Archiv der Kategorie: Altes Sprachlog

In dieser Kat­e­gorie befind­en sich Ana­tol Ste­fanow­itschs Beiträge aus dem alten Sprachlog auf der SciLogs-Plat­tform (2010–2012)

For You, Verbohrt

Von Anatol Stefanowitsch

Deutsche Fir­men, die sich für englis­che (oder deutsch-englis­che) Fir­men­mot­tos und Werbeslo­gans entschei­den, kön­nten natür­lich ein­fach dazu ste­hen. Sie wer­den sich ja etwas dabei gedacht haben.

Nehmen wir zum Beispiel die Fir­ma Schleck­er, die mit dem Mot­to „FOR YOU. VOR ORT.“ von sich reden gemacht hat. Wenn denen jet­zt jemand einen empörten Brief schreiben würde, in dem die mögliche Rolle dieses harm­losen Wort­spiels bei einem endgülti­gen Unter­gang der deutschen Sprache ange­sprochen und eine sofor­tige Erset­zung des­sel­ben durch einen rein deutschen Werbe­spruch gefordert würde, kön­nte Schleck­er wie fol­gt antworten:

Vie­len Dank für Ihre Anfrage. Wir ver­ste­hen, dass nicht jed­er unseren deutsch-englis­chen Slo­gan mag, aber uns und unseren Kun­den gefällt er. Er ist einzi­gar­tig, er fällt auf, er bleibt im Gedächt­nis hän­gen — kurz, er erfüllt alle Anforderun­gen an ein präg­nantes Fir­men­mot­to. Die deutsche Sprache hat die Auf­nahme hun­dert­er von lateinis­ch­er, franzö­sis­ch­er und englis­ch­er Fremd­wörter glänzend über­standen, und wir glauben nicht, dass sie aus­gerech­net an diesem harm­losen Wort­spiel zugrunde gehen wird. [Hypo­thetis­ch­er Antwort­brief der Fa. Schlecker] 

Aber man muss natür­lich nicht zu seinen Slo­gans ste­hen. Man kön­nte beim Erhalt eines sprachkri­tis­chen Briefes auch sofort einknick­en, dem Brief­schreiber zus­tim­men, dass die Pflege der deutschen Sprache ein hohes gut ist, dass die eige­nen Kun­den aber lei­der zu dumm sind, um das einzuse­hen. Dass die Kun­den in ihrer Beschränk­theit eben auf deutsch-englis­chem Sprach­mis­chmasch beste­hen und man nicht umhin komme, ihnen genau das zu liefern. 

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Urgermanische Sprachpflege

Von Anatol Stefanowitsch

In der let­zten Woche wurde im Säch­sis­chen Land­tag ein Antrag der NPD ver­han­delt, der Regierung und Ver­wal­tung zur Ver­mei­dung von Anglizis­men verpflicht­en sollte. Dieser Antrag hat den grü­nen Abge­ord­neten Miro Jen­ner­jahn zu einem Aus­flug in die deutsche Sprachgeschichte inspiri­ert, der es ver­di­ent, als großer Moment der Sprach­nör­glerkri­tik in die Chroniken einzugehen. 

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Stille Post sie spielen

Von Anatol Stefanowitsch

Ich bin gedanklich schon auf der Open Mind 11 und der noch etwas unaus­ge­gore­nen Vision von der Zukun­ft der insti­tu­tion­al­isierten Wis­senschaft, die ich dort mor­gen früh vor­tra­gen werde, aber da ich jet­zt mehrfach auf die Mel­dung ange­sprochen wor­den bin, will ich doch schnell etwas dazu sagen: Die Früh­men­schen, meldet Spiegel Online, sprachen wie Yoda aus Star Wars — oder, wie SpON titelt, Früh­men­schen wie Yoda sprachen.

Eine schöne Geschichte, wenn etwas daran wäre. Wer würde nicht gerne wenig­stens seinen sprach­lichen Stamm­baum bis zu dem kleinen aber äußerst kampf­s­tarken grü­nen Jedi-Rit­ter zurück­ver­fol­gen kön­nen. Lei­der stimmt an der Mel­dung, die im Prinzip nur eine leicht über­ar­beit­ete Fas­sung ein­er dpa-Mel­dung ist, so gut wie gar nichts. Sie ist besten­falls ein Beispiel dafür, dass man Pressemel­dun­gen zu wis­senschaftlichen Stu­di­en nicht übernehmen sollte, ohne einen Blick auf die Studie selb­st zu wer­fen. Vor allem aber sollte man sie nicht umschreiben, ohne die Studie zu ken­nen und ver­standen zu haben. Tut man es doch, spielt man im Prinzip stille Post — im Jour­nal­is­mus grund­sät­zlich eine äußerst schlechte Idee.

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Bislang kein Dialekt

Von Anatol Stefanowitsch

Obwohl ich als Sprach­wis­senschaftler natür­lich Deskrip­tivist bin, den Sprachge­brauch also beschreibe und erk­läre, ohne ihn in Kat­e­gorien wie „gut“ und „schlecht“ zu bew­erten, ver­suche ich mich beim Ver­fassen mein­er Texte im Großen und Ganzen an präskrip­tiv­en (vorschreiben­den) Sprach­nor­men zu ori­en­tieren. Ein­fach, weil es viel Ärg­er und über­flüs­sige Diskus­sio­nen mit der (ver­legen­den und lesenden) Kund­schaft erspart.

