Archiv des Autors: Kristin Kopf

1642: Das Jahr, da die teusch Sprach verderbt war

Von Kristin Kopf

Wusstet Ihr, dass das Deutsche schon kaputt ist? Ich bin mir auch nicht sich­er, wie es der wach­samen Öffentlichkeit ent­ge­hen kon­nte, aber im Jahr 1642 spätestens war alles ver­dor­ben. Warum und wie? Aber ja, die lei­di­gen Fremd­wörter haben die Sprache ver­saut und dafür gesorgt, dass man sich nicht mehr ver­ständi­gen kon­nte. So zu lesen in diesem wun­der­baren Gedicht auf Wik­isource. Es richtet sich

Wider alle Sprachverder­ber / Cor­ti­sa­nen / Con­cip­is­ten vnd Con­cel­lis­ten / welche die alte teuotsche Mut­ter­sprach mit aller­ley frem­b­den / Lateinis­chen / Welschen / Span­nis­chen vnd Frantzö­sis­chen Wörtern so vielfältig ver­mis­chen / verkehren vnd zer­stehren / daß Sie jhr sel­ber nicht mehr gle­ich sihet / vnd kaum hal­ber kan erkant werden.

Schlümm, schlümm.

Was haben wir noch?

Nach diversen Beschimp­fun­gen geht es dann in Stro­phe 6 los mit einem Fremd­wort-ABC. Ich habe mir mal den Spaß gemacht, die ver­has­sten Wörter zu extrahieren und zu schauen, wie es heute um sie ste­ht. Von 294 Fremd­wörtern und ‑wen­dun­gen haben wir (je nach zugrun­degelegter Wortliste1) etwas mehr als ein Drit­tel behal­ten (116 bzw. 111).

Welche Rolle spielen sie?

Die Über­leben­den sind zwar meist noch als Fremd­wörter zu erken­nen, haben sich aber heute super inte­gri­ert. (Teil­weise auch mit drastis­chen Bedeu­tungsverän­derun­gen.) Viele gehören in spez­i­fis­che Bere­iche, wie z.B. zum Mil­itär: Weit­er­lesen

Wie man ein Korpus zusammenstückelt und einen Teufelspakt schließt

Von Kristin Kopf

Ich bin momen­tan dabei, eine Samm­lung früh­neuhochdeutsch­er Texte (ein “Kor­pus”), aus denen man ide­al­er­weise Aus­sagen über das Deutsch der dama­li­gen Zeit ableit­en kann, für mein Dis­ser­ta­tionsvorhaben anzu­passen. Das Kor­pus wurde ursprünglich zusam­mengestellt, um die Entste­hung der Sub­stan­tiv­großschrei­bung zu unter­suchen, deshalb machte es z.B. nichts aus, dass auch über­set­zte Texte darin enthal­ten waren. Bei mein­er Fragestel­lung habe ich aber ein bißchen Angst, dass die Wort- und Satzstruk­tur durch direk­te lateinis­che Vor­la­gen bee­in­flusst sein kön­nte. Deshalb werfe ich über­set­zte Texte raus und nehme andere rein.

Ich war also in der let­zten Zeit viel auf der Suche nach passenden Tex­ten – sie müssen aus bes­timmten Zeitspan­nen sein, als Drucke vor­liegen und von bes­timmten Druck­o­rten (oder wenig­stens aus deren Dialek­t­ge­bi­et) stam­men. Ach ja, Gereimtes darf auch nicht. Und min­destens 4000 Wörter lang. Und sie müssen Orig­i­nale oder Fak­sim­i­les als Vor­lage haben.

Per­fekt sind Texte, die elek­tro­n­isch vor­liegen, wie z.B. die Texte des Bon­ner Früh­neuhochdeutschko­r­pus. Auch bei Wik­isource find­et sich für ver­gan­gene Jahrhun­derte einiges, was sorgfältig von den Orig­i­nalen abgetippt und kor­rek­turge­le­sen wurde und sich damit auch bei Unsicher­heit­en immer ver­gle­ichen lässt. Weniger per­fekt, aber als Lück­en­füller geeignet ist auch Google­Books – die Tex­terken­nung, die man über die alten Drucke gejagt hat, taugt zwar für Frak­tur nichts, aber man kann sich viele alte Büch­er als Pdf run­ter­laden und dann per Auge durch­suchen. Anson­sten gibt es auch noch eine ganze Rei­he von Unibib­lio­theken, die ihre alten Drucke und Manuskripte als Bilder dig­i­tal­isieren, z.B. Hei­del­berg und Göt­tin­gen. (Hei­del­berg hat auch eine enorm aus­führliche Lin­kliste zum Thema.)

