Archiv der Kategorie: Bremer Sprachblog

In dieser Kat­e­gorie befind­en sich Ana­tol Ste­fanow­itschs Beiträge aus dem Bre­mer Sprach­blog (2007–2010)

Sprachlicher Schlussverkauf bei Maischberger

Von Anatol Stefanowitsch

Puh, was für eine Diskus­sion­srunde, und was für eine Diskus­sion. Wer sie nicht gese­hen hat, für den fasst die Berlin­er Mor­gen­post die High­lights Höhep­unk­te zusam­men. Schade, dass da min­destens drei völ­lig unter­schiedliche The­men, die jedes für sich sehr inter­es­sant gewe­sen wären, miteinan­der konkur­ri­eren mussten: die Frage, ob deutsche Lit­er­atur, Lyrik und Pop­musik einen aus­re­ichend großen Stel­len­wert im Bil­dungssys­tem und in den Medi­en spie­len, die Frage, ob der Sta­tus des Deutschen im Grundge­setz ver­ankert wer­den sollte und was für Kon­se­quen­zen das hätte, und die Frage, welche sin­nvolle Rolle die englis­che Sprache in Deutsch­land spie­len kön­nte. Schade auch, dass der Mod­er­a­tor immer wieder ver­sucht hat, das The­ma auf „Anglizis­men“ zu brin­gen, über die zu reden eigentlich nie­mand so recht Lust hat­te. Schade schließlich auch, dass in der Runde kaum Sachkom­pe­tenz für das The­ma „Sprache“ vorhan­den war. Mar­cel Reich-Ran­ic­ki hat das an ein­er Stelle tre­f­fend the­ma­tisiert: Weit­er­lesen

Langeweile ist Spannung

Von Anatol Stefanowitsch

Die Fast­food­kette McDon­alds plant in Großbri­tan­nien eine öffentliche Peti­tion gegen die Def­i­n­i­tion des Begriffs McJob im Oxford Eng­lish Dic­tio­nary. Dort wird das Wort näm­lich so definiert (zumin­d­est laut Finan­cial Times, denn in der zwanzig­bändi­gen Aus­gabe, die neben meinem Toast­er liegt, ist das Wort noch nicht verzeichnet):

an unstim­u­lat­ing, low-paid job with few prospects, esp. one cre­at­ed by the expan­sion of the ser­vice sector

eine lang­weilige, schlecht­bezahlte Tätigkeit mit wenig Auf­stiegschan­cen, beson­ders eine, der durch die Ausweitung des Dien­stleis­tungssek­tors geschaf­fen wurde

Das McDon­alds-Man­age­ment kann diese Def­i­n­i­tion über­haupt nicht nachvol­lziehen. Weit­er­lesen

Türkendeutsch Reloaded

Von Anatol Stefanowitsch

Als die dpa vor ein paar Wochen mit der Hor­rormel­dung vom migrantenbe­d­ingten Nieder­gang der deutschen Sprache kam, hat das Bre­mer Sprach­blog ja prompt reagiert und etwas sprach­wis­senschaftlichen Real­is­mus in die Angele­gen­heit gebracht.

Jet­zt hat auch die Süd­deutsche Zeitung noch ein­mal bei Nor­bert Dittmar nachge­fragt und der bestätigt, dass man seine Aus­sagen verz­er­rt wiedergegeben hat:

Natür­lich verän­dert sich die deutsche Sprache auch unter dem Ein­fluss der Migranten“, bestätigt Dittmar gegenüber sueddeutsche.de. Aber das, was ihm da kür­zlich in den Mund gelegt wurde, gehe doch erhe­blich weit­er als das, was er tat­säch­lich gesagt habe.

Im Rest des Artikels ste­ht eigentlich nicht viel, was Leser/innen des Bre­mer Sprach­blogs nicht bere­its bekan­nt wäre, aber lesenswert ist er trotz­dem. Und immer­hin: bei den Eski­mowörtern für Schnee hat die Süd­deutsche noch zwanzig Jahre gebraucht, um den Stand der Forschung wiederzugeben — beim Türk­endeutsch nur drei Wochen.

Falsche falsche Freunde

Von Anatol Stefanowitsch

In der Fremd­sprachen­di­dak­tik beze­ich­net man mit dem Begriff „falsche Fre­unde“ zweis­prachige Wort­paare, die ähn­lich klin­gen oder ausse­hen, die aber völ­lig unter­schiedliche Bedeu­tun­gen haben. Lern­er, die das Wort in der Fremd­sprache sehen, glauben also, einem alten Fre­und zu begeg­nen, obwohl sie es mit einem völ­lig Frem­den zu tun haben. Ein typ­is­ches Beispiel ist das englis­che Wort become, das dem deutschen bekom­men ähn­lich sieht, aber „wer­den“ bedeutet. So kann es vorkom­men, dass der deutsche Gast, der in einem Lon­don­er Restau­rant arg­los fragt „Can I become a beef­steak, please?“, sich unverse­hens unter dem Mess­er des Chefkochs wiederfind­et. Falsche Fre­unde sind also gefährlich und die Fremd­sprachen­di­dak­tik­er nehmen sie deshalb sehr ernst (eine über­wälti­gende Liste falsch­er Fre­unde in zwanzig Sprachen find­et sich übri­gens in der Wikipedia, vielle­icht regt diese Liste ja den einen oder die andere Leser/in zum Posten von alber­nen Witzen an…). Weit­er­lesen

