Archiv der Kategorie: Bremer Sprachblog

In dieser Kat­e­gorie befind­en sich Ana­tol Ste­fanow­itschs Beiträge aus dem Bre­mer Sprach­blog (2007–2010)

Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Es ist sich­er immer schw­er, der Öffentlichkeit die Notwendigkeit von Grund­la­gen­forschung ver­ständlich zu machen. Aber man stelle sich vor, eine Gruppe von Physik­ern hätte von der Regierung 670.000 Euro erhal­ten, um die Anzahl und die Eigen­schaften von Ele­men­tarteilchen zu erforschen (nicht, dass sie damit weit kämen — man kön­nte mit dieser Summe einen Teilchenbeschle­u­niger keine 10 Tage lang mit Strom ver­sor­gen). Müssten sie fürcht­en, dass der Bund der Steuerzahler sich darüber mit der Begrün­dung beschw­ert, man wisse doch bere­its, dass es unter­schiedliche Ele­men­tarteilchen gebe? Wahrschein­lich nicht. Weit­er­lesen

Satz und Sieg

Von Anatol Stefanowitsch

Seit ein paar Wochen sucht die Ini­tia­tive deutsche Sprache gemein­sam mit der Stiftung Lesen den „Schön­sten ersten Satz“ eines deutschsprachi­gen Romans. Noch bis zu 21. Sep­tem­ber 2007 kann man seinen Vorschlag online ein­re­ichen. Ins­ge­samt gefällt mir diese Aktion. Der erste Satz eines Romans entschei­det ja oft darüber, ob man über­haupt weit­er­li­est (zumin­d­est, wenn man, wie ich, eine kurze lit­er­arische Aufmerk­samkeitss­panne hat). Und wenn es einen schön­sten solchen Satz gibt, dann ist der Ver­such, ihn in einem deutschsprachi­gen Roman zu find­en, eine schöne Art, sich für die deutsche Sprache zu begeis­tern ohne dabei auf anderen Sprachen herumzuhacken.

Aber ganz ohne Nörgeln geht es trotz­dem nicht. Erstens: was hat ein Hand­ball­train­er in der Jury zu suchen? Ich bin dur­chaus sport­begeis­tert (für die Bun­desli­ga kann ich sehr viel mehr Aus­dauer auf­brin­gen als für die Klas­sik­er der amerikanis­chen Gegen­wart­slit­er­atur, und obwohl ich kein großer Hand­ball­fan bin, bin ich auf „unseren“ Welt­meis­ter­ti­tel natür­lich stolz). Aber warum Sport und Kul­tur ständig in einem Atemzug gedacht und genan­nt wer­den ist mir trotz­dem ein Rät­sel. Zweit­ens: es wird der schön­ste erste Satz eines deutschen Romans gesucht, und der erste Preis ist dann aus­gerech­net eine Reise nach New York?

Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch
Suche nach der <em>Grafikkarte</em> im Apple Store

Suche nach der Grafikkarte im Apple Store

Sprach­blogleser NvonX hat mich auf diese schöne Geschichte hingewiesen: Wer beim deutschen Apple Store nach ein­er „Grafikkarte“ sucht, wird streng­stens zur Ord­nung gerufen: „Die Suche nach unangemesse­nen Wörtern wird nicht unter­stützt“, teilt einem die Such­mas­chine mit, bevor sie mit­teilt, dass keine Ergeb­nisse gefun­den wur­den und dass man doch bitte die Schreib­weise der Such­wörter über­prüfen solle. Weit­er­lesen

Anatol Columbus

Von Anatol Stefanowitsch

Mein Beruf bietet sich nicht unmit­tel­bar dazu an, seinen Kindern davon zu erzählen, was man eigentlich den lieben lan­gen Tag so macht. Am ehesten kann man ihnen wohl den Aspekt der Lehre ver­mit­teln („Ich bin ein Lehrer für Erwach­sene“). Irgend­wie hat sich meine Tochter trotz­dem einen Ein­druck davon gebildet, dass da noch mehr dazu gehört. Weit­er­lesen

Paint It, Pink

Von Anatol Stefanowitsch

In vie­len asi­atis­chen Län­dern dient die englis­che Sprache rein deko­ra­tiv­en Zweck­en. Das lateinis­che Alpha­bet und die englis­che Orthografie scheinen dort ein ähn­lich­es ästhetis­ches Empfind­en anzus­prechen, wie es chi­ne­sis­che Schriftze­ichen bei uns tun. Der Inhalt spielt dabei keine Rolle. Die Mach­er von T‑Shirts, Taschen und Postern wer­fen oft mit völ­lig beliebige Wörter und Pseudowörter um sich, oder sie klauen Absätze aus ver­schiede­nen Quellen und kom­binieren sie zu inkon­gru­enten Textcol­la­gen. Weit­er­lesen

