Am 8. Mai 2018 habe ich anlässlich des 85. Jahrestages der Bücherverbrennung im Literaturhaus Berlin einen Vortrag über die „Grenzen des Sagbaren“ gehalten. Der Mitschnitt zu diesem Vortrag ist nun auf Soundcloud zum Nachhören verfügbar.
Archiv der Kategorie: Hinweise
Blogspektrogramm 38/2017
Heute haben Sie Links zur Wahl, und man darf sogar mehr als zwei davon anklicken! Für unsere Schweizer LeserInnen, die nicht abstimmen dürfen, haben wir uns als Ersatz einen andere Beschäftigung ausgedacht. Und sonst noch? Wahlkampfsprache, Apostrophenhass und Farbwörter — viel Spaß!
- Mit dem Kulturradio vom RBB haben sich Anatol Stefanowitsch und Sebastian Pertsch über Wahlkampfsprache unterhalten. (Audio)
- Im SZ MAGAZIN kommentiert CUS angenehm entspannt den wortinternen Apostroph: »So einfach könnte das Leben sein, wenn da nicht der Wutbürger wäre. Denn nichts kann diese Spezies dermaßen auf die Palme bringen wie ein vermeintlich falscher Apostroph: Über Helga’s Frisiersalon oder Bernie’s Pils-Treff gehen im Netz Shitstorme von Apostrophen-Hass nieder. Einzig korrekt sei doch Helgas Frisiersalon, ohne Apostroph, basta. Geht’s noch? Muss man deswegen Gift und Geifer über einer braven Friseurin abladen?«
- Forschungshilfe gesucht: Sprechen Sie zufällig muttersprachlich einen Schweizerdeutschen Dialekt? Dann klicken Sie doch mal hier herüber, mein Kollege Andreas Klein und ich interessieren uns dafür, wie Sie bestimmte Sätze ins Schweizerdeutsche übersetzen. (Wer kein Schweizerdeutsch spricht und nur mal gucken will, darf natürlich auch, aber dann bitte den Bogen nicht abschicken.) Gerne weiterleiten — tausend Dank!
- Wie kategorisieren Menschen Farben in verschiedenen Sprachen? Für THE CONVERSATION berichten Ted Gibson und Bevil Conway davon, über welche Farben sich Menschen besonders leicht verständigen können und bieten eine Erklärung dafür an: »In English, it turns out that people can convey the warm colors – reds, oranges and yellows – more efficiently (with fewer guesses) than the cool colors – blues and greens. You can see this in the color grid: There are fewer competitors for what might be labeled “red,” “orange” or “yellow” than there are colors that would be labeled “blue” or “green.”«
Blogspektrogramm 35/2017
Das Spektrogramm lebt! Die aktuellen Links sind nicht mehr durchgehend taufrisch, aber Spaß kann man daran durchaus noch haben. Es geht heute um die Ehe für alle, Vongolisch, die vermeintliche Sprache des Volkes, scary Englisch in Berlin und darum, was ein Hochbauingenieur mit Hochdeutsch zu tun hat:
- Stefan Niggemeier ist für ÜBERMEDIEN dem Ursprung der Bezeichnung Ehe für alle und ihrem Verhältnis zur Homoehe nachgegangen: »Natürlich hing der Kampf für die Gleichstellung nicht nur an der Durchsetzung eines Hashtags. Aber der Begriff „Ehe für alle“ half sehr, das Anliegen sympathisch, positiv und allgemein wirken zu lassen, nicht speziell und vor allem nicht sexuell. „Viele Leute sprechen das Wort ‚Homo‘ nicht gerne aus“, sagt der Initiator Sören Landmann. „Das ist schade, aber das ist Realität.“ […] Dass man plötzlich über die „Ehe für alle“ reden konnte, habe auch dafür gesorgt, dass sich mehr Menschen überhaupt zu dem Thema äußerten.«
- Vong Sprache her hat sich im letzten Jahr auch 1 bisschen was getan und es gibt Streit darüber, wem das zu verdanken ist. Für die SÜDDEUTSCHE hat sich Jan Stremmel die Sache genauer angesehen: »30 Millionen Deutsche sind aktuell bei Facebook. Und weil man sich dort vor allem schriftlich mitteilt, ist korrekte Sprache heute ein wichtigeres Distinktionsmerkmal denn je. Wer in seinen Postings “seid” und “seit” verwechselt, zu viele Ausrufezeichen oder falsche Kommata setzt, gilt umgehend als Trottel, egal was er zu sagen hat. […] Insofern war die absichtlich hirnlose Witzsprache in ihren Anfangstagen quasi Punkrock. Aber das ist lange vorbei.«