Ausbausprache Österreichisch

Von Anatol Stefanowitsch

Die Neue Zürich­er Zeitung berichtet über die Schwierigkeit­en des Öster­re­ichis­chen, sich neben der bun­des­deutschen Vari­etät der deutschen Sprache einen Platz in den Herzen der ger­man­is­tis­chen Forschere­lite und in den Akten der Europäis­chen Union zu sich­ern. Auf EU-Ebene führt der Weg dor­thin natür­lich über Ver­wal­tungsvorschriften und so ersan­nen öster­re­ichis­che EU-Beamte 1994 eine Liste öster­re­ichis­ch­er Begriffe, die mit dem Pro­tokoll Nr. 10 „Über die Ver­wen­dung spez­i­fisch öster­re­ichis­ch­er Aus­drücke der deutschen Sprache im Rah­men der europäis­chen Union“, bzw. mit dessen Anhang, den „gle­ichen Sta­tus … wie die in Deutsch­land ver­wen­de­ten entsprechen­den Aus­drücke“ erhiel­ten. Seit­dem hat in EU-Vorschriften etwa das Wort Karfi­ol die gle­iche Rechtswirkung wie das Wort Blu­menkohl. Weit­er­lesen

Learnings in Demut

Von Anatol Stefanowitsch

Wie die meis­ten Sprach­wis­senschaftler bin ich ein radikaler sprach­lich­er Deskrip­tivist. Kurz gesagt bedeutet das, dass ich mich in Bezug auf Sprache grund­sät­zlich jedes Wer­turteils enthalte. Wenn ich einem neuen sprach­lichen Phänomen, gle­ich welch­er Art, begeg­ne, frage ich mich nicht „Ist das eigentlich richtiges Deutsch/Englisch/usw.?“ oder „Darf man das als gebilde­ter Men­sch sagen?“ oder „Sollte man das nicht lieber ver­bi­eten?“, son­dern ich frage mich „Woher kommt das? Wie funk­tion­iert das? Warum gibt es das?“. (Das Gegen­teil von Deskrip­tivis­ten sind Präskrip­tivis­ten — Men­schen, die anderen gerne Vorschriften machen, zum Beispiel über Dativ und Gen­i­tiv, über gute und böse Lehn­wörter, oder auch darüber, mit welch­er Gabel man Suppe essen darf.) Weit­er­lesen

Nichts als schöne Worte

Von Anatol Stefanowitsch

Angeregt durch Arnes Ver­weis auf das schön­ste deutsche Wort, das der Deutsche Sprachrat 2004 gekürt hat, habe ich mir am Woch­enende die Web­seit­en dieser Aktion noch ein­mal durchgelesen.

Am meis­ten an diesem denkwürdi­gen Wet­tbe­werb hat mich dabei die Liste der häu­fig­sten Vorschläge — nach Wohnorten der Vorschla­gen­den — begeis­tert: Weit­er­lesen

Pfui, darüber spricht man nicht!

Von Anatol Stefanowitsch

Nach­dem der Stad­trat von New York in der let­zten Woche im Kampf gegen den Ras­sis­mus das Wort Nig­ger ver­boten hat, ver­bi­etet das Innen­min­is­teri­um der USA den Mitar­beit­ern des Unit­ed States Fish and Wildlife Ser­vice im Kampf gegen die Erder­wär­mung das Wort Polar Bear (Eis­bär). Ein internes Memo, das derzeit durch die amerikanis­che Presse geht, weist die Wild­hüter an: Weit­er­lesen

Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Mannheim will „Haupt­stadt der deutschen Sprache“ wer­den, berichtet der Focus. Hergeleit­et wird dieser Anspruch aus der Tat­sache, dass Mannheim Stan­dort des Insti­tuts für deutsche Sprache und der Dudenredak­tion ist. Dadurch (so die ursprüngliche Pressemel­dung der Stadt) besitze Mannheim „so eine hohe Konzen­tra­tion von Kom­pe­ten­zen in Bezug auf die Erforschung, Förderung und Ver­mit­tlung der deutschen Sprache“ wie kaum eine andere deutsche Stadt. Bei allem Respekt — seit wann zeich­nen sich Haupt­städte durch eine beson­dere Konzen­tra­tion von Kom­pe­tenz aus? Weit­er­lesen

Spam-Update

Von Anatol Stefanowitsch

Hier habe ich noch ver­sucht, es zu ver­hin­dern — lei­der verge­blich: die Aktion Lebendi­ges Deutsch hat sich bei ihrer über­flüs­si­gen Suche nach einem Ersatz für das Wort Spam aus­gerech­net für ein neck­isches Wort­spiel entschieden:

Für spam, die com­put­er-ver­stopfende Massen­wer­bung, hat sich die Aktion „Lebendi­ges Deutsch“ aus 4.730 Vorschlä­gen für den häu­fig­sten entsch­ieden: E‑Müll –- schw­eren Herzens, denn gut gefall­en hat ihr auch Quäl­mail, Mogel­post, Net­zpest und Digimist.

Mein einziger Trost ist, dass die Alter­na­tiv­en noch schlim­mer waren („Digimist“ — ich bitte Sie). Weit­er­lesen