Archiv des Autors: Anatol Stefanowitsch

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

Der Name der Windrose

Von Anatol Stefanowitsch

Dass Frauen sys­tem­a­tisch unter­schätzt wer­den, ist ja nichts Neues, aber dass Orkane unter­schätzt wer­den, wenn sie weib­liche Namen haben, klingt zunächst wie ein schlechter Scherz aus der Rumpelka­m­mer des Patriarchats.

Genau das haben amerikanis­che Forscher/innen aber her­aus­ge­fun­den. In der in den Pro­ceed­ings of the Nation­al Acad­e­my of Sci­ence erschiene­nen Studie „Female hur­ri­canes are dead­lier than male hur­ri­canes“ [PDF, Bezahlschranke] stellt das Team um den Dok­toran­den Kiju Jung von der Uni­ver­si­ty of Illi­nois at Urbana Cham­paign zunächst die Ergeb­nisse ein­er Archivs­tudie vor, für die sie alle atlantis­chen Orkane aus­gew­ertet haben, die zwis­chen 1950 und 2012 auf das nor­damerikanis­che Fes­t­land getrof­fen sind. Sie fan­den her­aus, dass starke Orkane mit weib­lichen Namen sig­nifikant mehr Todes­opfer fordern als solche mit männlichen Namen – und das, obwohl sie die beson­ders starken Stürme Audrey (1957, 416 Tote) und Kat­ri­na (2005, 1833 Tote) vor­sicht­shal­ber unberück­sichtigt ließen. Weit­er­lesen

Spähmetaphorik und ihre Grenzen [re:publica]

Von Anatol Stefanowitsch

Auch auf der re:publica wurde natür­lich viel disku­tiert über die Überwachung des Inter­nets durch die Geheim­di­en­ste (diskur­siv immer vertreten durch die NSA) und die Apathie, mit der die über­wälti­gende Mehrheit der Bevölkerung auf diese Überwachung reagiert. Ich sage „natür­lich“, weil dieses The­ma für die Net­zge­meinde seit vie­len Monat­en beherrschend ist, nicht, weil es zwin­gend beson­ders dringlich ein­er Lösung durch die Net­zge­meinde har­rt. ((Wom­it ich nicht sagen will, dass sie kein­er Lösung bedarf, aber es stellt sich natür­lich die Frage, ob es eine solche Lösung über­haupt gibt und ob es, wenn es eine solche Lösung gibt, die Net­zge­meinde oder ihre net­zpoli­tis­chen Organ­i­sa­tio­nen sind, die sie find­en wer­den. Es stellt sich weit­er­hin die Frage, ob das Prob­lem der Überwachung durch Geheim­di­en­ste das dringlich­ste zu lösende Prob­lem der Net­zpoli­tik ist. Ich sage das alles nicht, weil ich gerne überwacht werde oder Überwachung grund­sät­zlich für harm­los halte, son­dern, weil das Fra­gen sind, die meines Wis­sens bis­lang wenig disku­tiert wor­den sind.)) Weit­er­lesen

Sprachpolizeiliche Ermittlungen [re:publica]

Von Anatol Stefanowitsch

Hier nun also das Video meines Vor­trags „Sprach­polizeiliche Ermit­tlun­gen“ von der re:publica 2014, ergänzt um die wichtig­sten im Vor­trag erwäh­n­ten Texte, weit­ere Links und Berichte zum Vor­trag und eine PDF-Datei der Präsentation.

Wichtigste im Vortrag erwähnte Texte

Links

Präsentation

Weitere Vorträge

  • YouTube-Playlist mit weit­eren Vorträ­gen von mir zu den The­men gerechte Sprache, Sprachkri­tik usw.

xkcd: Meinungsfreiheit

Von Anatol Stefanowitsch

Die Geschichte des Rechts auf freie Mei­n­ungsäußerung im Inter­net ist eine Geschichte voller Missver­ständ­nisse. Zum Glück gibt es ja den stets um Aufk­lärung bemüht­en Ran­dall Munroe alias xkcd, dessen Erläuterun­gen wir hier in deutsch­er Über­set­zung präsentieren:

xkcd über Meinungsfreiheit

Mei­n­ungs­frei­heit

Die Mei­n­ungs­frei­heit in Deutsch­land wird übri­gens durch fol­gende lesenswerte Geset­ze geregelt:

Eine kürzere Erk­lärung des Konzepts der Mei­n­ungs­frei­heit habe ich übri­gens vor einiger Zeit auf meinem pri­vat­en Blog veröf­fentlicht.