Zerstörerische Briten

Von Anatol Stefanowitsch

Son­ntags räume ich immer meinen Spamord­ner auf und dabei ist mir heute dieser schöne Satz aufgefallen:

Du bist als ein­er von zwei Siegern des BRITISCHEN NATIONALEN LOT­TERIE-Com­put­er­stim­mzet­tels zeichnest vorgewählt wor­den und fol­glich bist du eine priv­i­legierte Empfänger des großar­ti­gen Betrag­preiss von £650,412.00 (sechs hun­dert und fün­fzig tausend vier­hun­dert und zwölf Briten zer­stoßen Ster­ling), im Bargeld. 

Warum tun die das?“ habe ich mich natür­lich sofort gefragt. Wozu brauchen die zer­stoßenes Geld oder zer­stoßene Autos oder zer­stoßene Maschi­nengewehre oder zer­stoßene Katzen oder zer­stoßene — gut, ich hör’ ja schon auf. Weit­er­lesen

Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Die taz berichtet über neue Entwick­lun­gen im Fem­i­nis­mus, der schein­bar mit gesellschaftlichen Verän­derun­gen nicht mithal­ten kon­nte und „irgend­wie daneben herum­ste­ht“. Das will der Sam­mel­band Das F‑Wort. Fem­i­nis­mus ist sexy (Hg. Mir­ja Stöck­er, König­stein, 2007) ändern, indem die Autor/innen ver­suchen, „den Frei­heits­be­griff des alten Fem­i­nis­mus aus seinen iden­tität­spoli­tis­chen Fän­gen zu befreien, ohne ihn deshalb aufzugeben“. Weit­er­lesen

Schadenfreude

Von Anatol Stefanowitsch

Let­zte Woche habe ich über Don DeLil­lo und ungewöhn­liche Kom­bi­na­tio­nen von Gefühlen geschrieben und dabei das deutsche Lehn­wort schaden­freude im Englis­chen erwähnt.

Zur Erin­nerung, das Cam­bridge Advanced Learn­ers Dic­tio­nary definiert dieses Lehn­wort wie folgt:

schaden­freude

noun [U]

a feel­ing of plea­sure or sat­is­fac­tion when some­thing bad hap­pens to some­one else

Ein Gefühl von Freude oder Befriedi­gung also, wenn jemand anderem etwas Schlecht­es zustößt. Weit­er­lesen

Alles geht, oder?

Von Anatol Stefanowitsch

Für Deskrip­tivis­ten gibt es kein Richtig oder Falsch. Alles geht.“ So hat eine mein­er Stu­dentin­nen kür­zlich in ein­er Sem­i­nardiskus­sion den Begriff Deskrip­tivis­mus definiert.

Nein. Auch Deskrip­tivis­ten unter­schei­den zwis­chen „richti­gen“ und „falschen“ Struk­turen. Der Unter­schied zwis­chen Deskrip­tivis­ten und Präskrip­tivis­ten liegt in der Grund­lage, auf der sie diese Unter­schei­dung tre­f­fen. Für Präskrip­tivis­ten ist ein sprach­lich­er Aus­druck „falsch“, wenn er irgendwelche von Außen aufge­set­zten Nor­men ver­let­zt (sie sehen Sprache als eine Samm­lung von Ben­imm­regeln). Für Deskrip­tivis­ten ist ein sprach­lich­er Aus­druck „falsch“, wenn er den Regeln wider­spricht, denen die Sprech­er der Sprache unbe­wusst fol­gen (sie sehen Sprache als eine kom­plexe kog­ni­tive Fähigkeit). Weit­er­lesen

Telefonischer Sprachverfall

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Wochen ist die Geschichte schon durch die irische Presse gegan­gen, jet­zt hat der Süd­kuri­er sie aufge­grif­f­en: die schulis­chen Leis­tun­gen der irischen Jugend lei­den unter dem Ein­fluss mod­ern­er Kom­mu­nika­tion­stech­niken. Zumin­d­est behauptet das ein Bericht, den das irische Bil­dungsmin­is­teri­um in Auf­trag gegeben hat: Weit­er­lesen