- Schon im März hat Anatol Stefanowitsch der SÜDDEUTSCHEN ein Interview zu Politik und Populismus gegeben: »Ich glaube, dass die Idee, dass man mit dem Volk sprechen kann, schon in sich populistisch ist. Weil sie davon ausgeht, dass es irgendwo ein Volk gibt, das eine bestimmte Sprache spricht, die man nur treffen muss. Wir leben aber in einer komplexen Gesellschaft, die insgesamt sehr gebildet ist. “Der kleine Mann auf der Straße” versteht im Zweifelsfall wesentlich komplexere Dinge, als es in diesem populistischen Zerrbild dargestellt wird. Der Populismus macht diesen sogenannten kleinen Mann viel naiver und uninformierter als er ist.«
- Fatma Aydemir trollt Jens Spahn in der TAZ: »Don’t get me wrong, Spahn möchte nicht das EasyJet-Prekariat in Schönefeld abfangen, um es in Integrationscamps zu stecken. Es geht ihm viel mehr „um uns Deutsche selbst“ und um eine drohende „kulturelle Gleichschaltung“. […] Dabei ist es nicht so, dass ich es kein bisschen sad finde, wenn sich Jens’Mom in Berlin-Mitte keinen Flat White bestellen kann, weil die Baristas nur noch Englisch sprechen. Zu Recht geht das Spahniboy ziemlich „auf den Zwirn“ (= es turnt ihn ab). Obendrein ist er als amtierender Staatssekretär für Finanzen dahintergekommen, dass mittelständische German-speaking Enterprises im Schwarzwald mehr Asche machen als die angeblich so boomende Start-up-Szene in der Hauptstadt. In short: Das Hipsterbusiness bringt nicht mal richtig Cash. Wieso sollte er die also supporten?«
- In Sven Regeners Betrachtung des Tiefbauingenieurberufs für die FAZ verbirgt sich auch ein wenig Sprachwissenschaft: »„Es ist ja so“, nimmt er mit einer wegwischenden Handbewegung plötzlich den Faden wieder auf, „dass man zwar Begriffe mit ‚hoch‘ beim ersten Hinhören positiver konnotiert findet als Begriffe mit ‚tief‘ oder ‚nieder‘, dass man damit aber eben oft auch falschliegt, nur dass das keiner merkt. […] Die meisten Leute glauben zum Beispiel, und da wird es eben jetzt mal einen Moment lang germanistisch, dass mit dem Begriff Hochdeutsch eine höherstehende, in höheren Kreisen und so weiter entwickelte Sprache gemeint sei, manche sagen auch Hochsprache, weil sie denken, es gäbe so etwas, und da sei ein Zusammenhang, dabei wissen sie bloß nicht, dass es Hochdeutsch heißt, weil es das Süddeutsche oder Oberdeutsche ist, die also einst in den höher gelegenen deutschen Gebieten gesprochene Sprache, dass also die hochdeutschen Dialekte eben das Bairische, Alemannische, Sächsische und Fränkische sind, im Gegensatz zum Niederdeutschen, das so heißt, weil es in den norddeutschen, tiefer gelegenen Landschaften gesprochen wurde und sowieso eine ganz andere Sprache ist und das schon seit dem achten, neunten Jahrhundert, als sich südlich der Benrather Linie das Hochdeutsche entwickelte, und niemand weiß, warum. Da können Sie schon mal sehen, wie sehr der Zusatz ‚hoch‘ in die Irre führen kann, teuflisch“, sagt der Tiefbauingenieur und beruhigt sich erst einmal mit einem Schluck aus dem Deckel seiner Thermoskanne.«
Blogspektrogramm 46/2016
Das heutige Spektrogramm bringt eher anstrengendere Themen — nichtsdestotrotz sind unsere Links über die US-Wahl, typografische Einbürgerungshindernisse, Kommunikationsprobleme beim Brexit und luxemburgischen Nationalismus lesens- und hörenswert.