Um mich präskrip­tiv auf Spur zu brin­gen, nutze ich unter anderem den Duden Kor­rek­tor, der seine Arbeit im Großen und Ganzen sehr ordentlich macht. Nur manch­mal ver­hält er sich etwas merk­würdig, zum Beispiel, als er eine Zeit lang den geografis­chen Namen Bre­men als Dialek­t­wort markierte, weil dies auch die Plu­ral­form der Breme, einem mundartlichen Aus­druck für die Stech­fliege, sein könnte.

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Wörterbuch der Verblendung (I): Chemiekeule

Von Anatol Stefanowitsch
Wörterbuch der Verblendung

Wörter­buch der Verblendung

Vor einiger Zeit habe ich im Zusam­men­hang mit ein­er äußerst unkri­tis­chen GEO-Titelgeschichte zur „Alter­na­tivmedi­zin“ einige Aus­drücke unter­sucht, mit denen die Befür­worter der „Alter­na­tivmedi­zin“ die Welt passend zu ihrer Ide­olo­gie ver­sprach­lichen (darunter das Wort­paar Schulmedizin/Alternativmedizin. Bei der Hin­ter­grun­drecherche zu meinem heuti­gen Tele­po­lis-Beitrags zur „Alter­na­tivmedi­zin“ ist mir dann erst klar gewor­den, wie viele solch­er Aus­drücke es tat­säch­lich gibt und wie selb­stver­ständlich sie in Diskus­sio­nen über die Behand­lung von Krankheit­en ver­wen­det wer­den. Mit diesen Wörtern werde ich mich unter der Rubrik „Aus dem Lexikon der Verblendung“ beschäfti­gen, die in unregelmäßi­gen Abstän­den hier im Sprachlog erscheinen wird.

Begin­nen möchte ich heute mit dem Wort Chemiekeule, mit dem Befür­worter der „Alter­na­tivmedi­zin“ gerne die soge­nan­nte „Schul­medi­zin“ (oder, wie ich sie nenne, Medi­zin) beze­ich­nen.

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xkcd: Künstler, Comiczeichner, Denker

Von Anatol Stefanowitsch

Ab und zu über­set­ze ich ja hier sprach­wis­senschaftlich inter­es­sante Comics von Ran­dall „XKCD“ Munroe. An einem der besten habe ich mir vor einiger Zeit die Zähne aus­ge­bis­sen. Wie immer, wenn mir etwas nicht sofort gelingt, habe ich die ganze Angele­gen­heit ver­drängt, aber fre­undlicher­weise hat mich Ali „Zoon­poli­tikon“ Arbia anlässlich mein­er jüng­sten Über­set­zung daran erin­nert.

Was den Com­ic so unüber­set­zbar macht, wird klar, sobald man das Orig­i­nal ver­standen hat:

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Spaß mit Symbolen

Von Anatol Stefanowitsch

In vie­len Sit­u­a­tio­nen sollen Bildsym­bole dazu dienen, sprach­bar­ri­erenüber­greifende Kom­mu­nika­tion zu ermöglichen. Lei­der ist es gar nicht so leicht, unmissver­ständliche Sym­bole zu find­en, was immer wieder Anlass für mutwillige und sehr unter­halt­same Fehlin­ter­pre­ta­tio­nen liefert.

Ein Klas­sik­er mit einem fes­ten Platz im Olymp der Inter­net-Meme ist dabei natür­lich Push But­ton, Receive Bacon („Knopf drück­en, Speck erhal­ten“): Weit­er­lesen

Cereal Offenders

Von Anatol Stefanowitsch

Es gibt Lehn­wörter, über die regt sich nur der Vere­in Deutsche Sprache auf, während der Rest der Welt sie entwed­er ganz selb­stver­ständlich ver­wen­det (wer würde ern­sthaft „Klap­prech­n­er“ statt Lap­top sagen) oder längst vergessen hat (wer würde über­haupt noch Lap­top sagen).

Und dann gibt es Lehn­wörter, die lösen selb­st bei tol­er­an­ten Men­schen Abscheu oder sog­ar Rage aus. Ein solch­es Wort ist Cere­alien. Ich bin bish­er nie­man­den, wirk­lich nie­man­dem begeg­net, der bere­it wäre, dieses Wort auch nur zu tolerieren (außer mir selb­st, aber kann man sich selb­st begegnen?).

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Der Witwer und seine Witwe

Von Anatol Stefanowitsch

In der Diskus­sion zu meinem Beitrag vom Mon­tag wird unter anderem die Frage disku­tiert, ob die Tat­sache, dass weib­liche Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen häu­fig von männlichen Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen abgeleit­et sind, aber fast nie umgekehrt, auf einen struk­turellen Sex­is­mus der deutschen Sprache hin­weist. Mir ist unklar, wie man ern­sthaft der Mei­n­ung sein kann, dass das nicht der Fall ist: Man müsste dazu entwed­er davon aus­ge­hen, dass die Rich­tung der Ableitung hier rein­er Zufall ist, oder, dass sprach­liche Struk­turen grund­sät­zlich keine Bedeu­tung trans­portieren, sodass die Rich­tung der Ableitung keine Rolle spielt. Bei­de Annah­men scheinen mir abso­lut unplausibel.

Nicht nur offen­sichtliche Aspek­te der Sprach­struk­tur trans­portieren aber ein sex­is­tis­ches Men­schen­bild; auch in ver­steck­ten Muster des Sprachge­brauchs schlägt es sich nieder. Diese Muster kann man nicht durch die Betra­ch­tung einzel­ner Beispiele aufdeck­en, son­dern nur durch die quan­ti­ta­tive Analyse größer­er Textmen­gen. Die Wörter Witwe und Witwer liefern ein schönes Beispiel dafür.

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