Archiv der Kategorie: Bremer Sprachblog

In dieser Kat­e­gorie befind­en sich Ana­tol Ste­fanow­itschs Beiträge aus dem Bre­mer Sprach­blog (2007–2010)

Sinnesfreuden (IV)

Von Anatol Stefanowitsch

Bevor wir näch­ste Woche unsere Rei­he über das Sinn machen abschließen, kom­men wir heute auf einen eher neben­säch­lichen Aspekt zu sprechen. Es wird manch­mal behauptet, die Redewen­dung sei nicht nur aus dem Englis­chen entlehnt (was möglicher­weise stimmt, obwohl ich mir da inzwis­chen nicht mehr so sich­er bin) son­dern sie sei sog­ar falsch entlehnt. Robert Sed­laczek hat zum Beispiel im Jan­u­ar in der Wiener Zeitung die Sätze Macht es über­haupt Sinn, zu spenden? und Selb­stver­ständlich macht spenden Sinn… genan­nt und dann fol­gende, bemerkenswerte Behaup­tung aufgestellt:

Aber stilis­tisch sind die bei­den Sätze eine Katas­tro­phe! Sie klin­gen wie eine schlechte Über­set­zung aus dem Englis­chen! Dort sagt man in der negierten Form „It doesn’t make sense“ und meint „Es hat keinen Sinn“. So ste­ht die Phrase im „Lan­gen­schei­dt“. „It makes sense“ wird dort gar nicht ver­merkt, ist aber vere­inzelt zu hören.

(ConAl­ma, die wir in der ersten Folge schon zitiert haben, find­et übri­gens auch, dass die Redewen­dung im Englis­chen „im Grunde in der Vernei­n­ung benützt“ wird).

Bemerkenswert ist Sed­laczeks Behaup­tung aus zwei Grün­den. Weit­er­lesen

Das Überleben der Häufigsten

Von Anatol Stefanowitsch

Über sprach­wis­senschaftliche Forschungsergeb­nisse bericht­en die Medi­en ja eher sel­ten. Umso erstaunlich­er, dass let­zte Woche aus­gerech­net eine Geschichte über unregelmäßige englis­che Ver­ben ihren Weg in die Presse gefun­den hat — zum Beispiel auf Spiegel Online und die Web­seite von Bild der Wis­senschaft (vie­len Dank and Sprach­blogleser Wolf­gang Hömig-Groß und Ste­fanie Pohle für den Hinweis).

An die unregelmäßi­gen Ver­ben wer­den sich die meis­ten ja noch aus dem Englis­chunter­richt erin­nern: während die meis­ten englis­chen Ver­ben die Ver­gan­gen­heits­form und das Par­tizip Per­fekt durch Anhän­gen der Endung -ed bilden, müssen bei den unregelmäßi­gen Ver­ben alle For­men einzeln gel­ernt wer­den — go — went — gone, zum Beispiel, take — took — tak­en, sing — sang — sung oder hit — hit — hit. Das ist zwar nichts im Ver­gle­ich zu den hun­derten von Verb­for­men, die man im Franzö­sis­chen oder Spanis­chen ler­nen muss, aber es erfordert trotz­dem eine Menge stu­pid­en Auswendigler­nens. Weit­er­lesen

Sinnesfreuden (III)

Von Anatol Stefanowitsch

In der let­zten Woche haben wir die Behaup­tung von Bas­t­ian Sick und anderen disku­tiert, dass Sinn machen deshalb „ungram­ma­tisch“ sei, weil machen nicht mit abstrak­ten Sub­stan­tiv­en gebraucht wer­den könne. Wir haben gese­hen, dass das schlicht falsch ist: jemand oder etwas kann Spaß, Freude, Laune eben­so machen, wie Lust (auf mehr), Appetit, Angst, Sor­gen, Mut, Hoff­nung, Kopfzer­brechen, etc.

Aber daraus fol­gt natür­lich nicht automa­tisch, dass alle abstrak­ten Sub­stan­tive mit machen ver­wen­det wer­den kön­nen. Sick sieht zusät­zlich ein qua­si-logis­ches Prob­lem :

[Sinn] ist entwed­er da oder nicht. Man kann den Sinn suchen, find­en, erken­nen, ver­ste­hen, aber er lässt sich nicht im Hau­ruck-Ver­fahren erschaffen.

Und diese Behaup­tung wird immer wieder gedanken­los über­nom­men. Weit­er­lesen

Beim Geld hört die Freundschaft auf

Von Anatol Stefanowitsch

Wer sich nicht nur für Sprache, son­dern auch für Sprachen inter­essiert, der ist bei einem der Urgesteine der Sprach­blogs, Lan­guage­hat, bestens aufge­hoben. Betrieben wird es von einem nei­der­re­gend gut bele­se­nen Poly­glot mit einem Faible für Hüte, der täglich über die unter­schiedlich­sten sprach­lichen und kul­turellen Aspek­te von Roma­nen und deren Autoren, Kuriositäten rund um Sprachen und deren Sprech­er, die Herkun­ft und Entwick­lung von Wörtern und vieles mehr schreibt.

