Nun sind, was gerechte Sprache angeht, die Universitäten natürlich ein vergleichsweise harmonisches Idyll — in offiziellen Dokumenten, auf Webseiten, in Rundschreiben, E‑Mails und Protokollen werden fast ausschließlich gerechte Formulierungen verwendet, die Mitarbeiter/innen werden entgegen landläufiger Meinung dazu aber nicht verpflichtet (und auch nicht die Studierenden) und eigentlich ist das alles sehr normal und im täglichen Geschäft in beide Richtungen ziemlich entspannt. Mir ist kein Fall bekannt, in dem vehement auf der einen oder anderen Form bestanden worden wäre. Es ist eher so, dass geschlechtergerechte Sprache im akademischen Umfeld mehr oder weniger der Normalfall ist.
Archiv des Autors: Susanne Flach
Blogspektrogramm 13/2015
Heute haben wir kurz und knackig Links ausgewählt mit lesens- und hörenswerten Informationen aus dem Bereich Lexikon, Wortbedeutung, Zeichenkodierungen und grammatischen Zweifelsfällen. Klein, aber oho und faktenreich:
- Zeichenkodierung war und ist ein richtig großes Durcheinander — welche Probleme Schreiber/innen von Sprachen haben, deren Schrift nicht auf dem lateinischen Alphabet beruht, das fasst Aditya Mukerjee auf MODEL VIEW CULTURE treffend zusammen: „I can text you a pile of poo, but I can’t write my name.“ (danke an @giardino)
- Der Mittelfinger des griechischen Finanzministers hat auch die Sprachwissenschaft beschäftigt:
- Anatol hat erst versucht, klarzustellen, wem der Mittelfinger gezeigt wurde (deutsch, englisch) und dann für Internet und Medien noch nachgeschlagen, was to doctor heißt.
- Luise Pusch hat sich mit einer Frage befasst, die sich sonst niemand gestellt hat: Warum ist der Mittelfinger eigentlich eine Beleidigung und was hat das möglicherweise mit der Tatsache zu tun, dass die griechische Regierung zu 100 Prozent aus Männern besteht
- Damaris Nübling von der Uni Mainz hat den Konrad-Duden-Preis erhalten. Im SWR spricht sie über Zweifelsfälle und Tiernamen.
- Texas German kennense schon, oder?
- ROBOT HUGS erklärt „Dictionary“.
Blogspektrogramm 11/2015
Pünktlich zum temperaturgefühlten Frühlingsanfang ist heute das bunte Allerlei mal wieder ganz besonders bunt. Mit dabei: Namenforschung, gerechte Sprache, Gebärdensprache, Internetsprache, Wörterbücher, Spock & Kevin Spacey.
- Rita Heuser vom Namenforschungsprojekt „Digitales Familienwörterbuch Deutschlands“ war diese Woche beim SWR und hat bei „Kaffee oder Tee“ Hörer/innenfragen zu Familiennamen beantwortet.
- Anne Wizorek war letztens bei „Hart, aber fair“ — hier verlinken wir das Interview, das sie danach dem STERN gegeben hat und sich dort auch zu gerechter Sprache äußert.
- Haben Sie sich schon mal gefragt, wie neue Wörter in Gebärdensprache kommen? Nunja, auch nicht anders, als bei bei gesprochener Sprache — die Konvention gewinnt. Auf HOPES AND FEARS gibt’s dazu spannende Infos und ein paar Gebärden aus der Internetsprache.
- KHALEEJ TIMES hat mit David „Internetsprache“ Crystal gesprochen — über Sprache und Internetsprache und anderes.
- Wenn Wörter nicht mehr gebraucht werden, werden sie auch aus Wörterbüchern gestrichen. Das finden manche doof (oder werten es als Zeichen des Sprachverfalls), ist aber normal und richtig — findet Martin Robbins im GUARDIAN.
- Matthias Heine in DIE WELT über „Spock Speak“.
- Was hat Kevin Spacey in „House of Cards“ mit Phonetik zu tun? Eine ganze Menge.
