Puh, was für eine Diskussionsrunde, und was für eine Diskussion. Wer sie nicht gesehen hat, für den fasst die Berliner Morgenpost die Highlights Höhepunkte zusammen. Schade, dass da mindestens drei völlig unterschiedliche Themen, die jedes für sich sehr interessant gewesen wären, miteinander konkurrieren mussten: die Frage, ob deutsche Literatur, Lyrik und Popmusik einen ausreichend großen Stellenwert im Bildungssystem und in den Medien spielen, die Frage, ob der Status des Deutschen im Grundgesetz verankert werden sollte und was für Konsequenzen das hätte, und die Frage, welche sinnvolle Rolle die englische Sprache in Deutschland spielen könnte. Schade auch, dass der Moderator immer wieder versucht hat, das Thema auf „Anglizismen“ zu bringen, über die zu reden eigentlich niemand so recht Lust hatte. Schade schließlich auch, dass in der Runde kaum Sachkompetenz für das Thema „Sprache“ vorhanden war. Marcel Reich-Ranicki hat das an einer Stelle treffend thematisiert: Weiterlesen
Archiv der Kategorie: Bremer Sprachblog
Langeweile ist Spannung
Die Fastfoodkette McDonalds plant in Großbritannien eine öffentliche Petition gegen die Definition des Begriffs McJob im Oxford English Dictionary. Dort wird das Wort nämlich so definiert (zumindest laut Financial Times, denn in der zwanzigbändigen Ausgabe, die neben meinem Toaster liegt, ist das Wort noch nicht verzeichnet):
an unstimulating, low-paid job with few prospects, esp. one created by the expansion of the service sector
eine langweilige, schlechtbezahlte Tätigkeit mit wenig Aufstiegschancen, besonders eine, der durch die Ausweitung des Dienstleistungssektors geschaffen wurde
Das McDonalds-Management kann diese Definition überhaupt nicht nachvollziehen. Weiterlesen
Türkendeutsch Reloaded
Als die dpa vor ein paar Wochen mit der Horrormeldung vom migrantenbedingten Niedergang der deutschen Sprache kam, hat das Bremer Sprachblog ja prompt reagiert und etwas sprachwissenschaftlichen Realismus in die Angelegenheit gebracht.
Jetzt hat auch die Süddeutsche Zeitung noch einmal bei Norbert Dittmar nachgefragt und der bestätigt, dass man seine Aussagen verzerrt wiedergegeben hat:
“Natürlich verändert sich die deutsche Sprache auch unter dem Einfluss der Migranten“, bestätigt Dittmar gegenüber sueddeutsche.de. Aber das, was ihm da kürzlich in den Mund gelegt wurde, gehe doch erheblich weiter als das, was er tatsächlich gesagt habe.
Im Rest des Artikels steht eigentlich nicht viel, was Leser/innen des Bremer Sprachblogs nicht bereits bekannt wäre, aber lesenswert ist er trotzdem. Und immerhin: bei den Eskimowörtern für Schnee hat die Süddeutsche noch zwanzig Jahre gebraucht, um den Stand der Forschung wiederzugeben — beim Türkendeutsch nur drei Wochen.