- Der Lexikograph Ben Zimmer hat mit WNYC über Wörter gesprochen, die den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf geprägt haben (Audio, Englisch): whitelash, rigged, big league, deplorables, nasty woman etc.
- Wenn man einen Namen falsch schreibt, reagieren die NamenträgerInnen oft emotional — als “Kristin mit K und ohne e” weiß ich das bestens. Mit einem wesentlich problematischeren Fall hat es Robert Matešić zu tun, über den DAS MAGAZIN berichtet — ein ganzer Staat ist typografisch gegen ihn: »Mit dem Lineal zieht er einen Strich durch seinen Namen und schreibt ihn in Druckbuchstaben auf die gepunktete Linie:M a t e š i ć. Ausgesprochen: Ma-te-schitsch. Gefehlt hat das aufsteigende Strichlein, der Akut, über dem c. Bitte kontrollieren Sie die Daten genau, hiess es im Schreiben des Zivilstandsamts der Stadt Zürich. Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie die Richtigkeit Ihrer Angaben. […] Es geht um […] seine Einbürgerung. Zum Glück, denkt er, hat er den Fehler noch rechtzeitig entdeckt.«
- Nein, nein und noch mal nein! Für BBC Radio 4 geht Damien McGuinness auf höflichkeitsbedingte Kommunikationsprobleme ein (Audio, Englisch).
- Vor ein paar Jahren war “Deutsch ins Grundgesetz” in Deutschland ein Thema, aktuell streitet man in Luxemburg darüber, ob Luxemburgisch erste Amtssprache werden soll. Dabei ist die Sprache nur Stellvertreterin für Nationalismus, sagt Danielle Igniti zu RADIO 100,7: »Si wëllen d’Land splécken a Lëtzebuerger, déi Lëtzebuergesch schwätzen, an an Auslänner, déi mussen ausgegrenzt ginn. D’Lëtzebuerger Sprooch gëtt e Mëttel zum Zweck fir ultra-nationalistesch Aktivisten, déi de Lëtzebuerger hir irrational Ängschten ausnotzen an zur ethnescher Säuberung opruffen. De Feind ass den Auslänner — ob en elo Lëtzebuergesch kann oder net, ass am Fong net méi wichteg.« (Ein kurzer Text auf Deutsch mit den groben Rahmeninfos finden sich hier.)
Blogspektrogramm 42/2016
Sonntag, Spektrogrammtag (manchmal)! Heute gibt’s soziale Medien, Liebesbriefe, Gendersterne, Wortgeschichten und Definitartikel. Viel Spaß allerseits!
