Archiv der Kategorie: Hinweise

Blogspektrogramm 37/2014

Von Susanne Flach

Gestern war „Tag der Deutschen Sprache“ mit ganz vie­len kleinen Pressemel­dun­gen zu Anglizis­men und einkaufen sagen statt shop­pen und body bag ist eigentlich ein Leichen­sack (& Co). Die Her­aus­forderung war also, aus den vie­len Stör­feuern die Sah­neschnittchen rauszu­fis­chen. Urteilen Sie selbst:

  • Sibylle Berg zer­rupft im SPIEGEL die Argu­mente von Bas­t­ian Sick.
  • Michael Mann im LEXIKOGRAPHIEBLOG mit ein­er kleinen gram­ma­tis­chen Analyse sein­er Fund­stücke von Ver­bots- und Hin­weiss­childern. (Michael, bitte mehr davon!)
  • DS Bigham auf SLATE zu „Sci­ence Fic­tion Lin­guis­tics“.
  • Allein der Über­schrift wegen: „Sprache als Quiz ohne falsche Antworten“ — DIE PRESSE zu Vari­anten und Vari­a­tion in Vari­etäten der deutschen Sprache.
  • Was passiert beim Sprachen­ler­nen im Kopf? Der GUARDIAN geht dieser Frage nach.
  • Im Vor­feld des Unab­hängigkeit­sref­er­en­dums in Schot­t­land beschäftigt man sich natür­lich auch mit dem zukün­fti­gen Sta­tus des Schot­tis­chen, das — erwart­bar — zumin­d­est ideell „eine zen­trale Rolle“ ein­nehmen wird, schreibt der TELEGRAPH. In Kanadas OTTAWA CITIZEN ist man der Mei­n­ung, die Frage der Unab­hängigkeit ist — erwart­bar — (noch) keine der Sprache.
  • Wem eine syn­tak­tis­che Analyse des Slo­gans der Gegner/innen des Ref­er­en­dums lieber ist, dem sei Geof­frey Pul­lums Per­spek­tive zu „Bet­ter Togeth­er“ empfohlen.

Blogspektrogramm 36/2014

Von Susanne Flach

Der Som­mer­pause genug! Heute beschäfti­gen wir uns mit Goethe, kali­for­nischen Akzen­ten, Far­ben und Saufen. Eine fabel­hafte Son­ntagfrüheröff­nung, wie wir finden:

  • Jemand hat Dr. Bopp gefragt, was es syn­tak­tisch mit Goethes „Der Worte sind genug gewech­selt. Lasst mich auch endlich Tat­en sehen!“ auf sich hat. Dr. Bopp hat geant­wortet.
  • Natür­lich ohne Zwang: die Mehrheit der 500 größten öster­re­ichis­chen Unternehmen ver­wen­det in ihren Tex­ten gegen­derte For­men, melden die SALZBURGER NACHRICHTEN. ((Hat wer ne Idee, wo die Studie aufzufind­en ist?))
  • David Crys­tal so: „The his­to­ry of drink­ing vocab­u­lary is an exer­cise in seman­tics rather than soci­olin­guis­tics.“ Und dann präsen­tiert er die Fast kom­plette Liste jedes Worts, was wir jemals für ‚betrunk­en‘ ver­wen­det haben. Prost Kater! (Englisch)
  • Um Far­ben, Farb­wörter und Sprache ging’s hier im Sprachlog ja schon öfter. John McWorther — aus­gewiesen­er Skep­tik­er des Felds — meldet sich im OUP-Blog zu Far­ben, Sprache & Denken zu Wort (Englisch).
  • Im SACRAMENTO BEE berichtet man über eine großan­gelegte Dialekt- und Ausspraches­tudie in Kali­fornien und den kleinen Unter­schieden und Wan­del­tenden­zen. (Englisch)
  • Und wer sein Gehör jet­zt auf einem etwas gröberem Lev­el testen möchte, kann hier ein kleines Quiz zu englis­chen Akzen­ten machen (Englisch).

