Archiv der Kategorie: Altes Sprachlog

In dieser Kat­e­gorie befind­en sich Ana­tol Ste­fanow­itschs Beiträge aus dem alten Sprachlog auf der SciLogs-Plat­tform (2010–2012)

Der Hoteldirektor und das Zimmermädchen

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Wochen habe ich in der Berlin­er S‑Bahn fol­gende Stel­lenanzeige gesehen:

Stellenanzeige der GRG für Zimmermädchen (Berliner S-Bahn, 2011)

Stel­lenanzeige der GRG für Zim­mer­mäd­chen (Berlin­er S‑Bahn, 2011)

Da ich mit meinem Beruf im Großen und Ganzen zufrieden bin, hat mich daran natür­lich nicht die Stelle selb­st inter­essiert, son­dern die Tat­sache, dass die hier gesucht­en Zim­mer­mäd­chen männlich oder weib­lich sein durften. Wenn die Anzeige typ­isch ist, wäre Zim­mer­mäd­chen damit eine der weni­gen Berufs­beze­ich­nun­gen, bei der die weib­liche Form gener­isch — also für Män­ner und Frauen — ver­wen­det wird (Hebamme und Mäd­chen für Alles wären weit­ere Beispiele).

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Hymnische Liebschaften

Von Anatol Stefanowitsch

Wie die öster­re­ichis­che Zeitung Der Stan­dard vor eini­gen Tagen berichtet hat, haben sich SPÖ, ÖVP und Grüne darauf geeinigt, den Sex­is­mus (wenig­stens teil­weise) aus dem Text der öster­re­ichis­chen „Bun­deshymne“ zu ent­fer­nen. Die Hymne begin­nt wie folgt:

Land der Berge, Land am Strome,
Land der Äck­er, Land der Dome,
Land der Häm­mer, zukunftsreich!
Heimat bist du großer Söhne,
Volk, beg­nadet für das Schöne,
Viel­gerühmtes Österreich …

Die dritte Zeile soll nun so umgedichtet wer­den, dass neben den Söh­nen auch die Töchter Erwäh­nung find­en. Dabei ist die Möglichkeit Heimat großer Töchter, Söhne eben­so im Gespräch, wie Heimat bist du großer Töchter und großer Söhne (wobei mir nicht klar ist, wie let­zteres metrisch eingepasst wer­den soll).

Da mich schon an der Mar­gin­al­isierung von Frauen bei Legofig­uren störe, dürfte es nicht über­raschen, dass ich diesen Schritt begrüßenswert finde, allerd­ings mit zwei Einschränkungen.

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Titelhuberei

Von Anatol Stefanowitsch

Wieder­holt bin ich in den let­zten Tagen auf das Wort Titel­hu­berei ange­sprochen und angeschrieben wor­den, das Krista Sager in ihrer Pressemel­dung zur Stre­ichung von Dok­tor­titeln aus dem Per­son­alausweis ver­wen­det hat. Ob das ein neues Wort sei, wurde ich gefragt, was es genau bedeute und woher es komme.

In die aktuelle Debat­te einge­führt hat dieses Wort, soweit ich her­aus­find­en kon­nte, Bun­des­bil­dungsmin­is­terin (Hon.-Prof. Dr.) Annette Scha­van, die es am Woch­enende des 18./19. Juni gegenüber der Frank­furter All­ge­meinen Son­ntagszeitung ver­wen­det hat: Ihrer Mei­n­ung nach sollte der Dok­tor­ti­tel „Aus­druck ein­er wis­senschaftlichen Qual­i­fika­tion und nicht ein Sta­tussym­bol oder Titel­hu­berei sein“.

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Titelkämpfe

Von Anatol Stefanowitsch

In den Kom­mentaren zu meinem Beitrag zu Adels- und akademis­chen Titeln hat­te ich etwas vor­eilig einen Nach­trag zur deren tat­säch­lich­er Ver­wen­dung ver­sprochen, und da die Grü­nen nun den Dok­tor­ti­tel aus dem Per­son­alausweis stre­ichen wollen, ist es höch­ste Zeit, diesen Nach­trag Wirk­lichkeit wer­den zu lassen.

