Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (APUZ 9–11/2014) mit dem Thema „Leichte und Einfache Sprache“ ist seit gestern online verfügbar. ((Das Heft kommt am Montag als Beilage der Wochenzeitung „Das Parlament“ und kann dann auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung bestellt werden)) Neben fünf anderen Autor/innen bin auch ich mit einem Beitrag vertreten, in dem ich versuche, eine sprachwissenschaftliche Einordnung der „Leichten Sprache“ vorzunehmen. Hier die Einleitung: Weiterlesen
Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch
Eine Straße für Nelson Mandela
[Hinweis: Der folgende Text enthält Beispiele rassistischer Sprache.] Weiterlesen
Tag der Muttersprache 2014
Heute ist der Internationale Tag der Muttersprache. Anders als der von Sprachnörglern erfundene „Tag der Deutschen Sprache“ handelt es sich dabei um einen offiziellen Gedenktag, mit dem die UNESCO an das rapide fortschreitende Sprachsterben erinnern will: Von den sechs- bis siebentausend Sprachen, die derzeit auf der Welt gesprochen werden, werden mehr als die Hälfte in den nächsten hundert Jahren verschwinden. Weiterlesen
Sacharbeit, zurückkehren zur
Wenn Thomas Oppermann Dinge beendet, dann tut er das sprachlich etwas raffinierter als Ronald Pofalla. Die Diskussion darum, ob nach dem Rücktritt des CSU-Landwirtschaftsministers Hans-Peter Friedrich auch die SPD personelle Konsequenzen ziehen müsse, beantwortet er so:
Wir werden zur Sacharbeit zurückkehren und nicht Dinge verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben. [NDR.de, 18.2.2014]
Damit bedient er sich einer Redewendung, die so sprichwörtlich ist, dass der Duden sie als Beispiel für die korrekte Verwendung des Wortes Sacharbeit nennt: Weiterlesen
Wikipedia und die starken Männer
Dass die Wikipedia ein Frauenproblem hat (nämlich: dass sie hauptsächlich, nämlich zu etwa neunzig Prozent von Männern editiert wird), ist seit Jahren Thema in den Medien. Für die Wikimedia-Foundation ist es Anlass zur Sorge, die Lösung wird darin gesehen, Frauen gezielter zu umwerben und Angebote zu schaffen, durch die sie sich sicherer und willkommener fühlen.
Zwei deutsche Wikipedianutzer haben sich nun anscheinend Gedanken gemacht, wie sie ganz persönlich bei der Lösung des Männerproblems, und einem Vorschlag entwickelt, über den ab heute Abend 18:00 Uhr ein Meinungsbild eingeholt werden soll: Weiterlesen
Steine im Glashaus, oder: das #Gategate
Wenn wir den „Anglizismus des Jahres“ bekanntgeben, sind zwei Reaktionen sicher wie das Amen in der Kirche. Erstens: „Das Wort habe ich noch nie gehört“. Zweitens: „Das Wort ist doch uralt, was soll daran interessant sein.“ Das liegt vermutlich daran, dass die „Sprachgemeinschaft“ eher aus vielen kleinen Sprachcliquen besteht, die einander sprachlich nur am Rande wahrnehmen: Was für die einen ein altbekanntes Lehnwort ist, haben andere noch nie gehört.
In diesen Reigen reiht sich dieses Jahr zum ersten Mal ein Major Player ein: Die Gesellschaft für deutsche Sprache, die unsere Wörterwahl bislang geflissentlich ignoriert hat. In einer Pressemitteilung lassen sie wissen, dass ihnen unsere Wahl so überhaupt nicht zusagt. Zwar spreche aus ihrer Sicht „nichts dagegen, den Anglizismen eine eigene „Wort des Jahres“-Aktion zu widmen“ – vielen Dank, das beruhigt uns ungemein – aber gegen unseren diesjähriger Sieger -gate spreche dafür umso mehr:
Herausgekommen ist in diesem Jahr mit dem Suffixoid ‑gate allerdings ein Wort (besser gesagt: Wortbestandteil), das es im Deutschen bereits seit 1972 gibt, entlehnt im Zusammenhang mit dem Watergate-Skandal. Im Anglizismenwörterbuch von Broder Carstensen aus dem Jahr 1993 wird ‑gate mit der allgemeinen Bedeutung „Skandal“ auch bereits als im Deutschen produktiv und reihenbildend beschrieben. […]
Unklar an der Wahl von -gate zum Anglizismus des Jahres bleibt jedoch, warum die zunehmende Verwendung ausgerechnet für das Jahr 2013 so besonders charakteristisch sein soll. […] -gate ist im deutschen Sprachgebrauch wohl spätestens mit der Verwendung im CDU-Spendenskandal im Jahr 2000 angekommen und insofern eben kein aktuelles Beispiel für einen neu ins Deutsche integrierten Anglizismus, sondern ein alter Hut.
Der Fokus hat die Meldung aufgegriffen und zu einem „Zoff zwischen Sprach-Wissenschaftlern“ hochstilisiert. Ihr wollt Zoff? Ihr bekommt Zoff.
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And the Winner is: ‑gate
Als das Wort Watergate 1972 ins Deutsche entlehnt wurde, war es nur der Name einer bestimmten politischen Affäre: Der republikanische US-Präsident Richard Nixon hatte das im Watergate Building beheimatete Hauptquartier der gegnerischen Demokraten abhören lassen. Dass er dafür 1974 zurücktreten musste, können wir uns angesichts der politischen Konsequenzlosigkeit des aktuellen Dauer-Abhörskandals kaum noch vorstellen – so wie sich damals niemand hätte vorstellen können, dass die letzte Silbe des Eigennamens Watergate vierzig Jahre später zum deutschen Anglizismus des Jahres gekürt werden würde.