Blogspektrogramm 35/2014

Von Kristin Kopf

Nehmen wir Gram­matik­fehler wahr, wo keine sind? Ist Säch­sisch viel stan­dard­näher als gemein­hin angenom­men? Und warum braucht man auf Bali einen Berg und keinen Kom­pass, um sich sprach­lich zu ori­en­tieren? Das und mehr gibt’s im heuti­gen Spektrogramm:

  • Die Sprache von Raed Saleh hat Sebas­t­ian Heis­er für die TAZ unter die Lupe genom­men: »Die taz fragte: „Wäre Berlin bere­it für einen Regieren­den, der gram­matikalisch manch­mal daneben­liegt?“ Die Antwort war in der Süd­deutschen Zeitung zu lesen: „SPD-Frak­tion­schef Raed Saleh hat so viel Mühe mit der Gram­matik, dass er für die Rolle des Thron­fol­gers auss­chei­det.“ Die Jour­nal­is­ten irren alle­samt: Raed Saleh hat eine sehr saubere Gram­matik.«
  • Über den säch­sis­chen Dialekt hat Lisa Cas­pari für die ZEIT ein Inter­view mit dem Sprach­wis­senschaftler Beat Sieben­haar geführt: »Die säch­sis­che Region­al­sprache und der Dialekt hat­ten schon lange einen schw­eren Stand. Säch­sisch wird oft gle­ichge­set­zt mit tölpel­haftem Ver­hal­ten, Unge­bilde­theit und Spießigkeit. Diese Ansicht hat sich über Jahrhun­derte tradiert. Dabei unter­schei­det sich das Säch­sis­che eigentlich rel­a­tiv wenig von unserem heuti­gen Hochdeutsch.«
  • Dafür, dass das Schreiben von SMS etc. die Schreibkom­pe­tenz von Kindern und Jugendlichen fördert, argu­men­tiert Ran­dall Munroe auf XKCD mit ein­er schö­nen Analo­gie. (Comic­strip, Englisch)
  • Wer sich für gram­ma­tis­che Fein­heit­en inter­essiert, die kön­nte der aktuelle Blog­post von Lau­ren Gawne auf SUPERLINGUO sehr glück­lich machen. Da wird Schritt für Schritt erk­lärt, was es eigentlich mit »Erga­tiv­ität« auf sich hat, und es fängt ganz leicht an: »What is in a sen­tence – Well, that depends on the lan­guage to a large extent, but it also depends on the verb. This is because on of the jobs of the verb is to decides how many people/things will be in the sen­tence.«
  • Und, wenn wir schon bei Sprachty­polo­gie sind: Wie ori­en­tiert man sich sprach­lich auf Bali? Auf SLATE erk­lärt Leah Velle­man die Beson­der­heit­en geozen­trisch­er Ori­en­tierungssys­teme: »If you were trav­el­ing around Bali with a com­pass, you would find your­self con­front­ed with a lin­guis­tic puz­zle. The word kaja in Bali­nese is some­times trans­lat­ed as mean­ing “north.” […] But as you trav­eled into the coun­try­side, you would find vil­lages where kaja seemed to mean “south,” “east” or “west” instead.«

Blogspektrogramm 34/2014

Von Susanne Flach

In der Sprachlog-Som­mer­pause gibt es heute durch und durch orthografisch-lexikalis­che Feinkost zu Jugend­wörtern, Scrab­ble und Espres­so. Also fast. Ein biss­chen Bask­isch und Sprachin­stinkt ist auch dabei:

  • Mar­tin Haase von der Uni­ver­sität Bam­berg forscht seit vie­len Jahren zu Bask­isch und find­et Evi­denz dafür, dass Bask­isch weit weniger isoliert zu sein scheint, als angenom­men. Darüber bericht­en mehrere Medi­en, die sich auf diesen Text auf der Uni­seite beziehen.
  • Die nor­damerikanis­che „offizielle Liste“ für Scrab­ble enthält jet­zt ‚qajaq‘ (für 20 Punk­te!). Was das ist und warum das da auf­taucht, weiß Ben Zim­mer im WSJ.
  • Steven Pinker hat — 2007 — ein Buch geschrieben, das jet­zt auf Deutsch erscheinen ist und in der WIENER ZEITUNG von Frank Ufen kri­tisch rezen­siert wird.
  • Erin­nern Sie sich noch an YOLO, das Jugend­wort des Jahres 2012? Das ist jet­zt in die Onlin­ev­er­sion des Oxford Dic­tio­nary aufgenom­men wor­den — zumin­d­est im englis­chsprachi­gen Raum hat es eine gewisse Ver­bre­itung. (Empfehlenswert in diesem Zusam­men­hang ist auch der darin ver­link­te Artikel von Ben Zim­mer vom August 2012.)
  • Na, heute schon Expres­so gehabt? Das ist his­torisch noch nicht mal so ungewöhn­lich: Ben Yago­da in SLATE.