Gestern schrieb er über diese Geschichte auf BBC.co.uk, die von einem Stre­it darüber han­delt, wer entschei­den darf, wie das junge EU-Mit­glied Bul­gar­ien den Namen der gemein­samen Währung zu schreiben hat. Weit­er­lesen

Presseschau

Von Anatol Stefanowitsch

Die Reut­linger Nachricht­en liefern diese Woche ein Argu­ment für die Rein­hal­tung der deutschen Sprache, auf das ich nie gekom­men wäre. In einem Artikel über Ein­wan­derin­nen, die „nochmal in die Schule [gehen] — „obwohl sie Wasser­bauin­ge­nieurin­nen oder Ärztin­nen sind“ (gemeint sind dabei Deutschkurse), find­et sich fol­gen­des Kleinod:

Sie sind alle sehr motiviert“, berichtet Lehrerin Karin Weg­n­er. Keine Hausauf­gabe ist ihnen zu viel. Sie möcht­en gezielt all­t­agsrel­e­vante The­men wie Fam­i­lie, Kinder, Schule, Woh­nung, Einkauf ler­nen und wichtige Tele­fonate führen kön­nen. Vor allem die vie­len Anglizis­men im mod­er­nen Sprachge­brauch sind Hin­dernisse für das Ver­ste­hen, denn viele von ihnen haben nie Englisch gelernt. 

Aber sie haben ja auch nie Deutsch gel­ernt — die noch viel größere Zahl an deutschen Wörtern im mod­er­nen Sprachge­brauch dürfte also auch ein ziem­lich­es Hin­der­nis darstellen. Weit­er­lesen

Meute heute

Von Anatol Stefanowitsch

Die „Aktion Lebendi­ges Deutsch“ hat sich diesen Monat ihren Namen aus­nahm­sweise ver­di­ent, wenig­stens zur Hälfte. Eine Alter­na­tive für das Wort Mob­bing war gesucht, und dies­mal haben die vier son­st oft so kun­st­losen Brüder bei der Auswahl aus den Vorschlä­gen der Teil­nehmer ein gutes Händ­chen bewiesen. Statt sich in alber­nen Wort­spie­len zu ver­lieren oder gegen jede sprach­liche Ver­nun­ft einen existieren­den und seman­tisch unpassenden Begriff in die Pflicht zu nehmen, haben die Teil­nehmer der Aktion dies­mal einen pro­duk­tiv­en Wort­bil­dungsmech­a­nis­mus ver­wen­det um das „englis­che“ Orig­i­nal mit sprach­in­ter­nen Mit­teln nachzu­bilden. Weit­er­lesen

Sinnesfreuden (II)

Von Anatol Stefanowitsch

Am let­zten Mon­tag haben wir Bas­t­ian Sicks Behaup­tung wider­legt, dass die Redewen­dung Sinn machen ein neues Phänomen sei, geschaf­fen eventuell vom Erfind­er der Früh­stück­sz­e­re­alien. Heute wollen wir begin­nen, uns mit der Frage zu beschäfti­gen, was gegen die Redewen­dung denn eigentlich einzuwen­den sein könnte.

In sein­er berüchtigten Glosse macht sich Sick zwei Seit­en lang über Men­schen lustig, die diese Redewen­dung ver­wen­den, bevor er über­haupt zu ein­er ersten Begrün­dung für seine Behaup­tung kommt, dass Sinn machen kein gutes Deutsch sei. Und die lautet so:

Sinn“ und „machen“ passen ein­fach nicht zusam­men. Das Verb „machen“ hat die Bedeu­tung von fer­ti­gen, her­stellen, tun, bewirken; es geht zurück auf die indoger­man­is­che Wurzel mag-, die für „kneten“ ste­ht. Das erste, was „gemacht“ wurde, war dem­nach Teig. Etwas Abstrak­tes wie Sinn lässt sich jedoch nicht kneten oder formen.

Die Gram­matik, genauer: die Syn­tax­the­o­rie, beschäftigt sich mit den Prinzip­i­en, nach denen Wörter zu Sätzen zusam­menge­set­zt wer­den. Weit­er­lesen

Breakdance im Arbeiter- und Bauernstaat

Von Anatol Stefanowitsch

Über Sprache darf man ja sowieso behaupten, was man will. Für die Sprache der ehe­ma­li­gen DDR gilt das erst Recht. Jahre­send­fig­ur m. F. (mit Flügeln) habe man dort Wei­h­nacht­sen­gel genan­nt und Jahre­send­fig­ur o. F. (ohne Flügel) den Wei­h­nachts­mann, anstelle von Reis und Kartof­feln, die es natür­lich ohne­hin nicht zu kaufen gab, kan­nte der Ossi nur das Wort Sät­ti­gungs­beilage, Kühe hießen rauh­fut­ter­verzehrende Großviehein­heit und die Antibabyp­ille Wun­schkind­pille.

Nun sind das alles Wörter, die es tat­säch­lich gab. Aber dass sie außer den Bürokrat­en, die sie sich aus­gedacht haben, tat­säch­lich jemand ver­wen­det hat, darf wohl bezweifelt wer­den. Weit­er­lesen

Sinnesfreuden (I)

Von Anatol Stefanowitsch

Als ich im Jan­u­ar das Bre­mer Sprach­blog auf den Weg brachte, habe ich mir geschworen, über drei Dinge nie zu schreiben: erstens über die Frage, ob die Eski­mos 400 Wörter für Schnee haben, zweit­ens über die Frage, ob Fire­fox ein besser­er Brows­er ist als der MS Inter­net Explor­er und drit­tens über die Frage, ob die Redewen­dung Sinn machen, die Bas­t­ian Sick so berühmt gemacht hat, ein Vor­bote der sprach­lichen Apoka­lypse ist. Auf alle drei Fra­gen schien mir die kor­rek­te Antwort zu offen­sichtlich (Nein, Ja und Nein).

Bei den Schneewörtern haben meine guten Vorsätze ger­ade mal fünf Tage gehal­ten. Gle­ich mein drit­ter Beitrag hat das The­ma aus­führlich aufge­grif­f­en. Beim Browserkrieg bin ich immer­hin sechs Monate stark geblieben. Aber im Juli brauchte ich Hil­fe mit dem Lay­out, das ein­er der bei­den Brows­er nicht richtig darstellte, und da ging es nicht anders. Und heute fällt mein let­zter Vor­satz. Weit­er­lesen