Archiv der Kategorie: Altes Sprachlog

In dieser Kat­e­gorie befind­en sich Ana­tol Ste­fanow­itschs Beiträge aus dem alten Sprachlog auf der SciLogs-Plat­tform (2010–2012)

Sprachpanscher und Nichtsversteher

Von Anatol Stefanowitsch

Ich habe lange nichts über den Vere­in Deutsche Sprache geschrieben, dabei hätte der etwas dig­i­tale Aufmerk­samkeit drin­gend nötig: Für den Such­be­griff VDS bietet Google derzeit als ersten Tre­f­fer die Seite des Brand­schutzex­perten „Ver­trauen durch Sicher­heit“ an, erst an zweit­er Stelle fol­gen die Anglizis­men­jäger aus Dort­mund. Der Such­be­griff Sprach­nör­gler führt dage­gen nach wie vor tre­ff­sich­er zum gewün­scht­en Ziel.

Da ich per­sön­lich die Hauptver­ant­wor­tung für die Ver­bre­itung dieses Begriffs trage (wobei ich sein­erzeit Schützen­hil­fe von Wortis­tik­er Detlef Gürtler hat­te), würde ich zum Aus­gle­ich gerne etwas Nettes über den VDS sagen. Aber so sehr ich mich bemühe, in den Pressemit­teilun­gen der Möchte­gern-Sprach­schützer irgen­det­was zu find­en, das tat­säch­lich etwas mit Sprach­pflege zu tun hätte, ich finde immer nur Sprach­nörgeleien, die in ihrer humor­be­fre­it­en Blöd­haftigkeit zum Verzweifeln sind.

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Kevin allein in der Unterschicht?

Von Anatol Stefanowitsch

Die Vor­na­men-Studie, die ich hier am Sam­stag besprochen habe, hat auch Chris­t­ian Rein­both (Frisch­er Wind/ScienceBlogs.de) beschäftigt. Er über­legt (ähn­lich wie Sprachlogleser Arndt in einem Kom­men­tar zu meinem Beitrag), ob Kinder mit unter­schicht­typ­is­chen Namen möglicher­weise deshalb als weniger leis­tungs­fähig ange­se­hen wer­den, weil sie es im Durch­schnitt eben auf­grund ihrer Schichten­zuge­hörigkeit tat­säch­lich sind. In diesem Zusam­men­hang fragt er, ob es über­haupt schich­t­en­typ­is­che Namen gibt, denn das wäre natür­lich eine Voraus­set­zung für diese Überlegung.

Zu der grund­sät­zlichen Über­legung selb­st kann ich nicht viel sagen. Ich halte sie nicht für grund­sät­zlich unplau­si­bel, wobei ich noch ein­mal darauf hin­weisen muss, dass Lehrer/innen sich von möglichen Vorurteilen gegenüber bes­timmten Namen bei der Notenge­bung eben nicht bee­in­flussen lassen.

Aber die Frage, ob es schicht­en­spez­i­fis­che Vor­na­men gibt, kann ich auf der Grund­lage ein­er aktuellen, sehr aus­führlichen Studie des berlin­er Sozi­olo­gen Jür­gen Ger­hards klar mit „Ja“ beantworten.

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Die mit den Prolls tanzt

Von Anatol Stefanowitsch

Wer­den Schüler mit Namen wie Kevin oder Mandy für dieselbe Leis­tung schlechter benotet als Schüler mit Namen wie Max­i­m­il­ian und Char­lotte? Müssen sich Justin und Jacque­line schon wegen ihrer Namen auf eine Hauptschulka­r­riere ein­stellen, wärend Alexan­ders und Kathari­nas Eltern schon mal einen Platz im Stu­den­ten­wohn­heim reservieren lassen können?
Die kurze Antwort lautet „Nein“, auch wenn die Medi­en uns seit eini­gen Tagen das Gegen­teil erzählen.

Die lange Antwort lautet eben­falls „Nein“, nur ist der Weg dahin etwas komplizierter.

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SMS-Kürzel im 19. Jahrhundert

Von Anatol Stefanowitsch

 

SMS-Kürzel aus dem 19. Jahrhundert

SMS-Kürzel aus dem 19. Jahrhundert

Vio­la hat mich auf einen Artikel im Guardian hingewiesen, in dem es um eine neue Ausstel­lung der British Library geht: Evolv­ing Eng­lish: One Lan­guage, Many Voic­es.