Blogspektrogramm 33/2014

Von Kristin Kopf

Sie haben sich­er noch Leses­toff von let­zter Woche übrig — heute daher nur vier Links: Darüber, wo welche Vokale kurz oder lang gesprochen wer­den, darüber, was in der öster­re­ichis­chen Schulpoli­tik so passiert, darüber, wie ein Jour­nal­ist mit Lin­guistin­nen zusam­mengear­beit­et hat und darüber, was er dabei her­aus­ge­fun­den hat. Los geht’s:

  • Sagen Sie Spaaaaß oder Spass? Poli­ti­ik oder Pol­i­tick? schoon oder schonn? Und sind Sie damit in Ihrer Umge­bung sprach­lich richtig aufge­hoben? Die ZEIT hat mal wieder schöne Verteilungskarten erstellt, auf Basis von AdA-Dat­en.
  • Im STANDARD find­et sich ein Inter­view mit dem Sprach­wis­senschaftler Gero Fis­ch­er, das einen Ein­blick in den schulis­chen Umgang mit Mehrsprachigkeit in Öster­re­ich gibt. (via @Vilinthril)
  • Michael Erard beschreibt für THE MORNING NEWS, wie er eine lin­guis­tis­che Reportage mit seinen Inter­view­part­ner­in­nen auf Fehler über­prüft hat: »Talk­ing about lan­guage is already tough. Try dis­cussing a brand new lan­guage via Skype with two hear­ing lin­guists, plus anoth­er via text, who hap­pens to be deaf, and see what you learn.« (via @linguisten.de)
  • Wer sich jet­zt für die Reportage selb­st inter­essiert: Die ist schon im April bei ALJAZEERA AMERICA erschienen — es geht um bish­er unbeschriebene Gebär­den­sprachen. »Most of the news about minor­i­ty lan­guages is that they’re endan­gered or dying off, and the only new lan­guages we hear about are those cre­at­ed for Hol­ly­wood sci-fi block­busters. But some­times, lin­guists find a pre­vi­ous­ly unrecord­ed lan­guage — and when they do, it’s a sign language.«

Blogspektrogramm 32/2014

Von Susanne Flach

Da wir vom Sprachlog um Ihre Freizeit­gestal­tung besorgt sind, liefern wir Ihnen auch am heuti­gen Son­ntag wieder zahlre­iche Argu­mente gegen Lese­faul­heit. Heute ver­suchen wir das mit ein­er irren Abfolge an The­men u.a. aus der Sozi­olin­guis­tik, Foren­sis­ch­er Lin­guis­tik und ein­er beson­ders amüsan­ten Plagiatsapp:

Blogspektrogramm 31/2014

Von Kristin Kopf

Die heutige Son­ntag­sun­ter­hal­tung bietet prak­tis­che Werkzeuge, Tau­tolo­gien, Schaum vorm Mund, rät­sel­hafte Manuskripte und högschde Konzen­tra­tion. Viel Spaß!

  • Die NYT hat ein neues Spielzeug: Mit Chron­i­cle lassen sich Wörter und Phrasen seit Mitte des 19. Jahrhun­derts in der New York Times suchen und visu­al­isieren. Die Mes­sung ist sehr grob (Zäh­lung immer pro Artikel), aber lustig ist es den­noch — hier habe ich mal ein paar deutsche Lehn­wörter reingeschmis­sen. (Via Super­lin­guo)
  • Über dop­pelt gemop­pelte Wörter macht sich Stephan Bopp auf FRAGEN SIE DR. BOPP Gedanken.
  • Im LEXIKOGRAPHIEBLOG hat Michael Mann eine sehr nüt­zliche Liste von Wörter­buch-Plu­g­ins für den Brows­er zusammengestellt.
  • Kil­ian Evang präsen­tiert im TEXTTHEATER eine wun­der­volle Pas­sage zu Sprachvorschriften von Anfang des 20. Jahrhunderts.
  • Eine neue The­o­rie zur Entste­hung des rät­sel­haften Voyn­ich-Manuskripts nimmt Jür­gen Her­mes auf TEXPERIMENTALES unter die Lupe.
  • André Mei­n­unger hat sich im SPRAACHENBLOG Gedanken dazu gemacht, wie Jogi Löws ale­man­nis­ch­er Dialekt in den Medi­en ver­schriftet wird und freut sich über Input. (Achtung, einiges an Fachvokabular!)

Hen, wirf Hirn vom Himmel

Von Susanne Flach

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtete vorgestern davon, dass die Sven­s­ka Akademien in der neuen Auflage des von ihr her­aus­gegebe­nen Wörter­buchs der schwedis­chen Sprache das geschlecht­sneu­trale Pronomen hen aufnehmen wird, das das Pronom­i­nal­sys­tem in der drit­ten Per­son Sin­gu­lar neben hon ‚sie‘ und han ‚er‘ ergänzen soll–, nein, ergänzen wird–, hm, ergänzen muss–, ja, was denn nun?