- Anatol hat für das Wissenschaftsmagazin FUNDIERT der FU aufgeschrieben, wie soziale Medien Sprache verändern — Spoiler: nicht allzu sehr, aber im Wortschatz schlagen sie sich schon nieder: »Manchmal gibt es sogar mehrere Wörter, die feine Bedeutungsunterscheidungen treffen. So bezeichnet twittern die allgemeine Tätigkeit des Schreibens von Beiträgen auf Twitter, während tweeten sich auf eine konkrete Nachricht bezieht: Ich twittere gerne, aber Ich habe lange kein Foto meiner Katze mehr getweetet.«
- In diesem Zusammenhang spannend, was die AUGSBURGER ALLGEMEINE von Eva Wyss über Liebensbriefe erfahren hat: »E‑Mails und WhatsApps haben Liebesbotschaften nicht den Todesstoß versetzt, sondern laut der Hüterin des Koblenzer Liebesbriefarchivs zu einer neuen Lust am Schreiben geführt. «In den sechziger Jahren hat das bequeme Telefon der Briefkorrespondenz große Konkurrenz gemacht», sagte Eva Wyss […]. «Jetzt haben viele Partnerschaften mit ihren Handys einen permanenten Kommunikationsstrom», ergänzte die Professorin.«
- Für WORDPRESS macht sich Caspar Hübinger Gedanken darüber, wie sich geschlechtergerechte Sprache in die Benutzer(!)oberfläche bringen lässt: »Für 50 Strings (1% des Gesamtvolumens) haben wir bisher keine neutralen Übersetzungen gefunden. Der Großteil davon befindet sich in Hilfetexten; die prominentesten Vorkommen sind die Rollenbezeichnungen auf der „Benutzer“-Seite: Administrator, Redakteur, Autor, Mitarbeiter, Abonnent. Der Begriff „Autor“ kommt außerdem in diversen Filter-Funktionen vor.Für diese 50 Strings haben wir vorerst auf Endungen mit Gender-Star zurückgegriffen. Aus „Autor“ wurde „Autor*in“.«
- Der GESCHICHTSCHECK hat sich einmal die Geschichte des Wortes völkisch angesehen: »Der Begriff „völkisch“ wurde zwischen 1875, als der Germanist Hermann von Pfister ihn als Ersatzwort für „national“ vorschlug, und 1935, als der Große Brockhaus ihn als „Verdeutschung des Wortes ‚National‘, im Sinne eines auf dem Rassegedanken begründeten und daher entschieden antisemitischen Nationalismus“ definierte, so aufgeladen, dass er sich zum Schlagwort für eine radikalnationalistische, antisemitische und rassistische Weltanschauung entwickelte.«
- Was sagt Donald Trump eigentlich, wenn er einen Artikel vor Personengruppen setzt, wie in the African-Americans? Lynne Murphy hat sich das Phänomen für QUARTZ einmal angesehen und erklärt, was es so negativ klingen lässt: »[…] Trump promised, “I’m going to help the African-Americans. I’m going to help the Latinos, Hispanics. I am going to help the inner cities. [Clinton has] done a terrible job for the African-Americans.” Trump’s unusual use of “the” hasn’t gone unnoticed. Normally innocuous, this definite article is now causing serious offense. The hashtag #theAfricanAmericans has been trending since the debate with angry and sardonic comments on Trump’s linguistic choice.«
Blogspektrogramm 33/2016
Ein Link zu 1 Phänomen (zwei, eigentlich), Niggemeier über Kopp-Verlag und VDS, historische Vorstellungen davon, was Sprache eigentlich ist und Vorstellungen davon, wie Stimmen in der Politik zu klingen haben — der Sonntag ist gerettet!
- Nadja Schlüter hat sich auf JETZT 1 Frage gestellt, nämlich die nach der Herkunft der 1. Sie vermutet, dass der Rapper Money Boy sie erfunden hat — die Erfahrung (und die Nachträge am Ende des Artikels) zeigt, dass so etwas meist nicht völlig aus dem Nichts kommt, aber was Money Boy zum Thema zu sagen hat, ist auf jeden Fall lesenswert: »Gibt keine Hintergründe meist ausser die Sprache immer fresh und neu und different zu keepen.« Interessant an der 1 ist, dass sie nicht nur die Vorkommen ersetzt, bei der sie mit der Aussprache übereinstimmt (Was ist das für 1 Life), sondern auch die, bei denen dadurch Kasus oder Genus nivelliert werden (Was ist das für 1 Frage?). Das ist kein reines Schriftphänomen, sondern findet sich ebenso, mit den gleichen sprachspielerischen Konnotationen, in der gesprochenen Sprache (Was ist das für ein Frage?). Insofern gleicht es 1 wenig dem gleichmacherischen nen.