Der Beitrag ste­ht, wie das Orig­i­nal, unter ein­er CC-BY-NC-Lizenz. (Bilder und Orig­inal­text: © 2014 by Ran­dall Munroe; über­set­zter Text © 2014 Ana­tol Stefanowitsch).

Aprilscherz 2014 aufgelöst

Von Anatol Stefanowitsch

Achtung: Wer bei unserem Aprilscherz-Rät­sel von Gestern noch mitrat­en will, sollte sich schnell dor­thin begeben und erst dann hier weiterlesen.

Absoluter Favorit war die Geschichte mit den infek­tiösen Ver­schlus­slaut­en, gefol­gt von der Lautver­schiebung durch Höhen­luft. Den drit­ten Platz teil­ten sich die vokalhar­monisch fried­fer­ti­gen Finn/innen mit der durch Reibelaute aus­gelösten Aggres­sion. Damit ist es mir anders als in den let­zten zwei Jahren endlich wieder ein­mal gelun­gen, den Aprilscherz erfol­gre­ich zu verstecken.

Hier die vier Geschicht­en und die Auflö­sung: Weit­er­lesen

April, April (2014)

Von Anatol Stefanowitsch

Wie in jedem Jahr präsen­tieren wir heute einen sprach­lichen Aprilscherz, und wie in jedem Jahr haben wir ihn zwis­chen drei Behaup­tun­gen ver­steckt, die in der älteren oder neueren Geschichte der Sprach­wis­senschaft tat­säch­lich vertreten wur­den. Um es schw­er­er zu machen, haben wir in diesem Jahr allerd­ings auss­chließlich solche Behaup­tun­gen zusam­mengestellt, die sich als falsch her­aus­gestellt haben.

Find­en Sie den Aprilscherz (ohne zu googeln)? Geben Sie Ihren Tipp in den Kom­mentaren ab, die Auflö­sung gibt es mor­gen. In die Kom­mentare bitte nur Ver­mu­tun­gen und Argu­mente, keine Links auf Quellen, um den Rates­paß nicht zu verderben.
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Männer sind Norm, Frauen sind Ideologie

Von Anatol Stefanowitsch

Geschlechterg­erechte Sprache ist nicht nur ein gesellschaftlich kon­tro­ver­s­es The­ma – kein Wun­der in ein­er Gesellschaft, in der der Mann immer noch als Norm gilt –, son­dern vor allem auch eines, über das sich viele Men­schen schlicht noch nie Gedanken gemacht haben – eben­falls kein Wun­der in ein­er Gesellschaft, in der der Mann immer noch als Norm gilt. Es ist deshalb klar, dass man nicht automa­tisch vom Schlimm­sten aus­ge­hen sollte, wenn jemand gegen geschlechterg­erechte Sprache argu­men­tiert und etwa behauptet, das „gener­ische“ Maskulinum sei unprob­lema­tisch, da ja alle wüssten, dass dabei auch Frauen ein­be­zo­gen sind, und jede Abwe­ichung von dieser sprach­lichen Form würde Texte nur unles­bar machen. Die- oder der­jenige kön­nte ja ein­fach aus ein­er Unken­nt­nis des The­mas so argumentieren.

Das kön­nte auch für das „Komi­tee zur Regelung des Schriftverkehrs“ des Aus­tri­an Stan­dards Insti­tute gel­ten, das in einem Entwurf für eine Über­ar­beitung ÖNORM A 1080 („Richtlin­ien für die Textgestal­tung“) vorschlägt, das „gener­ische“ Maskulinum tat­säch­lich zur Norm zu erheben und damit alle For­men geschlechterg­erechter Sprache für inko­r­rekt zu erk­lären (wir berichteten).

Als die öster­re­ichis­che Sprach­wis­senschaft­lerin und Lek­torin Karin Wetschanow, Mitau­torin eines Leit­fadens für geschlechterg­erechte Sprache des öster­re­ichis­chen Bun­desmin­is­teri­ums für Bil­dung, Wis­senschaft und Kul­tur (PDF) dem Komi­tee in der Wiener Zeitung vor­warf, „von ein­er ‚antifem­i­nis­tis­chen Ide­olo­gie‘ geprägt zu sein und auf die Exper­tise maßge­blich­er Wis­senschaftler verzichtet zu haben“, war ich zunächst sehr skep­tisch. Weit­er­lesen

Der Mann als Norm

Von Anatol Stefanowitsch

Vor eini­gen Wochen haben wir hier über den Ver­such zweier Wikipedia-Autoren berichtet, das soge­nan­nte „gener­ische“ Maskulinum (also die patri­ar­chale Prax­is, männliche Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen „geschlecht­sneu­tral“ zu ver­wen­den) als all­ge­meinen Stan­dard festzule­gen (in der Abstim­mung scheit­erte dieser Ver­such spek­takulär, was entwed­er darauf hin­weist, dass die Wikipedianer/innen ins­ge­samt mehr Bewusst­sein für diskri­m­inierende Sprach­struk­turen haben als gemein­hin angenom­men, oder dass sie Vorschriften noch mehr has­sen als geschlechterg­erechte Sprache).