Blogspektrogramm 9/2015
Tag der Muttersprache, Soziolinguistik, Speisekarten, Comics und korrupter Bankrott? Was das alles miteinander zu hat, lesen Sie heute im geruhsamen Spektrogramm:
- Gestern war „Internationaler Tag der Muttersprache“ — dass es dabei überwiegend um bedrohte und nicht die deutsche Mehrheits‑, Bildungs- und Verkehrssprache geht, hat erwähnenswert aufgegriffen unter anderem Nedad Memić mit einem Artikel in der WIENER ZEITUNG sowie einem Interview mit der Mehrsprachigkeitsexpertin Katharina Brizić in DER STANDARD.
- Bei „Fragen Sie Dr. Bopp“ beantwortet Dr. Bopp normalerweise Fragen von Leser/innen. Diese Woche greift er einfach seine eigene Frage auf und erzählt uns von der Verwandtschaft zwischen korrupt und bankrott.
- Wir machen uns über lustige Übersetzungen und maschinelle Übersetzung in Asien lustig? Joa, da haben sich Chines/innen in Melbourne jetzt bestimmt gedacht: Höhö! (Victor Mair im LANGUAGE LOG).
- Speisekartenlinguistik von Dan Juravsky jetzt mit Traumaanalyse in Restaurantreviews (Sprachlog berichtete BS 15/2014 und BS 38/2014).
- „Comics sind ein visuelles Medium“, schreibt Greg Uyeno auf LEXICON VALLEY — und noch mehr zur Linguistik von Krach in Comics.
Blogspektrogramm 7/2015
Neuerdings haben wir ja immer so viel Material, dass wir langweilige Sprachuntergangsapokalypsen gar nicht mehr verlinken müssen. Heute also Selbstreflexives zu „Blackfacing“, unfassbare Grammatikpedanz bei Wikipedia und erfrischendes zu Anführungszeichen. Dazu ein Veranstaltungshinweis für Berliner/innen — und wie Sie sich darauf vorbereiten können:
- Im DEUTSCHLANDRADIO KULTUR nimmt sich Joachim Dicks unseren Anglizismus des Jahres zum Anlass, über die Tradition des Blackfacing nachzudenken: „Als ich ein Junge war, zog ich als katholischer Ministrant mit den Sternsingern durch die Gemeinde. Einer von uns musste sich immer dunkle Schuhwichse ins Gesicht schmieren und den Caspar mimen, und so sammelten wir bei unseren Gemeindemitgliedern Geld für die nächste Messdienerfahrt ein. Die Rolle des afrikanischen Weisen war im karnevalesken Rheinland unter uns Kindern heiß begehrt: ein religiös motiviertes Theaterspiel, dass uns selbst im fröstelnden Januar warm ums Herz machte. Den Nachbarsjungen aus Ghana wollten wir damit keineswegs verulken, und er nahm es, soweit ich mich erinnere, mit Humor. Aber sicher bin ich mir heute nicht mehr. Wer weiß, was wirklich in ihm vorging? Gefragt habe ich ihn nie.“
- Emojis sind schwer in: nicht nur Anatol wird derzeit häufig dazu befragt (u.a. wieder diese Woche ausführlich auf RADIO EINS), auch Vyv Evans hat sich im GUARDIAN zum Zeichenstatus im sprachwissenschaftlichen Sinne Gedanken gemacht, anknüpfend an die Frage, ob man mit Emojis „Terrordrohungen“ aussprechen kann.
- [VERANSTALTUNGSHINWEIS] Und weil Anatol mittlerweile eine ausgewiesene Koryphäe der Emojiforschung ist, sind Emojis Thema der Abschlusssitzung seiner Vorlesung „Levels of Linguistic Analysis“ an der Freien Universität Berlin (Do, 12.2., 12–14 Uhr, Hörsaal 2, Rost-/Silberlaube, Habelschwerdter Allee 45).
- Nochmal Emojis: ebenfalls im GUARDIAN hat man die Emojis ausgezählt, die in Tweets über britische Politiker/innen verwendet werden.