- Wer will, kann sich dafür auch 1 Chrome-Extension runterladen.
- Letzten Sonntag haben wir einen Beitrag zur Causa VDS in F&L verlinkt. Über das Thema hat auch Stefan Niggemeier auf ÜBERMEDIEN geschrieben (der Link befand sich am Ende des verlinkten Blogposts) — was natürlich Reaktionen nach sich zog. Die gib’s hier: »Der Text von Mähler ist faszinierend, weil er den ganzen Wahn enthält, der diese Szene antreibt. Bloßer Widerspruch wird zum Versuch hysterisiert, einen ganzen Verein „mundtot“ zu machen. Wenn der in den Medien allgegenwärtige Vorsitzende eines Vereins es sich gefallen lassen muss, dass ein paar Leute ihn kritisieren, bedeutet das schon, dass er zum „Staatsfeind“ erklärt wurde. Mehr braucht es nicht. Man könnte lachen über diese Leute, wenn es ihnen nicht so ernst wäre.«
- Welches Image hat Sprache eigentlich so? Henning Lobin hat auf der ENGELBART-GALAXIS ein wenig in die Vergangenheit geblickt: »Sprache wird [im Mittelalter] nicht im Zusammenhang mit andere Kommunikationsmitteln betrachtet, sondern isoliert, die Beschreibung von Sprache orientiert sich an Regeln, und sprachliche Kommunikation wird als ein sich nach logischen Gesetzmäßigkeiten vollziehendes Geschehen rationalistisch überhöht. Wir sehen uns nun an, wie diese Grundtendenzen nach dem Ende des Mittelalters in die sich entwickelnde Sprachwissenschaft eingefloßen sind, es im 19. Jahrhundert aber auch verschiedene Abkehrversuche gegeben hat.«
- Schon etwas älter, aber ich glaube, wir haben es noch nicht verlinkt: Debbie Cameron auf LANGUAGE. A FEMINIST GUIDE darüber, wie die Sprache von Politikerinnen wahrgenommen wird: »High pitch is associated not only with femaleness, but also with other characteristics which imply a lack of authority, such as immaturity (children have high-pitched voices) and emotional arousal (we ‘squeal’ with joy or fear, ‘shriek’ with excitement, ‘screech’ angrily). Saying that a woman’s voice is ‘shrill’ is also a code for ‘she’s not in control’.«
Blogspektrogramm 32/2016
Das heutige Spektrogramm ist randvoll mit Aussprachedatenbanken, der Ausbreitung rechter Slogans (thematisch benachbart dazu gibt’s Kritik am VDS und eine Analyse von Trump-Tweets) und schließlich einem Einblick in die Hawaiianische Gebärdensprache.
- Insbesondere in Fernsehn und Radio bemüht man sich darum, auch Namen und seltenere Fremdwörter auszusprechen wie im Original. Dabei helfen Aussprachedatenbanken — die der ARD stellt Peter Lückemeyer in der FAZ vor: »Über rund 375.000 solcher Datensätze verfügt die ARD-Aussprachedatenbank […]. Sie ist ein Kind des Computerzeitalters, denn solche „Datenbanken“ hatte es früher auch schon verstreut über die Studios gegeben. Das waren allerdings Karteikarten, auf denen dann handschriftlich „Celebidache: Tschelebidake“ notiert war, damit kein Sprecher über den Namen des rumänischen Dirigenten stolpern musste.«
- Rechte Slogans sickern in den Alltag: Die AUGSBURGER ALLGEMEINE hat u.a. mit Anatol Stefanowitsch gesprochen: »«Lügenpresse», «Volksverräter», «Überfremdung» — Wer über die eigene Sprache nachdenkt, bemerkt vielleicht an sich selbst, dass nach vielen Diskussionen über Asylpolitik solche Wörter leichter auszusprechen sind. «Wenn man sich viel damit beschäftigt, muss man ständig besonders aufmerksam sein, sich diesem Effekt zu entziehen», sagt Stefanowitsch. «Aber es steht etwas auf dem Spiel.» Sich nicht zu distanzieren von herabwürdigenden Wörtern, berge die Gefahr, harmlos wirkende Muster zu übernehmen.« (Ähnlich auch diese kurze DPA-Meldung.)