Die Ausstel­lung, die am 12. Novem­ber 2010 eröffnet wird und bis zum 3. April 2011 laufen wird, bietet einen umfassenden Ein­blick in die (doku­men­tierte) Geschichte der Englis­chen Sprache. Wertvolle Manuskripte aus den let­zten tausend Jahren wer­den dort eben­so zu bestaunen sein wie Tonauf­nah­men ver­schieden­er englis­ch­er Dialek­te aus der ganzen Welt.

Der Guardian freut sich aber am meis­ten über ein soge­nan­ntes „Emblema­tis­ches Gedicht“ aus dem 19. Jahrhun­dert, das dort zu sehen sein wird und das zeigt, dass die bei britis­chen Sprach­nör­glern beson­ders ver­has­sten SMS-Abkürzun­gen schon damals üblich waren:

… 130 years before the arrival of mobile phone tex­ting, Charles C Bom­baugh uses phras­es such as “I wrote 2 U B 4”. Anoth­er verse reads: “He says he loves U 2 X S,/ U R vir­tu­ous and Y’s,/ In X L N C U X L/ All oth­ers in his i’s.”

Für die Leser/innen des Sprachlogs ist mir kein Aufwand zu groß, deshalb habe ich das voll­ständi­ge Gedicht bei Google Books gesucht, gefun­den und abgetippt:

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Historiendramen der Zukunft

Von Anatol Stefanowitsch

Endlich mal wieder ein XKCD-Car­toon zum The­ma „Sprache“ (Dank an Peter Dar­cy für den Hinweis):

Die Leute, die ihre Wochenenden mit historischen Blogger-Nachstellungen verbringen, werden sich über Anachronismen in historischen Filmen aufregen, aber sonst wird es niemanden kümmern.

Die Leute, die ihre Woch­enen­den mit his­torischen Blog­ger-Nach­stel­lun­gen ver­brin­gen, wer­den sich über Anachro­nis­men in his­torischen Fil­men aufre­gen, aber son­st wird es nie­man­den kümmern.

Bei mein­er Über­set­zung habe ich ver­sucht, die Sprach­va­ri­etäten des Orig­i­nals nachzuempfind­en. Weit­er­lesen

Außerirdische in den USA?

Von Anatol Stefanowitsch

In den Kom­mentaren zu meinem let­zten Beitrag zitiert Leser/in Bal­anus fol­gende inter­es­sante Pas­sage von ein­er Nachricht­en­seite und fragt, ob es stimmt, was dort über das Wort alien gesagt wird:

Der Stre­it um das Gesetz in Ari­zona, das jet­zt eine Rich­terin erst ein­mal zu Fall brachte, hat die Stim­mung lediglich zusät­zlich ange­heizt. „Ille­gal aliens“ — so nen­nen vor allem Kon­ser­v­a­tive immer häu­figer die Ein­wan­der­er ohne Papiere. Schön klingt das nicht, eher bedrohlich: Aliens — das sind auch die Mon­ster aus dem All. [Link]

Tat­säch­lich wer­den gle­ich drei Behaup­tun­gen über den Begriff ille­gal alien aufgestellt: Erstens, dass er Assozi­a­tio­nen „Mon­stern aus dem All“ aus­löst; zweit­ens, dass es sich um einen neuen Begriff han­delt („immer häu­figer“); drit­tens, dass es sich dabei um einen Kampf­be­griff der amerikanis­chen Kon­ser­v­a­tiv­en han­delt („vor allem Konservative“).

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Zwischendurch

Von Anatol Stefanowitsch

Um mich zwis­chen beru­flichen Verän­derun­gen und einem drin­gend benötigten Urlaub wenig­stens kurz zu im Sprachlog blick­en zu lassen, hier drei Kurzmel­dun­gen (bitte langsam lesen — da ich nicht weiß, ob ich in der näch­sten Woche Inter­net­zu­gang habe, müssen sie vielle­icht bis zum Ende des Monats reichen).