Auf mein­er Suche habe ich viele Texte ange­le­sen – auch welche, die gar nicht geeignet, aber dafür sehr kurios sind. Zum Beispiel diesen (Foto von His­to­ri­ograf):

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Ich mach das als so …

Von Kristin Kopf

Wer in den let­zten Wochen Zeit mit mir ver­bracht hat, weiß, was jet­zt kommt:

Ich mach das als so.

Ich geh da als hin.

Wir schenken uns als nichts zu Weihnachten.

Wie ver­ste­ht ihr das als? Bish­erige Vorschläge aus meinem mit­tel- und nord­deutschen Fre­un­des- und Bekan­ntenkreis umfassen (Spoil­er alert!) Weit­er­lesen

Diverses von der 48. StuTS

Von Kristin Kopf

Die StuTS in Pots­dam ist vor­bei, die in Leipzig ste­ht bevor … fun facts am Rande:

  • Adygeisch (eine Kauka­sussprache) hat dor­so­postalve­o­lare Frika­tive (bei denen man die Zun­gen­spitze unten hin­ter die Zähne leg­en muss), aber nur drei Vokale. (Ludger Paschen)
  • Prof. Wiese unter­sucht Kiezdeutsch und bekommt dazu “sehr viele Zuschriften aus der … soge­nan­nten Öffentlichkeit”. Wir durften zwei lesen – sehr krass, wie sich manche Leute bedro­ht fühlen, wenn man an ihrem Welt­bild kratzt – und zu welch­er Sprache sie dabei greifen. Was macht sie mit den Mails? “Für mich sind das auch erst mal Dat­en.” Spon­tan­er Applaus.
  • Im Lasis­chen (auch ein­er Kauka­sussprache) gibt’s wilde Mor­pholo­gie, aber am schön­sten ist, dass man aus ‘Ich bin glück­lich’ die wörtliche Form ‘Ich bin glück­lich um dich herum’ (d.h. ‘mit dir als Zen­trum’) bilden kann – sie aber mit­tler­weile ‘Ich küsse dich’ bedeutet. (Hagen Blix) Weit­er­lesen

[Lesetipp] Anglizismenintegration als kulturelle Leistung

Von Kristin Kopf

Die Bild-Zeitung regt sich momen­tan über englis­che Berufs­beze­ich­nun­gen in deutschen Stel­lenanzeigen auf, im Zuge ein­er über­aus alber­nen Deutsch-ins-Grundge­setz-Aktion (zum Sprachlog-Kom­men­tar dazu). Heute greift der Unispiegel das Berufs­beze­ich­nungs­the­ma mit einem Mini­in­ter­view auf. Befragt wird Car­olin Kruff, die in Aachen dazu pro­moviert. Das Schön­ste nehme ich schon vorweg:

UniSPIEGEL: Ver­hun­zen solche Wortkreatio­nen die deutsche Sprache?

Kruff: Im Gegen­teil. Ich sehe das eher als kul­turelle Leis­tung. Wir inte­gri­eren Anglizis­men in den meis­ten Fällen sehr gut in die deutsche Sprache und hal­ten sie so lebendig. Von ein­er Bedro­hung der deutschen Sprache durch Anglizis­men sind wir momen­tan weit entfernt.

Wer sich für Frau Kruffs Arbeit näher inter­essiert, kann hier ein fün­f­seit­iges Exposé lesen.

Videografieren mit Zielrichtung Führungs- und Einsatzmittel

Von Kristin Kopf

Ich lese seit dem Kirch­garten immer wieder gerne Pressemel­dun­gen auf der rhein­land-pfälzis­chen Polizei­home­page. Dabei stechen gele­gentlich ungewöhn­liche Wörter (und sel­tener auch For­mulierun­gen) her­vor, bei denen ich ver­mute, dass es sich um Polizeis­prache handelt.

Drei Fällen bin ich mal ein bißchen nachgegangen …

videografieren

Wegen des Zün­dens und Wer­fens von pyrotech­nis­chen Gegen­stän­den laufen bere­its weit­ere Ermit­tlun­gen, der Gang durch die Unter­führung wurde videografiert. (Quelle)

Zunächst mal: Was heißt es? Mir scheint, ein­fach nur ‘fil­men’, sei es per Überwachungskam­era oder per mobil­er Videokam­era. Bei der Polizei passiert das natür­lich beson­ders oft auf Demon­stra­tio­nen oder im Straßenverkehr.

