Archiv der Kategorie: Bremer Sprachblog

In dieser Kat­e­gorie befind­en sich Ana­tol Ste­fanow­itschs Beiträge aus dem Bre­mer Sprach­blog (2007–2010)

Jahreszeitliche Grüße

Von Anatol Stefanowitsch

Ein­er Rei­he von Fir­men und öffentlichen Insti­tu­tio­nen in den USA ist aufge­fall­en, dass man in der heuti­gen Zeit noch nicht ein­mal mehr in den Vere­inigten Staat­en automa­tisch davon aus­ge­hen kann, es bei seinem Gegenüber mit einem Chris­ten zu tun zu haben, und dass es deshalb angemessen wäre, die Floskel Mer­ry Christ­mas („Fröh­liche Wei­h­nacht­en“) durch eine neu­tralere For­mulierung zu erset­zen — etwa Hap­py Hol­i­days (Fröh­liche Ferien) oder Season’s Greet­ings („Jahreszeitliche Grüße“) zu ersetzen.

Was für einen neu­tralen Beobachter wie eine vernün­ftige und gerechte Entschei­dung wirkt, ist für die fun­da­men­tal­is­tis­che christliche Rechte in den USA ein Grund, sich einen Krieg gegen Wei­h­nacht­en zusam­men­z­u­fan­tasieren. Man hat den leisen Ver­dacht, dass es sich bei diesem einge­bilde­ten Krieg um ein medi­al insze­niertes Spiegel­ge­fecht han­deln kön­nte, um von den sehr realen Kriegen abzu­lenken, die die USA in den let­zten Jahren geführt hat, aber darum soll es hier heute nicht gehen. Stattdessen würde ich mir wün­schen, dass die christlichen Fun­da­men­tal­is­ten wenig­stens ihre eigene Reli­gion und deren Tra­di­tio­nen ken­nen wür­den. Weit­er­lesen

Sprachnörgler: Eine kurze Typologie

Von Anatol Stefanowitsch

Es gibt drei Typen von Sprach­nör­glern. Als ich heute zum let­zten Mal vor Wei­h­nacht­en an der Uni war, habe ich sie alle drei in ein angeregtes Gespräch ver­wick­elt angetrof­fen — an ein­er Toilettenwand.

Aus­lös­er für den sprachkri­tis­chen Fachdiskurs war fol­gende Unmut­säußerung eines anony­men Stu­den­ten (Name der Beschimpften und ihres Fach­es geändert):

Fuck for Eri­ka Mustermann!!!

Weg mit der „Muster­fach-Hexe“

Weit­er­lesen

Die Mamas und die Papas

Von Anatol Stefanowitsch

Der schot­tis­che Schrift­steller Craig Rus­sell schreibt Krim­i­nal­ro­mane, die in Ham­burg spie­len und deren Haupt­fig­ur ein Polizeikom­mis­sar mit deutsch-schot­tis­chem Fam­i­lien­hin­ter­grund ist. Die Romane (derzeit gibt es drei) sind denen, die psy­chol­o­gis­che Thriller mögen, wärm­stens zu empfehlen, aber darum geht es heute nicht.

Rus­sell webt eine Vielzahl deutsch­er Wörter in seinen englis­chen Text ein und offen­sichtlich spricht er sel­ber sehr gut Deutsch und hat einen guten Lek­tor, denn man erwis­cht ihn kaum bei sprach­lichen Miss­grif­f­en, wie sie son­st häu­fig bei Autoren zu find­en sind, die ihre Texte mit fremd­sprach­lichem Wort­ma­te­r­i­al garnieren.

Aber manch­mal find­en sich doch extrem sub­tile Hin­weise darauf, dass Rus­sell eventuell doch nicht alle Schat­tierun­gen der deutschen Sprache beherrscht. So ist mir heute in seinem zweit­en Roman, „Broth­er Grimm“, der fol­gende Abschnitt aufge­fall­en: Weit­er­lesen

Falsus in unum, falsus in omnibus

Von Anatol Stefanowitsch

Aus ein­er alltäglichen Per­spek­tive ist das Latein schon deshalb unin­ter­es­san­ter als andere Sprachen, weil es im Prinzip eine tote Sprache ist — auch wenn sie in ein­er sehr eingeschränk­ten Funk­tion, als Amtssprache des Vatikan, kün­stlich am Leben gehal­ten wird. 