Aktuell ver­sucht nun das Aus­tri­an Stan­dards Insti­tute, densel­ben Taschen­spiel­er­trick abzuziehen. Wie der Vere­in öster­re­ichis­ch­er Juristin­nen berichtet, schlägt das ASI im aktuellen Entwurf für die ÖNORM A 1080 („Richtlin­ien für die Textgestal­tung“) vor, „auf weib­liche For­men zu verzicht­en und stattdessen mit­tels Gen­er­alk­lauseln klarzustellen, dass Frauen in der männlichen Form mit­ge­meint seien.“ Auch das Binnen‑I und die in Öster­re­ich üblichen weib­lichen For­men für akademis­che Titel (z.B. Dr.in, Prof.in) sollen nach der Vorstel­lung des ASI als inko­r­rekt gel­ten. „Auf weib­liche For­men könne in schriftlichen Tex­ten verzichtet wer­den, denn männliche For­men wür­den für bei­de Geschlechter gel­ten, so die Empfehlung.“ Weit­er­lesen

Samstags verharmlost man Gewalt gegen Frauen

Von Anatol Stefanowitsch

Das ZDF wird seinen Bil­dungsauf­trag ja schon länger auf etwas eigen­willige Weise gerecht: Man ver­hält sich möglichst igno­rant sex­is­tisch und ras­sis­tisch und reagiert auf Kri­tik entwed­er gar nicht, oder, indem man sich lustig macht. Höhep­unk­te der sex­is­tis­chen Grund­bil­dung waren zum Beispiel Joko Win­ter­schei­dts sex­ueller Über­griff auf eine Messemi­tar­bei­t­erin im Rah­men ein­er „Mut­probe“ oder der Werbespot für die Frauen-Fußball­welt­meis­ter­schaft 2013, bei dem aus Bal­lza­uber ein Ball­sauber wurde, bildlich umge­set­zt durch eine Fußball­spielerin, die einen Fußball in der Waschmas­chine wäscht. Zur Aus­bil­dung von All­t­agsras­sis­ten trug zulet­zt Markus Lanz bei, als er bei „Wet­ten dass“ zum unter­halt­samen Black­face aufrief.

Der neueste Geniestre­ich des ZDF ist nun eine Wer­bekam­pagne für den „Sam­stagskri­mi“. Die Kam­pagne beste­ht aus fünf Motiv­en (zweimal Print und dreimal „Ambi­ent“, sowie einem Fernsehspot, der mehrere dieser Motive kom­biniert). Jedes Motiv beste­ht aus ein­er bekan­nten Redewen­dung, die durch die Bebilderung dop­peldeutig wird. Weit­er­lesen

Heiße Mohr, will nichts verstehen

Von Anatol Stefanowitsch

Es gibt die ganz nor­male Denk­faul­heit. Es gibt mutwillige Igno­ranz. Und dann gibt es noch das deutsche Feuil­leton – erfun­den, damit Denk­faul­heit und mutwillige Igno­ranz nicht so schlecht dastehen.

Ein Beispiel? Na gut:

Ges­tat­ten, mein Name ist Mohr. Rein­hard Mohr. Mohr mit o‑h, wohlge­merkt. Nie habe ich Stamm­baum­forschung oder Ety­molo­gie betrieben, aber soviel weiß ich: Mohr kommt von Mau­re, ein ursprünglich griechis­ches Wort, das dunkel- und schwarzhäutige Men­schen beze­ich­net. Ich aber bin weiß.

In einem einzi­gen kurzen Absatz verdeut­licht Rein­hard Mohr für das Deutsch­landra­dio Kul­tur hier das Kern­prinzip des Feuil­letons. Erstens: „Es geht um mich, mich, mich!“ Zweit­ens: „Natür­lich habe ich nicht recher­chiert.“ Drit­tens: „Trotz­dem erk­läre ich euch Gut­men­schen jet­zt gle­ich mal, wo der große weiße Ham­mer hängt.“ Weit­er­lesen