- SprachwissenschaftlerInnen haben sich darüber beschwert, dass die Zeitschrift Forschung & Lehre dem VDS eine Plattform bietet — Details zur Geschichte gibt’s bei Henning Lobin in der ENGELBART-GALAXIS: »Zeichnet sich hier eine neue Strategie im Umgang mit wissenschaftlichen Konflikten ab? Dass man deren Vertretern „Befindlichkeiten“ und einen Hang zur Political Correctness unterstellt? Die Tatsache, dass eine solche Argumentation im Zusammenhang mit einem Verein, der offensichtlich eine erhebliche populistische Anfälligkeit aufweist, ausgerechnet vom Deutschen Hochschulverband unter Verweis auf einen Wikipedia-Artikel geltend gemacht wird, lässt uns alle verblüfft und irritiert zurück…«
- Forensische Stilanalyse mal anders: David Robinson hat sich auf VARIANCE EXPLAINED Tweets von Donals Trump unter der Hypothese angesehen, dass (nur) eine Teilmenge von Trump selbst stammt: »My analysis, shown below, concludes that the Android and iPhone tweets are clearly from different people, posting during different times of day and using hashtags, links, and retweets in distinct ways. What’s more, we can see that the Android tweets are angrier and more negative, while the iPhone tweets tend to be benign announcements and pictures.«
- Die Hawaiianische Gebärdensprache wurde gerade erst als eigenständige Sprache anerkannt, schon ist sie vom Aussterben bedroht. Im GUARDIAN berichtet Ross Perlin darüber, welche Faktoren dazu führen, dass sie nicht mehr gesprochen wird: »Like every natural language, [Hawaiian Sign Language] is the evolved product of a specific history, the unconscious creation of a community. For it to survive, local signers will have to make a deliberate choice to use it. The same may be increasingly true of Deafness itself.« (Sehr lang, aber lohnt sich!)
Blogspektrogramm 25/2016
Guten Morgen! Im Austausch gegen ein pünktliches Spektrogramm bieten wir Ihnen heute eine kleinere Auswahl, die Ihnen aber immerhin Emoji, Gerechte Sprache, Schimpfwörter und einen Generator bietet. Damit ist Ihre Zeit famos investiert. Viel Spaß!
- Das Unicode-Konsortium hat neue Emoji bereitgestellt und die Presse kann Anatol endlich neue Fragen dazu stellen: wie z.B. das DEUTSCHLANDRADIO — in „Durch das Bild gesprochen.“ geht es auch nicht um den Kulturverfall.
- Die Zeit-Autorin Anna-Lena Scholz liefert sich mit dem Herausgeber von ZEIT CAMPUS eine E‑Mail-Diskussion um gerechte Sprache in ihren Artikeln.
- This link contains strong language: John McWhorter interviewt Benjamin Bergen zu seinem neuen Buch What the F? und spricht mit ihm über die Wissenschaft des Schimpfens.
- Zum Lorem Fucking Ipsum-Generator, hier entlang.