Aus sprach­wis­senschaftlich­er Sicht ist das Latein zunächst eine Sprache wie alle anderen. Für Sprach­wis­senschaftler, die sich mit den mod­er­nen Nachkom­men dieser Sprache befassen, ist es natür­lich ein Glücks­fall, dass sie recht umfan­gre­ich doku­men­tiert ist. Für alle anderen ist sie als Objekt sprach­wis­senschaftlich­er Stu­di­en sich­er etwas weniger inter­es­sant als lebendi­ge Sprachen, weil ihr die Mut­ter­sprach­ler fehlen (für Lin­guis­ten ist die Arbeit mit Mut­ter­sprach­lern ein unverzicht­bares Werkzeug), weil die Gesamt­menge der in dieser Sprache vor­liegen­den Texte beschränkt ist und weil sie sich nicht mehr weit­er­en­twick­eln kann. Trotz­dem — grund­sät­zlich ist sie uns gle­ich viel Wert. Weit­er­lesen

Wie man den Nobelpreis nicht gewinnt

Von Anatol Stefanowitsch

Doris, Doris, ich bin ent­täuscht von dir. Da bekommst du den Lit­er­aturnobel­preis ver­liehen und erhältst die Chance, der Welt deine Gedanken mitzuteilen, und dann fällt dir nichts besseres ein, als dich über die ange­bliche „Lese­faul­heit“ der Jugend in der „reichen Welt“ auszu­lassen. Und die Medi­en greifen das natür­lich dankbar auf: Weit­er­lesen

Netzplauderei

Von Anatol Stefanowitsch

Das kalte Win­ter­wet­ter und die Arbeit­slast machen mir immer noch zu schaf­fen. Wie gut ist es da, dass es die „Aktion Lebendi­ges Deutsch“ gibt, die zuver­läs­sig ein­mal im Monat für gute Laune sorgt.

Im lezten Monat war eine Alter­na­tive für chat­ten gesucht. Ich hat­te hier das Schlimm­ste befürchtet, näm­lich, dass der Alther­ren­club mit der Sprachkri­tik auch Kri­tik an der Kul­turtech­nik Inter­net verknüpfen würde, so wie es der „Anglizis­menin­dex“ des VdS tut. Ganz so schlimm ist es dann aber doch nicht gekom­men: Weit­er­lesen

Awesome

Von Anatol Stefanowitsch

Ange­blich hat George Bern­hard Shaw ein­mal gesagt, dass Eng­land und Ameri­ka zwei Län­der sind, die ihre gemein­same Sprache tren­nt. Vielle­icht stammt das Zitat auch von Oscar Wilde oder Win­ston Churchill, oder von allen dreien. Wer auch immer der Urhe­ber dieser Beobach­tung ist, er hat nicht ganz Unrecht. Wenn wir uns schon Sor­gen machen, dass unsere von Scheinan­glizis­men ver­wirrte Jugend sich englis­chen Mut­ter­sprach­lern gegenüber durch das Gerede von Handys, Foto­shoot­ings, Longsellern oder Talk­mas­ter lächer­licht macht, wie muss es dann erst Briten in den USA oder Amerikan­ern in Eng­land ergehen?

Ganz fürchter­lich, wie David Beck­ham fest­stellen muss: Weit­er­lesen

Unwörter und Undinge

Von Anatol Stefanowitsch

Die Sprachkri­tis­che Aktion nimmt seit dem 18. Okto­ber mal wieder Vorschläge für das „Unwort des Jahres“ ent­ge­gen. „Unworte“ wer­den von den sprachkri­tis­chen Aktionären dabei definiert als

… sprach­liche Miss­griffe in der öffentlichen Kom­mu­nika­tion, die 2007 beson­ders neg­a­tiv aufge­fall­en sind, weil sie sach­lich grob unangemessen sind und möglicher­weise sog­ar die Men­schen­würde verletzen.

Wie der Stern diese Woche berichtet, haben sich bis­lang etwa 860 Ein­sender an der Suche beteiligt. Allerd­ings stoßen nicht alle Ein­sendun­gen auf die ungeteilte Begeis­terung des Haup­tak­tionärs, Prof. Horst Dieter Schloss­er: Weit­er­lesen

Kreationismus vor Gericht

Von Anatol Stefanowitsch

Am Anfang war das Wort“, heißt es ja bekan­ntlich im Johan­ne­se­van­geli­um — als Sprach­wis­senschaftler sollte mich das ja freuen. Ich weiß aber natür­lich, dass am Anfang der Urk­nall stand, und später dann die Evo­lu­tion. Christliche Fun­da­men­tal­is­ten in den USA sehen das anders und ver­suchen seit vie­len Jahren, den Kreation­is­mus (die Vorstel­lung, dass das Uni­ver­sum und das Leben auf der Erde von einem „höheren Wesen“ geschaf­fen wurde) als legit­ime Alter­na­tive zur Evo­lu­tion­s­the­o­rie im Biolo­gie­un­ter­richt an staatlichen Schulen zu verankern.

Der ober­ste Gericht­shof der Vere­inigten Staat­en hat mehrfach entsch­ieden, dass diese Ver­ankerung ver­fas­sungswidrig wäre, da sie die Tren­nung von Staat und Kirche ver­let­zen würde. Das hält die Kreation­is­ten nicht davon ab, ihr Ziel weit­erzu­ver­fol­gen. Weit­er­lesen