Zunächst will ich noch ein­mal kurz die Sach- und Recht­slage zu akademis­chen Graden und Adel­stiteln zusam­men­fassen, die ich in meinem let­zten Beitrag aus­führlich­er dargestellt hat­te (Punkt 1 übernehme ich dabei weit­ge­hend wörtlich aus meinem aktuellen Par­al­lel­beitrag bei DE PLAGIO):

Akademis­che Grade existieren und dür­fen von ihren Inhab­ern öffentlich geführt wer­den — auf Vis­itenkarten und Brief­pa­pi­er, auf Prax­is- und Fir­men­schildern und natür­lich auf Wahlplakat­en. Das gilt nicht nur für den Dok­tor­grad, son­dern auch für den BA, den MA, den Dipl. usw. Tat­säch­lich ist es in Deutsch­land rel­a­tiv unüblich, Grade öffentlich zu führen — den BA und MA führt kaum jemand (außer vielle­icht auf ein­er uni­ver­sitären Web­seite). Der Dr. wird schon häu­figer geführt — von Wissenschaftler/innen aber häu­fig nur im uni­ver­sitären Kon­text, und von vie­len gar nicht. Am Durchgängig­sten scheint mir der Dipl.-Ing. geführt zu werden.

Etwas ver­wirrend ist nun die Tat­sache, dass der Dok­tor­grad als einziger akademis­ch­er Grad im Per­son­alausweis und im Reisep­a­ss einge­tra­gen wer­den kann (aber nicht muss). Das führt zu viel Ver­wirrung bezüglich der Frage, ob er damit zu einem „Namens­be­standteil“ wird (Antwort: im rechtlichen Sinne nicht, im All­t­agsver­ständ­nis sich­er). Die Frage ist aber ohne­hin neben­säch­lich, da sie kein­er­lei Auswirkun­gen auf das öffentliche Führen des Grades hat. Ich kann einen Grad führen oder auch nicht, egal, ob ich ihn im Per­son­alausweis ste­hen habe oder nicht.

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Im Rausch der Titel

Von Anatol Stefanowitsch

Da die Pla­giats­fälle ger­ade auf uns herun­ter­reg­nen wie Kröten nach einem Tor­na­do in Ishikawa, lässt mich das The­ma doch auch hier im Sprachlog noch nicht los. Ein aktuell disku­tiert­er Aspekt des The­mas hat zudem dur­chaus einen sprach­lichen Bezug: Die Frage, was akademis­che „Titel“ eigentlich sind, und ob man deren Miss­brauch nicht abstellen kön­nte, indem man diese „Titel“ ein­fach abschaffte (siehe dazu die Diskus­sion in unserem Blog DE PLAGIO).

Häu­fig find­et auch eine merk­würdi­ge Ver­mis­chung von akademis­chen „Titeln“ und „Adel­stiteln“ statt — z.B. in der Sendung „Anne Will“, in der es ins­ge­samt ja recht munter durcheinan­der ging.

Grund genug für mich, hier im Sprachlog ein­mal zusam­men­z­u­fassen, was ein „akademis­ch­er Titel“ eigentlich ist, und wie er sich von einem „Adel­sti­tel“ unterscheidet.

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Taboobrüche

Von Anatol Stefanowitsch

In seinem Blog „Deutsche Sprak schwere Sprak“ macht sich Lud­wig Tre­pl, der oft auch in den Kom­mentaren im Sprachlog hin­ter­sin­nige und manch­mal etwas ver­schlun­gene Sprach­nörgelei betreibt, Sor­gen um die deutsche Sprache.

Er befürchtet, dass das „let­zte Tabu“ fällt, weil er auf der deutschen Ver­sion der Web­seite eines spanis­chen Hotels die Schreib­weise Taboo gefun­den hat: Weit­er­lesen

Die Wörtergate-Affäre

Von Anatol Stefanowitsch

Ver­brechen aus Lei­den­schaft geschehen jeden Tag, über Ver­brechen aus Sprach­wis­senschaft liest man dage­gen eher sel­ten. Aber wie das Ham­burg­er Abend­blatt am Don­ner­stag berichtete (lei­der hin­ter ein­er Bezahlwand), hat das Amts­gericht St. Georg in Ham­burg zwei Lehrer für ein solch­es Ver­brechen verurteilt: Die bei­den hat­ten auf ein­er Fort­bil­dungsver­anstal­tung über ein ver­steck­tes Mikro­fon heim­lich die Gespräche ihrer Kolleg/innen aufgenom­men. Ans­tifter war der Sohn eines der Verurteilten:

Für eine Mas­ter­ar­beit in Lin­guis­tik hat­te er seinen Vater gebeten, an einem der vier Sem­i­nartage die Gespräche der Lehrgang­steil­nehmer aufze­ich­nen zu dür­fen. Heim­lich, denn unter Beobach­tung wären die Beobachteten wom­öglich irri­tiert, die Ergeb­nisse der stu­den­tis­chen Feld­forschung verz­er­rt. Die unfrei­willi­gen Proban­den soll­ten den kleinen Lauschangriff deshalb nachträglich genehmi­gen. [Ham­burg­er Abend­blatt, 9. Juni 2011]

Der Vater hat­te wohl zunächst Bedenken, sein Sohn aber habe behauptet, es han­dle sich dabei um „gängige[] Meth­o­d­en in der wis­senschaftlichen Forschung“, sodass er am Ende dann doch ein­willigte. Die Kolleg/innen hat­ten offen­bar wenig Ver­ständ­nis für dieses Vorge­hen und so lan­dete der Fall vor Gericht. 