Die Google-Suche nach videografiert liefert ca. 15.000 Tre­f­fer auf deutschsprachi­gen Seit­en. (Darin eingeschlossen sind auch die Schreib­vari­ante mit <ph> und der Infini­tiv.) Die Suche nach Täter videografiert führt zu etwas über 4.000 Tre­f­fern, was schon mal sehr auf einen polizeilichen Hin­ter­grund hindeutet.

Ganz so ein­fach war es dann aber doch nicht: Weit­er­lesen

Chaos mit “Zucchini”

Von Kristin Kopf

Kür­bisse vor Kürbissuppe

Ich habe mich diese Woche jahreszeitbe­d­ingt eine Menge mit Kür­bis­sen beschäftigt.1 Siehe rechts. Dabei spuk­te mir immer wieder im Kopf herum, dass ja auch Zuc­chi­ni Kür­bisse sind. Das ursprünglich ital­ienis­che Wort bedeutet in sein­er Herkun­ftssprache sog­ar ‘klein­er Kür­bis’, es ist von zuc­ca ‘Kür­bis’ abgeleitet.

Kurioser­weise kann das Wort sowohl im Ital­ienis­chen als auch im Deutschen maskulin und fem­i­nin sein. Weit­er­lesen

Sexismusverdacht

Von Kristin Kopf

In let­zter Zeit ger­at­en immer wieder Leute her, weil es irgend­wo eine (meist niveaulose) Debat­te zu Sex­is­mus gibt. Im Laufe ebendieser zaubert jemand die “däm­lich kommt von Dame”-Behaup­tung aus dem Hut und prompt schreibt jemand anders: “Nein, däm­lich ist nicht sex­is­tisch, das kommt näm­lich gar nicht von Dame!” Drunter dann ein Link zum ein­schlägi­gen Sch­plock-Beitrag.

Aber ist es so leicht?

Dass däm­lich nicht von Dame kommt, ja klar – aber ist es deshalb auch defin­i­tiv nicht sex­is­tisch? Weit­er­lesen

[Lesetipp] Der Geschichtenerzähler

Von Kristin Kopf

Dass Mario Var­gas Llosa den Lit­er­aturnobel­preis gewon­nen hat, erin­nert mich prompt an meine Semes­ter in der Kom­para­tis­tik. Ich denke das Sem­i­nar hieß “Interkul­turelles Erzählen”, ich hielt dort mein erstes und (hof­fentlich mit viel Abstand) grauen­haftestes Unirefer­at und ein Buch ist mir sehr, sehr ein­drück­lich in Erin­nerung geblieben: “Der Geschicht­en­erzäh­ler” (span. “El Hablador”) von obge­nan­ntem Llosa. Die Erzäh­lung spielt in Peru, ganz beson­ders im Regen­wald bei den Machiguen­ga und am besten man ver­rät vorher so gut wie gar nichts drüber. Der Sch­plock-Bezug? Das SIL kommt am Rande vor. (Eher unschme­ichel­haft, wenn ich mich recht entsinne.)

Ich werde diese Erin­nerung zum Anlass nehmen, das Buch endlich mal wieder zu lesen – will noch jemand? Dann würd ich gle­ich zwei Exem­plare bestellen.

Wörter auf ‑nf

Von Kristin Kopf

Vor ein­er Weile kam jemand mit der Suchanfrage

wörter mit endung nf

hier­her. Offline kön­nte man so etwas mit einem soge­nan­nten “rück­läu­fi­gen Wörter­buch” her­aus­find­en. Aber was’n Stress!

Meine Online-Stan­dard­lö­sung in solchen Fällen ist canoo.net. Ging hier aber erst­mal nicht, denn da muss man min­destens drei Buch­staben eingeben. Die Anfrage *nf führt zu “Bitte seien Sie genauer: Wild­cards sind erst ab 3 Buch­staben erlaubt”. Wie nervig, es will ja kein­er tausend (= 30) Abfra­gen mit *anf, *bnf, … machen!

Aber elexiko vom Insti­tut für Deutsche Sprache ist koop­er­a­tiv, es spuckt 15 Tre­f­fer aus. Sucht man sich davon nur die ein­fachen Wörter aus, schnur­rt die Zahl der­er auf -nf ganz schnell auf vier zusam­men: Hanf, Senf, fünf und der Eigen­name Genf. Sind das schon alle? Weit­er­lesen