Sarah Palin als Sprachschöpferin

Die ehe­ma­lige amerikanis­che Vizepräsi­dentschaft­skan­di­datin Sarah Palin zeigt sich als Sprach­schöpferin. In einem Tweet ver­wen­dete sie das Wort refu­di­ate, ver­mut­lich eine Ver­mis­chung von refuse („ver­weigern“) und repu­di­ate („nicht anerken­nen“, „zurück­weisen“):

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Grundformen der Tangst

Von Anatol Stefanowitsch

Die jour­nal­is­tis­che Ver­mit­tlung wis­senschaftlich­er Forschungsergeb­nisse ist eine schwierige Sache. Solche Ergeb­nisse sind kom­plex und vieldeutig, sie sind auf vielfältig ver­net­zte Weise in die ver­schieden­sten, teil­weise jahrzehnte- oder jahrhun­derteal­ten Forschungsstränge einge­bun­den, und ihre Einord­nung und Inter­pre­ta­tion erfordert sowohl umfan­gre­ich­es fach­spez­i­fis­ches als auch all­ge­mein wis­senschaft­s­the­o­retis­ches Vor­wis­sen. Zeitungs- und Zeitschrifte­nar­tikel müssen dage­gen ein­fach und ein­deutig sein, sie müssen für sich ste­hen und dür­fen deshalb beim Leser kein­er­lei Vorken­nt­nisse voraussetzen.

Das macht es selb­st für erfahrene und gut geschulte Wissenschaftsjournalist/innen schwierig, ihre Auf­gabe gut zu erledi­gen und es gibt nur wenige — zum Beispiel unseren hau­seige­nen Lars Fis­ch­er — denen es durchgängig gelingt. Die jour­nal­is­tis­chen Generalist/innen, die in den Redak­tio­nen tage­sak­tueller Print- und Onlineme­di­en sitzen, sind damit völ­lig über­fordert. Diese Über­forderung kann man ihnen natür­lich nicht zum Vor­wurf machen, wohl aber, dass sie (und ihre Chefredakteur/innen) diese nicht erkennen.

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Ein Traum in Weiß

Von Anatol Stefanowitsch

Im Zusam­men­hang meines Beitrags über isländis­che Wörter für Schnee weist mich ein/e Leser/in per E‑Mail darauf hin, dass Schneewörter von Vorgestern sind. Der mod­erne Sprachken­ner weiß längst, dass die Eski­mos über Schnee nicht gerne reden, dass aber dafür ihr Far­b­vok­ab­u­lar in einem entschei­den­den Bere­ich erstaunlich dif­feren­ziert ist. Er/sie schickt mir fol­gen­des Zitat von der Web­seite des Desy, dem Ham­burg­er Teilchenbeschleuniger:

Far­ben sind alles anderes als uni­versell. Welche Far­ben wie emp­fun­den und unter­schieden wer­den, hängt stark vom jew­eili­gen Kul­turkreis ab. So gibt es in eini­gen Sprachen keine eige­nen Worte für Grün und Blau oder Gelb und Orange, während Eski­mos alleine 17 Wörter für das Weiß ken­nen. [Desy 2000]

Was sagen Sie dazu?“, fragt er/sie.

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Schneeschleudern

Von Anatol Stefanowitsch

Im Lan­guage Log, der Mut­ter aller Sprach­blogs, kämpft man seit vie­len Jahren gegen den Mythos von den vie­len (50, 100, 200, 500, …) Eski­mo-Wörtern für Schnee, den ich im Bre­mer Sprach­blog auch schon ein paar Mal behan­delt habe. Obwohl die Kol­le­gen in Dutzen­den von Beiträ­gen ver­sucht haben, den Mythos zu entkräften, find­et sich fast jede Woche jemand, der ihn an sicht­bar­er Stelle in den Medi­en wiederholt.

Es ist deshalb sich­er ver­ständlich, dass die Autoren des Lan­guage Log mit­tler­weile auf die bloße Erwäh­nung von Schnee­vok­ab­u­lar gereizt reagieren. Trotz­dem finde ich, dass Lan­guage Log­ger Ben Zim­mer in seinem jüng­sten Beitrag zum The­ma etwas überempfind­lich wirkt. The­ma des Beitrags ist fol­gen­des Wer­be­plakat des isländis­chen Bek­lei­dung­sh­er­stellers 66° North:

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