- Mit einem deutschen Wortexport der zweifelhaften Art beschäftigt sich Philipp Krämer auf dem Blog der Niederländischen Philologie (Freie Universität Berlin): das Demokonfix (?) -gida im niederländischen Sprachraum, „Vlagida und die Lügenpresse“.
- Im Englischen nennt man sie „Grammar Nazis“, Leute wie Bryan Henderson, der in der Wikipedia angeblich 47.000-mal den gleichen „Fehler“ korrigiert hat. Davon berichten diese Woche u.a. DER STANDARD. David Shariatmadari erklärt im GUARDIAN, warum Henderson nicht einfach nur pedantisch ist, sondern auch daneben liegt.
- Im LEXICON VALLEY auf SLATE gibt’s was zur Geschichte von Anführungszeichen.
- Und um ein verbales „Anführungszeichen“ geht’s bei XKCD.
Blogspektrogramm 4/2015
Bevor Sie sich von der bunten Liste mit Widerworten an Pegida-Versteher/innen, seltsamen phonetischen Phänomenen, Markennamen und linguistischen Aspekten bei Charlie Hebdo ablenken lassen, erinnern wir Sie an Ihre Wahlpflicht:
- Beim Anglizismus des Jahres läuft noch bis morgen Mittag die Publikumsabstimmung, bei der Sie Ihren Favoriten auf den Titel „Publikumsliebling 2014“ wählen können. Wer vor dem Gang in die Wahlurne noch mal Pro und Contra begutachten möchte: Big Data, Blackfacing, Photobombing, Selfie, Sexting & Social Freezing. (Wir warten jetzt so lange auf Sie.)
Wieder da? Gut, weiter geht’s:
- Im Zuge einer plumpen und angstschürenden Verständnisoffensive für PEGIDA behauptete Erika Steinbach (CDU), deutsche Kinder nähmen „Akzent und Weltanschauung“ von Kindern mit Migrationshintergrund an (gemeldet u.a. von der FAZ). NOVEMBERREGEN antwortet direkt von der Basis, aus einem Stadtteil mit hohem Migrationsanteil.
- Wird Charlie Hebdo als Name der Zeitschrift jetzt aber ein Begriff für Terror bleiben? Das zugrundeliegende sprachliche Phänomen der Metonymie bei tragischen Großereignissen diskutiert Rick Paulas im PACIFIC STANDARD als „The Linguistics of Tragedy“.
- Neue Produkte und Marken benennen? Uff, kein einfacher Job — seziert Neil Gabler in THE NEW YORK TIMES.
- A propos einfach – Eckhard Stengel diskutiert auf MEEDIA missglückte Beispiele der sogenannten „Leichten Sprache“ aus der Zeitschrift „Das Parlament“, die zeigen, dass Leichtigkeit alles andere als einfach ist. (In diesem Zusammenhang auch noch einmal der Hinweis auf Anatols kritischen Beitrag zur Leichten Sprache in der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“, die – dramatische Ironie – als Beilage von „Das Parlament“ vertrieben wird.)
- Julian von Heyl rezensiert auf KORREKTUREN.DE die Duden-Broschüre mit dem Untertitel „Kuriose Wortvorschläge an die Dudenreaktion“.
- Das SPRACH-BLOG präsentiert einen Beleg des relativ bizarren Phänomens des ingressiven Ja in einem nordschwedischen Dialekt (von dem ich bisher nur gerüchteweise gehört hatte — und es mir gaaaaanz anders vorgestellt hatte). Ingressive Laute werden beim Ein- statt Ausatmen produziert.
Kandidaten für den Anglizismus des Jahres 2014: Selfie
Wir haben nie ein besonders großes Geheimnis darum gemacht, dass Selfie ein absoluter Topkandidat auf den Titel ist. Wir lieben Selfie. Bei uns kam das digitale Selbstportrait ja auch vor allem linguistisch besonders gut an — der vierte Platz im letzten Jahr lag auch an der starken Konkurrenz. Und als Senkrechtstarter 2013 waren wir entzückt (obwohl nicht überrascht), dass es auch 2014 nominiert wurde. Weiterlesen
Kandidaten für den Anglizismus 2014: Social Freezing
Alle Wortwahlen sind vorbei. Alle? Natürlich nicht. Denn unsere Leser/innen wissen: nach der Wahl ist vor der Wahl und die Beste kommt zum Schluss! So markiert die exzellenten Arbeit unserer Kolleg/innen der Unwort-Jury traditionell den Startschuss für die heiße Phase der Wahl zum Anglizismus des Jahres — und wir beginnen heute den Besprechungsmarathon für die 10 Kandidaten unserer Shortlist — und präsentieren Ihnen ab heute jeden Tag einen.
