Die Frau, die Mutter, die Nonne – der Mann, der Vater, der Mönch: dass fast alle Bezeichnungen für Frauen auch grammatisch Feminina und die für Männer grammatisch Maskulina sind, dürfte kein Zufall sein. Das grammatische Geschlecht (man bezeichnet es auch als »Genus«) scheint etwas mit dem biologischen oder sozialen Geschlecht (»Sexus« bzw. »Gender«) zu tun zu haben. Das hat negative Konsequenzen für das sog. generische Maskulinum: Weil grammatische Maskulina im Deutschen kognitiv so eng mit dem männlichen Geschlecht verbunden sind, sind sie ungeeignet dazu, gleichermaßen auf Männer und auf Frauen Bezug zu nehmen. ((Das zeigen alle Untersuchungen zum Thema, eine davon wird hier vorgestellt.))
Herr – Frau – Fräulein …
Sucht man nach Wörtern, die dieses sog. Genus-Sexus-Prinzip »verletzen«, stößt man dahinter auf Personen, die den üblichen Rollenerwartungen nicht nachkommen, z.B. auf schwule Männer (die Memme, die Schwuchtel, die Tunte) und auf sich »zu« männlich gerierende Frauen (der Vamp, der Drache). Für nicht rollenkonforme Frauen wird jedoch noch öfter etwas anderes gewählt, und zwar das dritte Genus, das Neutrum. Es enthält (im Vergleich zu den beiden anderen Genera) mit Abstand die wenigsten Personenbezeichnungen, scheint also tatsächlich eine Art »sächliches« Genus zu sein.
In diesem Beitrag stelle ich Ihnen zunächst einige interessante Forschungsergebnisse zum Status der Neutra im deutschen Sprachsystem vor — sie sind nämlich kaum wertneutral auf erwachsene Menschen anwendbar und ballen sich besonders dort, wo man schlecht über Frauen spricht. Wenn Sie aber zum Beispiel von der Mosel, aus der Eifel oder dem Hunsrück kommen, kennen Sie vielleicht ganz alltägliche, neutral gemeinte Wörter für Frauen: Die Rufnamen. Da schreibt das Sabine dem Franziska eine SMS, weil das Hanna ihm etwas mitbringen soll, und abwertend ist das nicht gemeint. Benutzt man das Neutrum allerdings für Familiennamen von Frauen, die mächtig sind, politisch eine große Rolle spielen, bekommt es einen ganz anderen Beiklang: Über das Merkel lässt sich nicht ohne böse Absicht sprechen. Wie kommt es, dass Neutra einerseits so negativ, andererseits aber neutral oder gar positiv auf Frauen bezogen werden können? Beides lässt sich auf eine gemeinsame Erklärung zurückführen, die in unseren Gesellschaftsstrukturen wurzelt.