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Blogspektrogramm 30/2014

Von Susanne Flach

Som­mer­loch Som­mer­loch bla Som­mer­loch blafasel Som­mer­loch Som­mer­loch tüdelü Som­mer­loch tralala Som­mer­loch — oh, wartense, ein Spek­tro­gramm! Heute mit Binnen‑I, Kuh­wörtern und geografis­chen Fak­toren bei sprach­lich­er Diversität:

  • Der Ger­man­ist Rudolf Muhr kom­men­tiert in DIE PRESSE mit klaren Worten den „sprachkon­ser­v­a­tiv­en Auf­s­tand“ der Bin­nen-I-Geg­ner­In­nen und deren aggres­siv­en Ton­fall als „sprach­lichen Revisionismus“.
  • Sprache X hat Y Wörter für Z!“ — der Klas­sik­er unter den lexikalis­chen Mythen. Und jet­zt kommt das OED uns erzählt uns was vom (ety­mol­o­gis­chen) Reich­tum des Englis­chen für das Wort­feld Kuh!
  • Warum es keine Ein­heitssprache geben wird: Marc Ettlinger auf BUSINESSINSIDER. Die kurze Antwort hat vielle­icht etwas sehr viel „Iden­tität“ als „bewussten“ Ein­flussfak­tor und etwas weniger geografis­che Dis­tanz im Sinne des „Wer­dens (und Bleibens) ein­er Sprachge­mein­schaft“, aber gut, dafür haben wir noch zu vermelden:
  • Den Gedanken der „spe­ci­a­tion“ ver­fol­gt man im ECONOMIST und berichtet von ein­er Studie, die geografis­che Fak­toren bei Sprachen­di­ver­sität unter­sucht hat.
  • Video der Woche: ver­mut­lich noch bis heute Abend kön­nen Sie in der Videothek des ZDF eine Diskus­sion bei Peter Hahne zwis­chen Sascha Lobo und dem Ger­man­is­ten Horst Haider Munske zum The­ma „Stirbt die deutsche Sprache aus?“ sehen. Die Diskus­sion ist etwas zäh, aber inter­es­sant auf ein­er Metaebene. Sehen Sie ein­fach selbst.

Die „Welt“ entschuldigt sich für Dinge

Von Anatol Stefanowitsch

Die WELT hat mich gestern in einem Artikel über die Nahost-Berichter­stat­tung mehrfach falsch zitiert. Ich habe das hier im Sprachlog umge­hend richtig gestellt, habe eine Kor­rek­tur der Online-Ver­sio­nen der Artikel gefordert (die auch zeit­nah erfol­gte) und habe darum gebeten, in der Druck­aus­gabe eine Richtig­stel­lung zu drucken. 

Heute erschien dann fol­gende „Klarstel­lung“:

Im Zusam­men­hang mit unser­er Berichter­stat­tung über die Kri­tik an Ten­den­zen isre­alfeindlich­er Berichter­stat­tung in den deutschen Medi­en (“Welt” vom 23. Juli: “Ein Großteil deutsch­er Medi­en berichtet vor­ein­genom­men”) legt der von uns zitierte Sprach­wis­senschaftler Prof. Ana­tol Ste­fanow­itsch (FU Berlin) Wert auf die Fest­stel­lung, dass er solche Ten­den­zen in der Berichter­stat­tung nicht für “auss­chlaggebend für anti­jüdis­che Aggres­sio­nen auf deutschen Straßen” hält. Sollte dieser Ein­druck ent­standen sein, bit­ten wir das zu entschuldigen.

Dass sich Politiker/innen, Medi­en­häuser und andere öffentliche Akteur/innen lieber für die Ein­drücke entschuldigen, die ihre Hand­lun­gen her­vor­rufen, als für die Hand­lun­gen selb­st, ist ja bekan­nt, aber das hier ist meine per­sön­liche „Nichtschuldigung“ des Jahres.

Der „Ein­druck“, für den die WELT sich hier entschuldigt, ist ent­standen, weil sie mir Zitate ein­er poli­tis­chen Grup­pierung in den Mund gelegt habt, die genau diesen Ein­druck ver­mit­teln sollen.

DAS HAT DIE WELT LEIDER VERGESSEN ZU ERWÄHNEN.

Ich wollte keine Entschuldigung, ich wollte eine Klarstel­lung, dass man mich mehrfach mit Aus­sagen und For­mulierun­gen zitiert hat, die nicht von mir stam­men und in kein­er Weise dem ähneln, was ich dem Autor des betr­e­f­fend­en Artikels in einem Tele­fon­in­ter­view erzählt habe.

Wenn das Qual­ität­sjour­nal­is­mus ist, braucht der Jour­nal­is­mus keine Feinde mehr.