Blogspektrogramm 2/2015
Wörterwahlen, Wörterwahlen, Wörterwahlen, Wörterwahlen, W– oh! Sprachverfall, Mehrsprachigkeit, Sprachverfall und… Wörterwahlen. Viel Spaß bei vorübergehender Monokultur!
- Die American Dialect Society gibt Anfang Januar traditionell ihr WOTY, das Word of the Year bekannt, gewählt auf der Jahrestagung der Linguistic Society of America. In diesem Jahr: #blacklivesmatter, Hashtag, Phrase – eine unkonventionelle Entscheidung, kommentiert das Magazin TIMES.
- Das ist insofern konsequent, weil Hashtag WOTY 2012 war, findet Ben Zimmer, Blogger, Lexikograf, Mitwähler & erster Empfänger des LSA-Journalistenpreises: „The power of the hashtag has continued to grow since then“.
- Die American Dialect Society hat für Hashtags sogar eine eigene Kategorie.
- Der Berliner Linguist Konrad Ehlich gastkommentiert im Tagesspiegel: „Deutschlands Zukunft ist mehrsprachig“. (Daneben klingt dann die Jammerei von Hellmuth Karasek im HAMBURGER ABENDBLATT ziemlich putzig.)
- Der WDR hat mit Peter Schlobinski von der Universität Hannover über Sprachformen bei WhatsApp & Co. gesprochen. Und über das Forschungsprojekt, bei dem es genau um diese Frage geht.
- Die Jury des Anglizismus des Jahres hat ihre Shortlist für 2014 bekannt gegeben.
Blogspektrogramm 52/2014
Es ist…— das letzte Blogspektrogramm in diesem Jahr! Da fahren wir nochmal gaaaanz groß auf mit Lesebefehlen zu Mythen bei Rechtschreibung, Sprachverfall & Amtsspachen, deutschen Kreolsprachen, Cyberattacken, Mehrsprachigkeit & sowas wie ner Dialektkarte.
- Nedad Nemić hat sich im österreichischen STANDARD dem „Sprachverfall“ gewidmet, also genauer gesagt den Mythen desselben, die der Vorsitzende der orthografischen Bischofskonferenz, Hans Zehetmair, diesen Monat — unter anderem hier zitiert — aufgewärmt hat.
- Auch so’n Mythos: Deutsch als Amtssprache der USA. Leseempfehlung für die, die sich das nicht bei Wikipedia durchlesen wollen.
- Was die Cyberattacke auf Sony mit Linguistik zu tun hat? Voilà — die Grammatik der Nachrichten kommt bei Computerlinguist/innen auf den Prüfstand, die NEW YORK TIMES berichtet.
- Und wie positiv auf einmal über Mehrsprachigkeit berichtet werden kann, wenn es um Englisch oder Französisch geht (und nicht um [häusliche] Erstsprachen von Migrant/innen), zeigt dieser Artikel in DIE WELT. Weniger eine akute Leseempfehlung, als ein Kontrastprogramm.
- Péter Maitz von der Universität Augsburg forscht zum Unserdeutsch in Papua-Neuguinea. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG berichtet. Leseempfehlung auch wegen der hübschen SZ-Grafik.
- Wer Grundidee und Motivation von Lann Hornscheidts Vorschlägen immer noch missverstehen muss: hier entlang.
- Für alle Linguist/innen (& die, die es noch werden wollen), die noch Familientrara um sich rumhaben und Argumente brauchen, wie sie ihre Berufswahl der Familie verklickern wollen: diese Übersicht bei ALL THINGS LINGUISTIC könnte helfen.
- The Dude Map.