Blogspektrogramm 23/2016
Das heutige Spektrogramm hat vier exklusive Links zu bieten: Zu neutralen Frauen, fu´ßballverdächtigen Familiennamen, crazy-ass Wortbildung und diskriminierender Typografie. Damit passt es vom Umfang her wunderbar ins noch verbleibende Restwochenende:
- Die Anna oder das Anna? Die RHEINPFALZ hat mit Julia Fritzinger darüber gesprochen, wo, wie und warum Frauennamen im Neutrum stehen: »„Es“ oder „et“, „das“ oder „dat“ für Frauen ist erstaunlich weit verbreitet. Es kommt vor allem in westmitteldeutschen und südwestdeutschen Dialekten vor, aber auch im Luxemburgischen, Elsässischen und Schweizerdeutschen. Dabei gibt es starke regionale Unterschiede, was die Verwendung angeht, manchmal schon zwischen einzelnen Orten. In manchen sagen die Leute zum Beispiel „die Julia“, aber trotzdem „Es hat Geburtstag“.«
- Ecke, Ballweg, Loser, Spieler — Familiennamen, die ein wenig nach EM klingen, aber natürlich nichts damit zu tun haben. Woher sie kommen, weiß NAMENFORSCHUNG.NET: »Tatsächlich handelt es sich bei Spieler meist um einen Berufsnamen zu mittelhochdeutsch spilære, spiler für einen Musikanten und fahrenden Sänger. Möglich ist auch ein Übername zu mittelhochdeutsch spilære für Personen, die viel Zeit mit Spielen, früher v.a. mit Würfelspielen verbracht haben.«
- Vom Schimpfwort zum Intensivierer ist es in den meisten Sprachen nicht sehr weit. Auf JSTOR|DAILY erklärt Chi Luu, was es mit dem englischen -ass auf sich hat: »Once, we were all happy enough using rather dull words like “very” and “really” as intensifiers, as in “a very big car” or “a really crazy idea.” They’ve often become so (another intensifier) overused and diluted in effect that many complain bitterly about their use at all. In casual speech, using “-ass” as an intensifier suffix attached to an adjective, we might express the same ideas as the more colorful “a big-ass car” and “a crazy-ass idea.” Obviously, we’re not talking about actual posteriors being big or crazy, so the curse word has developed into a kind of functional linguistic morpheme, carrying a more effective and emphatic weight.« (Über Intensivierer im Deutschen, wie Mords- und Bomben-, habe ich übrigens auch im Kleinen Etymologicum ein Kapitel geschrieben.)
- Sind Ihnen in den letzten Tagen die Dreifachklammern um Twitternamen aufgefallen? Cooper Waldman und Anthony Smith beschreiben auf MIC, woher sie stammen — Typografie als »Hate Speech«: »Neo-Nazis, anti-Semites and white nationalists have begun using three sets of parentheses encasing a Jewish surname — for instance, (((Fleishman))) — to identify and target Jews for harassment on blogs and major social media sites like Twitter. As one white supremacist tweeted, “It’s closed captioning for the Jew-blind.”« Mittlerweile haben sich viele TwitternutzerInnen diese Klammern allerdings als Solidaritätsmarker angeeignet.
Public Viewing Of Public Viewing
Gestern begann in Frankreich die Fußball-Europameisterschaft – mir wäre in den letzten Wochen vor lauter dissertieren gar nicht aufgefallen, wie schnell die EM auf uns zukommt, wenn, ja wenn nicht die Alerts von Google zu „Anglizismus“ voll mit „Leichenschauen“ gewesen wären. Traditionell haben wir zu Fußball-Großereignissen in den letzten Jahren eher gelangweilt einfach auf die Artikel im Sprachlog verlinkt, die sich damit beschäftigen, dass public viewing im (Amerikanischen) Englisch nicht eigentlich „Leichenschau“ heißt, sondern dass es das auch heißen kann, weil public viewing ein allgemeiner Begriff für das Ein- und Ansehen von Dingen durch die Öffentlichkeit ist (z.B. Regierungsdokumente, Exponate aus Kunst, Geschichte oder Botanik, Flughäfen, Paraden einer Sportmannschaft, sich selbst in Sozialen Netzwerken oder eben halt Leichen). Das Argument wird übrigens nicht valider, wenn dann noch jemand sagt, es heiße streng genommen auch nicht Leichenschau, sondern Aufbahrung.