Falsche falsche Freunde
In der Fremdsprachendidaktik bezeichnet man mit dem Begriff „falsche Freunde“ zweisprachige Wortpaare, die ähnlich klingen oder aussehen, die aber völlig unterschiedliche Bedeutungen haben. Lerner, die das Wort in der Fremdsprache sehen, glauben also, einem alten Freund zu begegnen, obwohl sie es mit einem völlig Fremden zu tun haben. Ein typisches Beispiel ist das englische Wort become, das dem deutschen bekommen ähnlich sieht, aber „werden“ bedeutet. So kann es vorkommen, dass der deutsche Gast, der in einem Londoner Restaurant arglos fragt „Can I become a beefsteak, please?“, sich unversehens unter dem Messer des Chefkochs wiederfindet. Falsche Freunde sind also gefährlich und die Fremdsprachendidaktiker nehmen sie deshalb sehr ernst (eine überwältigende Liste falscher Freunde in zwanzig Sprachen findet sich übrigens in der Wikipedia, vielleicht regt diese Liste ja den einen oder die andere Leser/in zum Posten von albernen Witzen an…). Weiterlesen
Ausbausprache Österreichisch
Die Neue Züricher Zeitung berichtet über die Schwierigkeiten des Österreichischen, sich neben der bundesdeutschen Varietät der deutschen Sprache einen Platz in den Herzen der germanistischen Forscherelite und in den Akten der Europäischen Union zu sichern. Auf EU-Ebene führt der Weg dorthin natürlich über Verwaltungsvorschriften und so ersannen österreichische EU-Beamte 1994 eine Liste österreichischer Begriffe, die mit dem Protokoll Nr. 10 „Über die Verwendung spezifisch österreichischer Ausdrücke der deutschen Sprache im Rahmen der europäischen Union“, bzw. mit dessen Anhang, den „gleichen Status … wie die in Deutschland verwendeten entsprechenden Ausdrücke“ erhielten. Seitdem hat in EU-Vorschriften etwa das Wort Karfiol die gleiche Rechtswirkung wie das Wort Blumenkohl. Weiterlesen
Learnings in Demut
Wie die meisten Sprachwissenschaftler bin ich ein radikaler sprachlicher Deskriptivist. Kurz gesagt bedeutet das, dass ich mich in Bezug auf Sprache grundsätzlich jedes Werturteils enthalte. Wenn ich einem neuen sprachlichen Phänomen, gleich welcher Art, begegne, frage ich mich nicht „Ist das eigentlich richtiges Deutsch/Englisch/usw.?“ oder „Darf man das als gebildeter Mensch sagen?“ oder „Sollte man das nicht lieber verbieten?“, sondern ich frage mich „Woher kommt das? Wie funktioniert das? Warum gibt es das?“. (Das Gegenteil von Deskriptivisten sind Präskriptivisten — Menschen, die anderen gerne Vorschriften machen, zum Beispiel über Dativ und Genitiv, über gute und böse Lehnwörter, oder auch darüber, mit welcher Gabel man Suppe essen darf.) Weiterlesen
Nichts als schöne Worte
Angeregt durch Arnes Verweis auf das schönste deutsche Wort, das der Deutsche Sprachrat 2004 gekürt hat, habe ich mir am Wochenende die Webseiten dieser Aktion noch einmal durchgelesen.
Am meisten an diesem denkwürdigen Wettbewerb hat mich dabei die Liste der häufigsten Vorschläge — nach Wohnorten der Vorschlagenden — begeistert: Weiterlesen
Pfui, darüber spricht man nicht!
Nachdem der Stadtrat von New York in der letzten Woche im Kampf gegen den Rassismus das Wort Nigger verboten hat, verbietet das Innenministerium der USA den Mitarbeitern des United States Fish and Wildlife Service im Kampf gegen die Erderwärmung das Wort Polar Bear (Eisbär). Ein internes Memo, das derzeit durch die amerikanische Presse geht, weist die Wildhüter an: Weiterlesen
Presseschau
Mannheim will „Hauptstadt der deutschen Sprache“ werden, berichtet der Focus. Hergeleitet wird dieser Anspruch aus der Tatsache, dass Mannheim Standort des Instituts für deutsche Sprache und der Dudenredaktion ist. Dadurch (so die ursprüngliche Pressemeldung der Stadt) besitze Mannheim „so eine hohe Konzentration von Kompetenzen in Bezug auf die Erforschung, Förderung und Vermittlung der deutschen Sprache“ wie kaum eine andere deutsche Stadt. Bei allem Respekt — seit wann zeichnen sich Hauptstädte durch eine besondere Konzentration von Kompetenz aus? Weiterlesen
Spam-Update
Hier habe ich noch versucht, es zu verhindern — leider vergeblich: die Aktion Lebendiges Deutsch hat sich bei ihrer überflüssigen Suche nach einem Ersatz für das Wort Spam ausgerechnet für ein neckisches Wortspiel entschieden:
Für spam, die computer-verstopfende Massenwerbung, hat sich die Aktion „Lebendiges Deutsch“ aus 4.730 Vorschlägen für den häufigsten entschieden: E‑Müll –- schweren Herzens, denn gut gefallen hat ihr auch Quälmail, Mogelpost, Netzpest und Digimist.
Mein einziger Trost ist, dass die Alternativen noch schlimmer waren („Digimist“ — ich bitte Sie). Weiterlesen