Und um ein Haar wäre es dazu auch nie gekommen, denn zunächst schien es für die deutsche Sprachgemeinschaft keinen Grund zu geben, den Wortbestandteil -gate herauszulösen. Stattdessen sah es eher so aus, als könnte sich das Wort Watergate im Ganzen als allgemeine Bezeichnung für politische Skandale durchsetzen. Frühe Treffer im Deutschen Referenzkorpus beziehen sich zum Beispiel auf ein französisches, philippinisches oder englisches Watergate, ein Hamburger oder Bonner Watergate, und (wohl in Anlehnung an das zum allgemeinen Wort für eine Niederlage gewordenen Waterloo) sogar davon, dass jemand vor seinem Watergate stehe. Weiterlesen
Anglizismus 2013: Publikumsabstimmung
Fast drei Monate lang hat die Jury Nominierungen gesichtet und die aussichtsreichsten Wortkandidaten ausführlich auf ihre Tauglichkeit geprüft, Anglizismus des Jahres 2013 zu werden. Aus fast hundert Bewerbungen wurden zunächst die sechzehn Wörter ausgewählt, die den Kriterien am besten entsprachen, die also a) ganz oder teilweise aus englischem Wortmaterial bestehen, b) im Jahr 2013 in den Sprachgebrauch einer breiteren Öffentlichkeit gelangt sind, und c) auf interessante Weise eine Lücke im deutschen Wortschatz füllen. Nach einer ausführlichen Diskussion dieser sechzehn Wörter schickt die Jury nun elf Kandidaten in die Endrunde. Während sie hinter verschlossenen Türen hitzig debattiert, um pünktlich am 28. Januar 2014 das Ergebnis verkünden zu können, läuft bis Donnerstag auch die Publikumsabstimmung, bei der Sie Ihren persönlichen Liebling wählen können.
Hier noch einmal die elf Wortkandidaten im Überblick, mit Links zu den entsprechenden Blogbeiträgen im Sprachlog und lexikografieblog und dem Fazit der Jurymitglieder, die sich das jeweilige Wort näher angesehen haben. Weiterlesen
Unwort des Jahres 2013: Sozialtourismus
Die „Sprachkritische Aktion“ hat das Unwort des Jahres 2013 bekannt gegeben: Sozialtourismus. Beim Sprachlog sind wir ja notorische Nörglerinnen, wenn es um anderer Leute Wörterwahlen geht, aber an der Arbeit der Unwort-Jury haben wir wenig auszusetzen, seit Nina Janich, Sprachwissenschaftlerin an der TU Darmstadt, den Vorsitz übernommen hat.
Um Unwort des Jahres zu werden, muss ein Wort „gegen das Prinzip der Menschenwürde“ oder „Prinzipien der Demokratie verstoßen“ oder „einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren“, und es muss „euphemistisch, verschleiernd oder gar irreführend“ sein. Auf das unsägliche Döner-Morde (2011), traf das auch aus unserer Sicht klar zu, und auch beim perfiden Opfer-Abo waren wir im Prinzip einer Meinung mit der Jury. Weiterlesen
Kandidatinnen für den Anglizismus des Jahres 2013: Cyber–
Schon im letzten Jahr war mit -gate neben einer Reihe von Wörtern auch ein Affix für den Anglizismus des Jahres nominiert, also ein Wortbildungselement, das nicht (oder nicht vorrangig) alleine steht, sondern an ein existierendes Wort angefügt wird, um ein neues abzuleiten. In diesem Jahr sind gleich drei Affixe auf der Shortlist: das Suffix -gate als Wiedergänger, und erstmals nominiert die Präfixe Fake– (von Susanne hier diskutiert und Cyber–. Um letzteres geht es in diesem Beitrag.
Als eigenständiger Wortkandidat ist Cyber- zwar neu nominiert, aber das Präfix war schon 2011 quasi als Beifahrer der Wörter Cyberwar/Cyberkrieg mit im Rennen. Damals konnte ich zeigen, dass diese Wörter, obwohl sie manchen vielleicht zu alt erschienen, erst in den Jahren 2010–2011 einen Häufigkeitsanstieg erfuhren, der auf eine Verwendung außerhalb kleiner spezialisierter Gruppen hinwies. Die Wörter waren also ernsthafte Anwärter auf den Titel, schafften es am Ende aber weder in der Publikumsabstimmung noch in der Entscheidung der Jury unter die Top 3.
Die Frage, ob das Präfix Cyber- neu genug ist, um im laufenden Jahr eine Chance auf den Titel zu haben, lässt sich deutlich schwerer beantworten, denn im Falle eines Affixes zählt ja für die Frage der Verbreitung nicht so sehr das erste Auftreten eines Wortes oder die Gesamthäufigkeit aller Wörter, in dem bzw. in denen es enthalten ist. Vielmehr ist entscheidend, wie produktiv das Affix zur Bildung von Wörtern eingesetzt wird und wie sich diese Produktivität entwickelt hat. Auf diese Frage werde ich mich konzentrieren, aber natürlich erst, nachdem ich die Vorgeschichte des Präfixes Cyber- im Englischen geklärt habe (wer an der nicht interessiert ist, kann den folgenden Abschnitt überspringen). Weiterlesen