchte ich mich zum Beispiel gar nicht äußern (lol­rofllol).)

In Ord­nung. Die Jury kämpft ver­mut­lich noch mehr als wir beim Anglizis­mus des Jahres damit, die Aktu­al­ität und den tat­säch­lichen Sprachge­brauch der Kan­di­dat­en präzise zu bes­tim­men und einzu­gren­zen (ehrlich­er Ver­such voraus­ge­set­zt). Googles zeitliche Zuver­läs­sigkeit ist derzeit hundsmis­er­abel — selb­st wenn man die Tre­f­fer nach dem 20. Juli raus­fil­tert, an welchem Lan­gen­schei­dt die Kan­di­dat­en bekan­nt­gab, erhält man über­wiegend Pressemit­teilun­gen vom Anfang der Woche. Sei’s drum. Aber ob beispiel­sweise Koma­su­tra so neu ist? Schnell und ober­fläch­lich recher­chiert: komasutra.de ist eine seit April 2007 kon­nek­tierte Domain mit ver­steck­ten Par­ty­bildern. Naja, bleiben wir fair: ein kreativ­er Ham­burg­er macht ja noch kein kama­sutrös schiefge­laufenes Besäufnis.

Zumin­d­est bei der Ein­hal­tung des Nominierungskri­teri­ums „Kreativ­ität“ hat man sich möglicher­weise Mühe gegeben: zwar ist yolo for­mal ein stin­knor­males Akro­nym (sowas wie Laser). Aber immer­hin: sollte yolo tat­säch­lich im Sinne „eines Lebens­ge­fühls“ ver­wen­det wer­den, würde ich an dieser Stelle ganz ergrif­f­en nick­en wollen. Aber es liegt kaum ein brauch­bar­er Beleg aus dem deutschsprachi­gen Raum vor — vielle­icht ver­steck­en sie sich auch ein­fach viel zu gut im leeren Rund ein­er inter­ne­to­phoben Gen­er­a­tion. Doch selb­st meine bei­den Infor­man­tInnen (15 & 18) mocht­en dieses Wohlwollen mit „ach, diese amerikanis­che Ver­arsche pseudoin­tellek­tueller Hip­ster­scheiße?“ auch nicht so recht auslösen.

Bei der Beurteilung der Ver­bre­itung im Sprachge­brauch der Ziel­gruppe beg­nügt sich die Jury dementsprechend auch dieses Jahr mit Klick­zahlen eines Videos eines möglicher­weise bekan­nten Duos (hier: Drake feat. Lil Wayne — it’s in the name, wayne!). Diesen Beleg aber mit ein­er „nicht mehr wegzudenken[den]“ Ver­bre­itung eines Wortes gle­ichzuset­zen wäre in etwa so, als behaupte man, wir ver­stün­den „Ret­tungss­chirm“ als Aus­druck ein­er hip­pen Non­cha­lance, weil 82 Mil­lio­nen Mit­glieder der Sprachge­mein­schaft bei ein­er bun­desregieren­den Neu­jahrsansprache die Fernbe­di­enung nicht rechtzeit­ig gefun­den haben.

Vielle­icht hat die Jury aber auch ein­fach ganz großar­ti­gen Humor.

Stille Post verschlechtert die Grammatik

Von Anatol Stefanowitsch

Amerikanis­che Wis­senschaftler haben her­aus­ge­fun­den, dass die SMS-Sprache von Jugendlichen deren Gram­matik ver­schlechtert. Zumin­d­est behauptet das eine Presseerk­lärung des Con­tentliefer­an­ten „Pres­se­text“. Aber wie immer, wenn wir etwas über die neuesten Erken­nt­nisse der amerikanis­chen Wis­senschaft erfahren, haben diese ein langes Stille-Post-Spiel hin­ter sich.

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Unter Schneeblinden

Von Anatol Stefanowitsch

Es ist völ­lig egal, wie oft man den Mythos von den „vie­len Eski­mowörtern für Schnee“ wider­legt — wie aus­führlich man z.B. die Struk­tur der Eki­mo-Aleut-Sprachen erk­lärt, wieviele all­t­agsmythol­o­gis­che Quellen man durch­forstet, wievie­len Auswe­ich­mythen man nachge­ht. Es gibt immer Leute — einen drit­tk­las­si­gen Krim­i­au­tor, zum Beispiel, oder seine folk­lorisierende Bürokraft — die das alles bess­er wis­sen. Denn sie kan­nten mal jeman­den, der einen kan­nte, der vielle­icht ein Eski­mo war oder zumin­d­est einen dick­en Anorak besaß, und der hat es ihnen gesagt. Außer­dem haben sie eine Liste! Mit ganz vie­len Eskimoschneewörtern!

Nun kön­nte so eine Wörterliste ja sog­ar bei der Beant­wor­tung der Frage weit­er helfen, ob die Eski­mos ent­ge­gen der detail­lierten Auskün­fte von Fach­leuten viele­icht doch „viele Wörter für Schnee“ haben — es kön­nte ja sein, dass es sich bei den Auskün­ften der Fach­leute um eine Ver­schwörung han­delt, um sich von staatlichen Forschungs­geldern ein faules Leben zu gön­nen, so eine Art Wörter­gate. Wäre es nicht toll, wenn der kleine Mann auf der Straße diese Ver­schwörung aufdeck­en kön­nte, in dem er die Wörterlis­ten öffentlich macht, die die Lin­guis­tik-Mafia so verzweifelt unter Ver­schluss zu hal­ten versucht?

Einen Ver­such wäre es wert. Nur reicht es dazu lei­der nicht, so eine Liste gedanken­los in einen aufge­blasen blub­bern­den Blogkom­men­tar zu kopieren oder sie auf der eige­nen gerne­großen pseudo­bil­dungs­bürg­ertümel­nden Lang­weil­er­web­seite vor der Welt zu ver­steck­en. Man muss dazu auch min­destens drei Fra­gen beant­worten können:

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