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Grundlose Sorgen

Von Anatol Stefanowitsch

Ein kurzes Post­skrip­tum zum ersten Teil mein­er Serie über die Sprachtipps von BILD.de und Andreas Busch. Let­zter­er hat­te unter anderem für Ver­wirrung über eine ange­blich falsche Ver­wen­dung des Wortes sor­gen gesorgt, indem er behauptet hat­te, dass man dieses nur in Sätzen wie Die Mut­ter sorgt für ihre Kinder, nicht aber in Sätzen wie Blitzeis sorgt für Verkehrschaos ver­wen­den dürfe. Nun stellt sich her­aus, dass just dieses Verb dem Chefredak­teur der Bild, Kai Diek­mann vor eini­gen Jahren Sor­gen bere­it­et hat.

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Der wundersame und geheimnisvolle Fall des Sprachpanschers Nikolaus S.

Von Anatol Stefanowitsch

Vor ein paar Tagen habe ich über die Nominierun­gen für den „Sprach­pan­sch­er des Jahres“ gesprochen, einen Neg­a­tivpreis mit dem der Vere­in der Drö­gen Sprach­mythen (VDS) alljährlich Promi­nente ausze­ich­net, um so auch mal wieder ins Gespräch zu kommen.

Bericht­enswert war dabei nicht die Nominierung selb­st (die angesichts der son­st meis­tens gut funk­tion­ieren­den Pressear­beit des VDS in den Medi­en erstaunlich dürftig aufgenom­men wurde, aber dazu später mehr), son­dern die Tat­sache, dass eine der Nominierten, die Bun­de­sagen­tur für Arbeit, den Vere­in wegen sein­er schlampi­gen und fak­tisch falschen Nominierungs­be­grün­dun­gen öffentlich vorführte.

Ein weit­er­er Nominiert­er schweigt dage­gen behar­rlich, obwohl er noch deut­lich­er wider­sprechen kön­nte: Niko­laus Schnei­der, Vor­sitzen­der des Rates der evan­ge­lis­chen Kirche Deutsch­lands, der laut Pressemel­dung des VDS

… seine Gläu­bi­gen mit „Luther­Ac­tiv­i­ties“ wie „Well­ness für die Män­nerseele“, „mar­riage weeks“ oder „wor­ship sum­mer­par­tys“ bei der Stange hal­ten will. [Pressemel­dung des VDS]

Will er das wirk­lich? Nun traue ich dem Rat der EKD jede Nar­retei und jedes Fehlver­hal­ten der Welt zu (und man gibt sich ja auch immer wieder kräftig Mühe, mein Ver­trauen nicht zu ent­täuschen), aber trotz­dem hat­te ich beim Lesen der Pressemel­dung das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt.

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Die unverbesserliche Seichtigkeit der Sprachnörgler (Teil 3)

Von Anatol Stefanowitsch

Kom­men wir heute zur drit­ten und let­zten Folge unser­er kleine Rei­he zu den „10 am häu­fig­sten falsch ver­wen­de­ten Wörtern“ von Andreas Busch und BILD.de. Uns fehlen in der Diskus­sion noch drei Wörter, wollte, ver­stor­ben und Reifen­wech­sel, und fehlt noch die Ermah­nung, Berufs­beze­ich­nun­gen wie Arzt für Män­ner zu reservieren und für Frauen immer die weib­liche Form Ärztin zu nehmen. Heute beschränke ich mich auf die drei Wörter, die Frage nach den Berufs­beze­ich­nun­gen ist zu kom­plex um sie im Busch’schen Par­a­dig­ma von „richtig“ und „falsch“ auch nur anzureißen. Ich komme aber in näch­ster Zeit umfassender darauf zurück.

In der ersten Folge ging es ja darum, dass Sprach­nör­gler wie Busch nicht in der Lage sind, Sprach­wan­del zu ver­ste­hen und zu akzep­tieren, in der zweit­en Folge ging es daneben auch noch um ihre Schwierigkeit­en mit der Erken­nt­nis, dass Wörter nor­maler­weise mehr als eine Bedeu­tung haben, von der keine die „richtige“ ist. Die heute disku­tierten Fälle zeigen ein drittes Prob­lem: Die sprach­liche Intel­li­genz der Sprachge­mein­schaft wird sys­tem­a­tisch unterschätzt.

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